Strafprozessordnung. Ă„nderung

Details

ID
20190048
Title
Strafprozessordnung. Änderung
Description
Botschaft vom 28. August 2019 zur Änderung der Strafprozessordnung (Umsetzung der Motion 14.3383, Kommission für Rechtsfragen des Ständerats, Anpassung der Strafprozessordnung)
InitialSituation
<p><b>Medienmitteilung des Bundesrates vom 28.08.2019</b></p><p><b>Strafprozessordnung soll praxistauglicher werden</b></p><p><b>Der Bundesrat will die Praxistauglichkeit des Strafprozessrechts verbessern. Er hat an seiner Sitzung vom 28. August 2019 von den Vernehmlassungsergebnissen Kenntnis genommen und eine entsprechende Botschaft zu Handen des Parlaments verabschiedet. Weil sich die Strafprozessordnung im Wesentlichen bewährt hat, beschränkt sich die Revision auf punktuelle Änderungen. </b></p><p>Bereits kurz nach dem Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) am 1. Januar 2011 wiesen kritische Stimmen aus der Praxis auf problematische Aspekte einzelner Bestimmungen hin. Auch im Parlament wurden schon früh Vorstösse überwiesen, die punktuelle Änderungen der StPO verlangen. Mit der Überweisung der Motion 14.3383 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (Anpassung der Strafprozessordnung) entschied sich das Parlament schliesslich für eine Gesamtüberprüfung der StPO.</p><p>Die Auswertung der Vernehmlassungsantworten zeigt grundsätzliche Zustimmung. Der Bundesrat hält deshalb an den Grundzügen des Vorentwurfs fest. Entsprechend der Forderung der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden beschränkt sich die Revision aber auf diejenigen Punkte, die in der Praxis tatsächlich auf Schwierigkeiten stossen.</p><p></p><p>Massvolle Einschränkung der Teilnahmerechte</p><p>Im Zentrum der öffentlichen Diskussionen standen namentlich die so genannten Teilnahmerechte in Strafverfahren. Das geltende Recht erlaubt es beschuldigten Personen, an allen Beweiserhebungen teilzunehmen, insbesondere auch an Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen. Dies ist problematisch, weil es der beschuldigten Person ermöglicht, ihre Aussagen an jene anderer Personen anzupassen. Das kann dazu führen, dass in einem Verfahren mit mehreren beschuldigten Personen einzelne bevorteilt werden.</p><p>In der Vernehmlassung war die vom Bundesrat vorgeschlagene neue Regelung umstritten. Die Kritik wurde berücksichtigt und die Regelung angepasst. Künftig soll das Teilnahmerecht einer beschuldigten Person so lange eingeschränkt werden können, bis sie sich selber zum Gegenstand der Einvernahme geäussert hat. Weil diese Teilnahmerechte einen wichtigen Ausgleich zur strukturell starken Stellung der Staatsanwaltschaft bilden, werden sie aber nicht auf das von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Minimum reduziert, wie dies in der Vernehmlassung vereinzelt gefordert wurde.</p><p></p><p>DNA-Profile auch für vergangene oder künftige Taten</p><p>Eine Neuerung gibt es auch bei den Voraussetzungen für den Einsatz von DNA-Profilen. Nunmehr hält das Gesetz ausdrücklich fest, dass ein DNA-Profil nicht nur zur Aufklärung jener Straftat erhoben werden darf, die Gegenstand des Verfahrens bildet, sondern auch zur Aufklärung anderer mutmasslich begangener oder möglicher künftiger Taten - sofern dazu konkrete Anhaltspunkte bestehen. Ein DNA-Profil zur Aufklärung möglicher künftiger Delikte darf allerdings nur erstellt werden, wenn die beschuldigte Person für eine andere Tat verurteilt wird. Eine routinemässige Erstellung von DNA-Profilen soll somit auch weiterhin nicht möglich sein. Der Bundesrat hat an seiner heutigen Sitzung gleichzeitig den Entwurf für die Anpassung des DNA-Profilgesetzes in die Vernehmlassung geschickt.