Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums

ShortId
18.3872
Id
20183872
Updated
28.07.2023 03:06
Language
de
Title
Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums
AdditionalIndexing
1211;2446;28
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung zum betreibungsrechtlichen Existenzminimum gemäss Artikel 93 SchKG sind Steuerforderungen nicht in das Existenzminimum aufzunehmen (so z. B. BGE 126 III 89). Diese Rechtsprechung fand Eingang in die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten vom 1. Juli 2009 für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums. Als Begründung wird angeführt, dass der Fiskus gegenüber anderen Gläubigern nicht bevorzugt werden soll. Eine Ungleichbehandlung ergibt sich aber zum Quellensteuerpflichtigen, wo der Nettolohn nach Quellensteuern in das für die Pfändung massgebende Einkommen einbezogen wird. Zudem wird auch die Prämie der Krankenkasse in das Existenzminimum mit einbezogen, was auch einer Gläubigerbevorzugung gleichkommt. </p><p>Aus meiner unternehmerischen Tätigkeit kann ich feststellen, dass Personen mit einer Lohnpfändung kaum mehr aus dieser äusserst misslichen Lage herauskommen. Der Grund liegt oft darin, dass die fortlaufenden Steuerforderungen nicht beglichen und demzufolge neue Zahlungsbefehle ausgestellt werden können und die Betreibung auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden kann. Dass jemand mit einer Lohnpfändung einen Teil seines Gehaltes für die Steuern auf die Seite legen kann, ist praktisch nicht gegeben, verunmöglicht sozusagen einen Abbau der ausstehenden Schulden und somit den Abschluss des Betreibungsverfahrens. </p><p>Um Personen schnellstmöglich wieder einen finanziellen Lichtblick zu geben, ist es unerlässlich, diesen Anteil in das Existenzminimum einzurechnen, sofern die Begleichung sichergestellt ist.</p>
  • <p>Es ist in der Tat schwierig nachvollziehbar, dass bei einer Person am oder unter dem Existenzminimum die Steuerverpflichtungen bei der Berechnung des Existenzminimums nicht berücksichtigt werden. Der Bundesrat hat deshalb grundsätzlich Verständnis für das Anliegen der Motion, das in den letzten Jahren auch in verschiedenen parlamentarischen Vorstössen aufgegriffen wurde (parlamentarische Initiative Poggia 12.405, "Schuldbetreibung. Abwärtsspirale bei Pfändung durchbrechen"; Postulat Frehner 14.3453, "Vereinbarkeitsprüfung der aktuellen gesetzlichen Regelung der Unterhaltspflicht"; parlamentarische Initiative Golay 15.471, "Verschuldete Personen nicht noch stärker unter Druck setzen"). Das Parlament hat diese Vorstösse allerdings alle abgelehnt.</p><p>Eine genauere Betrachtung der Problematik macht deutlich, dass die vorgeschlagene Lösung - ein Einbezug der Steuerverpflichtungen in die Berechnung des Existenzminimums - nicht einfach umsetzbar ist. Bereits die Überprüfung, ob die Steuern tatsächlich bezahlt werden, erfordert einen erheblichen administrativen Zusatzaufwand seitens der Betreibungsämter. Die eigentliche Ursache des Problems liegt zudem nicht im Einbezug der Steuerforderung in die Berechnung des Existenzminimums, sondern in der Tatsache, dass überhaupt Einkommenssteuern erhoben werden bei Einkommen, die unter dem Existenzminimum liegen (für ledige Personen beginnt die Steuerpflicht in einzelnen Kantonen bereits bei einem Jahreseinkommen von unter 5000 Franken, in 20 Kantonen bei einem Jahreseinkommen von unter 20 000 Franken, vgl. Eidgenössische Steuerverwaltung, Steuerbelastung in der Schweiz: Kantonshauptort - Kantonsziffern 2017, Seite 8, abrufbar unter: www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/53039.pdf). Der Bundesrat hat aber vor allem aus einem anderen Grund Bedenken, Steuerforderungen bei der Berechnung des Existenzminimums zu