Deblockierung der Europapolitik
- ShortId
-
93.451
- Id
-
19930451
- Updated
-
10.04.2024 14:22
- Language
-
de
- Title
-
Deblockierung der Europapolitik
- AdditionalIndexing
-
freie Schlagwörter: Internationales Übereinkommen;freie Schlagwörter: EU;freie Schlagwörter: EWR;freie Schlagwörter: EFTA;freie Schlagwörter: EG;freie Schlagwörter: Wirtschaft;freie Schlagwörter: Wirtschaftsstandort Schweiz
- 1
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- PriorityCouncil1
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Nationalrat
- Texts
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- <p>1. Die negativen Folgen des EWR-Neins werden immer deutlicher</p><p>Am 6. Dezember 1992 haben Volk und Stände die Unterzeichnung des EWR-Vertrages abgelehnt. In der stark emotionalisierten Abstimmungskampagne haben die Aengste der Bevölkerung vor einer unkontrollierten Zuwanderung, vor sinkenden Löhnen, vor einer Minderung der demokratischen Volksrechte und vor einem Abbau des Umweltschutzes wohl den Ausschlag gegeben.</p><p>Heute, ein knappes Jahr später, stellt sich die Situation jedoch anders dar und die negativen </p><p>Folgen des ablehnenden Volksentscheides werden immer deutlicher sichtbar:</p><p>- Es zeigt sich, dass der Weg über bilaterale Verhandlungen entweder blockiert ist oder der Schweiz wesentlich mehr Nachteile als Vorteile bringen wird. Beispielsweise verlangt die EG bereits als Zugeständnis für die Eröffnung von Verhandlungen über ein Strassen- und Luftverkehrsabkommen die Oeffnung der Schweiz für 40-Tonnen Lastwagen und den freien Personenverkehr für alle EWR-Bürgerinnen und Bürger.</p><p>- Die Diskriminierung der schweizerischen Wirtschaft durch EG/EWR könnte möglicherweise zu einer für unser Land verheerenden Abwanderung von Arbeitsplätzen führen.</p><p>- Die Landwirtschaft gerät ohne EWR und unter dem Diktat des GATT unter stärkeren Deregulierungsdruck und Zehntausende von Bauernbetrieben sind in ihrer Existenz bedroht.</p><p>- Für weitergehende Umweltschutzmassnahmen sind in der Schweiz heute keine politischen Mehrheiten mehr zu finden. Die EG dürfte uns in dieser Hinsicht in den kommenden Jahren sogar überholen.</p><p>- Praktisch alle Nachteile, die mit dem EWR verbunden waren (Verlust an politischer Handlungsfähigkeit, Anpassung an EG-Normen ohne Mitbestimmung etc.), erleiden wir heute auch ohne dieses Vertragswerk. Dagegen sind wir der Vorteile (freier Marktzugang, gleich lange Spiesse für die Exportwirtschaft, Autonomie in der Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik etc.) verlustig gegangen.</p><p>2. Warum ein neuer Anlauf in zwei Stufen?</p><p>In der Zwischenzeit wurde eine Volksinitiative (geboren am 7. Dezember) eingereicht, die eine Wiederholung der EWR-Abstimmung verlangt. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wird eine andere Volksinitiative in absehbarer Zeit eingereicht werden, welche den Entscheid des Bundesrates, EG-Beitrittsverhandlungen zu führen, einem (möglichst negativen) Volksentscheid unterwerfen will. Das EG und EWR-Thema ist somit nicht vom Tisch und weitere Abstimmungen werden folgen.