Gesetzmässigkeit der Tarmed-Änderungen 2014 und 2017

ShortId
18.3311
Id
20183311
Updated
28.07.2023 03:43
Language
de
Title
Gesetzmässigkeit der Tarmed-Änderungen 2014 und 2017
AdditionalIndexing
2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Der Bundesrat hat am 18. Oktober 2017 zum zweiten Mal die Tarifstruktur Tarmed aufgrund seiner subsidiären Kompetenz nach Artikel 43 Absatz 5bis KVG angepasst. Publik gewordene amtliche Dokumente zeigen, dass das Bundesamt für Justiz (BJ) wesentliche Vorbehalte betreffend Gesetzmässigkeit der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) vorgeschlagenen Tarifstruktur vorgebracht hat. Insbesondere hat das BJ die Argumentation des BAG von wichtigen Massnahmen als ungenügend gewürdigt und bemängelt:</p><p>1. Das BAG anerkenne in seinem Aussprachepapier implizit, dass keine substanzielle Überprüfung der Gesetzmässigkeit aller angewandten Änderungen durchgeführt werden kann, sodass dies später Sache der Schiedsgerichte sein wird.</p><p>2. Das Einebnen der quantitativen Dignität auf den fixen Wert sei nicht nachvollziehbar. </p><p>3. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit sei die Argumentation für die Senkung der Produktivität bei den verschiedenen OP-Sparten ungenügend. </p><p>4. Der Bundesrat könne nicht auf Basis von Artikel 43 Absatz 5bis KVG Handlungsleistungen der Tarifstruktur in eine partiell pauschalierte Tarifstruktur ändern. Damit seien komplexe medizinische Fälle nicht sachgerecht abgebildet. </p><p>5. Die Plausibilisierung der Minutagen durch die Krankenversicherer sei ungenügend, weil diese nicht eine materielle Evaluation ersetze. </p><p>6. Der Standpunkt des BAG, dass mit der neuen Tarifstruktur die bisherigen Leistungen nach wie vor kostendeckend erbracht werden können, sei ein "Geständnis der Ohnmacht". </p><p>Zuletzt hat am 11. September 2017 das BJ einen generellen Vorbehalt bezüglich Überprüfbarkeit und Gesetzmässigkeit ausgesprochen und ob die Massnahmen tatsächlich zu einer sachgerechten Tarifstruktur führen können.</p>
  • <p>1./3. Die Festsetzung der Tarifstruktur Tarmed durch den Bundesrat mittels Verordnung war zwingend notwendig: erstens, weil es ansonsten ab dem 1. Januar 2018 keine von allen Tarifpartnern gemeinsam vereinbarte Tarifstruktur mehr gegeben hätte; zweitens, weil die Tarifpartner innert Frist keinen gemeinsamen Antrag auf Genehmigung einer gesamt- oder teilrevidierten Tarifstruktur eingereicht haben. Dabei nahm der Bundesrat auch Anpassungen an der Tarifstruktur vor, da diese teilweise nicht mehr sachgerecht war.</p><p>Wie der Bundesrat in seiner Antwort vom 5. März 2018 auf die Fragen Herzog 18.5073 und 18.5049 ausführt, wurden die Rückmeldungen des Bundesamtes für Justiz (BJ) zu den Anpassungen am Tarmed gegenüber dem Gesamtbundesrat zusammen mit weiteren Rückmeldungen transparent ausgewiesen. Die Einwände des BJ im Rahmen der Ämterkonsultationen wurden berücksichtigt, indem die einzelnen Massnahmen teilweise genauer und fundierter begründet wurden. Danach verblieben keine auszuweisenden Differenzen mehr, dies wurde im Bundesratsantrag auch so angegeben.</p><p>Das BJ hat in erster Linie geprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen von Artikel 43 Absätze 5 und 5bis des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) für einen Eingriff des Bundesrates erfüllt waren. Das BJ hat das bejaht. Der Generalvorbehalt des BJ bezog sich hingegen auf die Komplexität der Vorlage. Es machte damit deutlich, dass es nicht im Einzelnen sämtliche Anpassungen der Tarmed-Positionen auf ihre Gesetzmässigkeit überprüfen kann. Der Bundesrat war und ist sich dessen bewusst. Er hat seinen Entscheid in Kenntnis der Sachlage und der Ausführungen des BJ getroffen und ist zum Schluss gekommen, dass die Anpassungen an der Tarifstruktur den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.