</p><p></p><p>Weitere Revisionspunkte</p><p>Der Bundesrat will zugleich die Stellung der Opfer und dessen Angehörigen im Strafverfahren stärken. Namentlich sollen Opfer künftig auch dann unentgeltliche Rechtspflege erhalten, wenn sie im Strafprozess ausschliesslich Strafklage erheben, ohne Zivilansprüche geltend zu machen. Zudem soll die Staatsanwaltschaft neu auch über Zivilforderungen entscheiden können. Bezüglich der Rückerstattungspflicht für die unentgeltliche Prozessführung möchte der Bundesrat, dass das Opfer und seine Angehörigen neu explizit davon befreit werden.</p><p>Weitere Revisionspunkte sind:</p><p>- Die Staatsanwaltschaft muss die beschuldigte Person im Strafbefehlsverfahren zwingend einvernehmen, sofern sie eine unbedingte Freiheitsstrafe ausspricht. </p><p>- Bei Entscheiden des Zwangsmassnahmengerichts über die Untersuchungs- und Sicherheitshaft soll die Staatsanwaltschaft Beschwerde erheben können. </p><p>- Die Voraussetzungen für die Anordnung von Untersuchungs- und Sicherheitshaft wegen Wiederholungsgefahr werden gelockert. Sie soll auch bei Ersttätern möglich sein.</p>
Objectives
  • Number
    0
    Text
    Botschaft vom 28. August 2019 zur Änderung der Strafprozessordnung (Umsetzung der Motion 14.3383, Kommission für Rechtsfragen des Ständerats, Anpassung der Strafprozessordnung)
    Resolutions
    Date Council Text
  • Number
    1
    Text
    Schweizerische Strafprozessordnung (Strafprozessordnung, StPO)
    Resolutions
    Date Council Text
    18.03.2021 1 Beschluss abweichend vom Entwurf
    14.12.2021 2 Abweichung
    02.03.2022 1 Abweichung
    07.06.2022 2 Abweichung
    08.06.2022 1 Abweichung
    13.06.2022 2 Zustimmung
    17.06.2022 1 Annahme in der Schlussabstimmung
    17.06.2022 2 Annahme in der Schlussabstimmung
  • Number
    2
    Text
    Schweizerische Strafprozessordnung (Strafprozessordnung, StPO) (Sicherheitshaft im selbstständigen, nachträglichen Verfahren) (Entwurf der RK-N vom 15.05.2020)
    Resolutions
    Date Council Text
    03.06.2020 1 Beschluss gemäss Entwurf
    08.09.2020 2 Zustimmung
    25.09.2020 2 Annahme in der Schlussabstimmung
    25.09.2020 1 Annahme in der Schlussabstimmung
Proceedings
<p><b>Entwurf 2</b></p><p></p><p>SDA-Meldung</p><p><b>Debatte im Nationalrat, 03.06.2020</b></p><p><b>Nationalrat schafft Rechtsgrundlage für Sicherheitshaft </b></p><p><b>Der Nationalrats will verhindern, dass gefährliche Straftäter wegen einer Gesetzeslücke auf freien Fuss gesetzt werden müssen. Einstimmig hat er am Mittwoch eine Gesetzesänderung gutgeheissen, die die Rechtsgrundlage für eine Sicherheitshaft bilden soll.</b></p><p>Es handelt sich um ein einzelnes Element der Revision der Strafprozessordnung, die der Bundesrat dem Parlament vorgeschlagen hat. Die Rechtskommission löste die Sicherheitshaft heraus und brachte sie in einer eigenen Vorlage unter, um diese rasch behandeln zu können.</p><p>Die Eile ist wegen eines Urteils des Menschenrechtsgerichtshofs in Strassburg notwendig. Dieser hatte im vergangenen Dezember festgestellt, dass die gesetzliche Grundlage für eine Sicherheitshaft nicht ausreicht in Fällen, in denen ein Entscheid über die Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme hängig ist. Damals hatte der Bundesrat dem Parlament bereits seine Vorschläge zur Änderung der Strafprozessordnung vorgelegt.