</p><p>Dem Bundesrat selbst sind heute die Hände doppelt gebunden. Einerseits kann er selber keine neuen Initiativen in Richtung EWR ergreifen, weil er sich damit sofort dem Vorwurf aussetzen würde, den Volkswillen nicht zu respektieren. Andrerseits stehen für weiterführende Verhandlungen in Richtung EG-Vollbeitritt, wie sie kürzlich vom Bundesrat als Strategie präsentiert wurden, die Zeichen äusserst schlecht. Man muss davon ausgehen, dass ein EG-Beitritt der Schweiz auf absehbare Zeit völlig undenkbar ist und nie eine zustimmende Mehrheit des Volkes finden wird. Ein EG-Beitritt, der u.a. mit einer Aufgabe der Neutralität, einer Delegation von sicherheitspolitischen Befugnissen, einer Aufgabe der eigenen Währung und der Oeffnung der Agrarmärkte für die europäischen Konkurrenten verbunden wäre, stellt eine ungleich höhere Hürde dar, als vergleichsweise harmloser Beitritt zum EWR. Wer den Weg nach Europa nachhaltig blockieren will, muss eine EG-Beitritts-Abstimmung provozieren.</p><p>Wir schlagen dagegen ein sanftes Vorgehen in zwei Schritten vor:</p><p>1. In einem ersten Schritt soll das Volk entscheiden, ob es dem Bundesrat den Auftrag erteilen will, den EWR-Vertrag neu auszuhandeln und die politischen Lehren aus der Abstimmung vom 6. Dezember 1992 zu ziehen. Bei einem positiven Abstimmungsentscheid bekommt der Bundesrat die Handlungsfreiheit zurück und kann eine innen- und aussenpolitisch ausgewogene EWR-Vorlage ausarbeiten. Bei einem negativen Entscheid bleiben wir etwa beim Status quo.</p><p>2. in einem zweiten Schritt wird das Volk binnen eines Jahres über eine neue Vorlage entscheiden können, die ausgewogen ist und die innenpolitischen Möglichkeiten optimal nutz, unerwünschte Nebenwirkungen mit inneren Reformen aufzufangen.</p><p>Dieses Vorgehen weist einige ganz entscheidende Vorteile auf:</p><p>- Die gefährliche Blockierung der Europapolitik wird beendet.</p><p>- Niemand wird Bundesrat und Parlament den Vorwurf machen können, sie würden am Volk vorbei, oder sogar gegen den Volkswillen politisieren.</p><p>- Die Europa- und EWR-Diskussion wird neu geführt und nicht erst in einem Moment, da es um den endgültigen Entscheid geht.</p><p>- Erteilt das Volks dem Bundesrat in einer Abstimmung ein neues Verhandlungsmandat, wird die EG die Schweizerische Verhandlungsdelegation wieder ernst nehmen, was heute nicht mehr der Fall ist. Die EG-Mitglieder sind an einem Schweizerischen Alleingang nicht interessiert und werden ihrerseits Mittel und Wege finden, dem Schweizer Volk zu helfen, seine Bedenken zu überwinden.</p><p>- Die Schweiz kann relativ schnell nach den EG-Volksabstimmungen in Norwegen, Schweden und Oesterreich, die nach heutiger Einschätzung wahrscheinlich negativ ausfallen werden, einen neuen Anlauf in Richtung EWR vors Volks bringen.</p><p>Wenn eine politische Mehrheit will, könnte bereits im Dezember das Parlament eine entsprechende Vorlage beraten. Es ist aber auch denkbar, dass die vorliegende Initiative zu einem Gegenvorschlag zur Initiative "geboren am 7. Dezember" werden könnte. Wichtig ist vor allem, dass in die Europadiskussion eine neue Dynamik hineinkommt und dass ein Projekt vorangetrieben wird, das vor dem Volk eine Mehrheit findet.</p>
- <p>Gestützt auf Art. 21bis des Geschäftsverkehrsgesetzes verlangen die Unterzeichneten in Form einer ausformulierten Parlamentarischen Initiative die Aufnahme eines neuen Artikels 20 in die Uebergangsbestimmungen der Bundesverfassung:</p><p>BV Uebergangsbestimmungen, Art. 20 (neu)</p><p>Um weitere Diskriminierungen zum Nachteil der Schweiz abzuwenden, die Arbeitslosigkeit langfristig zu senken und den Wirtschaftsstandort Schweiz nachhaltig zu stärken führt der Bundesrat Verhandlungen mit der EG, mit dem Auftrag:</p><p>1. dem Volk möglichst schnell eine neue und verbesserte EWR-Vorlage zur Abstimmung zu unterbreiten;</p><p>2. die Bedenken der Bevölkerung, wie sie in der letzten Abstimmung zum Ausdruck gekommen sind, in einem neuen Vertragswerk besser zu berücksichtigen; und</p><p>3. unerwünschte Wirkungen aus einem neuen EWR-Vertrag vorgängig durch geeignete innenpolitische Reformen aufzufangen.</p>
