Gefährden Geschwindigkeitsrekorde im Gotthard-Basistunnel die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene?

ShortId
18.3571
Id
20183571
Updated
28.07.2023 03:25
Language
de
Title
Gefährden Geschwindigkeitsrekorde im Gotthard-Basistunnel die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene?
AdditionalIndexing
48;66
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die SBB haben im Rahmen einer Testfahrt im Gotthard-Basistunnel einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Der neue Hochgeschwindigkeitszug "Giruno" fuhr mit 275 Kilometern pro Stunde durch den Tunnel. Der Test hatte einen konkreten Hintergrund: Künftig soll die Tempolimite im Tunnel neu 250 Stundenkilometer betragen. </p><p>Es ist grundsätzlich erfreulich, wenn das Tempo des öffentlichen Verkehrs zunimmt. Diese Neuerung wirft aber auch Fragen auf: Einerseits nimmt der Energieaufwand mit zunehmender Geschwindigkeit exponentiell zu, was solche Tempi wohl nicht rechtfertigt, zumindest solange diese Energie nicht zu 100 Prozent erneuerbar hergestellt wird. Andererseits wurde der Gotthard-Basistunnel hauptsächlich für den internationalen Güterverkehr und damit für die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene gebaut.</p><p>Ich habe bereits im Rahmen des Postulates 12.3311 darauf hingewiesen, dass die Vergangenheit gezeigt hat, dass viele Trassenausbauten - auch wenn sie ursprünglich für den Güterverkehr gedacht waren - letztlich rasch und zunehmend vom Personenverkehr beansprucht werden (z. B. beim Lötschberg-Basistunnel). Dies läuft dem in der Verfassung verankerten Verlagerungsziel beim Güterverkehr entgegen. Es stellt sich nun die Frage, ob und in welchem Ausmass diese Entwicklung auch beim Gotthard-Basistunnel Einzug hält.</p>
  • <p>Am Osterwochenende 2018 sind mit dem neuen Zug "Giruno" Testfahrten mit 275 Stundenkilometern im Gotthard-Basistunnel durchgeführt worden. Diese und weitere Übergeschwindigkeitsfahrten sind Teil der Test- und Erprobungsfahrten. Die Testfahrten mit Übergeschwindigkeit sind ein wichtiger Bestandteil, um eine Zulassung des "Giruno" für die vier Länder (CH, I, D und A) beantragen zu können. Solche Testfahrten wurden bereits vor der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels mit anderem Rollmaterial durchgeführt. Die Testfahrten haben keinen Zusammenhang mit dem effektiven Fahrplan auf der Gotthardachse.</p><p>Das vom Bundesrat am 30. August 2017 verabschiedete Netznutzungskonzept 2025 legt das Angebotskonzept und damit die Anzahl Trassen für Güter- und Personenverkehr verbindlich fest. Ein schnelleres oder zusätzliches Angebot im Personenfernverkehr ist nur möglich, wenn es diese Kapazitätszuteilung nicht tangiert.</p><p>1. Im Gotthard-Basistunnel ist für Personenzüge weiterhin eine Regel-Geschwindigkeit bis 200 Stundenkilometer geplant. Diese Geschwindigkeit ist notwendig, um die Fahrzeitziele gemäss Neat-Konzept zu erreichen. Auch das dem Netznutzungskonzept 2025 zugrunde liegende Betriebsregime sieht diese Regel-Geschwindigkeit vor. Zur Sicherung der Betriebsstabilität und Pünktlichkeit ist es jedoch möglich, dass einzelne Züge im Gotthard-Basistunnel schneller verkehren. Grundsätzlich gilt, dass Geschwindigkeiten bis zu 250 Stundenkilometern für das Aufholen von Verspätungen nutzbar sein sollen.</p><p>Bei einer Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern benötigt eine Zugfahrt 56 Prozent mehr Energie (Bahnstrom) als bei 200 Stundenkilometern (vor allem wegen höherem Fahrwiderstand; im Vergleich zu Tempo 180 Kilometer pro Stunde beträgt der Energiemehrbedarf sogar 93 Prozent). Die Versorgung mit Bahnstrom ist auch bei einer Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern sichergestellt. Der Bahnstrommix ändert durch den Energiemehrbedarf der einzelnen Personenzüge nicht, d. h., mindestens 90 Prozent stammen aus erneuerbaren Energiequellen (mehrheitlich SBB-eigene Wasserkraftwerke in der Schweiz).