Erneuerung des Föderalismus
- ShortId
-
93.3169
- Id
-
19933169
- Updated
-
28.07.2023 07:59
- Language
-
de
- Title
-
Erneuerung des Föderalismus
- AdditionalIndexing
-
- 1
-
- PriorityCouncil1
-
Nationalrat
- Texts
-
- <p>1. Aufgabenteilung</p><p>In unserer föderativen Ordnung gibt es kaum mehr einfache, übersichtliche Arbeitsbeziehungen zwischen Bund und Kantonen. Die Ebenen sind durchmischt, Finanzflüsse und Entscheidungen sind geteilt, die Verantwortung ist nicht abschliessend zugeordnet. Das Netz der Beziehungen ist verschlungen, zu komplex und zu dicht.</p><p>Der Tendenz zur Zentralisierung einerseits und zur Abwertung der Eigenstaatlichkeit der Kantone andererseits ist entgegenzutreten. Die bisherige einseitige Betrachtungsweise des kantonalen Staatswesens lediglich aus einer finanziellen Perspektive des Bundes ist umzukehren. Es gilt heute darzulegen, in welcher Weise die Gliedstaaten eigenverantwortlich und selbständig an der Bewältigung der Staatsaufgaben beizutragen haben.</p><p>Bei einer Entflechtung der Aufgabenverteilung geht es nicht nur darum, eine effiziente Problemlösung anzustreben, sondern auch darum, eine möglichst dezentrale und bürgernahe Rechts- und Staatsordnung zu verwirklichen. Bestehende Kompetenzzersplitterungen und -aufteilungen sind zu beseitigen.</p><p>Eine entscheidende Rolle spielt dabei, dass die Kantone geschlossene und abgerundete Kompetenz- und Verantwortungsbereiche erhalten und dass sie sich zu den einzelnen Aufgabenbereichen äussern können. Sie sollen selbst entscheiden, wie, in welchem Umfang und auf welchen Wegen sie ihre Aufgaben lösen wollen. Die neuen und vielversprechenden Entwicklungen in Deutschland und vor allem in Österreich (vgl. "Politische Vereinbarung über die Neuordnung des Bundesstaates" vom Oktober 1992) sind zu beachten.</p><p>Der Bund soll bei Aufgaben, die dem Gesamtinteresse dienen und einer einheitlichen Legiferierung bedürfen, durch Rahmengesetze eine minimale Koordination und Harmonisierung anstreben. Die Rahmengesetzgebung erscheint als adäquate Form für eine derartige Koordinationsaufgabe und sollte je nach Materie grundsätzliche, sachlich wichtige Kernprobleme im Sinne notwendiger Mindestvorschriften und Zielvorgaben regeln. Den Kantonen soll in jedem Fall der grösstmögliche Handlungsspielraum zur Ausübung ihrer Staatlichkeit gewährt werden.</p><p>Bei neuen, dringlichen Aufgaben ergibt sich in einer Art legislativen Einführungsphase die Möglichkeit, durch zeitlich befristete Bundeskompetenzen für Aufgaben, die eigentlich in den Kompetenzbereich der Kantone fallen, die nötigen Impulse für eine nachhaltig wirkende Regelung der Aufgaben zu geben. Nach Ablauf der vorgesehenen Frist liegt die Zuständigkeit wieder allein bei den Kantonen.</p><p>2. Stärkung des Minderheitenschutzes</p><p>Die Volksabstimmung über den EWR vom 6. Dezember 1992 hat Divergenzen zwischen Welsch- und Deutschschweiz spürbar gemacht, die seit längerer Zeit und in zunehmendem Masse zu registrieren waren. Parallel zur Tatsache, dass die Romandie und das Tessin in eidgenössischen Urnengängen weit überdurchschnittlich überstimmt werden, ist gleichenorts eine rasche zunehmende Stimmabstinenz zu beobachten. Diesen Anzeichen wachsender Desintegration muss durch föderative Mechanismen entgegengewirkt werden, die geeignet sind, den Zusammenhalt unter den Schweizer Kantonen zu stärken.</p><p>Das Vernehmlassungsverfahren kann zum staatspolitischen "Frühwarnsystem" ausgebaut werden, wenn die Vernehmlassungsergebnisse jeweils nach Sprachgebieten gesondert ausgewertet und zusammengefasst werden.</p><p>Es kann dem Zusammenhalt des Landes nur dienen, wenn im parlamentarischen Verfahren einer qualifizierten Mehrheit der Vertreter der lateinischen Sprachgruppe in beiden Räten ein suspensives Veto mit einem anschliessenden speziellen Differenzbereinigungsverfahren eingeräumt wird. Zweck dieses Instruments ist die besondere Bewusstmachung der in einer Vorlage liegenden Minderheitenproblematik. Durch das suspensive Veto geht die Vorlage an die Kommission zurück, welche diese erneut unter spezieller Berücksichtigung des Minderheitenschutzes prüft und Antrag stellt. Aufgrund dieses Antrags schreiten die Räte zur Abstimmung. Darüber hinaus soll eine qualifizierte Minderheit beider Räte die Möglichkeit haben, ein zwingendes Gesetzesreferendum auszulösen. Die Unterschriftensammlung entfällt.</p><p>Das Quorum für ein Kantonsreferendum ist so anzusetzen, dass es dem Quorum für ein Volksreferendum annähernd entspricht. So genügt für ein Volksreferendum ein Prozent aller Stimmberechtigten, hingegen werden für ein Kantonsreferendum 30 Prozent benötig. Von einem Gleichgewicht kann, unter diesen Umständen, kaum die Rede sein. Zu erwägen ist dabei auch, ob die Referendumsfrist für dieses Institut zu velängern ist.</p><p>Das Quorum für die Standesinitiative anderseits sollte erhöht werden, und zwar auf eine höhere Zahl Kantone als dies für das Kantonsreferendum nötig ist. Dafür könnten der Kantonsinitiative die Wirkungen einer Volksinitiative zuerkannt werden. Daneben soll das bisherige Institut der Standesinitiative - vielleicht unter dem weniger irreführenden Namen eines "Standespostulats" - ohne Quorum beibehalten werden.</p><p>3. Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik des Bundes</p><p>Mit der zunehmenden Internationalisierung, besonders der Europäisierung des Rechts, drohen die bisherige verfassungsmässige Kompetenzzuordnung und die Aufgabenteilung im Bereich der Gesetzgebung zwischen Bund und Kantonen ausgehöhlt zu werden.</p><p>Eine substantielle Erneuerung des schweizerischen Föderalismus setzt aus diesen Gründen eine verstärkte und institutionalisierte Mitwirkung der Kantone im Bereich der Aussenpolitik voraus. Die Kantone sind frühzeitig in den nationalen und internationalen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess einzubinden. Mit Artikel 21 des abgelehnten EWR-Genehmigungsbeschlusses wäre dafür, allerdings nur bezogen auf das Gemeinschaftsrecht, eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen worden. Eine solche Verfassungsbestimmung ist zwar nach wie vor wünschbar, hätte jedoch keine konstitutive Wirkung. Der Bund kann auch ohne eine solche ausdrückliche Verfassungsgrundlage ein Gesetz über die Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik schaffen. In der Bundesrepublik und in Österreich laufen im übrigen ähnliche Bestrebungen zum verstärkten Einbezug der Bundesländer. Ein solches institutionelles wie verfahrensmässig (z. B. Stellung des Kontaktgremiums und anderer Direktorenkonferenzen, Vernehmlassungsverfahren, Informations- und Konsultationspflichten und -verfahren, Mitwirkung bei Verhandlungen usw.) umfassendes Mitwirkungsgesetz sollte deshalb unmittelbar an die Hand genommen werden. Die Kantone wären im übrigen schon bei der Erarbeitung des Gesetzestextes einzubeziehen.