- Deblockierung der Europapolitik
- State
-
Erledigt
- Related Affairs
-
- Drafts
-
-
- Index
- 0
- Texts
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- <p>1. Die negativen Folgen des EWR-Neins werden immer deutlicher</p><p>Am 6. Dezember 1992 haben Volk und Stände die Unterzeichnung des EWR-Vertrages abgelehnt. In der stark emotionalisierten Abstimmungskampagne haben die Aengste der Bevölkerung vor einer unkontrollierten Zuwanderung, vor sinkenden Löhnen, vor einer Minderung der demokratischen Volksrechte und vor einem Abbau des Umweltschutzes wohl den Ausschlag gegeben.</p><p>Heute, ein knappes Jahr später, stellt sich die Situation jedoch anders dar und die negativen </p><p>Folgen des ablehnenden Volksentscheides werden immer deutlicher sichtbar:</p><p>- Es zeigt sich, dass der Weg über bilaterale Verhandlungen entweder blockiert ist oder der Schweiz wesentlich mehr Nachteile als Vorteile bringen wird. Beispielsweise verlangt die EG bereits als Zugeständnis für die Eröffnung von Verhandlungen über ein Strassen- und Luftverkehrsabkommen die Oeffnung der Schweiz für 40-Tonnen Lastwagen und den freien Personenverkehr für alle EWR-Bürgerinnen und Bürger.</p><p>- Die Diskriminierung der schweizerischen Wirtschaft durch EG/EWR könnte möglicherweise zu einer für unser Land verheerenden Abwanderung von Arbeitsplätzen führen.</p><p>- Die Landwirtschaft gerät ohne EWR und unter dem Diktat des GATT unter stärkeren Deregulierungsdruck und Zehntausende von Bauernbetrieben sind in ihrer Existenz bedroht.</p><p>- Für weitergehende Umweltschutzmassnahmen sind in der Schweiz heute keine politischen Mehrheiten mehr zu finden. Die EG dürfte uns in dieser Hinsicht in den kommenden Jahren sogar überholen.</p><p>- Praktisch alle Nachteile, die mit dem EWR verbunden waren (Verlust an politischer Handlungsfähigkeit, Anpassung an EG-Normen ohne Mitbestimmung etc.), erleiden wir heute auch ohne dieses Vertragswerk. Dagegen sind wir der Vorteile (freier Marktzugang, gleich lange Spiesse für die Exportwirtschaft, Autonomie in der Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik etc.) verlustig gegangen.</p><p>2. Warum ein neuer Anlauf in zwei Stufen?</p><p>In der Zwischenzeit wurde eine Volksinitiative (geboren am 7. Dezember) eingereicht, die eine Wiederholung der EWR-Abstimmung verlangt. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wird eine andere Volksinitiative in absehbarer Zeit eingereicht werden, welche den Entscheid des Bundesrates, EG-Beitrittsverhandlungen zu führen, einem (möglichst negativen) Volksentscheid unterwerfen will. Das EG und EWR-Thema ist somit nicht vom Tisch und weitere Abstimmungen werden folgen.</p><p>Dem Bundesrat selbst sind heute die Hände doppelt gebunden. Einerseits kann er selber keine neuen Initiativen in Richtung EWR ergreifen, weil er sich damit sofort dem Vorwurf aussetzen würde, den Volkswillen nicht zu respektieren. Andrerseits stehen für weiterführende Verhandlungen in Richtung EG-Vollbeitritt, wie sie kürzlich vom Bundesrat als Strategie präsentiert wurden, die Zeichen äusserst schlecht. Man muss davon ausgehen, dass ein EG-Beitritt der Schweiz auf absehbare Zeit völlig undenkbar ist und nie eine zustimmende Mehrheit des Volkes finden wird. Ein EG-Beitritt, der u.a. mit einer Aufgabe der Neutralität, einer Delegation von sicherheitspolitischen Befugnissen, einer Aufgabe der eigenen Währung und der Oeffnung der Agrarmärkte für die europäischen Konkurrenten verbunden wäre, stellt eine ungleich höhere Hürde dar, als vergleichsweise harmloser Beitritt zum EWR. Wer den Weg nach Europa nachhaltig blockieren will, muss eine EG-Beitritts-Abstimmung provozieren.