Dringlicher Bundesbeschluss über den Vorruhestand

ShortId
93.3455
Id
19933455
Updated
10.04.2024 12:57
Language
de
Title
Dringlicher Bundesbeschluss über den Vorruhestand
AdditionalIndexing
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Schweizerische Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF) schätzt, dass heute 3 Prozent der Bevölkerung, also etwa 200 000 Personen, ganz oder teilweise von Sozialhilfe leben, rund 50 Prozent mehr als vor der Wirtschaftskrise. In den nächsten Monaten werden noch Tausende von Langzeitarbeitslosen dazukommen, die ihren Anspruch auf die Arbeitslosenentschädigung oder auf die Leistungen der kantonalen Arbeitslosenhilfe ausgeschöpft haben. Experten rechnen damit, dass bis Ende des nächsten Jahres 40 000 Arbeitslose zu Fürsorgefällen werden. Dies ist für die betroffenen Arbeitslosen und für die sie unterstützenden Wohngemeinden nicht zumutbar.</p><p>In dieser dramatischen Situation sind wir verpflichtet, einen sofort wirksamen Beitrag zur Reduktion der Arbeitslosenzahl zu leisten. Durch Arbeitszeitverkürzung kann die Erwerbslosigkeit teilweise absorbiert werden. Neben dem von Ihnen leider abgelehnten Solidaritätsweiterbildungsurlaub und einer generellen Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden steht die Verkürzung der Lebensarbeitszeit im Vordergrund. Durch den Ersatz von älteren Arbeitnehmenden durch Arbeitslose können gemäss den Berechnungen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes 26 000 Stellen bereitgestellt werden.</p><p>Im Gegensatz zu den bekannten Formen der vorzeitigen Pensionierung wird der Arbeitsvertrag nicht aufgelöst. Die Arbeitnehmenden werden freigestellt und sind dauernd und unwiderruflich von der Pflicht zur Arbeitsleistung entbunden. Sie verpflichten sich im Gegenzug, während der Freistellung keine Erwerbsarbeit zu leisten. Zweck der Freistellung im Rahmen des bisherigen Arbeitsvertrages ist die Erhaltung der betrieblichen Sozialversicherungsbeziehungen und des vollen Versicherungsschutzes. Dafür werden die vollen gesetzlichen und vertraglichen Sozialversicherungsbeiträge entsprechend der Arbeitszeit vor der Freistellung bezahlt, welche ungekürzte Altersrenten von AHV und Personalvorsorgeeinrichtung sicherstellen.</p><p>Weitere Regelungen wie die Beitragsparität bei den Sozialversicherungen und die administrative Abwicklung werden in enger Anlehnung an die Bestimmungen über die Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31ff. Avig) getroffen.</p><p>Kosten: Die Kosten der Freistellung werden gemeinsam durch die Arbeitslosenversicherung, die freigestellten Arbeitnehmenden und die Arbeitgeber getragen:</p><p>- Die Arbeitslosenversicherung leistet 80 respektive 90 Prozent Übergangsentschädigung.</p><p>- Die freigestellten Arbeitnehmenden verzichten auf 20 respektive 10 Prozent ihres bisherigen Lohnes.</p><p>- Die Arbeitgeber bezahlen weiterhin die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge für die freigestellten Arbeitnehmenden.</p><p>Es ist damit zu rechnen, dass sich rund 40 Prozent der angesprochenen Arbeitnehmenden, welche mehr als 35 Stunden pro Woche arbeiten, in den Vorruhestand der Arbeitslosenversicherung begeben werden. Auf der Basis der Volkszählung 1990 sind das 23 500 Männer und 5500 Frauen. Wenn wir davon ausgehen, dass die durchschnittlichen Jahreslöhne in dieser Altersklasse für Männer 70 000 Franken und für Frauen 50 000 Franken betragen, beträgt der jährliche Bruttoaufwand der Arbeitslosenversicherung bei voller Freistellung aller 29 000 Personen gut 1,5 Milliarden Franken.