Die Möglichkeit schaffen, die eigene Unterschrift im Rahmen einer Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative oder ein Referendum zurückzuziehen

ShortId
19.3520
Id
20193520
Updated
01.07.2023 10:13
Language
de
Title
Die Möglichkeit schaffen, die eigene Unterschrift im Rahmen einer Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative oder ein Referendum zurückzuziehen
AdditionalIndexing
04
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Anlässlich der kürzlich durchgeführten Unterschriftensammlung für das Referendum gegen die Änderung von Artikel 261bis des Strafgesetzbuches, bei der es um die Bestrafung beim Aufruf zu Hass gegen Homosexuelle ging, kam es zu heftigen Diskussionen in Bezug auf die Informationen an die Stimmberechtigten. </p><p>Es gab Stimmberechtigte, die sich von den Argumenten der Referendumsbefürworterinnen und -befürworter in die Irre geführt fühlten und ihre Unterschrift zurückziehen wollten, da sie zum Schluss kamen, dass die Unterstützung des Referendums nicht ihrem tatsächlichen Willen entsprach.</p><p>Nun sieht das geltende Bundesrecht offenbar nicht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass jemand, der ein Initiativ- oder ein Referendumsbegehren unterschrieben hat, die Unterschrift zurückziehen kann.</p><p>Das war nicht immer so.</p><p>In einem Kreisschreiben von 1933 (BBl 1933 II 706) betreffend das frühere Bundesgesetz über die politischen Rechte erkannte der Bundesrat den Stimmberechtigten ausdrücklich das Recht zu, ihre Unterschrift für eine Volksinitiative oder ein Referendum zurückzuziehen. Der Rückzug musste jedoch vor der Einreichung des Initiativbegehrens beim Bundesrat erklärt werden.</p><p>Der Bundesrat wies die Gemeinden weiter an, im Rahmen des Möglichen zu überprüfen, ob die eingereichten Unterschriften dem Volkswillen entsprachen.</p><p>Im Übrigen kam es in der Vergangenheit bereits zu einem Rückzug von Unterschriften für eine eidgenössische Volksinitiative, nämlich im Rahmen des Volksbegehrens für eine vorübergehende Herabsetzung der Militärausgaben (Volksinitiative für eine Rüstungspause), wie dies aus dem Bericht des Bundesrates vom 14. März 1955 zu dieser Initiative hervorgeht (BBl 1955 I 527, 529). Schliesslich sah das frühere Bundesgesetz über das Verfahren bei Volksbegehren auf Revision der Bundesverfassung (Initiativengesetz) vom 23. März 1962 vor, dass die Stimmberechtigten ihre Unterschriften vor Einreichung des Begehrens zurückziehen konnten (Art. 5 Abs. 1 Bst. e).</p>
  • <p>Das Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR; SR 161.1) statuiert Anforderungen an die Unterschriftenlisten für fakultative Referenden (Art. 60) und eidgenössische Volksinitiativen (Art. 68). Die Argumente der sammelnden Personen und Organisationen - insbesondere die im Gespräch mit den Stimmberechtigten vorgetragenen - entziehen sich jedoch weitgehend einer behördlichen Kontrolle. Bestrebungen, die Unterschriftensammlungen örtlich (z. B. auf Amtsstellen) zu beschränken, um Manipulationen, Fälschungen und unbedachten Unterschriften vorzubeugen, wurden in der Vergangenheit zugunsten einer möglichst freien Ausübung der Volksrechte wiederholt verworfen (vgl. z. B. BBl 1975 1317, Motion 92.3125, parlamentarische Initiative 93.435). Es gilt auch festzuhalten, dass die Unterzeichnung eines Volksbegehrens die Stimmabgabe in einer allfälligen Volksabstimmung nicht präjudiziert.</p><p>Vor diesem Hintergrund beantwortet der Bundesrat die Fragen wie folgt:</p><p>1. Das Bundesrecht sieht keine Möglichkeit vor, um eine Unterschrift für ein eidgenössisches Volksbegehren zurückzuziehen. Auch kann die Bundeskanzlei eingereichte Unterschriften, die von den Gemeinden bescheinigt wurden und bei denen kein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 66 beziehungsweise 72 BPR vorliegt, nicht für ungültig erklären. Artikel 59b BPR sieht zudem explizit vor, dass ein Referendum nicht zurückgezogen werden kann. </p><p>2. Vor dem Erlass des BPR 1976 war das Wahl-, Abstimmungs-, Initiativ- und Referendumsrecht des Bundes in sechs unterschiedlichen Erlassen geregelt (vgl. BBl 1975 1323). Weder die damalige Vernehmlassungsvorlage zum BPR noch die Botschaft des Bundesrates (BBl 1975 1317) sahen die Möglichkeit zum Rückzug einer Unterschrift für ein eidgenössisches Volksbegehren vor. Soweit ersichtlich wurde die Frage in der vorberatenden Kommission des Nationalrates nochmals aufgegriffen, letztlich aber nicht weiterverfolgt.