</p><p>Das Postulat Onken (92.3525), das der Bundesrat entgegengenommen hat, verlangt, dass in "einem Bericht die rechtlichen und institutionellen Handlungsmöglichkeiten" und die "Perspektive einer innovativen 'aussenpolitischen' Rolle der schweizerischen Grenzkantone" ausgelotet und dargestellt werden. Unseres Erachtens ist es jedoch auch geboten, dass die sehr restriktiv formulierte Verfassungsgrundlage nicht nur über den Weg der Auslegung, sondern auch im Wortlaut des Artikels 9 BV den Bedürfnissen unserer Zeit angepasst wird. Eine solche Verfassungsänderung würde im übrigen bei den Kantonen und bei der breiten Öffentlichkeit einen wünschenswerten Bewusstseinsprozess über die Möglichkeiten einer eigenen "Aussenpolitik" der Kantone auslösen. Ein Bericht des Bundesrates, den das Parlament zur Kenntnis nimmt, kann diese Funktion nicht erfüllen.</p><p>4. Institutionelle Verstärkung des Föderalismus</p><p>Obschon heute vielfältige Kontakte zwischen Bund und Kantonen stattfinden, fehlt ein eigentlicher Dialog auf Regierungsebene über grundlegende, beidseits interessierende staats- und regionalpolitischen Fragen. Das heute übliche Vernehmlassungsverfahren ist dafür nicht genügend.</p><p>Die Direktorenkonferenzen sind Fachkonferenzen. Sie können nicht Ersatz sein für ein politisches Forum auf oberster Ebene. Der Ständerat, dessen Mitglieder Volksvertreter sind und ohne kantonale Instruktionen stimmen, kann diese Funktion ebenfalls nicht wahrnehmen. Wir schlagen deshalb vor, unverzüglich eine nationale Regierungskonferenz einzuberufen, welche vom Bundespräsidenten und von einem weiteren Mitglied des Bundesrates geleitet wird, und zu der jeweils der kantonale Regierungspräsident und ein weiteres Mitglied der kantonalen Regierung einzuladen sind. Die Regierungsmitglieder würden die Meinung der kantonalen Regierungen wiedergeben, was eine entsprechende Vorbereitung der Tagung in den Kantonen voraussetzen würde. Es wäre dies eine Art Neuschöpfung einer eidgenössischen Tagsatzung. Eine solche Zusammenkunft sollte vor allem der Aussprache über grundsätzliche Fragen im Verhältnis zwischen Bund und Kantonen sowie über hängige staats- und regionalpolitische Fragen dienen. Zu denken wäre beispielsweise an das Verhältnis zwischen Deutschschweiz und Romandie, an die Problematik des Vollzugs des Bundesrechts, an die Jurafrage oder an Fragen, die in diesem Vorstoss aufgeworfen werden. Eine solche Regierungskonferenz sollte unseres Erachtens in regelmässigen Abständen wiederholt werden.</p><p>Zahlreiche Verwaltungsstellen des Bundes befassen sich heute mit föderalismusrelevanten Fragen. Es fehlt jedoch ein Koordinationsorgan. Die Gefahr der Zersplitterung und der Anwendung unterschiedlicher Kriterien ist daher gegeben. Um künftig eine möglichst wirkungsvolle Koordination und Steuerung der Verwaltungstätigkeit, welche sich auf das föderalistische Gefüge auswirkt, zu erreichen, ist eine hochrangige interdepartementale Arbeitsgruppe einzusetzen oder ein Büro für Föderalismus zu schaffen. Neben ihrer permanenten Koordinationsaufgabe stehen sie dem Bundesrat als Beratungsorgan zu Verfügung.</p>
- <p>Der Föderalismus ist eines der tragenden Prinzipien unserer staatlichen Ordnung. Er hat nicht nur das geschichtliche Werden unseres Staates überhaupt ermöglicht und geprägt, sondern ist auch für die Zukunft unseres Landes von erstrangiger Bedeutung.</p><p>Die föderalistische Struktur berücksichtigt die sprachliche, konfessionelle, geographische und wirtschaftliche Vielfalt unseres Landes; sie verhindert übermässige Machtballungen, schafft mehr Möglichkeiten für direktdemokratische Mitwirkung, fördert die Transparenz und Bürgernähe staatlichen Handelns und erlaubt, regionalen Interessen und Problemen besser Rechnung zu tragen. Anderseits stellt die bundesstaatliche Kompetenzverteilung aber auch sicher, dass gemeinsame Anliegen mit vereinten Kräften angegangen werden können, und ermöglicht dem Bund die Wahrung der Interessen unseres Landes nach aussen.</p><p>Der Bundesrat misst deshalb der Erhaltung und der zukunftsgerichteten Weiterentwicklung des Föderalismus hohe Bedeutung zu. Er unterstützt insbesondere alle Bestrebungen, das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen aus einer Gesamtschau neu zu würdigen und zu klären, soweit dadurch der Wille zu staatlicher Einheit und die Möglichkeit zur koordinierten Lösung gemeinsamer Probleme nicht beeinträchtigt werden. Der Bundesrat ist sich dabei bewusst, dass die föderalistische Struktur zum Teil auch mit einer gewissen Schwerfälligkeit verbunden ist; sie kann Entscheidungsprozesse erschweren und Kosten verursachen. Gerade auch aus diesem Grund erachtet er die zweckmässige und zeitgerechte Ausgestaltung des föderalistischen Zusammenwirkens und der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen als eine Daueraufgabe, die immer wieder neu in Angriff zu nehmen ist.</p><p>Eine solche Gesamtschau und Neubeurteilung der föderalistischen Zusammenarbeit hat der Bundesrat auch im Rahmen der Phase 2 der Regierungsreform (Staatsleitungsreform) angekündigt. Im Vordergrund stehen zurzeit unter anderem Fragen im Zusammenhang mit der Mitwirkung der Kantone im Bereich der Aussenpolitik des Bundes. Dazu kommt, dass die äusserst schwierige Finanzlage auf allen drei staatlichen Ebenen Mängel bei den finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen und damit auch bei der Aufgabenteilung deutlich machen und eine Überprüfung des Transfersystems zwischen Bund und Kantonen angezeigt erscheinen lassen.</p><p>Die Erneuerung der föderalistischen Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen kann zum Teil mit Partialrevisionen erfolgen. Eine umfassende Anpassung des Föderalismus erfordert jedoch eine grössere Verfassungsrevision, die im Rahmen der in Vorbereitung befindlichen Revision der Bundesverfassung sowie der Staatsleitungsreform vorgenommen werden soll.</p><p>Zu den einzelnen Punkten der Motion nehmen wir wie folgt Stellung:</p><p>1. Aufgabenteilung</p><p>1.1 Dieses Ziel wurde bereits mit der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen angestrebt, aber nur teilweise erreicht. Es hat sich gezeigt, dass der Vollzugsföderalismus dem Bestreben entgegensteht, abgerundete Aufgabenbereiche von Bund und Kantonen zu schaffen. Die Wiederholung des Entflechtungsvorhabens dürfte deshalb nicht am Platz sein. Hingegen können in weiteren Bereichen noch Entflechtungsmassnahmen geprüft werden, nachdem das zweite Paket der Aufgabenneuverteilung zwischen Bund und Kantonen Anfang 1994 vollständig in Kraft getreten sein wird. Denkbar ist beispielsweise, dass weitere Genehmigungsvorbehalte des Bundesrechts gegenüber der kantonalen Ausführungsgesetzgebung aufgehoben werden. Ganz allgemein gesehen ist es eine Daueraufgabe, auf die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips bei der Ausarbeitung der Bundesgesetzgebung zu achten.