</p><p></p><p>Klare Regel</p><p>Demnach darf das Gericht eine Sicherheitshaft anordnen, wenn ein nachträgliches Verfahren hängig ist, zum Beispiel über die Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme. Voraussetzung ist, dass voraussichtlich ein Freiheitsentzug angeordnet wird und Flucht- oder Wiederholungsgefahr besteht.</p><p>Die Lücke ist entstanden, weil man davon ausging, dass für das nachträgliche Verfahren genügend Vorlauf besteht, wie Justizministerin Karin Keller-Sutter im Parlament am Mittwoch erklärte. "Diese Annahme hat sich als praxisfremd erwiesen."</p><p>Eine Kommissionsminderheit hatte sich zunächst gegen die Teilung der Vorlage ausgesprochen. Das sei aber vor Corona gewesen, sagte Christian Lüscher (FDP/GE). Damals sei die Behandlung der gesamten Vorlage in der Sommersession noch möglich erschienen. Doch nun sei nicht einmal klar, ob deren übrige Elemente in der Herbstession behandelt werden könnten. Lüscher zog den Antrag auf Nichteintreten daher zurück. Ein Rückweisungsantrag der SVP wurde abgelehnt.</p><p></p><p>SDA-Meldung</p><p><b>Debatte im Ständerat, 08.09.2020</b></p><p><b>Parlament schafft Rechtsgrundlage für Sicherheitshaft </b></p><p><b>Das Parlament will verhindern, dass gefährliche Straftäter wegen einer Gesetzeslücke auf freien Fuss gesetzt werden müssen. Nach dem Nationalrat hat am Dienstag auch der Ständerat der Rechtsgrundlage für eine Sicherheitshaft zugestimmt.</b></p><p>Es handelt sich um ein einzelnes Element der Revision der Strafprozessordnung, die der Bundesrat dem Parlament vorgeschlagen hat. Die nationalrätliche Rechtskommission löste die Sicherheitshaft heraus und brachte sie in einer eigenen Vorlage unter, um diese rasch behandeln zu können.</p><p>Die Eile ist wegen eines Urteils des Menschenrechtsgerichtshofs in Strassburg notwendig. Dieser hatte vergangenen Dezember festgestellt, dass die gesetzliche Grundlage für eine Sicherheitshaft nicht ausreicht in Fällen, in denen ein Entscheid über die Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme hängig ist.</p><p></p><p>Klare Regel</p><p>Damals hatte der Bundesrat dem Parlament bereits seine Vorschläge zur Änderung der Strafprozessordnung vorgelegt. Demnach darf das Gericht eine Sicherheitshaft anordnen, wenn ein nachträgliches Verfahren hängig ist, zum Beispiel über die Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme. Voraussetzung ist, dass voraussichtlich ein Freiheitsentzug angeordnet wird und Flucht- oder Wiederholungsgefahr besteht.</p><p>Diesem Antrag hat der Ständerat einstimmig zugestimmt. Da es keine Differenzen zwischen den Räten gibt, ist der Entwurf 2 bereit für die Schlussabstimmung.</p><p></p><p><b>Entwurf 1 </b></p><p></p><p>SDA-Meldung</p><p><b>Debatte im Nationalrat, 18.03.2021</b></p><p><b>Nationalrat heisst revidierte Strafprozessordnung gut</b></p><p><b>Der Nationalrat hat die revidierte Strafprozessordnung gutgeheissen. Im Gegensatz zum Bundesrat schränkt er aber das Teilnahmerecht von Beschuldigten an Beweiserhebungen nicht ein, und er will das Konzept der restaurativen Gerechtigkeit in die Vorlage aufnehmen.</b></p><p>Angepasst werden sollen einzelne Punkte in der erst zehnjährigen Strafprozessordnung. Schon kurz nach deren Inkrafttreten wies die Praxis auf Probleme hin, es folgten parlamentarische Vorstösse. Der Bundesrat hat die Anliegen nun in einer Vorlage zusammengefasst.