</p><p>Bei gleichem Betriebsprogramm (Anzahl Fernverkehrsverbindungen durch den Gotthard-Basistunnel) würde eine Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern zu einem Energiemehrbedarf von 14 Gigawattstunden pro Jahr führen; das entspräche Energiekosten von zirka 1,5 Millionen Franken pro Jahr. Dieses Szenario ist jedoch nicht vorgesehen, zumal es zu einer Reduktion der verfügbaren Güterzugtrassen führen und damit das Netznutzungskonzept verletzen würde.</p><p>2./3. Hochgeschwindigkeitsfahrten im Rahmen von Testfahrten haben keinen Zusammenhang mit dem Kapazitätsangebot für den Schienengüterverkehr auf der Gotthardachse zur Umsetzung der Verlagerungspolitik des Bundes.</p><p>Das Verlagerungsziel und die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Kapazitäten bleiben durch den Einsatz von Personenzügen, welche für Geschwindigkeiten über 200 Stundenkilometer zugelassen sind, unangetastet.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Ich ersuche den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Wie viel zusätzliche Energie verbrauchen die SBB durch die Anhebung der Tempolimite im Gotthard-Basistunnel auf neu 250 Stundenkilometer pro Zugfahrt und pro Jahr? Aus welchen Produktionsquellen wird der Strom für diese Zugfahrten hergestellt?</p><p>2. Wird der Güterverkehr durch die neuen Hochgeschwindigkeitszüge für den Personenverkehr in irgendeiner Weise beeinträchtigt?</p><p>2a. Falls nein, wurde das konkret evaluiert? Was sind die Resultate der Evaluation?</p><p>2b. Falls ja, inwieweit ist dies der Fall? Wird dadurch nicht das in der Verfassung verankerte Verlagerungsziel beim Güterverkehr geschwächt oder relativiert?</p><p>3. Wie beurteilt er die Erhöhung der Tempolimite im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse (insb. mit Blick auf Energieverbrauch und Verlagerung)?</p>
  • Gefährden Geschwindigkeitsrekorde im Gotthard-Basistunnel die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die SBB haben im Rahmen einer Testfahrt im Gotthard-Basistunnel einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Der neue Hochgeschwindigkeitszug "Giruno" fuhr mit 275 Kilometern pro Stunde durch den Tunnel. Der Test hatte einen konkreten Hintergrund: Künftig soll die Tempolimite im Tunnel neu 250 Stundenkilometer betragen. </p><p>Es ist grundsätzlich erfreulich, wenn das Tempo des öffentlichen Verkehrs zunimmt. Diese Neuerung wirft aber auch Fragen auf: Einerseits nimmt der Energieaufwand mit zunehmender Geschwindigkeit exponentiell zu, was solche Tempi wohl nicht rechtfertigt, zumindest solange diese Energie nicht zu 100 Prozent erneuerbar hergestellt wird. Andererseits wurde der Gotthard-Basistunnel hauptsächlich für den internationalen Güterverkehr und damit für die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene gebaut.</p><p>Ich habe bereits im Rahmen des Postulates 12.3311 darauf hingewiesen, dass die Vergangenheit gezeigt hat, dass viele Trassenausbauten - auch wenn sie ursprünglich für den Güterverkehr gedacht waren - letztlich rasch und zunehmend vom Personenverkehr beansprucht werden (z. B. beim Lötschberg-Basistunnel). Dies läuft dem in der Verfassung verankerten Verlagerungsziel beim Güterverkehr entgegen. Es stellt sich nun die Frage, ob und in welchem Ausmass diese Entwicklung auch beim Gotthard-Basistunnel Einzug hält.</p>