</p><p>Die Aufgabenteilung lässt sich nicht unabhängig vom Kriterium der Finanzierung realisieren. Im heutigen System, das eine wirksame und haushälterische Verwendung der öffentlichen Mittel zum Ziel hat, spielt das Kriterium der autonomen Finanzierbarkeit eine wichtige Rolle. Sonst entstehen kostspielige Lösungen oder ein Leistungsangebot, das den effektiven Bedarf übersteigt. Aufgrund der Ergebnisse einer vom Eidgenössischen Finanzdepartement in Auftrag gegebenen Expertise über die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen wird zu prüfen sein, inwieweit Verbesserungen der Fianzierungsmechanismen zwischen Bund und Kantonen angezeigt sind.</p><p>1.2 In den letzten Jahren konnten, gestützt auf ausdrückliche Verfassungsgrundlagen, in einigen Bereichen Rahmengesetze erlassen werden (z. B. Raumplanung, Steuerharmonisierung, Fuss- und Wanderwege); die Bedeutung der umfassenden (konkurrierenden) Gesetzgebung ist aber nach wie vor grösser. Es ist als sinnvoll anzusehen, wenn der Bund vermehrt das Instrument der Rahmengesetzgebung einsetzt (z. B. bei der Ausführung des zukünftigen Kulturartikels, des Sprachenartikels und bei der Schaffung eines allfälligen Bundesgesetzes über die Mitwirkungsrechte der Kantone). Dies entspricht den bestehenden Tendenzen zur Deregulierung und der gegebenen finanzpolitischen Situation von Bund und Kantonen, stellt aber die gesetzgeberische Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen nicht in Frage.</p><p>1.3 Es hat sich in der Vergangenheit namentlich bei der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen gezeigt, dass Gesetzgebungskompetenzen, die von den Kantonen an den Bund übergingen, diesen nur schwer wieder zurückgegeben werden können. Die Idee befristeter Bundesregelungen wurde am Anfang der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen in der Form sogenannter echter konkurrierender Kompetenzen zur Diskussion gestellt. Dabei hätten die Kantone durch genügendes kantonales Recht Bundesrecht ablösen können. Der Vorschlag stiess aber auf Widerstand und konnte nicht verwirklicht werden. Auch aus zeitlichen Gründen muss heute gefragt werden, ob dieser Ansatz praktikabel ist. Zuerst muss unter Umständen eine neue Verfassungsgrundlage geschaffen werden. Bis zum Inkrafttreten der befristeten Ausführungserlasse des Bundes können Jahre verstreichen, was nicht zweckmässig ist.</p><p>Dennoch ist der Bundesrat bereit, die Angelegenheit näher zu prüfen. Insbesondere im Bereich bestehender verfassungsmässiger Kompetenzen des Bundes könnte zudem die Idee befristeter Bundesregelungen im Sinne der Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips vermehrt berücksichtigt werden.</p><p>2. Stärkung des Minoritätenschutzes</p><p>2.1 Eine Auswertung der Vernehmlassungen der Kantone nach Sprachgruppen dürfte nicht zu verwirklichen sein. Wie wären mehrsprachige Kantone zu behandeln (GR, FR, VS, BE), die ihre Vernehmlassungen nicht immer in der gleichen Sprache redigieren? Hingegen kann bei der Zusammenfassung der Ergebnisse und vor allem bei ihrer Berücksichtigung auch auf die Anliegen der einzelnen Sprachgruppen eingegangen werden; dies entspricht im übrigen der bisherigen Praxis, nach der neben verschiedenen anderen Kriterien auch jenes der Sprachgruppen in Betracht gezogen wird. Dabei kann es nicht darum gehen, sprachlichen Minderheiten bei der Auswertung von Vernehmlassungen einen besonderen Schutz zukommen zu lassen; es ist hingegen angezeigt, auch die zum Reichtum der Schweiz beitragende sprachliche und kulturelle Vielfalt angemessen zu würdigen.</p><p>2.2 Dieser Vorschlag richtet sich primär an das Parlament, nicht an den Bundesrat. Er könnte allenfalls bei einer Wiederaufnahme der Arbeiten an der Parlamentsreform berücksichtigt werden. Der Bundesrat erachtet diese Form des Minderheitenschutzes allerdings als problematisch.</p><p>2.3 Der Bundesrat strebt mittelfristig unter Berücksichtigung hängiger parlamentarischer Vorstösse eine Reform der Volksrechte an. Das EJPD hat diesbezüglich ein Gutachten von Professor Jean-François Aubert eingeholt. Dessen Schlussfolgerungen werden zurzeit geprüft. Ob das Anliegen im Rahmen einer Partialrevision oder der Totalrevision der Bundesverfassung berücksichtigt werden soll, bedarf einer näheren Prüfung. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass bei einer allfälligen Schaffung eines Behördenreferendums, das durch qualifizierte Minderheiten in beiden Räten ausgelöst werden könnte, sprachlichen und kulturellen Kriterien nicht Rechnung getragen werden sollte.</p><p>2.4 Heute besteht ein Quorum von acht Kantonen für das Kantonsreferendum. Ein solches wurde noch nie eingereicht. Eine Herabsetzung des Quorums kann im Rahmen der vorgesehenen Reform der Volksrechte geprüft werden.</p><p>2.5 Die Forderung, dass einer bestimmten Anzahl von Kantonen die Möglichkeit eingeräumt werden soll, der Bundesversammlung ein Begehren mit der Wirkung einer Volksinitiative einzureichen, lässt offen, wie viele Kantone eine Kantonsinitiative einreichen können. Zurzeit wird vom Parlament als Alternative auch geprüft, ob der bisherigen Standesinitiative die Wirkung einer parlamentarischen Initiative gegeben werden soll. Ob es sich im Sinne der Motion rechtfertigen würde, neben einer Kantonsinitiative zugunsten mehrerer Kantone das bisherige Institut der Standesinitiative ohne Quorum beizubehalten, müsste näher geprüft werden. An sich wäre es vorzuziehen, wenn den Kantonen wie bisher nur ein einziges, aber wirksames Mitwirkungsrecht zur Verfügung steht. Dies spricht dafür, die bisherige Standesinitiative, die von einem Kanton eingereicht werden kann, aufzuwerten.</p><p>3. Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik des Bundes</p><p>3.1 Im Bundesbeschluss über den Europäischen Wirtschaftsraum war eine Bestimmung über die Mitwirkung der Kantone vorgesehen (Art. 21 ÜBest. BV, BBl 1992 VI 57). Dieser Bundesbeschluss wurde zwar von Volk und Ständen abgelehnt; die Frage der Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik wird jedoch insbesondere im Rahmen des Kontaktgremiums Bund/Kantone im Sinne der erwähnten Bestimmung weiter diskutiert. Auch im Bericht zum Postulat Onken wird im übrigen auf diese Frage eingegangen. Eine Regelung auf Gesetzesstufe kann geprüft werden. Eine Verfassungsrevision erscheint uns nicht unbedingt erforderlich, könnte jedoch angegangen werden, falls dies die Kantone wünschen.