</p><p>Wir schlagen dagegen ein sanftes Vorgehen in zwei Schritten vor:</p><p>1. In einem ersten Schritt soll das Volk entscheiden, ob es dem Bundesrat den Auftrag erteilen will, den EWR-Vertrag neu auszuhandeln und die politischen Lehren aus der Abstimmung vom 6. Dezember 1992 zu ziehen. Bei einem positiven Abstimmungsentscheid bekommt der Bundesrat die Handlungsfreiheit zurück und kann eine innen- und aussenpolitisch ausgewogene EWR-Vorlage ausarbeiten. Bei einem negativen Entscheid bleiben wir etwa beim Status quo.</p><p>2. in einem zweiten Schritt wird das Volk binnen eines Jahres über eine neue Vorlage entscheiden können, die ausgewogen ist und die innenpolitischen Möglichkeiten optimal nutz, unerwünschte Nebenwirkungen mit inneren Reformen aufzufangen.</p><p>Dieses Vorgehen weist einige ganz entscheidende Vorteile auf:</p><p>- Die gefährliche Blockierung der Europapolitik wird beendet.</p><p>- Niemand wird Bundesrat und Parlament den Vorwurf machen können, sie würden am Volk vorbei, oder sogar gegen den Volkswillen politisieren.</p><p>- Die Europa- und EWR-Diskussion wird neu geführt und nicht erst in einem Moment, da es um den endgültigen Entscheid geht.</p><p>- Erteilt das Volks dem Bundesrat in einer Abstimmung ein neues Verhandlungsmandat, wird die EG die Schweizerische Verhandlungsdelegation wieder ernst nehmen, was heute nicht mehr der Fall ist. Die EG-Mitglieder sind an einem Schweizerischen Alleingang nicht interessiert und werden ihrerseits Mittel und Wege finden, dem Schweizer Volk zu helfen, seine Bedenken zu überwinden.</p><p>- Die Schweiz kann relativ schnell nach den EG-Volksabstimmungen in Norwegen, Schweden und Oesterreich, die nach heutiger Einschätzung wahrscheinlich negativ ausfallen werden, einen neuen Anlauf in Richtung EWR vors Volks bringen.</p><p>Wenn eine politische Mehrheit will, könnte bereits im Dezember das Parlament eine entsprechende Vorlage beraten. Es ist aber auch denkbar, dass die vorliegende Initiative zu einem Gegenvorschlag zur Initiative "geboren am 7. Dezember" werden könnte. Wichtig ist vor allem, dass in die Europadiskussion eine neue Dynamik hineinkommt und dass ein Projekt vorangetrieben wird, das vor dem Volk eine Mehrheit findet.</p>
- <p>Gestützt auf Art. 21bis des Geschäftsverkehrsgesetzes verlangen die Unterzeichneten in Form einer ausformulierten Parlamentarischen Initiative die Aufnahme eines neuen Artikels 20 in die Uebergangsbestimmungen der Bundesverfassung:</p><p>BV Uebergangsbestimmungen, Art. 20 (neu)</p><p>Um weitere Diskriminierungen zum Nachteil der Schweiz abzuwenden, die Arbeitslosigkeit langfristig zu senken und den Wirtschaftsstandort Schweiz nachhaltig zu stärken führt der Bundesrat Verhandlungen mit der EG, mit dem Auftrag:</p><p>1. dem Volk möglichst schnell eine neue und verbesserte EWR-Vorlage zur Abstimmung zu unterbreiten;</p><p>2. die Bedenken der Bevölkerung, wie sie in der letzten Abstimmung zum Ausdruck gekommen sind, in einem neuen Vertragswerk besser zu berücksichtigen; und</p><p>3. unerwünschte Wirkungen aus einem neuen EWR-Vertrag vorgängig durch geeignete innenpolitische Reformen aufzufangen.</p>
- Deblockierung der Europapolitik
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