</p><p><b></b></p><p>Balance für SVP nicht erreicht</p><p>Diese hat der Nationalrat am Donnerstag mit 139 zu 54 Stimmen gutgeheissen. Die Nein-Stimmen kamen von der SVP. Sie kritisierte, dass die Balance zwischen Opferschutz und dem Anliegen, Täter so schnell wie möglich dingfest zu machen, nicht erreicht werde, wie Pirmin Schwander (SZ) sagte.</p><p>In einem zentralen Punkt widerspricht der Nationalrat dem Bundesrat. Er will das Teilnahmerecht der Beschuldigten an Einvernahmen nicht einschränken. Nach geltendem Recht dürfen alle Parteien im Verfahren an allen Beweiserhebungen teilnehmen. Dabei will der Nationalrat bleiben, um faire Verfahren zu garantieren.</p><p>Der Bundesrat beantragte, dass Beschuldigte bei Beweiserhebungen nicht dabei sein dürften, bevor sie sich selbst einlässlich geäussert haben. Gemeint sind zum Beispiel Einvernahmen von Zeugen oder Personen, die im gleichen Verfahren beschuldigt sind.</p><p><b></b></p><p>Teilnahmerecht nicht beschränken</p><p>Sich einlässlich zu äussern, sei für Unschuldige schwierig, da sie nicht mehr sagen könnten, als dass sie unschuldig seien, gab Philipp Matthias Bregy (CVP/VS) zu bedenken. Die Einschränkung bedeute für Beschuldigte, dass auf sie ihr Recht, die Aussage zu verweigern, verzichten müssten, um ihr Recht auf Teilnahme am Verfahren wahrnehmen zu können, sagte Elisabeth Schneider Schüttel (SP/FR).</p><p>SVP, GLP sowie Mitglieder von FDP- und Mitte-Fraktion hätten dem Bundesrat folgen wollen. Das Aussageverweigerungsrecht respektive das Nichtmitwirkungsrecht schütze Beschuldigte genügend, sagte Lukas Reimann (SVP/SG). Barbara Steinemann (SVP/ZH) sprach von Problemen mit Einschüchterung, "etwa wenn der Boss der Bande anwesend ist".</p><p>Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte dazu, der Bundesrat wolle eine massvolle und zurückhaltende Einschränkung und gehe nicht bis zum "Minimum des Zulässigen", das Strafverfolger gewünscht hätten.</p><p>Gegen den Willen des Bundesrats nahm der Nationalrat das Konzept der "justice restaurative" oder restaurativen Gerechtigkeit auf. Es sieht vor, dass sich beide Parteien im Verfahren auf eine Mediation einigen können. Deren Ergebnis kann die Strafverfolgungsbehörde berücksichtigen. Eine Pflicht zur "justice restaurative" soll es aber nicht geben.</p><p><b></b></p><p>Umgang mit DNA-Profilen</p><p>Die SVP und ein Teil der Mitte-Fraktion sowie der Bundesrat hätten auf diese Bestimmung verzichten wollen. Eine solche Mediation widerspreche dem Beschleunigungsgebot, sagte Schwander (SVP/SZ). Den Bundesrat überzeuge das Konzept nicht, sagte Justizministerin Keller-Sutter. Der Anwendungsbereich sei zu offen formuliert. Auch zu den Auswirkungen gebe es keine klare Bestimmung.</p><p>Beim Umgang mit DNA-Profilen will der Bundesrat die Praxis des Bundesgerichts ins Gesetz schreiben. Profile sollen nicht nur zur Aufklärung jener Delikte erstellt und gespeichert werden dürfen, um derentwillen das Verfahren geführt wird. Sie sollen auch für die Aufklärung früherer oder künftiger Taten verwendet werden können.</p><p>Bei früheren Taten müssten gemäss Antrag des Bundesrats "konkrete Anhaltspunkte" bestehen, damit ein Profil erstellt wird. Die RK-N wollte, dass eine "gewisse Wahrscheinlichkeit" für frühere Straftaten genügen solle, und drang damit durch.</p><p><b></b></p><p>Nein zu neuem Beschwerderecht</p><p>Geht es dagegen um mögliche künftige Straftaten, will der Rat beim geltenden Recht bleiben. DNA-Profile sind heute bei Verurteilungen möglich, wenn ein gewisses Mindeststrafmass erreicht wurde, beziehungsweise bei bestimmten Delikte oder bei der Anordnung einer therapeutischen Massnahme oder Verwahrung.