Besondere militärische Güter dem Kriegsmaterialgesetz unterstellen

ShortId
20.4619
Id
20204619
Updated
28.07.2023 01:02
Language
de
Title
Besondere militärische Güter dem Kriegsmaterialgesetz unterstellen
AdditionalIndexing
09;15;10
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Seit Jahren behauptet der Bundesrat: "Im internationalen Vergleich gilt die Bewilligungspraxis der Schweiz für die Ausfuhr von Kriegsmaterial als restriktiv" (so zur Motion 18.4138). Unerwähnt bleibt jeweils, dass kaum ein Land "Kriegsmaterial" derart eng definiert wie die Schweiz. Zum Geltungsbereich des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) zählen fast nur Güter, die speziell für den Kampfeinsatz oder die Gefechtsführung konzipiert sind. Dies entspricht nicht mehr der militärstrategischen Bedeutung weiterer militärischer Technologien. </p><p>Andere Länder übernehmen deshalb in ihren nationalen Exportkontrolllisten für konventionelle Waffen meist die Munitions-Liste (ML), welche die gegenwärtig 42 Teilnehmerstaaten der Wassenaar-Vereinbarung fortlaufend aktualisieren. So bekräftigte auch die EU in ihrem Beschluss (GASP) 2019/1560 des Rates vom 16. September 2019, dass sich Anträge für eine Ausfuhrgenehmigung auf Gegenstände der "Gemeinsamen Militärgüterliste der EU" beziehen sollen, die ihrerseits auf der ML beruht.</p><p>Auch die Schweiz beteiligt sich seit 1996 an den Wassenaar-Arbeiten, spaltet im Bereich der konventionellen Waffen die dort erarbeitete ML aber auf zwei Gesetze auf: Das KMG, das eine eigenständige aussenpolitische Beurteilung eines Exportgesuches vorsieht, und das Güterkontrollgesetz (GKG), das nur dem Vollzug internationaler Kontrollvereinbarungen dient. </p><p>Damit werden Auslandgeschäfte mit zahlreichen Militärgütern einer eigenständigen aussenpolitischen Beurteilung entzogen, wie sie KMG Artikel 22 vorsieht. Wie viele Militärgüter so durch die Maschen fallen, zeigt ein Blick in den 33 Seiten umfassenden Anhang 3 zur Güterkontrollverordnung, in dem die "besonderen militärischen Güter" aufgelistet sind. Deren Ausfuhr könnte der Bundesrat nach Ländern wie Saudi-Arabien, den Emiraten oder der Türkei, die keinen internationalen Kontrollen unterworfen sind, allein notrechtlich stoppen. Im Falle Russland/Ukraine hat er das nach dem Krim-Einmarsch auch so gehandhabt. </p><p>Dies ist aussenpolitisch und auch rechtssystematisch unbefriedigend, wie die komplexen Revisionen der Verordnung über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (SR 935.411; VPS) oder des Embargogesetzes (19.085) zeigen.</p>
  • <p>Als Kriegsmaterial gelten gemäss Art. 5 Abs. 1 des Kriegsmaterialgesetzes (KMG, SR 514.51) Waffen, Waffensysteme, Munition sowie militärische Sprengmittel, aber auch Ausrüstungsgegenstände, die spezifisch für den Kampfeinsatz oder für die Gefechtsführung konzipiert oder abgeändert worden sind und die i.d.R. nicht für zivile Zwecke verwendet werden. Als Kriegsmaterial gelten gemäss Art. 5 Abs. 2 KMG zudem Einzelteile und Baugruppen, auch teilweise bearbeitete, sofern erkennbar ist, dass diese Teile in derselben Ausführung nicht auch für zivile Zwecke verwendbar sind. Als besondere militärische Güter, die dem Güterkontrollgesetz (GKG, SR 946.202) unterstellt sind, gelten gemäss Art. 3 Bst. c GKG Güter, die für militärische Zwecke konzipiert oder abgeändert worden sind, die aber weder Waffen, Munition, Sprengmittel noch sonstige Kampf- oder Gefechtsführungsmittel sind, sowie militärische Trainingsflugzeuge mit Aufhängepunkten.