    • <p>Am Osterwochenende 2018 sind mit dem neuen Zug "Giruno" Testfahrten mit 275 Stundenkilometern im Gotthard-Basistunnel durchgeführt worden. Diese und weitere Übergeschwindigkeitsfahrten sind Teil der Test- und Erprobungsfahrten. Die Testfahrten mit Übergeschwindigkeit sind ein wichtiger Bestandteil, um eine Zulassung des "Giruno" für die vier Länder (CH, I, D und A) beantragen zu können. Solche Testfahrten wurden bereits vor der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels mit anderem Rollmaterial durchgeführt. Die Testfahrten haben keinen Zusammenhang mit dem effektiven Fahrplan auf der Gotthardachse.</p><p>Das vom Bundesrat am 30. August 2017 verabschiedete Netznutzungskonzept 2025 legt das Angebotskonzept und damit die Anzahl Trassen für Güter- und Personenverkehr verbindlich fest. Ein schnelleres oder zusätzliches Angebot im Personenfernverkehr ist nur möglich, wenn es diese Kapazitätszuteilung nicht tangiert.</p><p>1. Im Gotthard-Basistunnel ist für Personenzüge weiterhin eine Regel-Geschwindigkeit bis 200 Stundenkilometer geplant. Diese Geschwindigkeit ist notwendig, um die Fahrzeitziele gemäss Neat-Konzept zu erreichen. Auch das dem Netznutzungskonzept 2025 zugrunde liegende Betriebsregime sieht diese Regel-Geschwindigkeit vor. Zur Sicherung der Betriebsstabilität und Pünktlichkeit ist es jedoch möglich, dass einzelne Züge im Gotthard-Basistunnel schneller verkehren. Grundsätzlich gilt, dass Geschwindigkeiten bis zu 250 Stundenkilometern für das Aufholen von Verspätungen nutzbar sein sollen.</p><p>Bei einer Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern benötigt eine Zugfahrt 56 Prozent mehr Energie (Bahnstrom) als bei 200 Stundenkilometern (vor allem wegen höherem Fahrwiderstand; im Vergleich zu Tempo 180 Kilometer pro Stunde beträgt der Energiemehrbedarf sogar 93 Prozent). Die Versorgung mit Bahnstrom ist auch bei einer Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern sichergestellt. Der Bahnstrommix ändert durch den Energiemehrbedarf der einzelnen Personenzüge nicht, d. h., mindestens 90 Prozent stammen aus erneuerbaren Energiequellen (mehrheitlich SBB-eigene Wasserkraftwerke in der Schweiz).</p><p>Bei gleichem Betriebsprogramm (Anzahl Fernverkehrsverbindungen durch den Gotthard-Basistunnel) würde eine Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern zu einem Energiemehrbedarf von 14 Gigawattstunden pro Jahr führen; das entspräche Energiekosten von zirka 1,5 Millionen Franken pro Jahr. Dieses Szenario ist jedoch nicht vorgesehen, zumal es zu einer Reduktion der verfügbaren Güterzugtrassen führen und damit das Netznutzungskonzept verletzen würde.</p><p>2./3. Hochgeschwindigkeitsfahrten im Rahmen von Testfahrten haben keinen Zusammenhang mit dem Kapazitätsangebot für den Schienengüterverkehr auf der Gotthardachse zur Umsetzung der Verlagerungspolitik des Bundes.</p><p>Das Verlagerungsziel und die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Kapazitäten bleiben durch den Einsatz von Personenzügen, welche für Geschwindigkeiten über 200 Stundenkilometer zugelassen sind, unangetastet.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Ich ersuche den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Wie viel zusätzliche Energie verbrauchen die SBB durch die Anhebung der Tempolimite im Gotthard-Basistunnel auf neu 250 Stundenkilometer pro Zugfahrt und pro Jahr? Aus welchen Produktionsquellen wird der Strom für diese Zugfahrten hergestellt?</p><p>2. Wird der Güterverkehr durch die neuen Hochgeschwindigkeitszüge für den Personenverkehr in irgendeiner Weise beeinträchtigt?</p><p>2a. Falls nein, wurde das konkret evaluiert? Was sind die Resultate der Evaluation?</p><p>2b. Falls ja, inwieweit ist dies der Fall? Wird dadurch nicht das in der Verfassung verankerte Verlagerungsziel beim Güterverkehr geschwächt oder relativiert?</p><p>3. Wie beurteilt er die Erhöhung der Tempolimite im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse (insb. mit Blick auf Energieverbrauch und Verlagerung)?</p>
    • Gefährden Geschwindigkeitsrekorde im Gotthard-Basistunnel die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene?

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