</p><p>3. Der Bundesrat beabsichtigt nicht, den Rückzug einer Unterschrift gesetzlich zu regeln. </p><p>4./5. Die für die Stimmrechtsbescheinigung zuständigen Amtsstellen (i. d. R. die politischen Gemeinden) bescheinigen, dass die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner in der betreffenden Gemeinde in eidgenössischen Angelegenheiten stimmberechtigt sind (Art. 62 Abs. 2 BPR). Wenn Zweifel an der Echtheit von Unterschriften bestehen, können die Gemeinden Abklärungen treffen (z. B. Kontaktnahme mit Stimmberechtigten) und gegebenenfalls weitere - auch strafrechtliche - Schritte einleiten. Über diese Verdachtsfälle hinaus ist es jedoch nicht Aufgabe der Gemeinden, die Motive und Beweggründe der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner von eidgenössischen Volksbegehren zu prüfen. Die Einführung eines entsprechenden Mechanismus ist nicht vorgesehen.</p>
  • <p>Ich bitte den Bundesrat um die Beantwortung der folgenden Fragen:</p><p>1. Haben Stimmberechtigte, die ein Initiativ- oder ein Referendumsbegehren unterschrieben haben, die Möglichkeit, die Unterschrift insbesondere im Falle von irreführenden Methoden zurückzuziehen?</p><p>2. Weshalb hat der Bundesrat im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte nicht ausdrücklich die Möglichkeit wieder aufgenommen, die eigene Unterschrift zurückzuziehen?</p><p>3. Beabsichtigt der Bundesrat die Wiedereinführung einer solchen gesetzlichen Bestimmung?</p><p>4. Gibt es für die Gemeinden eine Möglichkeit, den tatsächlichen Willen der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner einer Volksinitiative oder eines Referendums zu überprüfen?</p><p>5. Beabsichtigt der Bundesrat, einen Mechanismus einzuführen, mit dem der Wille der Stimmberechtigten im Rahmen der Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative oder ein Referendum überprüft werden kann?</p>
  • Die Möglichkeit schaffen, die eigene Unterschrift im Rahmen einer Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative oder ein Referendum zurückzuziehen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Anlässlich der kürzlich durchgeführten Unterschriftensammlung für das Referendum gegen die Änderung von Artikel 261bis des Strafgesetzbuches, bei der es um die Bestrafung beim Aufruf zu Hass gegen Homosexuelle ging, kam es zu heftigen Diskussionen in Bezug auf die Informationen an die Stimmberechtigten. </p><p>Es gab Stimmberechtigte, die sich von den Argumenten der Referendumsbefürworterinnen und -befürworter in die Irre geführt fühlten und ihre Unterschrift zurückziehen wollten, da sie zum Schluss kamen, dass die Unterstützung des Referendums nicht ihrem tatsächlichen Willen entsprach.</p><p>Nun sieht das geltende Bundesrecht offenbar nicht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass jemand, der ein Initiativ- oder ein Referendumsbegehren unterschrieben hat, die Unterschrift zurückziehen kann.</p><p>Das war nicht immer so.</p><p>In einem Kreisschreiben von 1933 (BBl 1933 II 706) betreffend das frühere Bundesgesetz über die politischen Rechte erkannte der Bundesrat den Stimmberechtigten ausdrücklich das Recht zu, ihre Unterschrift für eine Volksinitiative oder ein Referendum zurückzuziehen. Der Rückzug musste jedoch vor der Einreichung des Initiativbegehrens beim Bundesrat erklärt werden.</p><p>Der Bundesrat wies die Gemeinden weiter an, im Rahmen des Möglichen zu überprüfen, ob die eingereichten Unterschriften dem Volkswillen entsprachen.</p><p>Im Übrigen kam es in der Vergangenheit bereits zu einem Rückzug von Unterschriften für eine eidgenössische Volksinitiative, nämlich im Rahmen des Volksbegehrens für eine vorübergehende Herabsetzung der Militärausgaben (Volksinitiative für eine Rüstungspause), wie dies aus dem Bericht des Bundesrates vom 14. März 1955 zu dieser Initiative hervorgeht (BBl 1955 I 527, 529). Schliesslich sah das frühere Bundesgesetz über das Verfahren bei Volksbegehren auf Revision der Bundesverfassung (Initiativengesetz) vom 23. März 1962 vor, dass die Stimmberechtigten ihre Unterschriften vor Einreichung des Begehrens zurückziehen konnten (Art. 5 Abs. 1 Bst. e).</p>