</p><p>Als Teilnehmerstaat der Vereinbarung von Wassenaar hat die Schweiz die Militärgüterliste (Munitions List, ML) übernommen. Sie wird einerseits über das KMG und andererseits über das GKG im nationalen Recht integriert. Sowohl Anhang 1 zur Kriegsmaterialverordnung (KMV, SR 514.511) als auch Anhang 3 zur Güterkontrollverordnung (GKV, SR 946.202.1) stützen sich auf die ML. Güter des Anhangs 3 GKV, die nicht unter die Definition von Kriegsmaterial nach KMG fallen, gelten als besondere militärische Güter und sind dem GKG unterstellt. Dabei handelt es sich vor allem um Güter wie Schutzwesten und Helme für Soldaten, militärische Nachtsichtgeräte und Entfernungsmessferngläser, militärische Simulatoren oder unbewaffnete militärische Trainingsflugzeuge. Besondere militärische Güter definieren sich somit über eine Restmenge (ML-Güter minus Kriegsmaterial).</p><p>Auch Deutschland kennt eine vergleichbare Aufteilung: ML-Güter werden teils dem deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz und teils dem deutschen Aussenwirtschaftsgesetz unterstellt. Dabei wird der Begriff des Kriegsmaterials in Deutschland enger definiert als in der Schweiz. So werden hierzulande beispielsweise Scharfschützengewehre, Pistolen und Revolver vom KMG erfasst, während diese Waffen in Deutschland grundsätzlich durch das Aussenwirtschaftsgesetz abgedeckt werden. Im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 2 KMG gelten gemäss dem deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz (Kriegswaffenliste) nur wenige Baugruppen und Einzelteile als Kriegsmaterial.</p><p>Auch in Österreich werden die bewilligungspflichtigen Rüstungsgüter der ML teils durch das österreichische Kriegsmaterialgesetz, teils durch das österreichische Aussenhandelsgesetz reguliert. Das Konzept der besonderen militärischen Güter findet sich somit auch in der österreichischen Exportkontrolle wieder; sie werden dort "zivile Militärgüter" genannt.</p><p>In der Schweiz ist die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für besondere militärische Güter gemäss Anhang 3 GKV dann ausgeschlossen, wenn Zwangsmassnahmen nach dem Embargogesetz (EmbG, SR 946.231) erlassen worden sind, Grund zur Annahme besteht, dass terroristische Kreise oder das organisierte Verbrechen unterstützt werden könnten oder wenn die Vereinten Nationen oder Partnerstaaten der Exportkontrollregime die Ausfuhr verbieten und dieses Verbot von den wichtigsten Handelspartnern der Schweiz mitgetragen wird (Art. 6 GKG). Daneben werden Bewilligungen dann verweigert, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Ausfuhr von besonderen militärischen Güter zur konventionellen Aufrüstung eines Empfängerstaates in einem Mass beitragen, das zu einer erhöhten regionalen Spannung oder Instabilität führt oder einen bewaffneten Konflikt verschärft, die Güter nicht bei der deklarierten Endempfängerin oder dem deklarierten Endempfänger verbleiben oder wenn ein Partnerstaat die Ausfuhr ähnlicher Güter an dieselbe Endempfängerin oder denselben Endempfänger verweigert hat (Art. 6 GKV). Auch im Rahmen der Sanktionspolitik des Bundesrates werden besondere militärische Güter von den Restriktionen für den Export von Rüstungsgütern erfasst.</p><p>Die Forderung einer Unterstellung der besonderen militärischen Güter unter das KMG ist nicht neu. Der Bundesrat hat sich bereits in seiner Stellungnahme zur Motion 17.3153 damit befasst und erachtet die rechtlichen Regelungen nach wie vor als angemessen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, besondere militärische Güter nach Anhang 3 der Güterkontrollverordnung dem Kriegsmaterialgesetz (KMG) zu unterstellen.</p>
