Genehmigungsvorbehalt bei wichtigen Verordnungen

ShortId
94.404
Id
19940404
Updated
10.04.2024 18:25
Language
de
Title
Genehmigungsvorbehalt bei wichtigen Verordnungen
AdditionalIndexing
freie Schlagwörter: Staatspolitik;freie Schlagwörter: Genehmigungsvorbehalt;Verordnung;parlamentarische Geschäfte;Verfahrensrecht;Aufgaben des Parlaments;Gesetzgebungsverfahren;parlamentarisches Verfahren;Gesetz
1
  • L03K080702, Gesetzgebungsverfahren
  • L03K080301, parlamentarisches Verfahren
  • L05K0503010103, Verordnung
  • L03K080302, Aufgaben des Parlaments
  • L05K0503010102, Gesetz
  • L04K08030102, parlamentarische Geschäfte
  • L04K05030208, Verfahrensrecht
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Auf Gesetzesstufe werden jene Fragen geregelt, die politisch umstritten sind. Deren Lösung wird durch Mehrheitsentscheide gefunden, die in der Regel referendumsfähig sind. Notwendige Ausführungsbestimmungen werden dabei auf die Verordnungsstufe verwiesen. Die Verordnungen stehen gemäss Bundesrecht in der abschliessenden Kompetenz des Bundesrates. Sie unterliegen in aller Regel keinem Genehmigungsvorbehalt durch die eidgenössischen Räte.</p><p>Dies ist ohne Zweifel richtig und zur Entlastung des Parlamentes notwendig, solange es um mehr techische Detailbestimmungen geht, die politisch wenig Brisanz haben.</p><p>Immer wieder zeigt es sich aber, dass auf Verordnungsstufe auch Fragen zu regeln sind, die einen beachtlichen politischen Ermessensspielraum zulassen, der eigentlich vom Parlament zu begutachten wäre.</p><p>Das schlagende Beispiel ist derzeit die Mehrwertsteuerverordnung, welche den geänderten Verfassungsartikel zur neuen Finanzordnung ausführen soll. Es handelt sich bei dieser Verordnung klar und verfassungsmässig definiert um eine gesetztesvertretende Verordnung. Sie steht als Uebergangslösung so lange in Kraft, bis das Parlament ein entsprechendes Ausführungsgesetz verabschiedet hat.</p><p>Es liegt auf der Hand, dass in dieser Verordnung Probleme von Gesetzesrang politisch entschieden werden müssen. Die zahlreichen öffentlichen Verlautbarungen, die vielen parlamentarischen Vorstösse, welche die Ausgestaltung dieser wichtigen Verordnung durch den Bundesrat beeinflussen wollen, legen von der Bedeutung und der politischen Brisanz der bundesrätlichen Entscheide Zeugnis ab.</p><p>Ein Genehmigungsvorbehalt dieser gesetzesvertretenden Verordnung durch die eidgenössischen Räte wäre daher dringend notwendig. Dabei dürfte selbstverständlich in den Räten nicht eine Detailberatung der einzelnen Bestimmungen stattfinden, wie das bei der ordentlichen Gesetzgebung der Fall ist. Aber der Rat sollte entscheiden können, ob eine vom Bundesrat ausgearbeitete gesetzesvertretende Verordnung in ihrer Gesamtheit den Vorstellungen der Parlamentsmehrheit entspricht oder nicht. Wenn nicht, sollte eine mit konkreten Aenderungswünschen verbundene Rückweisung an den Bundesrat beschlossen werden können.</p><p>Die Mehrwertsteuerverordnung ist zur Zeit das anschaulichste Beispiel für das Anliegen der parlamentarischen Initiative, aber ihre Bedeutung ist eine allgemeine und geht über den konkreten Fall hinaus. Für die Mehrwertsteuerverordnung kann sie ohnehin nicht mehr wirksam werden. In der Zukunft ist es aber aufgrund der gegenwärtigen Erfahrungen notwendig, dass das Parlament zumindest immer dann die Gelegenheit zu einer politischen Gesamtbeurteilung einer bundesrätlichen Verordnung bekommt, wenn diese eine gesetzesvertretende Funktion hat. Als Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind zu nennen: Spielbankenverbot, Kriegsmaterialausfuhr, Schwerverkehrsabgabe und Autobahnvignette. Auch zum 1. August als Feiertag wird eine Verordnung folgen. In allen diesen Fällen überträgt die Verfassung die Verordnungskompetenz dem Bundesrat bis der