    • <p>Das Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR; SR 161.1) statuiert Anforderungen an die Unterschriftenlisten für fakultative Referenden (Art. 60) und eidgenössische Volksinitiativen (Art. 68). Die Argumente der sammelnden Personen und Organisationen - insbesondere die im Gespräch mit den Stimmberechtigten vorgetragenen - entziehen sich jedoch weitgehend einer behördlichen Kontrolle. Bestrebungen, die Unterschriftensammlungen örtlich (z. B. auf Amtsstellen) zu beschränken, um Manipulationen, Fälschungen und unbedachten Unterschriften vorzubeugen, wurden in der Vergangenheit zugunsten einer möglichst freien Ausübung der Volksrechte wiederholt verworfen (vgl. z. B. BBl 1975 1317, Motion 92.3125, parlamentarische Initiative 93.435). Es gilt auch festzuhalten, dass die Unterzeichnung eines Volksbegehrens die Stimmabgabe in einer allfälligen Volksabstimmung nicht präjudiziert.</p><p>Vor diesem Hintergrund beantwortet der Bundesrat die Fragen wie folgt:</p><p>1. Das Bundesrecht sieht keine Möglichkeit vor, um eine Unterschrift für ein eidgenössisches Volksbegehren zurückzuziehen. Auch kann die Bundeskanzlei eingereichte Unterschriften, die von den Gemeinden bescheinigt wurden und bei denen kein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 66 beziehungsweise 72 BPR vorliegt, nicht für ungültig erklären. Artikel 59b BPR sieht zudem explizit vor, dass ein Referendum nicht zurückgezogen werden kann. </p><p>2. Vor dem Erlass des BPR 1976 war das Wahl-, Abstimmungs-, Initiativ- und Referendumsrecht des Bundes in sechs unterschiedlichen Erlassen geregelt (vgl. BBl 1975 1323). Weder die damalige Vernehmlassungsvorlage zum BPR noch die Botschaft des Bundesrates (BBl 1975 1317) sahen die Möglichkeit zum Rückzug einer Unterschrift für ein eidgenössisches Volksbegehren vor. Soweit ersichtlich wurde die Frage in der vorberatenden Kommission des Nationalrates nochmals aufgegriffen, letztlich aber nicht weiterverfolgt.</p><p>3. Der Bundesrat beabsichtigt nicht, den Rückzug einer Unterschrift gesetzlich zu regeln. </p><p>4./5. Die für die Stimmrechtsbescheinigung zuständigen Amtsstellen (i. d. R. die politischen Gemeinden) bescheinigen, dass die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner in der betreffenden Gemeinde in eidgenössischen Angelegenheiten stimmberechtigt sind (Art. 62 Abs. 2 BPR). Wenn Zweifel an der Echtheit von Unterschriften bestehen, können die Gemeinden Abklärungen treffen (z. B. Kontaktnahme mit Stimmberechtigten) und gegebenenfalls weitere - auch strafrechtliche - Schritte einleiten. Über diese Verdachtsfälle hinaus ist es jedoch nicht Aufgabe der Gemeinden, die Motive und Beweggründe der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner von eidgenössischen Volksbegehren zu prüfen. Die Einführung eines entsprechenden Mechanismus ist nicht vorgesehen.</p>
    • <p>Ich bitte den Bundesrat um die Beantwortung der folgenden Fragen:</p><p>1. Haben Stimmberechtigte, die ein Initiativ- oder ein Referendumsbegehren unterschrieben haben, die Möglichkeit, die Unterschrift insbesondere im Falle von irreführenden Methoden zurückzuziehen?</p><p>2. Weshalb hat der Bundesrat im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte nicht ausdrücklich die Möglichkeit wieder aufgenommen, die eigene Unterschrift zurückzuziehen?</p><p>3. Beabsichtigt der Bundesrat die Wiedereinführung einer solchen gesetzlichen Bestimmung?</p><p>4. Gibt es für die Gemeinden eine Möglichkeit, den tatsächlichen Willen der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner einer Volksinitiative oder eines Referendums zu überprüfen?</p><p>5. Beabsichtigt der Bundesrat, einen Mechanismus einzuführen, mit dem der Wille der Stimmberechtigten im Rahmen der Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative oder ein Referendum überprüft werden kann?</p>
    • Die Möglichkeit schaffen, die eigene Unterschrift im Rahmen einer Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative oder ein Referendum zurückzuziehen

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