</p><p>Nicht durchgedrungen ist der Bundesrat auch mit dem Beschwerderecht für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gegen Nichtanordnung, Nichtverlängerung und Aufhebung einer Untersuchungs- oder Sicherheitshaft. Die Mehrheit der RK-N wollte dieses Recht allein für Beschuldigte und setzte sich durch.</p><p>Der Bundesrat habe den Passus trotz Bedenken und Unsicherheiten in den Entwurf aufgenommen, sagte Keller-Sutter. In der Vernehmlassung habe eine Mehrheit die Beschwerdeberechtigung befürwortet.</p><p><b></b></p><p>Tarife nicht neu regeln</p><p>Die Tarife für die amtliche Verteidigung will der Nationalrat nicht neu regeln. Bezahlt werden soll nach Tarif des Bundes oder des Kantons, in dem der Prozess stattfindet. Die RK-N hätte den gleichen Ansatz wie für Wahlverteidiger gewollt.</p><p>Andrea Geissbühler (SVP/BE) setzte das Nein gegen diese "von der Anwaltslobby vorgeschlagene Lohnerhöhung" mit einem Einzelantrag durch. Ergänzt hat der Rat auf Antrag von Jean-Luc Addor (SVP/VS) zudem, dass in langen Verfahren der amtlichen Verteidigung Vorschüsse ausgerichtet werden können. </p><p></p><p>SDA-Meldung</p><p><b>Debatte im Ständerat, 14.12.2021</b></p><p><b>Ständerat schränkt Teilnahmerecht für Beschuldigte ein</b></p><p><b>Das Parlament hat die revidierte Strafprozessordnung grundsätzlich gutgeheissen. Nach dem Nationalrat hat ihr am Dienstag auch der Ständerat mit 29 zu 9 Stimmen bei 3 Enthaltungen zugestimmt. Er schränkte aber das Teilnahmerecht von Beschuldigten an Beweiserhebungen im Gegensatz zum Nationalrat ein.</b></p><p>Anders als der Nationalrat will der Ständerat zudem auch das Konzept der sogenannten restaurativen Gerechtigkeit nicht in diese Vorlage aufnehmen. Er hat entschieden, die Regulierung des Mediationsverfahrens in einer separaten Vorlage zu behandeln. Es sei kein Entscheid gegen das Thema selbst, eine Mediation könne durchaus sinnvoll sein, sagte Kommissionssprecher Daniel Jositsch (SP/ZH).</p><p>Der Rat hat deshalb - quasi als Anstoss - eine Motion überwiesen, die den Bundesrat auffordert, eine Gesetzesgrundlage zur Verankerung der restaurativen Gerechtigkeit in der Strafprozessordnung (StPO) auszuarbeiten. Dieses Konzept sieht vor, dass sich beide Parteien eines Verfahrens auf eine Mediation einigen können. Deren Ergebnis kann die Strafverfolgungsbehörde berücksichtigen.</p><p>In weiteren wesentlichen Punkten ging der Ständerat zurück auf die Lösungen des Bundesrats, wie Jositsch in der Eintretensdebatte darlegte. Entsprechend zahlreich sind die Differenzen, die nun wieder zurück in die grosse Kammer gehen.</p><p>Heikelster Punkt zwischen den Räten ist das sogenannte Teilnahmerecht von Beschuldigten. Hierbei geht es auch um die Frage, wie weit die Austauschmöglichkeiten unter Beschuldigten im Rahmen von Einvernahmen eingeschränkt werden sollen. Der entsprechende Artikel zielt insbesondere auf den Umgang mit Bandenkriminellen während der Beweisaufnahme ab.</p><p></p><p>Wie würden Batic und Leitmayr verhören?</p><p>"Wie würden wohl die 'Tatort'-Kommissare Batic und Leitmayr diese Verhöre führen?", fragte Heidi Z'Graggen (FDP/UR). "Sicher nicht, wenn alle Beschuldigten im Raum wären." Insbesondere, wenn hinten im Raum der Bandenchef sitze. Bei einer solchen Konstellation Widersprüche beziehungsweise die Wahrheit zu finden, sei quasi unmöglich.