Bürokratieabbau. Neue Offenheit auf dem stillen Örtchen

ShortId
18.3299
Id
20183299
Updated
28.07.2023 03:46
Language
de
Title
Bürokratieabbau. Neue Offenheit auf dem stillen Örtchen
AdditionalIndexing
44;28
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die heutigen gesetzlichen Bestimmungen, welche getrennte Garderoben, Waschanlagen und Toiletten verlangen, fussen im viktorianischen Zeitalter mit seinen rigiden Moralvorstellungen und passen nicht zu einer modernen Lebensweise. Sogar die alten Römer hatten bereits geschlechtsneutrale Latrinen. </p><p>Die Regulierung, dass Betriebe oder etwa Restaurants den Mitarbeitenden oder den Kundinnen und Kunden Toiletten anbieten müssen, ist vernünftig. Was unvernünftig ist, ist die Regulierung über die genaue Ausgestaltung dieser Toiletten. Die Vorschrift, diese Räume getrennt anbieten zu müssen - d. h., bauliche Massnahmen zu ergreifen, mehrere Räume separat zu bewirtschaften, für die Einhaltung der Trennung zu sorgen -, generiert Kosten, die unnötig sind. Denn diese Vorschrift ist nicht verhältnismässig. </p><p>Es wäre zeitgemässer vorzuschreiben, dass die Betriebe eine entsprechende Vorrichtung zur Verfügung stellen müssen, welche die Privatsphäre nutzungsgerecht garantiert. Es sollte der unternehmerischen Freiheit überlassen werden, selbst zu definieren, wie dies erfolgen kann. Zum Beispiel ist ein "stilles Örtchen" mit einer abschliessbaren Tür bereits zweckdienlich. Dann spielt es auch keine Rolle, ob die Person, die sich zuvor und danach dort aufhält, Mann oder Frau ist. </p><p>An verschiedenen Orten gibt es bereits Unisex-Toiletten, wie z. B. in Zügen und Flugzeugen. Mit Unisex-Toiletten geraten z. B. intersexuelle Personen und Eltern mit ihren gegengeschlechtlichen Kindern nicht in ein Dilemma, welche Toilette sie nun benützen müssen. </p><p>Ein optimal gestaltetes Beispiel ist das Restaurant "Anker" in Luzern. Diese Anlage schützt durch ihre Einsichtigkeit und Zugänglichkeit sogar besser vor sexueller Belästigung als herkömmliche getrennte WC-Anlagen.</p>
  • <p>Das mit der Motion deponierte Anliegen ist in unserem föderalen System auf verschiedenen Staatsebenen geregelt. Die Beispiele betreffend Eltern mit gegengeschlechtlichen Kindern, Unisex-Toiletten in Flugzeugen und Zügen, Kundinnen und Kunden von Restaurants werden nicht durch bundesgesetzliche Normen geregelt. Insofern kann der Bundesrat keine nationale Regelung für Unisex-Toiletten erlassen. Für den öffentlichen Raum regeln kantonale Gesetze, ab welcher Personenzahl wie viele Toiletten vorzusehen sind. Fluggesellschaften und Bahnen regeln dies für ihre Flugzeuge und Züge autonom, wobei gerade diese Toilettenanlagen jeweils oft nur von einer Person gleichzeitig genutzt werden können. Ferner ist der Bundesrat der Ansicht, dass das Vorhandensein von Unisex-Toiletten das Dilemma von intersexuellen Personen kaum nachhaltig lösen kann.</p><p>Das einzige Bundesgesetz, das Normen zum Thema enthält, ist das Arbeitsgesetz (ArG; SR 822.11) respektive dessen Verordnung 3 (ArGV 3; SR 822.113). Letztere regelt die Anforderungen an Garderoben, Waschanlagen und Toiletten in der Arbeitswelt (Art. 29ff. ArGV 3). Gemäss Artikel 29 Absatz 3 ArGV 3 sind für Frauen und Männer getrennte Garderoben, Waschanlagen und Toiletten oder zumindest eine getrennte Nutzung dieser Einrichtung vorzusehen.</p><p>Das Arbeitsgesetz regelt diese Bedingungen für die Arbeitswelt unter anderem darum, weil die Arbeitnehmerinnen und -nehmer keine Wahl haben, wo sie ihre Arbeitskleider wechseln oder wo sie auf die Toilette gehen können, dies im Gegensatz zu den Orten im öffentlichen Raum (z. B. Restaurants, Läden). Argumente für geschlechtergetrennte Anlagen sind die Vermeidung von psychosozialen Risiken wie sexuelle Belästigung, das Unwohlsein durch die Präsenz des anderen Geschlechts sowie hygienische Gründe.</p><p>Die Wegleitung des Seco zu Artikel 29 ArGV 3 nimmt bereits heute stark Rücksicht auf kleinere Betriebe, um diese vor kostspieligen Einrichtungen zu verschonen. Führen die Arbeitnehmenden wenig verschmutzende Arbeiten aus, so ist in Betrieben mit bis 10 Personen eine getrennte Benutzung der gleichen Einrichtung zulässig. Als Beispiele werden Bürobetriebe oder Baustellen mit erschwerten Bedingungen aufgeführt wie kurzzeitige oder Kleinbaustellen mit Sozialräumen in Baucontainern.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, das Arbeitsgesetz und allfällige weitere Gesetze dahingehend zu ändern, dass Toiletten nicht nur getrennt vorzusehen sind. Unisex-Toilettenanlagen sollen erlaubt sein.</p>
