Steigende Kosten für Psychotherapie durch Psychologinnen und Psychologen. Liegt der Grund in unklaren Diagnosen?

ShortId
24.3748
Id
20243748
Updated
27.09.2024 15:02
Language
de
Title
Steigende Kosten für Psychotherapie durch Psychologinnen und Psychologen. Liegt der Grund in unklaren Diagnosen?
AdditionalIndexing
2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">1. Die Aspekte bezüglich Anordnungskompetenz der verschiedenen Fachärztegruppen wurden zusammen mit den Akteuren vor dem Beschluss des Bundesrats zur Neuregelung der psychologischen Psychotherapie eingehend diskutiert. Die zur Anordnung der psychologischen Psychotherapie berechtigten Ärztinnen und Ärzte haben die grundsätzliche Kompetenz zur Beurteilung, ob ein psychisches Leiden mit Krankheitswert vorliegt. Die Ärztin oder der Arzt tragen die fachliche Verantwortung für die Feststellung eines behandlungsbedürftigen psychischen Leidens mit Krankheitswert und die diesbezüglich durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Massnahmen. Massgebend sind in der ärztlichen Tätigkeit auch die Einhaltung der Berufspflichten nach Artikel 40 des Bundesgesetzes über die universitären Medizinalberufe (MedBG; SR 811.11).</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">2. Für die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) gilt die Voraussetzung, dass eine Krankheit nach Artikel 3 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) vorliegt. Dieser definiert Krankheit als jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Die Feststellung eines psychischen Leidens mit Krankheitswert bedingt nicht von vornherein die eindeutige Stellung einer spezifischen Diagnose gemäss internationaler Diagnoseklassifikation (ICD). Gerade bei psychischen Störungen kann diese oft auch erst im Verlaufe der Krankheitsentwicklung und des diagnostischen und therapeutischen Prozesses zugeordnet werden. Neben der anordnenden Ärztin oder dem anordnenden Arzt leistet auch die psychologische Psychotherapeutin oder der psychologische Psychotherapeut ihren bzw. seinen Beitrag zur Diagnosestellung (Abklärungssitzungen gemäss Art. 11</span><span style="font-family:Arial; font-style:italic">b</span><span style="font-family:Arial"> Abs. 2 der Krankenpflege-Leistungsverordnung; KLV; SR 832.112.31) mit gegenseitiger Information und Absprache. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">3. Grundsätzlich ist es die Pflicht jedes Leistungserbringers, dass er nur Leistungen zur Diagnose und Behandlung einer Krankheit gegenüber der OKP abrechnet. Weiter muss er sich gemäss Artikel 56 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist. Dann ist es auch die Aufgabe der Krankenversicherer im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur Kostenübernahme gegeben sind oder allenfalls die Kostenübernahme abzulehnen ist (Art. 34 Abs. 1, Art. 56 Abs. 2 KVG).</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">4. Eine Evaluation der ärztlichen Indikationsstellung für eine psychologische Psychotherapie wurde bisher nicht durchgeführt und ist nicht geplant. Sollte sich im Rahmen der im 2025 vorgesehenen Evaluation der Neuregelung der psychologischen Psychotherapie ein Bedarf in dieser Fragestellung ergeben, könnte in der Folge eine entsprechende Studie durchgeführt werden. Allein anhand von Routinedaten ist keine entsprechende Analyse möglich.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">5. Gemäss Aussagen seitens der verschiedenen Leistungserbringerverbände besteht insgesamt sowie insbesondere im Bereich der Kinder und Jugendlichen eine Unterversorgung. Zur Auslastung der Leistungserbringer der Psychiatrie und der psychologischen Psychotherapie liegen keine entsprechenden Daten vor.</span></p></div>