</p><p>Der Nationalrat will das Teilnahmerecht der Beschuldigten an Einvernahmen im Gegensatz zum Bundesrat und Ständerat aber nicht einschränken. Nach geltendem Recht dürfen alle Parteien im Verfahren an allen Beweiserhebungen teilnehmen. Dabei will der Nationalrat bleiben, um faire Verfahren zu garantieren.</p><p>Der Bundesrat beantragte, dass Beschuldigte bei Beweiserhebungen nicht dabei sein dürfen, bevor sie sich selbst einlässlich geäussert haben. Gemeint sind die bereits erwähnten Einvernahmen von Zeugen oder Personen, die im selben Verfahren beschuldigt sind.</p><p></p><p>Keine Frist bei Teilnahmerecht</p><p>Der Ständerat verhalf nun einem neuen Antrag seiner Kommission teilweise zum Durchbruch. Dieser sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person vor der Einvernahme einer anderen beschuldigten Person ausschliessen kann, solange die beschuldigte Person ausserhalb des Haftverfahrens nicht einvernommen worden ist.</p><p>Abgelehnt hat das Plenum dagegen den Vorschlag der Kommission, dass als Ausgleich zur Wahrung der Verteidigungsrechte die Einvernahme unverzüglich beziehungsweise innert maximal zehn Tagen erfolgen muss, wenn der Verdächtige bereits in Untersuchungshaft sitzt.</p><p>Für die siegreiche Kommissions-Minderheit ist die Frist aus praktischen Gründen nicht umsetzbar. Technische Auswertungen und Zeugenbefragungen dauerten in aller Regel länger. Man riskiere deshalb, dass dem Beschuldigten nichts vorgehalten werden könne. Der Rat folgte dieser Argumentation und kippte die Frist.</p><p></p><p>DNA-Profile auch für künftige Taten</p><p>Beim Umgang mit DNA-Profilen will der Bundesrat die Praxis des Bundesgerichts ins Gesetz schreiben. Profile sollen nicht nur zur Aufklärung jener Delikte erstellt und gespeichert werden dürfen, um derentwillen das Verfahren geführt wird. Sie sollen auch für die Aufklärung früherer oder künftiger Taten verwendet werden können.</p><p>Dabei bedarf es laut Beschluss des Ständerates vom Dienstag wie für den Bundesrat "konkreter Anhaltspunkte". Dem Nationalrat genügt dafür eine "gewisse Wahrscheinlichkeit".</p><p></p><p>SDA-Meldung</p><p><b>Debatte im Nationalrat, 02.03.2022</b></p><p><b>Teilnahmerecht für Beschuldigte an Einvernahmen bleibt umstritten</b></p><p><b>Bei der Revision der Strafprozessordnung sind sich die Räte weiterhin nicht einig, ob Beschuldigte an Einvernahmen anderer Beschuldigter teilnehmen dürfen. Nach geltendem Recht dürfen alle Parteien im Verfahren bei allen Beweiserhebungen dabei sein.</b></p><p>In der seit 2011 geltenden Strafprozessordnung werden einzelne Punkte angepasst. Schon kurz nach deren Inkrafttreten wies die Praxis auf Probleme hin, es folgten parlamentarische Vorstösse. Der Bundesrat hat die Anliegen nun in einer Vorlage zusammengefasst.</p><p></p><p>Faire Verfahren garantieren</p><p>Der Bundesrat und auch der Ständerat möchten das Teilnahmerecht von Beschuldigten an Einvernahmen einschränken. Gemeint sind zum Beispiel Einvernahmen von Zeugen oder Personen, die im gleichen Verfahren beschuldigt sind.</p><p>Der Nationalrat will aber bei der heutigen Regelung bleiben, um faire Verfahren zu garantieren. Mit 116 zu 70 Stimmen hielt er am Mittwoch daran fest. Die Mehrheit überzeugte der vom Ständerat eingebrachte Vorschlag nicht.</p><p>Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS) erinnerte an den Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten müsse. Dazu gehöre, sich im Verfahren angemessen verteidigen zu können. Das Schweigerecht des Beschuldigten würde mit einer Einschränkung eingeschränkt, gab auch Min Li Marti (SP/ZH) zu bedenken.