  • Besondere militärische Güter dem Kriegsmaterialgesetz unterstellen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Seit Jahren behauptet der Bundesrat: "Im internationalen Vergleich gilt die Bewilligungspraxis der Schweiz für die Ausfuhr von Kriegsmaterial als restriktiv" (so zur Motion 18.4138). Unerwähnt bleibt jeweils, dass kaum ein Land "Kriegsmaterial" derart eng definiert wie die Schweiz. Zum Geltungsbereich des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) zählen fast nur Güter, die speziell für den Kampfeinsatz oder die Gefechtsführung konzipiert sind. Dies entspricht nicht mehr der militärstrategischen Bedeutung weiterer militärischer Technologien. </p><p>Andere Länder übernehmen deshalb in ihren nationalen Exportkontrolllisten für konventionelle Waffen meist die Munitions-Liste (ML), welche die gegenwärtig 42 Teilnehmerstaaten der Wassenaar-Vereinbarung fortlaufend aktualisieren. So bekräftigte auch die EU in ihrem Beschluss (GASP) 2019/1560 des Rates vom 16. September 2019, dass sich Anträge für eine Ausfuhrgenehmigung auf Gegenstände der "Gemeinsamen Militärgüterliste der EU" beziehen sollen, die ihrerseits auf der ML beruht.</p><p>Auch die Schweiz beteiligt sich seit 1996 an den Wassenaar-Arbeiten, spaltet im Bereich der konventionellen Waffen die dort erarbeitete ML aber auf zwei Gesetze auf: Das KMG, das eine eigenständige aussenpolitische Beurteilung eines Exportgesuches vorsieht, und das Güterkontrollgesetz (GKG), das nur dem Vollzug internationaler Kontrollvereinbarungen dient. </p><p>Damit werden Auslandgeschäfte mit zahlreichen Militärgütern einer eigenständigen aussenpolitischen Beurteilung entzogen, wie sie KMG Artikel 22 vorsieht. Wie viele Militärgüter so durch die Maschen fallen, zeigt ein Blick in den 33 Seiten umfassenden Anhang 3 zur Güterkontrollverordnung, in dem die "besonderen militärischen Güter" aufgelistet sind. Deren Ausfuhr könnte der Bundesrat nach Ländern wie Saudi-Arabien, den Emiraten oder der Türkei, die keinen internationalen Kontrollen unterworfen sind, allein notrechtlich stoppen. Im Falle Russland/Ukraine hat er das nach dem Krim-Einmarsch auch so gehandhabt. </p><p>Dies ist aussenpolitisch und auch rechtssystematisch unbefriedigend, wie die komplexen Revisionen der Verordnung über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (SR 935.411; VPS) oder des Embargogesetzes (19.085) zeigen.</p>
    • <p>Als Kriegsmaterial gelten gemäss Art. 5 Abs. 1 des Kriegsmaterialgesetzes (KMG, SR 514.51) Waffen, Waffensysteme, Munition sowie militärische Sprengmittel, aber auch Ausrüstungsgegenstände, die spezifisch für den Kampfeinsatz oder für die Gefechtsführung konzipiert oder abgeändert worden sind und die i.d.R. nicht für zivile Zwecke verwendet werden. Als Kriegsmaterial gelten gemäss Art. 5 Abs. 2 KMG zudem Einzelteile und Baugruppen, auch teilweise bearbeitete, sofern erkennbar ist, dass diese Teile in derselben Ausführung nicht auch für zivile Zwecke verwendbar sind. Als besondere militärische Güter, die dem Güterkontrollgesetz (GKG, SR 946.202) unterstellt sind, gelten gemäss Art. 3 Bst. c GKG Güter, die für militärische Zwecke konzipiert oder abgeändert worden sind, die aber weder Waffen, Munition, Sprengmittel noch sonstige Kampf- oder Gefechtsführungsmittel sind, sowie militärische Trainingsflugzeuge mit Aufhängepunkten.