</p><p>3.2 Die Forderung hinsichtlich der Vertragsabschlusskompetenz der Kantone unterscheidet sich nicht wesentlich vom Ist-Zustand. Die Kantone haben zwar nur eine subsidiäre, begrenzte Vertragsabschlusskompetenz; diese erstreckt sich aber in der Praxis auf alle Gebiete, für die sie nach der Kompetenzordnung der Bundesverfassung zuständig sind. Was die Vermittlung durch den Bundesrat betrifft, ist diese nur erforderlich, wenn die Kantone mit ausländischen Staaten Verträge abschliessen, nicht aber bei Verträgen mit untergeordneten Gebietskörperschaften. Es sei des weiteren auf den sich in Erarbeitung befindlichen Bericht zum Postulat Onken vom 16. Dezember 1992 über die Perspektiven der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hingewiesen.</p><p>4. Institutionelle Verstärkung des Föderalismus</p><p>4.1 1978 wurde das Kontaktgremium Bund/Kantone geschaffen; insofern besteht bereits eine nationale Regierungskonferenz zwischen Bund und Kantonen. Die Kantone haben am 8. Oktober 1993 die Schaffung einer Konferenz der Kantonsregierungen beschlossen. Die Schaffung eines solchen Organs beruht auf der Organisationsautonomie der Kantone. Der Bundesrat hat entschieden, dass das Kontaktgremium als Instrument der vertikalen Zusammenarbeit beibehalten werden soll. Die Tätigkeiten der beiden Konferenzen sollen eng koordiniert werden. Das Anliegen des Motionärs ist somit weitgehend erfüllt. Dieser Punkt betrifft im übrigen den Kompetenzbereich des Bundesrates.</p><p>4.2 Die geforderte Einsetzung einer interdepartementalen Arbeitsgruppe oder eines Büros für Föderalismus drängt sich zurzeit nicht auf, kann aber für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Die Frage wird im Zusammenhang mit der Überprüfung der weiteren Arbeiten des Kontaktgremiums und der neu gebildeten Konferenz der Kantonsregierungen zu entscheiden sein. Dieser Punkt betrifft ebenfalls den Kompetenzbereich des Bundesrates.</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
- <p>Artikel 3 der Bundesverfassung, der die Eigenstaatlichkeit der Kantone garantiert, ist heute weitgehend ausgehöhlt. Die Lebenskraft des Föderalismus ist am Schwinden.</p><p>Die Diskussion über den EWR-Vertrag hat jedoch gezeigt, wie wichtig uns Schweizern "Demokratie und Föderalismus" sind. Die Diskrepanz der Rechtssysteme der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft haben die Bedeutung unserer dezentralen Staatsordnung erneut ins Bewusstsein gebracht. Sie ist als wichtiger Faktor unserer nationalen Identität erkannt worden.</p><p>Auch innerhalb der EG gewinnt das Prinzip der Subsidiarität zusehends an Kraft. Verschiedene Zeichen deuten auf eine prozesshafte Fortentwicklung der gesamteuropäischen Ordnung hin. Das Föderativprinzip innerstaatlich autnomer Verbände wird künftig ein fester Grundstein beim Aufbau Europas bilden.</p><p>Nach dem Nein zum EWR genügt es nicht, "nur" zu deregulieren. Neben der Revitalisierung der Wirtschaft gilt es vor allem, der staatsrechtlichen Entwurzelung der Kantone entgegenzutreten und ihnen ihre politische Autonomie zurückzugeben. Parlaments- und Regierungsreform bilden erste Schritte dieses institutionellen Erneuerungsprozesses. Ebenso wichtig ist die Erkenntnis, dass dem Föderalismus und damit Kantonen und Gemeinden als Zellen des politischen Eigenlebens wieder gestalterische Bedeutung zukommen muss. Der bestehende Freiraum und die grosse Organisationsautonomie ermöglichen schöpferische Initiativen. Vieles drängt von einer uniformierenden Regelung grösserer staatlicher und internationaler Gebilde hin zu einer komplementären, vielgestaltigen Gegenordnung.</p><p>Aufgabengebiete der Kultur und Bildung, der Ökologie, des Natur- und Heimatschutzes, der Planungs- und Entwicklungspolitik eignen sich dabei besonders als Elemente einer lokal geprägten, regionalen Identität.</p><p>Entflechtung der Aufgaben im Innern, verstärkte Zusammenarbeit nach aussen sind, nebst dem besseren Schutz von Minderheiten, Wege zur Erneuerung des schweizerischen Föderalismus.</p><p>Zahlreiche parlamentarische Vorstösse der letzten Zeit, die wir unterstützen, beleuchten spezifische Aspekte des Föderalismus. In der vorliegenden Motion geht es uns um eine Gesamtbetrachtung der Problematik.</p><p>Der Bundesrat wird eingeladen, folgende Massnahmen zu treffen:</p><p>1. Aufgabenteilung</p><p>1.1 Die Verteilung der Staatsaufgaben auf Bund und Kantone ist im Sinne des Subsidiaritätsprinzips neu zu ordnen, um eine möglichst bürgernahe und dezentrale Rechts- und Staatsordnung zu schaffen. Es sind abgerundete und geschlossene Kompetenzzuweisungen vorzunehmen, die zu einer Entflechtung und Aufteilung der Verantwortungsbereiche zwischen Bund und Kantonen führen. Dabei darf das Kriterium der eigenständigen Finanzierbarkeit nicht ausschlaggebend sein.</p><p>1.2 Bereiche, die das Gesamtinteresse abdecken und einer einheitlichen Legiferierung bedürfen, sollen zur sinnvollen Koordination und Harmonisierung Gegenstand eines Rahmengesetzes des Bundes werden.</p><p>1.3 Kompetenzen, die eigentlich in den Bereich der Kantone fallen, die zeitlich und sachlich dringend sind und einer anfänglich einheitlichen Regelung bedürfen, sollen in einer befristeten Einführungsphase dem Bund zugeordnet werden.</p><p>2. Stärkung des Minoritätenschutzes</p><p>2.1 Vernehmlassungen der Kantone sind gesondert nach Sprachgruppen auszuwerten und zusammenzufassen.</p><p>2.2 Zur Förderung des Verständnisses für die Probleme der sprachlichen Minderheiten soll eine qualifizierte Mehrheit aller Abgeordneten der lateinischen Sprachgruppe, in beiden Kammern, die Möglichkeit eines suspensiven Vetos, das ein spezielles Differenzbereinigungsverfahren auslöst, erhalten.</p><p>2.3 Es ist zu erwägen, ein Behördenreferendum einzuführen, das durch qualifizierte Minderheiten in beiden Räten erhoben werden kann. Dieses führt zwingend zur Volksabstimmung mit einfachem Volksmehr.</p><p>2.4 Die Quoren für das Kantonsreferendum müssen gesenkt werden.</p><p>2.5 Einer bestimmten Anzahl von Kantonen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, der Bundesversammlung ein Begehren mit der Wirkung einer Volksinitiative einzureichen.</p><p>3. Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik des Bundes</p><p>3.1 Es ist ein Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik zu schaffen. Dieses soll die Informationspflicht des Bundes, die Art der Mitwirkung sowie das Anhörungs- und Mitspracherecht der Kantone regeln.</p><p>3.2 Artikel 9 der Bundesverfassung ist so zu ändern, dass die Kantone in ihrem Zuständigkeitsbereich Verträge mit dem Ausland abschliessen können. Sie haben dem Bund von ihren Absichten Kenntnis zu geben. Sie handeln unter der Aufsicht des Bundes und, wenn er es für nötig erachtet, durch seine Vermittlung.</p><p>4. Institutionnelle Verstärkung des Föderalismus</p><p>4.1 Der Bundesrat wird aufgefordert, unverzüglich die Institution einer nationalen Regierungskonferenz zwischen Bundesrat und Kantonen zu schaffen. Sie soll in regelmässigen Abständen wichtige staats- und regionalpolitische Angelegenheiten behandeln.</p><p>4.2 Auf Bundesstufe ist eine interdepartementale Arbeitsgruppe oder ein Büro für Föderalismus einzusetzen.</p>