</p><p></p><p>Umstrittener Kern der Vorlage</p><p>Eine von Andrea Geissbühler (SVP/BE) angeführte Minderheit hätte dem Ständerat folgen wollen. Der Hauptgrund für die Revision der Strafprozessordnung sei just die Einschränkung der Teilnahmerechte gewesen, sagte Geissbühler. Die Einschränkung trage dazu bei, Delikte effizient aufzuklären, etwa in Fällen von Bandenkriminalität.</p><p>Justizministerin Karin Keller-Sutter wollte der Minderheit folgen. Gerade unter mehreren beschuldigten Bandenmitgliedern könne es zu Absprachen kommen, gab sie zu bedenken. "Es geht nicht darum, Beschuldigen ihre Rechte zu nehmen." Ein politischer Entscheid sei besser, als die Frage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu überlassen.</p><p>Gemäss dem Vorschlag des Ständerats soll die Staatsanwaltschaft eine beschuldigte Person von der Einvernahme weiterer Beschuldigter ausschliessen können. Gelten soll dies, solange die beschuldigte Person ausserhalb des Haftverfahrens nicht einvernommen worden ist.</p><p>Diese Regelung ist in den Augen von Keller-Sutter ausgewogen. Der Bundesrat beantragte, dass Beschuldigte bei Beweiserhebungen nicht dabei sein dürfen, bevor sie sich selbst einlässlich geäussert haben.</p><p></p><p>Vorläufig keine "justice restaurative"</p><p>Eine zweite Differenz hat der Nationalrat ausgeräumt: Das Konzept der "justice restaurative", bei dem die Parteien in allen Stadien eines Verfahrens in eine Mediation einwilligen können und aktiv zur Wiedergutmachung beitragen, wird vorläufig nicht Teil der Strafprozessordnung.</p><p>Der Nationalrat hat seinen früheren Entscheid korrigiert und ist mit 110 zu 79 Stimmen dem Ständerat gefolgt. In den Augen der SVP ist das Konzept weniger auf die Opfer als auf die Täter ausgerichtet, wie Jean-Luc Addor (VS) sagte. Verziehen werden könne nur, was zuvor in einem Urteil festgestellt worden sei.</p><p>Die Diskussion über die "justice restaurative" könne nicht so auf die Schnelle geführt werden, wandte Christian Lüscher (FDP/GE) ein. Vielmehr brauche es eine seriöse Analyse und eine Vernehmlassung.</p><p>Eine Minderheit von SP, Grünen und GLP hätte das Konzept in der Vorlage behalten wollen, um so den Zugang zur restaurativen Gerechtigkeit rasch zu ermöglichen. Es gehe um ein Novum im Schweizer Recht, sagte Judith Bellaiche (GLP/ZH). Nicolas Walder (Grüne/GE) sprach von einer Ergänzung der Strafjustiz.</p><p>Vor einem Jahr hatte der Nationalrat gegen den Willen des Bundesrats die "justice restaurative" oder restaurative Gerechtigkeit in die Vorlage aufgenommen. Eine Pflicht zur "justice restaurative" hätte es aber nicht geben sollen.</p><p></p><p>Räte bestellen Gesetzesprojekt</p><p>Die Motion für eine separate Vorlage zur "justice restaurative" überwies der Rat mit 120 zu 52 Stimmen, gegen den Willen des Bundesrates. Für einen definitiven Gesetzgebungsauftrag sei es zu früh, sagte Keller-Sutter. "Es gibt noch zahlreiche ungeklärte Fragen." Ein Postulat mit einem Prüfauftrag sei bereits hängig.</p><p>Eine Differenz besteht auch noch beim Umgang mit DNA-Profilen. Profile von Beschuldigten sollen nicht nur zur Aufklärung der Delikte erstellt und gespeichert werden dürfen, um derentwillen das Verfahren geführt wird. Sie sollen auch für die Aufklärung früherer Taten verwendet werden können.</p><p>Dabei bedarf es laut Beschluss des Ständerates und auch in den Augen des Bundesrates "konkreter Anhaltspunkte". Der Nationalrat dagegen will eine "gewisse Wahrscheinlichkeit" vorschreiben.