</p><p>Weiter ist davon auszugehen, dass von den total 29 000 frei werdenden Stellen 10 Prozent ohnehin geschaffen worden wären (Mitnahmeeffekt). Somit beträgt der Arbeitsplatzeffekt 26 000. Falls die auf diese Weise eingestellten Personen als Arbeitslose registriert sind und ein durchschnittliches Taggeld von 130 Franken beziehen, würde die Arbeitslosenversicherung um knapp 900 Millionen Franken entlastet.</p><p>Gemäss dieser Rechnung können durch das Modell "Stellentausch" 26 000 Arbeitsplätze bereitgestellt werden. Das sind knapp 16 Prozent des Arbeitslosenjahresdurchschnitts 1993 von 165 000. Die Nettokosten für die Arbeitslosenversicherung betragen 680 Millionen Franken pro Jahr oder 11,3 Prozent des budgetierten Gesamtaufwands 1993. Davon sind die Einsparungen durch die teilweise Freistellung abzuziehen. Zusätzlich zu berücksichtigen sind die Entlastung der kantonalen Arbeitslosenhilfe und der kommunalen Sozialhilfe sowie die Reduktion von weiteren direkten Folgekosten der Erwerbslosigkeit (Krankenversicherung, Invalidenversicherung, Einkommensausfälle der Steuerhaushalte und der Sozialversicherungsträger). Das Modell "Stellentausch" ist daher billiger als die Erwerbslosigkeit.</p><p>Für die Regelung des Vorruhestandes im Rahmen der Arbeitslosenversicherung sprechen weitere Gründe. Ältere Arbeitnehmende können den Zeitpunkt des Altersrücktritts frei wählen. Der volle Vorsorgeschutz bleibt ihnen erhalten. In physisch anspruchsvollen Berufen wie zum Beispiel im Baugewerbe ist dies eine prioritäre Forderung. Daran haben auch die Arbeitgeber ein grosses Interesse.</p>
  • <p>Der Bundesrat ist ebenfalls der Meinung, dass eine gewisse Flexibilität im Bereich des Pensionierungsalters angezeigt ist. Der Vorschlag der Motionäre ist indessen sehr komplex und beruht zuweilen auf Arbeitshypothesen, welche einer eingehenden Überprüfung bedürfen. Aus diesen Gründen können die formulierten Vorschläge nicht ohne weiteres übernommen werden. Ausserdem halten die im Ausland gemachten Erfahrungen zu einer gewissen Vorsicht an. Diese haben zum Beispiel aufgezeigt, dass das Alter der vorzeitigen Pensionierung nach und nach zum normalen Pensionierungsalter wurde.</p><p>Überdies hat der Vorschlag der vorzeitigen Pensionierung im Rahmen der Arbeitslosenversicherung Auswirkungen auf das Arbeitsrecht und auf die Gesetzgebung im Bereich der Sozialversicherungen. Das Arbeitsverbot für die Person, die ihre Stelle einer oder einem Arbeitslosen überlässt, macht namentlich entsprechende Anpassungen des Arbeitsvertragsrechts notwendig. Verschiedene Bestimmungen unserer Sozialgesetzgebung müssen ebenfalls angepasst werden. Für die Realisierung der durch die Motion verfolgten Ziele ist eine eingehende, interdisziplinäre Überprüfung aller massgebenden Bereiche notwendig. Der daraus erwachsende Koordinationsbedarf wird mit der Dringlichkeit des Anliegens, wie sie von den Motionären formuliert worden ist, nicht zu vereinbaren sein.</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, möglichst schnell Bericht und Antrag für einen dringlichen Bundesbeschluss über den Vorruhestand im Rahmen der Arbeitslosenversicherung zu unterbreiten.</p><p>Das anvisierte Modell "Stellentausch" möchte Arbeitnehmerinnen ab dem 59. und Arbeitnehmer ab dem 62. Altersjahr ermutigen, auf freiwilliger Basis ihren Arbeitsplatz ganz oder teilweise zu mindestens 50 Prozent einer oder einem Arbeitslosen zur Verfügung zu stellen. Die freigestellte Person erhält bis zum Beginn des AHV-Rentenanspruchs oder des Anspruchs auf eine BVG-Altersleistung ein Ersatzeinkommen von mindestens 80 Prozent des bisherigen Lohnes. Bis zur Hälfte des UVG-Maximallohnes (48 600 Franken) beträgt die Übergangsentschädigung 90 Prozent des letzten Lohnes. Die Finanzierung erfolgt durch die Arbeitslosenversicherung.</p>