</p><p>2. Verordnungen des Bundesrates können von einem Gericht nicht in abstrakter Weise überprüft werden. Hingegen kann die Anwendung in einem konkreten Einzelfall gerichtlich überprüft werden und dabei auch die Rechtmässigkeit der zugrunde liegenden Verordnungsbestimmungen. Dieser Umstand ist dem Bundesrat bewusst. Er hat denn auch die Änderung der Verordnung über die Festlegung und die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung per 1. Januar 2018 in Kenntnis des Entscheides des kantonalen Schiedsgerichtes Luzern und im Wissen um das hängige Verfahren vor Bundesgericht verabschiedet.</p><p>Mit Urteil 9C_476/2017 vom 29. März 2018 hat das Bundesgericht diesbezüglich die Beschwerde des betroffenen Krankenversicherers gutgeheissen und den Entscheid des kantonalen Schiedsgerichtes aufgehoben. Es hat entschieden, dass der Bundesrat bei der Anpassung von Taxpunkten der Tarifstruktur Tarmed lineare Kürzungen bei verschiedenen Positionen vornehmen und dabei auch politischen Anliegen Rechnung tragen darf. Der Bundesrat war sich zudem bewusst, dass bei einem anderen Ausgang des Verfahrens mögliche Nachforderungen von Leistungserbringern nicht hätten ausgeschlossen werden können und dieses Risiko grundsätzlich auch für Streitfälle in Anwendung der Verordnungsänderung per 1. Januar 2018 besteht.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Der Bundesrat wird ersucht, folgende Fragen zu beantworten: </p><p>1. Inwiefern wusste er über die fehlende Überprüfbarkeit und fragliche Gesetzmässigkeit der Änderungsmassnahmen Bescheid?</p><p>2. Inwiefern wusste er über die Risiken von Klagen und hoher Rechtsunsicherheit für das Gesundheitssystem sowie die Kostenfolgen im Falle von Rückforderungen durch Leistungserbringer?</p><p>3. Warum hat er trotz des generellen Vorbehaltes des Bundesamtes für Justiz (BJ) bezüglich der fehlenden Überprüfbarkeit und fraglichen Gesetzmässigkeit von vielen Massnahmen vom 11. September 2017 die Verordnung verabschiedet?</p>
  • Gesetzmässigkeit der Tarmed-Änderungen 2014 und 2017
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Der Bundesrat hat am 18. Oktober 2017 zum zweiten Mal die Tarifstruktur Tarmed aufgrund seiner subsidiären Kompetenz nach Artikel 43 Absatz 5bis KVG angepasst. Publik gewordene amtliche Dokumente zeigen, dass das Bundesamt für Justiz (BJ) wesentliche Vorbehalte betreffend Gesetzmässigkeit der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) vorgeschlagenen Tarifstruktur vorgebracht hat. Insbesondere hat das BJ die Argumentation des BAG von wichtigen Massnahmen als ungenügend gewürdigt und bemängelt:</p><p>1. Das BAG anerkenne in seinem Aussprachepapier implizit, dass keine substanzielle Überprüfung der Gesetzmässigkeit aller angewandten Änderungen durchgeführt werden kann, sodass dies später Sache der Schiedsgerichte sein wird.</p><p>2. Das Einebnen der quantitativen Dignität auf den fixen Wert sei nicht nachvollziehbar. </p><p>3. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit sei die Argumentation für die Senkung der Produktivität bei den verschiedenen OP-Sparten ungenügend. </p><p>4. Der Bundesrat könne nicht auf Basis von Artikel 43 Absatz 5bis KVG Handlungsleistungen der Tarifstruktur in eine partiell pauschalierte Tarifstruktur ändern. Damit seien komplexe medizinische Fälle nicht sachgerecht abgebildet. </p><p>5. Die Plausibilisierung der Minutagen durch die Krankenversicherer sei ungenügend, weil diese nicht eine materielle Evaluation ersetze. </p><p>6. Der Standpunkt des BAG, dass mit der neuen Tarifstruktur die bisherigen Leistungen nach wie vor kostendeckend erbracht werden können, sei ein "Geständnis der Ohnmacht". </p><p>Zuletzt hat am 11. September 2017 das BJ einen generellen Vorbehalt bezüglich Überprüfbarkeit und Gesetzmässigkeit ausgesprochen und ob die Massnahmen tatsächlich zu einer sachgerechten Tarifstruktur führen können.</p>