berücksichtigen: Die mit einer solchen Änderung verbundene Erhöhung des Existenzminimums hätte unmittelbar zur Folge, dass bei gleichzeitigem Vorliegen unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen (Unterhaltszahlungen an geschiedene Ehepartner und an Kinder) von den Gerichten weniger hohe Unterhaltszahlungen ausgesprochen werden könnten; dies mit der Folge, dass die Zahl der sogenannten Mankofälle, d. h. der Fälle, in denen nach einer Trennung oder Scheidung das gemeinsame Einkommen nicht mehr zur Deckung der Bedürfnisse der Eltern und der Kinder ausreicht, zunehmen würde. Das Bundesgericht hat die heutige Praxis, wonach der unterhaltsberechtigte Elternteil den gesamten Fehlbetrag zu übernehmen hat (sog. einseitige Mankoüberbindung), als gegen den verfassungsmässigen Gleichheitsgrundsatz verstossend bezeichnet und den Gesetzgeber aufgefordert, hier Abhilfe zu schaffen (BGE 135 III 66, 80). Auch wenn sich das Parlament in der Folge entschieden hat, diesem Auftrag nicht nachzukommen (der Ständerat hat die Motion RK-N 14.3662, "Verfassungsmässige Grundlage für eine Mankoteilung zwischen den Elternteilen im Unterhaltsrecht", abgelehnt), erschiene es stossend, durch eine Gesetzesrevision neue Mankofälle zu schaffen und so die vom Bundesgericht als "anerkanntermassen unbefriedigend" bezeichnete Situation auf weitere Fälle auszudehnen. Zudem bleiben zahlreiche weitere Umsetzungsfragen unbeantwortet. Die Problematik sollte zuerst genauer untersucht und mögliche Lösungsansätze sollten evaluiert werden. Der Bundesrat behält sich deshalb vor, im Zweitrat Antrag auf Änderung der Motion in einen Prüfauftrag zu stellen, falls die Motion entgegen seinem Antrag im Nationalrat angenommen werden sollte.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Artikel 93 Absatz 1 SchKG mit folgendem Satz zu ergänzen:</p><p>... Laufende Steuern können im Notbedarf berücksichtigt werden, sofern die Begleichung sichergestellt ist.</p>
  • Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung zum betreibungsrechtlichen Existenzminimum gemäss Artikel 93 SchKG sind Steuerforderungen nicht in das Existenzminimum aufzunehmen (so z. B. BGE 126 III 89). Diese Rechtsprechung fand Eingang in die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten vom 1. Juli 2009 für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums. Als Begründung wird angeführt, dass der Fiskus gegenüber anderen Gläubigern nicht bevorzugt werden soll. Eine Ungleichbehandlung ergibt sich aber zum Quellensteuerpflichtigen, wo der Nettolohn nach Quellensteuern in das für die Pfändung massgebende Einkommen einbezogen wird. Zudem wird auch die Prämie der Krankenkasse in das Existenzminimum mit einbezogen, was auch einer Gläubigerbevorzugung gleichkommt. </p><p>Aus meiner unternehmerischen Tätigkeit kann ich feststellen, dass Personen mit einer Lohnpfändung kaum mehr aus dieser äusserst misslichen Lage herauskommen. Der Grund liegt oft darin, dass die fortlaufenden Steuerforderungen nicht beglichen und demzufolge neue Zahlungsbefehle ausgestellt werden können und die Betreibung auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden kann. Dass jemand mit einer Lohnpfändung einen Teil seines Gehaltes für die Steuern auf die Seite legen kann, ist praktisch nicht gegeben, verunmöglicht sozusagen einen Abbau der ausstehenden Schulden und somit den Abschluss des Betreibungsverfahrens. </p><p>Um Personen schnellstmöglich wieder einen finanziellen Lichtblick zu geben, ist es unerlässlich, diesen Anteil in das Existenzminimum einzurechnen, sofern die Begleichung sichergestellt ist.</p>