Gesetzgeber tätig wird. </p><p>Als zweiter Schritt ist zu überlegen, ob nicht der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung der entsprechenden Erlasse selbst bestimmen soll, welche Verordnungen er als politische Instanz nochmals überprüfen will und welche er in die abschliessende Kompetenz des Bundesrates zu legen gewillt ist. Auf kantonal zürcherischer Ebene beispielsweise werden solche Regelungen bereits mit Erfolg praktiziert. Wenn das Gesetz ausführt "Der Regierungsrat regelt...", so liegt die Verordnungskompetenz abschliessend bei der Regierung. Sagt das Gesetz "Die Verordnung regelt...", so muss die entsprechende Verordnung in ihrer Gesamtheit dem zuständigen Parlament zur Zustimmung oder zur Rückweisung unterbreitet werden.</p><p>Solange der Gesetzgeber von seiner Kontrollmöglichkeit bestimmter Verordnungen zurückhaltend Gebrauch macht, hält sich die Mehrbelastung des Parlamentes in Grenzen. Der grosse Vorteil einer solchen Regelung auch auf Bundesebene wäre eine demokratisch bessere Verankerung von wichtigen Verordnungsbestimmungen, welche auf die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes beachtliche Auswirkungen zeitigen können. Damit könnte der Genehmigungsvorbehalt durch das Parlament vielleicht sogar einen Beitrag zum Abbau der viel beschworenen Staatsverdrossenheit leisten, indem die Räte in die Verantwortung für wichtige Ausführungsbestimmungen eingebunden werden und einem allfälligen Trend zu überschiessenden Regelungen Einhalt gebieten können.</p>
  • <p>Gestützt auf Artikel 21bis des Geschäftsverkehrsgesetzes unterbreite ich in der Form einer allgemeinen Anregung die folgende parlamentarische Initiative:</p><p>Der Abschnitt II des Geschäftsverkehrsgesetzes "Form der Erlasse der Bundesversammlung" ist durch eine Bestimmung zu ergänzen, wonach mindestens die gesetzesvertretenden Verordnungen des Bundesrates der Genehmigung durch die eidgenössischen Räte bedürfen.</p><p>Zum zweiten soll der Gesetzgeber ermächtigt werden, von Fall zu Fall bei der entsprechenden Gesetzgebung einen Genehmigungsvorbehalt der eidgenössischen Räte für bestimmte Verordnungen verlangen zu können.</p>
  • Genehmigungsvorbehalt bei wichtigen Verordnungen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Auf Gesetzesstufe werden jene Fragen geregelt, die politisch umstritten sind. Deren Lösung wird durch Mehrheitsentscheide gefunden, die in der Regel referendumsfähig sind. Notwendige Ausführungsbestimmungen werden dabei auf die Verordnungsstufe verwiesen. Die Verordnungen stehen gemäss Bundesrecht in der abschliessenden Kompetenz des Bundesrates. Sie unterliegen in aller Regel keinem Genehmigungsvorbehalt durch die eidgenössischen Räte.</p><p>Dies ist ohne Zweifel richtig und zur Entlastung des Parlamentes notwendig, solange es um mehr techische Detailbestimmungen geht, die politisch wenig Brisanz haben.</p><p>Immer wieder zeigt es sich aber, dass auf Verordnungsstufe auch Fragen zu regeln sind, die einen beachtlichen politischen Ermessensspielraum zulassen, der eigentlich vom Parlament zu begutachten wäre.</p><p>Das schlagende Beispiel ist derzeit die Mehrwertsteuerverordnung, welche den geänderten Verfassungsartikel zur neuen Finanzordnung ausführen soll. Es handelt sich bei dieser Verordnung klar und verfassungsmässig definiert um eine gesetztesvertretende Verordnung. Sie steht als Uebergangslösung so lange in Kraft, bis das Parlament ein entsprechendes Ausführungsgesetz verabschiedet hat.</p><p>Es liegt auf der Hand, dass in dieser Verordnung Probleme von Gesetzesrang politisch entschieden werden müssen. Die zahlreichen öffentlichen Verlautbarungen, die vielen parlamentarischen Vorstösse, welche die Ausgestaltung dieser wichtigen Verordnung durch den Bundesrat beeinflussen wollen, legen von der Bedeutung und der politischen Brisanz der bundesrätlichen Entscheide Zeugnis ab.