    • <p>1./3. Die Festsetzung der Tarifstruktur Tarmed durch den Bundesrat mittels Verordnung war zwingend notwendig: erstens, weil es ansonsten ab dem 1. Januar 2018 keine von allen Tarifpartnern gemeinsam vereinbarte Tarifstruktur mehr gegeben hätte; zweitens, weil die Tarifpartner innert Frist keinen gemeinsamen Antrag auf Genehmigung einer gesamt- oder teilrevidierten Tarifstruktur eingereicht haben. Dabei nahm der Bundesrat auch Anpassungen an der Tarifstruktur vor, da diese teilweise nicht mehr sachgerecht war.</p><p>Wie der Bundesrat in seiner Antwort vom 5. März 2018 auf die Fragen Herzog 18.5073 und 18.5049 ausführt, wurden die Rückmeldungen des Bundesamtes für Justiz (BJ) zu den Anpassungen am Tarmed gegenüber dem Gesamtbundesrat zusammen mit weiteren Rückmeldungen transparent ausgewiesen. Die Einwände des BJ im Rahmen der Ämterkonsultationen wurden berücksichtigt, indem die einzelnen Massnahmen teilweise genauer und fundierter begründet wurden. Danach verblieben keine auszuweisenden Differenzen mehr, dies wurde im Bundesratsantrag auch so angegeben.</p><p>Das BJ hat in erster Linie geprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen von Artikel 43 Absätze 5 und 5bis des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) für einen Eingriff des Bundesrates erfüllt waren. Das BJ hat das bejaht. Der Generalvorbehalt des BJ bezog sich hingegen auf die Komplexität der Vorlage. Es machte damit deutlich, dass es nicht im Einzelnen sämtliche Anpassungen der Tarmed-Positionen auf ihre Gesetzmässigkeit überprüfen kann. Der Bundesrat war und ist sich dessen bewusst. Er hat seinen Entscheid in Kenntnis der Sachlage und der Ausführungen des BJ getroffen und ist zum Schluss gekommen, dass die Anpassungen an der Tarifstruktur den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.</p><p>2. Verordnungen des Bundesrates können von einem Gericht nicht in abstrakter Weise überprüft werden. Hingegen kann die Anwendung in einem konkreten Einzelfall gerichtlich überprüft werden und dabei auch die Rechtmässigkeit der zugrunde liegenden Verordnungsbestimmungen. Dieser Umstand ist dem Bundesrat bewusst. Er hat denn auch die Änderung der Verordnung über die Festlegung und die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung per 1. Januar 2018 in Kenntnis des Entscheides des kantonalen Schiedsgerichtes Luzern und im Wissen um das hängige Verfahren vor Bundesgericht verabschiedet.</p><p>Mit Urteil 9C_476/2017 vom 29. März 2018 hat das Bundesgericht diesbezüglich die Beschwerde des betroffenen Krankenversicherers gutgeheissen und den Entscheid des kantonalen Schiedsgerichtes aufgehoben. Es hat entschieden, dass der Bundesrat bei der Anpassung von Taxpunkten der Tarifstruktur Tarmed lineare Kürzungen bei verschiedenen Positionen vornehmen und dabei auch politischen Anliegen Rechnung tragen darf. Der Bundesrat war sich zudem bewusst, dass bei einem anderen Ausgang des Verfahrens mögliche Nachforderungen von Leistungserbringern nicht hätten ausgeschlossen werden können und dieses Risiko grundsätzlich auch für Streitfälle in Anwendung der Verordnungsänderung per 1. Januar 2018 besteht.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Der Bundesrat wird ersucht, folgende Fragen zu beantworten: </p><p>1. Inwiefern wusste er über die fehlende Überprüfbarkeit und fragliche Gesetzmässigkeit der Änderungsmassnahmen Bescheid?</p><p>2. Inwiefern wusste er über die Risiken von Klagen und hoher Rechtsunsicherheit für das Gesundheitssystem sowie die Kostenfolgen im Falle von Rückforderungen durch Leistungserbringer?</p><p>3. Warum hat er trotz des generellen Vorbehaltes des Bundesamtes für Justiz (BJ) bezüglich der fehlenden Überprüfbarkeit und fraglichen Gesetzmässigkeit von vielen Massnahmen vom 11. September 2017 die Verordnung verabschiedet?</p>
    • Gesetzmässigkeit der Tarmed-Änderungen 2014 und 2017

Back to List