  • Dringlicher Bundesbeschluss über den Vorruhestand
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Schweizerische Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF) schätzt, dass heute 3 Prozent der Bevölkerung, also etwa 200 000 Personen, ganz oder teilweise von Sozialhilfe leben, rund 50 Prozent mehr als vor der Wirtschaftskrise. In den nächsten Monaten werden noch Tausende von Langzeitarbeitslosen dazukommen, die ihren Anspruch auf die Arbeitslosenentschädigung oder auf die Leistungen der kantonalen Arbeitslosenhilfe ausgeschöpft haben. Experten rechnen damit, dass bis Ende des nächsten Jahres 40 000 Arbeitslose zu Fürsorgefällen werden. Dies ist für die betroffenen Arbeitslosen und für die sie unterstützenden Wohngemeinden nicht zumutbar.</p><p>In dieser dramatischen Situation sind wir verpflichtet, einen sofort wirksamen Beitrag zur Reduktion der Arbeitslosenzahl zu leisten. Durch Arbeitszeitverkürzung kann die Erwerbslosigkeit teilweise absorbiert werden. Neben dem von Ihnen leider abgelehnten Solidaritätsweiterbildungsurlaub und einer generellen Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden steht die Verkürzung der Lebensarbeitszeit im Vordergrund. Durch den Ersatz von älteren Arbeitnehmenden durch Arbeitslose können gemäss den Berechnungen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes 26 000 Stellen bereitgestellt werden.</p><p>Im Gegensatz zu den bekannten Formen der vorzeitigen Pensionierung wird der Arbeitsvertrag nicht aufgelöst. Die Arbeitnehmenden werden freigestellt und sind dauernd und unwiderruflich von der Pflicht zur Arbeitsleistung entbunden. Sie verpflichten sich im Gegenzug, während der Freistellung keine Erwerbsarbeit zu leisten. Zweck der Freistellung im Rahmen des bisherigen Arbeitsvertrages ist die Erhaltung der betrieblichen Sozialversicherungsbeziehungen und des vollen Versicherungsschutzes. Dafür werden die vollen gesetzlichen und vertraglichen Sozialversicherungsbeiträge entsprechend der Arbeitszeit vor der Freistellung bezahlt, welche ungekürzte Altersrenten von AHV und Personalvorsorgeeinrichtung sicherstellen.</p><p>Weitere Regelungen wie die Beitragsparität bei den Sozialversicherungen und die administrative Abwicklung werden in enger Anlehnung an die Bestimmungen über die Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31ff. Avig) getroffen.</p><p>Kosten: Die Kosten der Freistellung werden gemeinsam durch die Arbeitslosenversicherung, die freigestellten Arbeitnehmenden und die Arbeitgeber getragen:</p><p>- Die Arbeitslosenversicherung leistet 80 respektive 90 Prozent Übergangsentschädigung.</p><p>- Die freigestellten Arbeitnehmenden verzichten auf 20 respektive 10 Prozent ihres bisherigen Lohnes.</p><p>- Die Arbeitgeber bezahlen weiterhin die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge für die freigestellten Arbeitnehmenden.</p><p>Es ist damit zu rechnen, dass sich rund 40 Prozent der angesprochenen Arbeitnehmenden, welche mehr als 35 Stunden pro Woche arbeiten, in den Vorruhestand der Arbeitslosenversicherung begeben werden. Auf der Basis der Volkszählung 1990 sind das 23 500 Männer und 5500 Frauen. Wenn wir davon ausgehen, dass die durchschnittlichen Jahreslöhne in dieser Altersklasse für Männer 70 000 Franken und für Frauen 50 000 Franken betragen, beträgt der jährliche Bruttoaufwand der Arbeitslosenversicherung bei voller Freistellung aller 29 000 Personen gut 1,5 Milliarden Franken.</p><p>Weiter ist davon auszugehen, dass von den total 29 000 frei werdenden Stellen 10 Prozent ohnehin geschaffen worden wären (Mitnahmeeffekt). Somit beträgt der Arbeitsplatzeffekt 26 000. Falls die auf diese Weise eingestellten Personen als Arbeitslose registriert sind und ein durchschnittliches Taggeld von 130 Franken beziehen, würde die Arbeitslosenversicherung um knapp 900 Millionen Franken entlastet.