- Erneuerung des Föderalismus
- State
-
Überwiesen an den Bundesrat
- Related Affairs
-
- Drafts
-
-
- Index
- 0
- Texts
-
- <p>1. Aufgabenteilung</p><p>In unserer föderativen Ordnung gibt es kaum mehr einfache, übersichtliche Arbeitsbeziehungen zwischen Bund und Kantonen. Die Ebenen sind durchmischt, Finanzflüsse und Entscheidungen sind geteilt, die Verantwortung ist nicht abschliessend zugeordnet. Das Netz der Beziehungen ist verschlungen, zu komplex und zu dicht.</p><p>Der Tendenz zur Zentralisierung einerseits und zur Abwertung der Eigenstaatlichkeit der Kantone andererseits ist entgegenzutreten. Die bisherige einseitige Betrachtungsweise des kantonalen Staatswesens lediglich aus einer finanziellen Perspektive des Bundes ist umzukehren. Es gilt heute darzulegen, in welcher Weise die Gliedstaaten eigenverantwortlich und selbständig an der Bewältigung der Staatsaufgaben beizutragen haben.</p><p>Bei einer Entflechtung der Aufgabenverteilung geht es nicht nur darum, eine effiziente Problemlösung anzustreben, sondern auch darum, eine möglichst dezentrale und bürgernahe Rechts- und Staatsordnung zu verwirklichen. Bestehende Kompetenzzersplitterungen und -aufteilungen sind zu beseitigen.</p><p>Eine entscheidende Rolle spielt dabei, dass die Kantone geschlossene und abgerundete Kompetenz- und Verantwortungsbereiche erhalten und dass sie sich zu den einzelnen Aufgabenbereichen äussern können. Sie sollen selbst entscheiden, wie, in welchem Umfang und auf welchen Wegen sie ihre Aufgaben lösen wollen. Die neuen und vielversprechenden Entwicklungen in Deutschland und vor allem in Österreich (vgl. "Politische Vereinbarung über die Neuordnung des Bundesstaates" vom Oktober 1992) sind zu beachten.</p><p>Der Bund soll bei Aufgaben, die dem Gesamtinteresse dienen und einer einheitlichen Legiferierung bedürfen, durch Rahmengesetze eine minimale Koordination und Harmonisierung anstreben. Die Rahmengesetzgebung erscheint als adäquate Form für eine derartige Koordinationsaufgabe und sollte je nach Materie grundsätzliche, sachlich wichtige Kernprobleme im Sinne notwendiger Mindestvorschriften und Zielvorgaben regeln. Den Kantonen soll in jedem Fall der grösstmögliche Handlungsspielraum zur Ausübung ihrer Staatlichkeit gewährt werden.</p><p>Bei neuen, dringlichen Aufgaben ergibt sich in einer Art legislativen Einführungsphase die Möglichkeit, durch zeitlich befristete Bundeskompetenzen für Aufgaben, die eigentlich in den Kompetenzbereich der Kantone fallen, die nötigen Impulse für eine nachhaltig wirkende Regelung der Aufgaben zu geben. Nach Ablauf der vorgesehenen Frist liegt die Zuständigkeit wieder allein bei den Kantonen.</p><p>2. Stärkung des Minderheitenschutzes</p><p>Die Volksabstimmung über den EWR vom 6. Dezember 1992 hat Divergenzen zwischen Welsch- und Deutschschweiz spürbar gemacht, die seit längerer Zeit und in zunehmendem Masse zu registrieren waren. Parallel zur Tatsache, dass die Romandie und das Tessin in eidgenössischen Urnengängen weit überdurchschnittlich überstimmt werden, ist gleichenorts eine rasche zunehmende Stimmabstinenz zu beobachten. Diesen Anzeichen wachsender Desintegration muss durch föderative Mechanismen entgegengewirkt werden, die geeignet sind, den Zusammenhalt unter den Schweizer Kantonen zu stärken.</p><p>Das Vernehmlassungsverfahren kann zum staatspolitischen "Frühwarnsystem" ausgebaut werden, wenn die Vernehmlassungsergebnisse jeweils nach Sprachgebieten gesondert ausgewertet und zusammengefasst werden.</p><p>Es kann dem Zusammenhalt des Landes nur dienen, wenn im parlamentarischen Verfahren einer qualifizierten Mehrheit der Vertreter der lateinischen Sprachgruppe in beiden Räten ein suspensives Veto mit einem anschliessenden speziellen Differenzbereinigungsverfahren eingeräumt wird. Zweck dieses Instruments ist die besondere Bewusstmachung der in einer Vorlage liegenden Minderheitenproblematik. Durch das suspensive Veto geht die Vorlage an die Kommission zurück, welche diese erneut unter spezieller Berücksichtigung des Minderheitenschutzes prüft und Antrag stellt. Aufgrund dieses Antrags schreiten die Räte zur Abstimmung. Darüber hinaus soll eine qualifizierte Minderheit beider Räte die Möglichkeit haben, ein zwingendes Gesetzesreferendum auszulösen. Die Unterschriftensammlung entfällt.</p><p>Das Quorum für ein Kantonsreferendum ist so anzusetzen, dass es dem Quorum für ein Volksreferendum annähernd entspricht. So genügt für ein Volksreferendum ein Prozent aller Stimmberechtigten, hingegen werden für ein Kantonsreferendum 30 Prozent benötig. Von einem Gleichgewicht kann, unter diesen Umständen, kaum die Rede sein. Zu erwägen ist dabei auch, ob die Referendumsfrist für dieses Institut zu velängern ist.</p><p>Das Quorum für die Standesinitiative anderseits sollte erhöht werden, und zwar auf eine höhere Zahl Kantone als dies für das Kantonsreferendum nötig ist. Dafür könnten der Kantonsinitiative die Wirkungen einer Volksinitiative zuerkannt werden. Daneben soll das bisherige Institut der Standesinitiative - vielleicht unter dem weniger irreführenden Namen eines "Standespostulats" - ohne Quorum beibehalten werden.</p><p>3. Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik des Bundes</p><p>Mit der zunehmenden Internationalisierung, besonders der Europäisierung des Rechts, drohen die bisherige verfassungsmässige Kompetenzzuordnung und die Aufgabenteilung im Bereich der Gesetzgebung zwischen Bund und Kantonen ausgehöhlt zu werden.</p><p>Eine substantielle Erneuerung des schweizerischen Föderalismus setzt aus diesen Gründen eine verstärkte und institutionalisierte Mitwirkung der Kantone im Bereich der Aussenpolitik voraus. Die Kantone sind frühzeitig in den nationalen und internationalen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess einzubinden. Mit Artikel 21 des abgelehnten EWR-Genehmigungsbeschlusses wäre dafür, allerdings nur bezogen auf das Gemeinschaftsrecht, eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen worden. Eine solche Verfassungsbestimmung ist zwar nach wie vor wünschbar, hätte jedoch keine konstitutive Wirkung. Der Bund kann auch ohne eine solche ausdrückliche Verfassungsgrundlage ein Gesetz über die Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik schaffen. In der Bundesrepublik und in Österreich laufen im übrigen ähnliche Bestrebungen zum verstärkten Einbezug der Bundesländer. Ein solches institutionelles wie verfahrensmässig (z. B. Stellung des Kontaktgremiums und anderer Direktorenkonferenzen, Vernehmlassungsverfahren, Informations- und Konsultationspflichten und -verfahren, Mitwirkung bei Verhandlungen usw.) umfassendes Mitwirkungsgesetz sollte deshalb unmittelbar an die Hand genommen werden. Die Kantone wären im übrigen schon bei der Erarbeitung des Gesetzestextes einzubeziehen.