    • <p>Es ist in der Tat schwierig nachvollziehbar, dass bei einer Person am oder unter dem Existenzminimum die Steuerverpflichtungen bei der Berechnung des Existenzminimums nicht berücksichtigt werden. Der Bundesrat hat deshalb grundsätzlich Verständnis für das Anliegen der Motion, das in den letzten Jahren auch in verschiedenen parlamentarischen Vorstössen aufgegriffen wurde (parlamentarische Initiative Poggia 12.405, "Schuldbetreibung. Abwärtsspirale bei Pfändung durchbrechen"; Postulat Frehner 14.3453, "Vereinbarkeitsprüfung der aktuellen gesetzlichen Regelung der Unterhaltspflicht"; parlamentarische Initiative Golay 15.471, "Verschuldete Personen nicht noch stärker unter Druck setzen"). Das Parlament hat diese Vorstösse allerdings alle abgelehnt.</p><p>Eine genauere Betrachtung der Problematik macht deutlich, dass die vorgeschlagene Lösung - ein Einbezug der Steuerverpflichtungen in die Berechnung des Existenzminimums - nicht einfach umsetzbar ist. Bereits die Überprüfung, ob die Steuern tatsächlich bezahlt werden, erfordert einen erheblichen administrativen Zusatzaufwand seitens der Betreibungsämter. Die eigentliche Ursache des Problems liegt zudem nicht im Einbezug der Steuerforderung in die Berechnung des Existenzminimums, sondern in der Tatsache, dass überhaupt Einkommenssteuern erhoben werden bei Einkommen, die unter dem Existenzminimum liegen (für ledige Personen beginnt die Steuerpflicht in einzelnen Kantonen bereits bei einem Jahreseinkommen von unter 5000 Franken, in 20 Kantonen bei einem Jahreseinkommen von unter 20 000 Franken, vgl. Eidgenössische Steuerverwaltung, Steuerbelastung in der Schweiz: Kantonshauptort - Kantonsziffern 2017, Seite 8, abrufbar unter: www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/53039.pdf). Der Bundesrat hat aber vor allem aus einem anderen Grund Bedenken, Steuerforderungen bei der Berechnung des Existenzminimums zu berücksichtigen: Die mit einer solchen Änderung verbundene Erhöhung des Existenzminimums hätte unmittelbar zur Folge, dass bei gleichzeitigem Vorliegen unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen (Unterhaltszahlungen an geschiedene Ehepartner und an Kinder) von den Gerichten weniger hohe Unterhaltszahlungen ausgesprochen werden könnten; dies mit der Folge, dass die Zahl der sogenannten Mankofälle, d. h. der Fälle, in denen nach einer Trennung oder Scheidung das gemeinsame Einkommen nicht mehr zur Deckung der Bedürfnisse der Eltern und der Kinder ausreicht, zunehmen würde. Das Bundesgericht hat die heutige Praxis, wonach der unterhaltsberechtigte Elternteil den gesamten Fehlbetrag zu übernehmen hat (sog. einseitige Mankoüberbindung), als gegen den verfassungsmässigen Gleichheitsgrundsatz verstossend bezeichnet und den Gesetzgeber aufgefordert, hier Abhilfe zu schaffen (BGE 135 III 66, 80). Auch wenn sich das Parlament in der Folge entschieden hat, diesem Auftrag nicht nachzukommen (der Ständerat hat die Motion RK-N 14.3662, "Verfassungsmässige Grundlage für eine Mankoteilung zwischen den Elternteilen im Unterhaltsrecht", abgelehnt), erschiene es stossend, durch eine Gesetzesrevision neue Mankofälle zu schaffen und so die vom Bundesgericht als "anerkanntermassen unbefriedigend" bezeichnete Situation auf weitere Fälle auszudehnen. Zudem bleiben zahlreiche weitere Umsetzungsfragen unbeantwortet. Die Problematik sollte zuerst genauer untersucht und mögliche Lösungsansätze sollten evaluiert werden. Der Bundesrat behält sich deshalb vor, im Zweitrat Antrag auf Änderung der Motion in einen Prüfauftrag zu stellen, falls die Motion entgegen seinem Antrag im Nationalrat angenommen werden sollte.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Artikel 93 Absatz 1 SchKG mit folgendem Satz zu ergänzen:</p><p>... Laufende Steuern können im Notbedarf berücksichtigt werden, sofern die Begleichung sichergestellt ist.</p>
    • Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums

Back to List