  • Bürokratieabbau. Neue Offenheit auf dem stillen Örtchen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die heutigen gesetzlichen Bestimmungen, welche getrennte Garderoben, Waschanlagen und Toiletten verlangen, fussen im viktorianischen Zeitalter mit seinen rigiden Moralvorstellungen und passen nicht zu einer modernen Lebensweise. Sogar die alten Römer hatten bereits geschlechtsneutrale Latrinen. </p><p>Die Regulierung, dass Betriebe oder etwa Restaurants den Mitarbeitenden oder den Kundinnen und Kunden Toiletten anbieten müssen, ist vernünftig. Was unvernünftig ist, ist die Regulierung über die genaue Ausgestaltung dieser Toiletten. Die Vorschrift, diese Räume getrennt anbieten zu müssen - d. h., bauliche Massnahmen zu ergreifen, mehrere Räume separat zu bewirtschaften, für die Einhaltung der Trennung zu sorgen -, generiert Kosten, die unnötig sind. Denn diese Vorschrift ist nicht verhältnismässig. </p><p>Es wäre zeitgemässer vorzuschreiben, dass die Betriebe eine entsprechende Vorrichtung zur Verfügung stellen müssen, welche die Privatsphäre nutzungsgerecht garantiert. Es sollte der unternehmerischen Freiheit überlassen werden, selbst zu definieren, wie dies erfolgen kann. Zum Beispiel ist ein "stilles Örtchen" mit einer abschliessbaren Tür bereits zweckdienlich. Dann spielt es auch keine Rolle, ob die Person, die sich zuvor und danach dort aufhält, Mann oder Frau ist. </p><p>An verschiedenen Orten gibt es bereits Unisex-Toiletten, wie z. B. in Zügen und Flugzeugen. Mit Unisex-Toiletten geraten z. B. intersexuelle Personen und Eltern mit ihren gegengeschlechtlichen Kindern nicht in ein Dilemma, welche Toilette sie nun benützen müssen. </p><p>Ein optimal gestaltetes Beispiel ist das Restaurant "Anker" in Luzern. Diese Anlage schützt durch ihre Einsichtigkeit und Zugänglichkeit sogar besser vor sexueller Belästigung als herkömmliche getrennte WC-Anlagen.</p>
    • <p>Das mit der Motion deponierte Anliegen ist in unserem föderalen System auf verschiedenen Staatsebenen geregelt. Die Beispiele betreffend Eltern mit gegengeschlechtlichen Kindern, Unisex-Toiletten in Flugzeugen und Zügen, Kundinnen und Kunden von Restaurants werden nicht durch bundesgesetzliche Normen geregelt. Insofern kann der Bundesrat keine nationale Regelung für Unisex-Toiletten erlassen. Für den öffentlichen Raum regeln kantonale Gesetze, ab welcher Personenzahl wie viele Toiletten vorzusehen sind. Fluggesellschaften und Bahnen regeln dies für ihre Flugzeuge und Züge autonom, wobei gerade diese Toilettenanlagen jeweils oft nur von einer Person gleichzeitig genutzt werden können. Ferner ist der Bundesrat der Ansicht, dass das Vorhandensein von Unisex-Toiletten das Dilemma von intersexuellen Personen kaum nachhaltig lösen kann.</p><p>Das einzige Bundesgesetz, das Normen zum Thema enthält, ist das Arbeitsgesetz (ArG; SR 822.11) respektive dessen Verordnung 3 (ArGV 3; SR 822.113). Letztere regelt die Anforderungen an Garderoben, Waschanlagen und Toiletten in der Arbeitswelt (Art. 29ff. ArGV 3). Gemäss Artikel 29 Absatz 3 ArGV 3 sind für Frauen und Männer getrennte Garderoben, Waschanlagen und Toiletten oder zumindest eine getrennte Nutzung dieser Einrichtung vorzusehen.</p><p>Das Arbeitsgesetz regelt diese Bedingungen für die Arbeitswelt unter anderem darum, weil die Arbeitnehmerinnen und -nehmer keine Wahl haben, wo sie ihre Arbeitskleider wechseln oder wo sie auf die Toilette gehen können, dies im Gegensatz zu den Orten im öffentlichen Raum (z. B. Restaurants, Läden). Argumente für geschlechtergetrennte Anlagen sind die Vermeidung von psychosozialen Risiken wie sexuelle Belästigung, das Unwohlsein durch die Präsenz des anderen Geschlechts sowie hygienische Gründe.</p><p>Die Wegleitung des Seco zu Artikel 29 ArGV 3 nimmt bereits heute stark Rücksicht auf kleinere Betriebe, um diese vor kostspieligen Einrichtungen zu verschonen. Führen die Arbeitnehmenden wenig verschmutzende Arbeiten aus, so ist in Betrieben mit bis 10 Personen eine getrennte Benutzung der gleichen Einrichtung zulässig. Als Beispiele werden Bürobetriebe oder Baustellen mit erschwerten Bedingungen aufgeführt wie kurzzeitige oder Kleinbaustellen mit Sozialräumen in Baucontainern.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, das Arbeitsgesetz und allfällige weitere Gesetze dahingehend zu ändern, dass Toiletten nicht nur getrennt vorzusehen sind. Unisex-Toilettenanlagen sollen erlaubt sein.</p>
    • Bürokratieabbau. Neue Offenheit auf dem stillen Örtchen

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