</p><p>Das Postulat Onken (92.3525), das der Bundesrat entgegengenommen hat, verlangt, dass in "einem Bericht die rechtlichen und institutionellen Handlungsmöglichkeiten" und die "Perspektive einer innovativen 'aussenpolitischen' Rolle der schweizerischen Grenzkantone" ausgelotet und dargestellt werden. Unseres Erachtens ist es jedoch auch geboten, dass die sehr restriktiv formulierte Verfassungsgrundlage nicht nur über den Weg der Auslegung, sondern auch im Wortlaut des Artikels 9 BV den Bedürfnissen unserer Zeit angepasst wird. Eine solche Verfassungsänderung würde im übrigen bei den Kantonen und bei der breiten Öffentlichkeit einen wünschenswerten Bewusstseinsprozess über die Möglichkeiten einer eigenen "Aussenpolitik" der Kantone auslösen. Ein Bericht des Bundesrates, den das Parlament zur Kenntnis nimmt, kann diese Funktion nicht erfüllen.</p><p>4. Institutionelle Verstärkung des Föderalismus</p><p>Obschon heute vielfältige Kontakte zwischen Bund und Kantonen stattfinden, fehlt ein eigentlicher Dialog auf Regierungsebene über grundlegende, beidseits interessierende staats- und regionalpolitischen Fragen. Das heute übliche Vernehmlassungsverfahren ist dafür nicht genügend.</p><p>Die Direktorenkonferenzen sind Fachkonferenzen. Sie können nicht Ersatz sein für ein politisches Forum auf oberster Ebene. Der Ständerat, dessen Mitglieder Volksvertreter sind und ohne kantonale Instruktionen stimmen, kann diese Funktion ebenfalls nicht wahrnehmen. Wir schlagen deshalb vor, unverzüglich eine nationale Regierungskonferenz einzuberufen, welche vom Bundespräsidenten und von einem weiteren Mitglied des Bundesrates geleitet wird, und zu der jeweils der kantonale Regierungspräsident und ein weiteres Mitglied der kantonalen Regierung einzuladen sind. Die Regierungsmitglieder würden die Meinung der kantonalen Regierungen wiedergeben, was eine entsprechende Vorbereitung der Tagung in den Kantonen voraussetzen würde. Es wäre dies eine Art Neuschöpfung einer eidgenössischen Tagsatzung. Eine solche Zusammenkunft sollte vor allem der Aussprache über grundsätzliche Fragen im Verhältnis zwischen Bund und Kantonen sowie über hängige staats- und regionalpolitische Fragen dienen. Zu denken wäre beispielsweise an das Verhältnis zwischen Deutschschweiz und Romandie, an die Problematik des Vollzugs des Bundesrechts, an die Jurafrage oder an Fragen, die in diesem Vorstoss aufgeworfen werden. Eine solche Regierungskonferenz sollte unseres Erachtens in regelmässigen Abständen wiederholt werden.</p><p>Zahlreiche Verwaltungsstellen des Bundes befassen sich heute mit föderalismusrelevanten Fragen. Es fehlt jedoch ein Koordinationsorgan. Die Gefahr der Zersplitterung und der Anwendung unterschiedlicher Kriterien ist daher gegeben. Um künftig eine möglichst wirkungsvolle Koordination und Steuerung der Verwaltungstätigkeit, welche sich auf das föderalistische Gefüge auswirkt, zu erreichen, ist eine hochrangige interdepartementale Arbeitsgruppe einzusetzen oder ein Büro für Föderalismus zu schaffen. Neben ihrer permanenten Koordinationsaufgabe stehen sie dem Bundesrat als Beratungsorgan zu Verfügung.</p>
- <p>Der Föderalismus ist eines der tragenden Prinzipien unserer staatlichen Ordnung. Er hat nicht nur das geschichtliche Werden unseres Staates überhaupt ermöglicht und geprägt, sondern ist auch für die Zukunft unseres Landes von erstrangiger Bedeutung.</p><p>Die föderalistische Struktur berücksichtigt die sprachliche, konfessionelle, geographische und wirtschaftliche Vielfalt unseres Landes; sie verhindert übermässige Machtballungen, schafft mehr Möglichkeiten für direktdemokratische Mitwirkung, fördert die Transparenz und Bürgernähe staatlichen Handelns und erlaubt, regionalen Interessen und Problemen besser Rechnung zu tragen. Anderseits stellt die bundesstaatliche Kompetenzverteilung aber auch sicher, dass gemeinsame Anliegen mit vereinten Kräften angegangen werden können, und ermöglicht dem Bund die Wahrung der Interessen unseres Landes nach aussen.</p><p>Der Bundesrat misst deshalb der Erhaltung und der zukunftsgerichteten Weiterentwicklung des Föderalismus hohe Bedeutung zu. Er unterstützt insbesondere alle Bestrebungen, das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen aus einer Gesamtschau neu zu würdigen und zu klären, soweit dadurch der Wille zu staatlicher Einheit und die Möglichkeit zur koordinierten Lösung gemeinsamer Probleme nicht beeinträchtigt werden. Der Bundesrat ist sich dabei bewusst, dass die föderalistische Struktur zum Teil auch mit einer gewissen Schwerfälligkeit verbunden ist; sie kann Entscheidungsprozesse erschweren und Kosten verursachen. Gerade auch aus diesem Grund erachtet er die zweckmässige und zeitgerechte Ausgestaltung des föderalistischen Zusammenwirkens und der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen als eine Daueraufgabe, die immer wieder neu in Angriff zu nehmen ist.</p><p>Eine solche Gesamtschau und Neubeurteilung der föderalistischen Zusammenarbeit hat der Bundesrat auch im Rahmen der Phase 2 der Regierungsreform (Staatsleitungsreform) angekündigt. Im Vordergrund stehen zurzeit unter anderem Fragen im Zusammenhang mit der Mitwirkung der Kantone im Bereich der Aussenpolitik des Bundes. Dazu kommt, dass die äusserst schwierige Finanzlage auf allen drei staatlichen Ebenen Mängel bei den finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen und damit auch bei der Aufgabenteilung deutlich machen und eine Überprüfung des Transfersystems zwischen Bund und Kantonen angezeigt erscheinen lassen.</p><p>Die Erneuerung der föderalistischen Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen kann zum Teil mit Partialrevisionen erfolgen. Eine umfassende Anpassung des Föderalismus erfordert jedoch eine grössere Verfassungsrevision, die im Rahmen der in Vorbereitung befindlichen Revision der Bundesverfassung sowie der Staatsleitungsreform vorgenommen werden soll.</p><p>Zu den einzelnen Punkten der Motion nehmen wir wie folgt Stellung:</p><p>1. Aufgabenteilung</p><p>1.1 Dieses Ziel wurde bereits mit der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen angestrebt, aber nur teilweise erreicht. Es hat sich gezeigt, dass der Vollzugsföderalismus dem Bestreben entgegensteht, abgerundete Aufgabenbereiche von Bund und Kantonen zu schaffen. Die Wiederholung des Entflechtungsvorhabens dürfte deshalb nicht am Platz sein. Hingegen können in weiteren Bereichen noch Entflechtungsmassnahmen geprüft werden, nachdem das zweite Paket der Aufgabenneuverteilung zwischen Bund und Kantonen Anfang 1994 vollständig in Kraft getreten sein wird. Denkbar ist beispielsweise, dass weitere Genehmigungsvorbehalte des Bundesrechts gegenüber der kantonalen Ausführungsgesetzgebung aufgehoben werden. Ganz allgemein gesehen ist es eine Daueraufgabe, auf die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips bei der Ausarbeitung der Bundesgesetzgebung zu achten.