</p><p>Gemäss dieser Rechnung können durch das Modell "Stellentausch" 26 000 Arbeitsplätze bereitgestellt werden. Das sind knapp 16 Prozent des Arbeitslosenjahresdurchschnitts 1993 von 165 000. Die Nettokosten für die Arbeitslosenversicherung betragen 680 Millionen Franken pro Jahr oder 11,3 Prozent des budgetierten Gesamtaufwands 1993. Davon sind die Einsparungen durch die teilweise Freistellung abzuziehen. Zusätzlich zu berücksichtigen sind die Entlastung der kantonalen Arbeitslosenhilfe und der kommunalen Sozialhilfe sowie die Reduktion von weiteren direkten Folgekosten der Erwerbslosigkeit (Krankenversicherung, Invalidenversicherung, Einkommensausfälle der Steuerhaushalte und der Sozialversicherungsträger). Das Modell "Stellentausch" ist daher billiger als die Erwerbslosigkeit.</p><p>Für die Regelung des Vorruhestandes im Rahmen der Arbeitslosenversicherung sprechen weitere Gründe. Ältere Arbeitnehmende können den Zeitpunkt des Altersrücktritts frei wählen. Der volle Vorsorgeschutz bleibt ihnen erhalten. In physisch anspruchsvollen Berufen wie zum Beispiel im Baugewerbe ist dies eine prioritäre Forderung. Daran haben auch die Arbeitgeber ein grosses Interesse.</p>
    • <p>Der Bundesrat ist ebenfalls der Meinung, dass eine gewisse Flexibilität im Bereich des Pensionierungsalters angezeigt ist. Der Vorschlag der Motionäre ist indessen sehr komplex und beruht zuweilen auf Arbeitshypothesen, welche einer eingehenden Überprüfung bedürfen. Aus diesen Gründen können die formulierten Vorschläge nicht ohne weiteres übernommen werden. Ausserdem halten die im Ausland gemachten Erfahrungen zu einer gewissen Vorsicht an. Diese haben zum Beispiel aufgezeigt, dass das Alter der vorzeitigen Pensionierung nach und nach zum normalen Pensionierungsalter wurde.</p><p>Überdies hat der Vorschlag der vorzeitigen Pensionierung im Rahmen der Arbeitslosenversicherung Auswirkungen auf das Arbeitsrecht und auf die Gesetzgebung im Bereich der Sozialversicherungen. Das Arbeitsverbot für die Person, die ihre Stelle einer oder einem Arbeitslosen überlässt, macht namentlich entsprechende Anpassungen des Arbeitsvertragsrechts notwendig. Verschiedene Bestimmungen unserer Sozialgesetzgebung müssen ebenfalls angepasst werden. Für die Realisierung der durch die Motion verfolgten Ziele ist eine eingehende, interdisziplinäre Überprüfung aller massgebenden Bereiche notwendig. Der daraus erwachsende Koordinationsbedarf wird mit der Dringlichkeit des Anliegens, wie sie von den Motionären formuliert worden ist, nicht zu vereinbaren sein.</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, möglichst schnell Bericht und Antrag für einen dringlichen Bundesbeschluss über den Vorruhestand im Rahmen der Arbeitslosenversicherung zu unterbreiten.</p><p>Das anvisierte Modell "Stellentausch" möchte Arbeitnehmerinnen ab dem 59. und Arbeitnehmer ab dem 62. Altersjahr ermutigen, auf freiwilliger Basis ihren Arbeitsplatz ganz oder teilweise zu mindestens 50 Prozent einer oder einem Arbeitslosen zur Verfügung zu stellen. Die freigestellte Person erhält bis zum Beginn des AHV-Rentenanspruchs oder des Anspruchs auf eine BVG-Altersleistung ein Ersatzeinkommen von mindestens 80 Prozent des bisherigen Lohnes. Bis zur Hälfte des UVG-Maximallohnes (48 600 Franken) beträgt die Übergangsentschädigung 90 Prozent des letzten Lohnes. Die Finanzierung erfolgt durch die Arbeitslosenversicherung.</p>
    • Dringlicher Bundesbeschluss über den Vorruhestand

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