</p><p>Als Teilnehmerstaat der Vereinbarung von Wassenaar hat die Schweiz die Militärgüterliste (Munitions List, ML) übernommen. Sie wird einerseits über das KMG und andererseits über das GKG im nationalen Recht integriert. Sowohl Anhang 1 zur Kriegsmaterialverordnung (KMV, SR 514.511) als auch Anhang 3 zur Güterkontrollverordnung (GKV, SR 946.202.1) stützen sich auf die ML. Güter des Anhangs 3 GKV, die nicht unter die Definition von Kriegsmaterial nach KMG fallen, gelten als besondere militärische Güter und sind dem GKG unterstellt. Dabei handelt es sich vor allem um Güter wie Schutzwesten und Helme für Soldaten, militärische Nachtsichtgeräte und Entfernungsmessferngläser, militärische Simulatoren oder unbewaffnete militärische Trainingsflugzeuge. Besondere militärische Güter definieren sich somit über eine Restmenge (ML-Güter minus Kriegsmaterial).</p><p>Auch Deutschland kennt eine vergleichbare Aufteilung: ML-Güter werden teils dem deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz und teils dem deutschen Aussenwirtschaftsgesetz unterstellt. Dabei wird der Begriff des Kriegsmaterials in Deutschland enger definiert als in der Schweiz. So werden hierzulande beispielsweise Scharfschützengewehre, Pistolen und Revolver vom KMG erfasst, während diese Waffen in Deutschland grundsätzlich durch das Aussenwirtschaftsgesetz abgedeckt werden. Im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 2 KMG gelten gemäss dem deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz (Kriegswaffenliste) nur wenige Baugruppen und Einzelteile als Kriegsmaterial.</p><p>Auch in Österreich werden die bewilligungspflichtigen Rüstungsgüter der ML teils durch das österreichische Kriegsmaterialgesetz, teils durch das österreichische Aussenhandelsgesetz reguliert. Das Konzept der besonderen militärischen Güter findet sich somit auch in der österreichischen Exportkontrolle wieder; sie werden dort "zivile Militärgüter" genannt.</p><p>In der Schweiz ist die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für besondere militärische Güter gemäss Anhang 3 GKV dann ausgeschlossen, wenn Zwangsmassnahmen nach dem Embargogesetz (EmbG, SR 946.231) erlassen worden sind, Grund zur Annahme besteht, dass terroristische Kreise oder das organisierte Verbrechen unterstützt werden könnten oder wenn die Vereinten Nationen oder Partnerstaaten der Exportkontrollregime die Ausfuhr verbieten und dieses Verbot von den wichtigsten Handelspartnern der Schweiz mitgetragen wird (Art. 6 GKG). Daneben werden Bewilligungen dann verweigert, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Ausfuhr von besonderen militärischen Güter zur konventionellen Aufrüstung eines Empfängerstaates in einem Mass beitragen, das zu einer erhöhten regionalen Spannung oder Instabilität führt oder einen bewaffneten Konflikt verschärft, die Güter nicht bei der deklarierten Endempfängerin oder dem deklarierten Endempfänger verbleiben oder wenn ein Partnerstaat die Ausfuhr ähnlicher Güter an dieselbe Endempfängerin oder denselben Endempfänger verweigert hat (Art. 6 GKV). Auch im Rahmen der Sanktionspolitik des Bundesrates werden besondere militärische Güter von den Restriktionen für den Export von Rüstungsgütern erfasst.</p><p>Die Forderung einer Unterstellung der besonderen militärischen Güter unter das KMG ist nicht neu. Der Bundesrat hat sich bereits in seiner Stellungnahme zur Motion 17.3153 damit befasst und erachtet die rechtlichen Regelungen nach wie vor als angemessen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, besondere militärische Güter nach Anhang 3 der Güterkontrollverordnung dem Kriegsmaterialgesetz (KMG) zu unterstellen.</p>
    • Besondere militärische Güter dem Kriegsmaterialgesetz unterstellen

Back to List