</p><p>Die Aufgabenteilung lässt sich nicht unabhängig vom Kriterium der Finanzierung realisieren. Im heutigen System, das eine wirksame und haushälterische Verwendung der öffentlichen Mittel zum Ziel hat, spielt das Kriterium der autonomen Finanzierbarkeit eine wichtige Rolle. Sonst entstehen kostspielige Lösungen oder ein Leistungsangebot, das den effektiven Bedarf übersteigt. Aufgrund der Ergebnisse einer vom Eidgenössischen Finanzdepartement in Auftrag gegebenen Expertise über die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen wird zu prüfen sein, inwieweit Verbesserungen der Fianzierungsmechanismen zwischen Bund und Kantonen angezeigt sind.</p><p>1.2 In den letzten Jahren konnten, gestützt auf ausdrückliche Verfassungsgrundlagen, in einigen Bereichen Rahmengesetze erlassen werden (z. B. Raumplanung, Steuerharmonisierung, Fuss- und Wanderwege); die Bedeutung der umfassenden (konkurrierenden) Gesetzgebung ist aber nach wie vor grösser. Es ist als sinnvoll anzusehen, wenn der Bund vermehrt das Instrument der Rahmengesetzgebung einsetzt (z. B. bei der Ausführung des zukünftigen Kulturartikels, des Sprachenartikels und bei der Schaffung eines allfälligen Bundesgesetzes über die Mitwirkungsrechte der Kantone). Dies entspricht den bestehenden Tendenzen zur Deregulierung und der gegebenen finanzpolitischen Situation von Bund und Kantonen, stellt aber die gesetzgeberische Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen nicht in Frage.</p><p>1.3 Es hat sich in der Vergangenheit namentlich bei der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen gezeigt, dass Gesetzgebungskompetenzen, die von den Kantonen an den Bund übergingen, diesen nur schwer wieder zurückgegeben werden können. Die Idee befristeter Bundesregelungen wurde am Anfang der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen in der Form sogenannter echter konkurrierender Kompetenzen zur Diskussion gestellt. Dabei hätten die Kantone durch genügendes kantonales Recht Bundesrecht ablösen können. Der Vorschlag stiess aber auf Widerstand und konnte nicht verwirklicht werden. Auch aus zeitlichen Gründen muss heute gefragt werden, ob dieser Ansatz praktikabel ist. Zuerst muss unter Umständen eine neue Verfassungsgrundlage geschaffen werden. Bis zum Inkrafttreten der befristeten Ausführungserlasse des Bundes können Jahre verstreichen, was nicht zweckmässig ist.</p><p>Dennoch ist der Bundesrat bereit, die Angelegenheit näher zu prüfen. Insbesondere im Bereich bestehender verfassungsmässiger Kompetenzen des Bundes könnte zudem die Idee befristeter Bundesregelungen im Sinne der Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips vermehrt berücksichtigt werden.</p><p>2. Stärkung des Minoritätenschutzes</p><p>2.1 Eine Auswertung der Vernehmlassungen der Kantone nach Sprachgruppen dürfte nicht zu verwirklichen sein. Wie wären mehrsprachige Kantone zu behandeln (GR, FR, VS, BE), die ihre Vernehmlassungen nicht immer in der gleichen Sprache redigieren? Hingegen kann bei der Zusammenfassung der Ergebnisse und vor allem bei ihrer Berücksichtigung auch auf die Anliegen der einzelnen Sprachgruppen eingegangen werden; dies entspricht im übrigen der bisherigen Praxis, nach der neben verschiedenen anderen Kriterien auch jenes der Sprachgruppen in Betracht gezogen wird. Dabei kann es nicht darum gehen, sprachlichen Minderheiten bei der Auswertung von Vernehmlassungen einen besonderen Schutz zukommen zu lassen; es ist hingegen angezeigt, auch die zum Reichtum der Schweiz beitragende sprachliche und kulturelle Vielfalt angemessen zu würdigen.</p><p>2.2 Dieser Vorschlag richtet sich primär an das Parlament, nicht an den Bundesrat. Er könnte allenfalls bei einer Wiederaufnahme der Arbeiten an der Parlamentsreform berücksichtigt werden. Der Bundesrat erachtet diese Form des Minderheitenschutzes allerdings als problematisch.</p><p>2.3 Der Bundesrat strebt mittelfristig unter Berücksichtigung hängiger parlamentarischer Vorstösse eine Reform der Volksrechte an. Das EJPD hat diesbezüglich ein Gutachten von Professor Jean-François Aubert eingeholt. Dessen Schlussfolgerungen werden zurzeit geprüft. Ob das Anliegen im Rahmen einer Partialrevision oder der Totalrevision der Bundesverfassung berücksichtigt werden soll, bedarf einer näheren Prüfung. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass bei einer allfälligen Schaffung eines Behördenreferendums, das durch qualifizierte Minderheiten in beiden Räten ausgelöst werden könnte, sprachlichen und kulturellen Kriterien nicht Rechnung getragen werden sollte.</p><p>2.4 Heute besteht ein Quorum von acht Kantonen für das Kantonsreferendum. Ein solches wurde noch nie eingereicht. Eine Herabsetzung des Quorums kann im Rahmen der vorgesehenen Reform der Volksrechte geprüft werden.</p><p>2.5 Die Forderung, dass einer bestimmten Anzahl von Kantonen die Möglichkeit eingeräumt werden soll, der Bundesversammlung ein Begehren mit der Wirkung einer Volksinitiative einzureichen, lässt offen, wie viele Kantone eine Kantonsinitiative einreichen können. Zurzeit wird vom Parlament als Alternative auch geprüft, ob der bisherigen Standesinitiative die Wirkung einer parlamentarischen Initiative gegeben werden soll. Ob es sich im Sinne der Motion rechtfertigen würde, neben einer Kantonsinitiative zugunsten mehrerer Kantone das bisherige Institut der Standesinitiative ohne Quorum beizubehalten, müsste näher geprüft werden. An sich wäre es vorzuziehen, wenn den Kantonen wie bisher nur ein einziges, aber wirksames Mitwirkungsrecht zur Verfügung steht. Dies spricht dafür, die bisherige Standesinitiative, die von einem Kanton eingereicht werden kann, aufzuwerten.</p><p>3. Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik des Bundes</p><p>3.1 Im Bundesbeschluss über den Europäischen Wirtschaftsraum war eine Bestimmung über die Mitwirkung der Kantone vorgesehen (Art. 21 ÜBest. BV, BBl 1992 VI 57). Dieser Bundesbeschluss wurde zwar von Volk und Ständen abgelehnt; die Frage der Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik wird jedoch insbesondere im Rahmen des Kontaktgremiums Bund/Kantone im Sinne der erwähnten Bestimmung weiter diskutiert. Auch im Bericht zum Postulat Onken wird im übrigen auf diese Frage eingegangen. Eine Regelung auf Gesetzesstufe kann geprüft werden. Eine Verfassungsrevision erscheint uns nicht unbedingt erforderlich, könnte jedoch angegangen werden, falls dies die Kantone wünschen.</p><p>3.2 Die Forderung hinsichtlich der Vertragsabschlusskompetenz der Kantone unterscheidet sich nicht wesentlich vom Ist-Zustand. Die Kantone haben zwar nur eine subsidiäre, begrenzte Vertragsabschlusskompetenz; diese erstreckt sich aber in der Praxis auf alle Gebiete, für die sie nach der Kompetenzordnung der Bundesverfassung zuständig sind. Was die Vermittlung durch den Bundesrat betrifft, ist diese nur erforderlich, wenn die Kantone mit ausländischen Staaten Verträge abschliessen, nicht aber bei Verträgen mit untergeordneten Gebietskörperschaften. Es sei des weiteren auf den sich in Erarbeitung befindlichen Bericht zum Postulat Onken vom 16. Dezember 1992 über die Perspektiven der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hingewiesen.