  • <p>Seit dem Übergang vom Delegations- zum Verschreibungsmodell verschreiben zahlreiche Fachärztinnen und Fachärzte kassenpflichtige Psychotherapiesitzungen bei Psychologinnen oder Psychologen. Entsprechend dem Willen des Gesetzgebers gehören diese Ärztinnen und Ärzte zur Facharztgruppe der erweiterten Grundversorgung: Allgemeine Innere Medizin, Neurologie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Pädiatrie. Sie haben allerdings oft nur geringe Kenntnisse über von Psychologinnen und Psychologen durchgeführte Psychotherapie. Daher können sie nicht beurteilen, welche Patientinnen und Patienten einen sogenannten Krankheitswert aufweisen und sich entsprechend einer Psychotherapie zulasten der Grundversicherung unterziehen müssen. Aus Brancheninformationen geht hervor, dass Psychotherapien der Grundversicherung (OKP) in Rechnung gestellt werden, ohne dass dieser Krankheitswert tatsächlich festgestellt wird. Überdies drängen gewisse Patientinnen und Patienten ihre Ärztin oder ihren Arzt geradezu, ihnen eine von der OKP gedeckte Psychotherapie zu verschreiben. Dies kann einerseits zu einem starken Kostenanstieg führen und andererseits dazu, dass für Personen, die psychotherapeutisch-psychologische Unterstützung wirklich brauchen, zu wenig Fachpersonen zur Verfügung stehen.</p><p>Ich bitte den Bundesrat um Antwort auf folgende Fragen:</p><ul><li>Welche Verantwortung fällt Ärztinnen und Ärzten zu, wenn sie Psychotherapie durch Psychologinnen und Psychologen verschreiben? Welche rechtliche Verantwortung trägt z. B. ein Kinderarzt, wenn er eine Psychotherapie verschreibt?</li><li>Wer stellt die Diagnose eines Falles? Ist eine Diagnose wirklich Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die OKP?</li><li>Wie wird sichergestellt, dass ein Fall nicht von der OKP vergütet wird, wenn eine Diagnose zeigt, dass kein Krankheitswert vorliegt?</li><li>Gibt es in der Praxis eine Überprüfung der konkreten Diagnosen, die im Rahmen der Verschreibung von "Psychotherapie" behandelt werden? Wird sie durch das Monitoring des Bundes erfasst?</li><li>Wie hoch ist die derzeitige Belastung von Psychiaterinnen und Psychiatern einerseits und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten andererseits?</li></ul>
  • Steigende Kosten für Psychotherapie durch Psychologinnen und Psychologen. Liegt der Grund in unklaren Diagnosen?
State
Stellungnahme zum Vorstoss liegt vor
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">1. Die Aspekte bezüglich Anordnungskompetenz der verschiedenen Fachärztegruppen wurden zusammen mit den Akteuren vor dem Beschluss des Bundesrats zur Neuregelung der psychologischen Psychotherapie eingehend diskutiert. Die zur Anordnung der psychologischen Psychotherapie berechtigten Ärztinnen und Ärzte haben die grundsätzliche Kompetenz zur Beurteilung, ob ein psychisches Leiden mit Krankheitswert vorliegt. Die Ärztin oder der Arzt tragen die fachliche Verantwortung für die Feststellung eines behandlungsbedürftigen psychischen Leidens mit Krankheitswert und die diesbezüglich durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Massnahmen. Massgebend sind in der ärztlichen Tätigkeit auch die Einhaltung der Berufspflichten nach Artikel 40 des Bundesgesetzes über die universitären Medizinalberufe (MedBG; SR 811.11).</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">2. Für die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) gilt die Voraussetzung, dass eine Krankheit nach Artikel 3 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) vorliegt. Dieser definiert Krankheit als jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Die Feststellung eines psychischen Leidens mit Krankheitswert bedingt nicht von vornherein die eindeutige Stellung einer spezifischen Diagnose gemäss internationaler Diagnoseklassifikation (ICD). Gerade bei psychischen Störungen kann diese oft auch erst im Verlaufe der Krankheitsentwicklung und des diagnostischen und therapeutischen Prozesses zugeordnet werden. Neben der anordnenden Ärztin oder dem anordnenden Arzt leistet auch die psychologische Psychotherapeutin oder der psychologische Psychotherapeut ihren bzw. seinen Beitrag zur Diagnosestellung (Abklärungssitzungen gemäss Art. 11</span><span style="font-family:Arial; font-style:italic">b</span><span style="font-family:Arial"> Abs. 2 der Krankenpflege-Leistungsverordnung; KLV; SR 832.112.31) mit gegenseitiger Information und Absprache. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">3. Grundsätzlich ist es die Pflicht jedes Leistungserbringers, dass er nur Leistungen zur Diagnose und Behandlung einer Krankheit gegenüber der OKP abrechnet. Weiter muss er sich gemäss Artikel 56 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist. Dann ist es auch die Aufgabe der Krankenversicherer im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur Kostenübernahme gegeben sind oder allenfalls die Kostenübernahme abzulehnen ist (Art. 34 Abs. 1, Art. 56 Abs. 2 KVG).</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">4. Eine Evaluation der ärztlichen Indikationsstellung für eine psychologische Psychotherapie wurde bisher nicht durchgeführt und ist nicht geplant. Sollte sich im Rahmen der im 2025 vorgesehenen Evaluation der Neuregelung der psychologischen Psychotherapie ein Bedarf in dieser Fragestellung ergeben, könnte in der Folge eine entsprechende Studie durchgeführt werden. Allein anhand von Routinedaten ist keine entsprechende Analyse möglich.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">5. Gemäss Aussagen seitens der verschiedenen Leistungserbringerverbände besteht insgesamt sowie insbesondere im Bereich der Kinder und Jugendlichen eine Unterversorgung. Zur Auslastung der Leistungserbringer der Psychiatrie und der psychologischen Psychotherapie liegen keine entsprechenden Daten vor.</span></p></div>
    • <p>Seit dem Übergang vom Delegations- zum Verschreibungsmodell verschreiben zahlreiche Fachärztinnen und Fachärzte kassenpflichtige Psychotherapiesitzungen bei Psychologinnen oder Psychologen. Entsprechend dem Willen des Gesetzgebers gehören diese Ärztinnen und Ärzte zur Facharztgruppe der erweiterten Grundversorgung: Allgemeine Innere Medizin, Neurologie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Pädiatrie. Sie haben allerdings oft nur geringe Kenntnisse über von Psychologinnen und Psychologen durchgeführte Psychotherapie. Daher können sie nicht beurteilen, welche Patientinnen und Patienten einen sogenannten Krankheitswert aufweisen und sich entsprechend einer Psychotherapie zulasten der Grundversicherung unterziehen müssen. Aus Brancheninformationen geht hervor, dass Psychotherapien der Grundversicherung (OKP) in Rechnung gestellt werden, ohne dass dieser Krankheitswert tatsächlich festgestellt wird. Überdies drängen gewisse Patientinnen und Patienten ihre Ärztin oder ihren Arzt geradezu, ihnen eine von der OKP gedeckte Psychotherapie zu verschreiben. Dies kann einerseits zu einem starken Kostenanstieg führen und andererseits dazu, dass für Personen, die psychotherapeutisch-psychologische Unterstützung wirklich brauchen, zu wenig Fachpersonen zur Verfügung stehen.</p><p>Ich bitte den Bundesrat um Antwort auf folgende Fragen:</p><ul><li>Welche Verantwortung fällt Ärztinnen und Ärzten zu, wenn sie Psychotherapie durch Psychologinnen und Psychologen verschreiben? Welche rechtliche Verantwortung trägt z. B. ein Kinderarzt, wenn er eine Psychotherapie verschreibt?</li><li>Wer stellt die Diagnose eines Falles? Ist eine Diagnose wirklich Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die OKP?</li><li>Wie wird sichergestellt, dass ein Fall nicht von der OKP vergütet wird, wenn eine Diagnose zeigt, dass kein Krankheitswert vorliegt?</li><li>Gibt es in der Praxis eine Überprüfung der konkreten Diagnosen, die im Rahmen der Verschreibung von "Psychotherapie" behandelt werden? Wird sie durch das Monitoring des Bundes erfasst?</li><li>Wie hoch ist die derzeitige Belastung von Psychiaterinnen und Psychiatern einerseits und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten andererseits?</li></ul>
    • Steigende Kosten für Psychotherapie durch Psychologinnen und Psychologen. Liegt der Grund in unklaren Diagnosen?

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