</p><p>Ein Genehmigungsvorbehalt dieser gesetzesvertretenden Verordnung durch die eidgenössischen Räte wäre daher dringend notwendig. Dabei dürfte selbstverständlich in den Räten nicht eine Detailberatung der einzelnen Bestimmungen stattfinden, wie das bei der ordentlichen Gesetzgebung der Fall ist. Aber der Rat sollte entscheiden können, ob eine vom Bundesrat ausgearbeitete gesetzesvertretende Verordnung in ihrer Gesamtheit den Vorstellungen der Parlamentsmehrheit entspricht oder nicht. Wenn nicht, sollte eine mit konkreten Aenderungswünschen verbundene Rückweisung an den Bundesrat beschlossen werden können.</p><p>Die Mehrwertsteuerverordnung ist zur Zeit das anschaulichste Beispiel für das Anliegen der parlamentarischen Initiative, aber ihre Bedeutung ist eine allgemeine und geht über den konkreten Fall hinaus. Für die Mehrwertsteuerverordnung kann sie ohnehin nicht mehr wirksam werden. In der Zukunft ist es aber aufgrund der gegenwärtigen Erfahrungen notwendig, dass das Parlament zumindest immer dann die Gelegenheit zu einer politischen Gesamtbeurteilung einer bundesrätlichen Verordnung bekommt, wenn diese eine gesetzesvertretende Funktion hat. Als Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind zu nennen: Spielbankenverbot, Kriegsmaterialausfuhr, Schwerverkehrsabgabe und Autobahnvignette. Auch zum 1. August als Feiertag wird eine Verordnung folgen. In allen diesen Fällen überträgt die Verfassung die Verordnungskompetenz dem Bundesrat bis der Gesetzgeber tätig wird. </p><p>Als zweiter Schritt ist zu überlegen, ob nicht der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung der entsprechenden Erlasse selbst bestimmen soll, welche Verordnungen er als politische Instanz nochmals überprüfen will und welche er in die abschliessende Kompetenz des Bundesrates zu legen gewillt ist. Auf kantonal zürcherischer Ebene beispielsweise werden solche Regelungen bereits mit Erfolg praktiziert. Wenn das Gesetz ausführt "Der Regierungsrat regelt...", so liegt die Verordnungskompetenz abschliessend bei der Regierung. Sagt das Gesetz "Die Verordnung regelt...", so muss die entsprechende Verordnung in ihrer Gesamtheit dem zuständigen Parlament zur Zustimmung oder zur Rückweisung unterbreitet werden.</p><p>Solange der Gesetzgeber von seiner Kontrollmöglichkeit bestimmter Verordnungen zurückhaltend Gebrauch macht, hält sich die Mehrbelastung des Parlamentes in Grenzen. Der grosse Vorteil einer solchen Regelung auch auf Bundesebene wäre eine demokratisch bessere Verankerung von wichtigen Verordnungsbestimmungen, welche auf die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes beachtliche Auswirkungen zeitigen können. Damit könnte der Genehmigungsvorbehalt durch das Parlament vielleicht sogar einen Beitrag zum Abbau der viel beschworenen Staatsverdrossenheit leisten, indem die Räte in die Verantwortung für wichtige Ausführungsbestimmungen eingebunden werden und einem allfälligen Trend zu überschiessenden Regelungen Einhalt gebieten können.</p>
    • <p>Gestützt auf Artikel 21bis des Geschäftsverkehrsgesetzes unterbreite ich in der Form einer allgemeinen Anregung die folgende parlamentarische Initiative:</p><p>Der Abschnitt II des Geschäftsverkehrsgesetzes "Form der Erlasse der Bundesversammlung" ist durch eine Bestimmung zu ergänzen, wonach mindestens die gesetzesvertretenden Verordnungen des Bundesrates der Genehmigung durch die eidgenössischen Räte bedürfen.</p><p>Zum zweiten soll der Gesetzgeber ermächtigt werden, von Fall zu Fall bei der entsprechenden Gesetzgebung einen Genehmigungsvorbehalt der eidgenössischen Räte für bestimmte Verordnungen verlangen zu können.</p>
    • Genehmigungsvorbehalt bei wichtigen Verordnungen

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