</p><p>4. Institutionelle Verstärkung des Föderalismus</p><p>4.1 1978 wurde das Kontaktgremium Bund/Kantone geschaffen; insofern besteht bereits eine nationale Regierungskonferenz zwischen Bund und Kantonen. Die Kantone haben am 8. Oktober 1993 die Schaffung einer Konferenz der Kantonsregierungen beschlossen. Die Schaffung eines solchen Organs beruht auf der Organisationsautonomie der Kantone. Der Bundesrat hat entschieden, dass das Kontaktgremium als Instrument der vertikalen Zusammenarbeit beibehalten werden soll. Die Tätigkeiten der beiden Konferenzen sollen eng koordiniert werden. Das Anliegen des Motionärs ist somit weitgehend erfüllt. Dieser Punkt betrifft im übrigen den Kompetenzbereich des Bundesrates.</p><p>4.2 Die geforderte Einsetzung einer interdepartementalen Arbeitsgruppe oder eines Büros für Föderalismus drängt sich zurzeit nicht auf, kann aber für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Die Frage wird im Zusammenhang mit der Überprüfung der weiteren Arbeiten des Kontaktgremiums und der neu gebildeten Konferenz der Kantonsregierungen zu entscheiden sein. Dieser Punkt betrifft ebenfalls den Kompetenzbereich des Bundesrates.</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
- <p>Artikel 3 der Bundesverfassung, der die Eigenstaatlichkeit der Kantone garantiert, ist heute weitgehend ausgehöhlt. Die Lebenskraft des Föderalismus ist am Schwinden.</p><p>Die Diskussion über den EWR-Vertrag hat jedoch gezeigt, wie wichtig uns Schweizern "Demokratie und Föderalismus" sind. Die Diskrepanz der Rechtssysteme der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft haben die Bedeutung unserer dezentralen Staatsordnung erneut ins Bewusstsein gebracht. Sie ist als wichtiger Faktor unserer nationalen Identität erkannt worden.</p><p>Auch innerhalb der EG gewinnt das Prinzip der Subsidiarität zusehends an Kraft. Verschiedene Zeichen deuten auf eine prozesshafte Fortentwicklung der gesamteuropäischen Ordnung hin. Das Föderativprinzip innerstaatlich autnomer Verbände wird künftig ein fester Grundstein beim Aufbau Europas bilden.</p><p>Nach dem Nein zum EWR genügt es nicht, "nur" zu deregulieren. Neben der Revitalisierung der Wirtschaft gilt es vor allem, der staatsrechtlichen Entwurzelung der Kantone entgegenzutreten und ihnen ihre politische Autonomie zurückzugeben. Parlaments- und Regierungsreform bilden erste Schritte dieses institutionellen Erneuerungsprozesses. Ebenso wichtig ist die Erkenntnis, dass dem Föderalismus und damit Kantonen und Gemeinden als Zellen des politischen Eigenlebens wieder gestalterische Bedeutung zukommen muss. Der bestehende Freiraum und die grosse Organisationsautonomie ermöglichen schöpferische Initiativen. Vieles drängt von einer uniformierenden Regelung grösserer staatlicher und internationaler Gebilde hin zu einer komplementären, vielgestaltigen Gegenordnung.</p><p>Aufgabengebiete der Kultur und Bildung, der Ökologie, des Natur- und Heimatschutzes, der Planungs- und Entwicklungspolitik eignen sich dabei besonders als Elemente einer lokal geprägten, regionalen Identität.</p><p>Entflechtung der Aufgaben im Innern, verstärkte Zusammenarbeit nach aussen sind, nebst dem besseren Schutz von Minderheiten, Wege zur Erneuerung des schweizerischen Föderalismus.</p><p>Zahlreiche parlamentarische Vorstösse der letzten Zeit, die wir unterstützen, beleuchten spezifische Aspekte des Föderalismus. In der vorliegenden Motion geht es uns um eine Gesamtbetrachtung der Problematik.</p><p>Der Bundesrat wird eingeladen, folgende Massnahmen zu treffen:</p><p>1. Aufgabenteilung</p><p>1.1 Die Verteilung der Staatsaufgaben auf Bund und Kantone ist im Sinne des Subsidiaritätsprinzips neu zu ordnen, um eine möglichst bürgernahe und dezentrale Rechts- und Staatsordnung zu schaffen. Es sind abgerundete und geschlossene Kompetenzzuweisungen vorzunehmen, die zu einer Entflechtung und Aufteilung der Verantwortungsbereiche zwischen Bund und Kantonen führen. Dabei darf das Kriterium der eigenständigen Finanzierbarkeit nicht ausschlaggebend sein.</p><p>1.2 Bereiche, die das Gesamtinteresse abdecken und einer einheitlichen Legiferierung bedürfen, sollen zur sinnvollen Koordination und Harmonisierung Gegenstand eines Rahmengesetzes des Bundes werden.</p><p>1.3 Kompetenzen, die eigentlich in den Bereich der Kantone fallen, die zeitlich und sachlich dringend sind und einer anfänglich einheitlichen Regelung bedürfen, sollen in einer befristeten Einführungsphase dem Bund zugeordnet werden.</p><p>2. Stärkung des Minoritätenschutzes</p><p>2.1 Vernehmlassungen der Kantone sind gesondert nach Sprachgruppen auszuwerten und zusammenzufassen.</p><p>2.2 Zur Förderung des Verständnisses für die Probleme der sprachlichen Minderheiten soll eine qualifizierte Mehrheit aller Abgeordneten der lateinischen Sprachgruppe, in beiden Kammern, die Möglichkeit eines suspensiven Vetos, das ein spezielles Differenzbereinigungsverfahren auslöst, erhalten.</p><p>2.3 Es ist zu erwägen, ein Behördenreferendum einzuführen, das durch qualifizierte Minderheiten in beiden Räten erhoben werden kann. Dieses führt zwingend zur Volksabstimmung mit einfachem Volksmehr.</p><p>2.4 Die Quoren für das Kantonsreferendum müssen gesenkt werden.</p><p>2.5 Einer bestimmten Anzahl von Kantonen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, der Bundesversammlung ein Begehren mit der Wirkung einer Volksinitiative einzureichen.</p><p>3. Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik des Bundes</p><p>3.1 Es ist ein Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik zu schaffen. Dieses soll die Informationspflicht des Bundes, die Art der Mitwirkung sowie das Anhörungs- und Mitspracherecht der Kantone regeln.</p><p>3.2 Artikel 9 der Bundesverfassung ist so zu ändern, dass die Kantone in ihrem Zuständigkeitsbereich Verträge mit dem Ausland abschliessen können. Sie haben dem Bund von ihren Absichten Kenntnis zu geben. Sie handeln unter der Aufsicht des Bundes und, wenn er es für nötig erachtet, durch seine Vermittlung.</p><p>4. Institutionnelle Verstärkung des Föderalismus</p><p>4.1 Der Bundesrat wird aufgefordert, unverzüglich die Institution einer nationalen Regierungskonferenz zwischen Bundesrat und Kantonen zu schaffen. Sie soll in regelmässigen Abständen wichtige staats- und regionalpolitische Angelegenheiten behandeln.</p><p>4.2 Auf Bundesstufe ist eine interdepartementale Arbeitsgruppe oder ein Büro für Föderalismus einzusetzen.</p>
- Erneuerung des Föderalismus
Back to List