</p><p></p><p>SDA-Meldung</p><p><b>Debatte im Ständerat, 07.06.2022</b></p><p><b>Ständerat beharrt auf beschränktem Teilnahmerecht an Strafprozessen</b></p><p><b>Bei der Revision der Strafprozessordnung ist weiterhin nicht klar, ob Beschuldigte wie heute an Einvernahmen anderer Beschuldigter teilnehmen dürfen. Der Ständerat möchte die Teilnahmerechte weiterhin beschränken, der Nationalrat nicht.</b></p><p>Der Ständerat folgte am Dienstag mit 32 zu 11 Stimmen der Mehrheit seiner Rechtskommission (RK-S). Demnach sollen im gleichen Verfahren beschuldigte Personen unter gewissen Umständen bei einer Einvernahme von weiteren Beschuldigten ausgeschlossen werden können.</p><p>Gemäss Ständerat soll die Staatsanwaltschaft einen Ausschluss anordnen können, wenn die beschuldigte Person ausserhalb des Haftverfahrens noch nicht einvernommen worden ist. Damit werde die heutige Praxis nicht fundamental geändert, sagte Kommissionssprecher Daniel Jositsch (SP/ZH).</p><p>Auch der Bundesrat will die Teilnahmerechte beschränken. Er argumentiert mit Fällen, in denen mehrere Bandenmitglieder beschuldigt sind. Die Teilnahmerechte seien das Herzstück der Revision, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Nichts zu tun "würde in der Praxis eine gewisse Enttäuschung auslösen".</p><p>Die unterlegene Minderheit will beim geltenden Recht bleiben und zu Gunsten fairer Verfahren die Teilnahmerechte nicht einschränken. Der Eingriff in die Strafprozessordnung werde allein von den Staatsanwälten verlangt, monierte Beat Rieder (Mitte/VS) und forderte, das Vorhaben zu unterbinden.</p><p>Wie die Minderheit will es auch der Nationalrat halten. Er ist nun wieder am Zug.</p><p></p><p>SDA-Meldung</p><p><b>Debatte im Nationalrat, 08.06.2022</b></p><p><b>Nationalrat will Teilnahmerechte Beschuldigter nicht einschränken</b></p><p><b>Der Nationalrat will weiterhin die Teilnahmerechte Beschuldigter bei der Einvernahme anderer Beschuldigter nicht einschränken. Er hat am Mittwoch an dieser und weiteren drei Differenzen zum Ständerat festgehalten. Die Revision der Strafprozessordnung geht damit ein letztes Mal an die Kantonskammer.</b></p><p>Der Nationalrat lehnte die Einschränkung deutlich mit 137 zu 50 Stimmen ab. Die Mehrheit machte geltend, Verteidigung und Staatsanwaltschaft müssten gleich lange Spiesse haben. Die Rechte der Staatsanwaltschaft seien bereits stark ausgebaut worden. Die Rechte Beschuldigter noch weiter einzuschränken, würde die Waffengleichheit aufheben.</p><p>Vergeblich nannte Andrea Geissbühler (SVP/BE) die Einschränkung namens einer Minderheit massvoll. Zudem sei sie ein zentraler Punkt der Revision. Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte, die Einschränkung sei seitens der Praxis gewünscht worden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts gehe bereits heute über die Teilnahmeeinschränkung in der Revision hinaus.</p><p>Eine weitere gewichtige Differenz, an welcher der Nationalrat mit 109 zu 79 Stimmen festhielt, betrifft das Rekursrecht der Staatsanwaltschaft gegen Entscheide des Haftrichters. Nach dem Willen des Ständerats sollte die Anklage innert sechs Stunden Einsprache erheben können, wenn das Haftgericht ihren Antrag auf Haftverlängerung ablehnt.</p><p>Ein solcher Rekurs sollte aufschiebende Wirkung erhalten. Die Nationalratsmehrheit lehnte das ab, weil es gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstösst. Zudem gehe es nicht an, dass die Staatsanwaltschaft durch die aufschiebende Wirkung einen negativen beschiedenen Antrag auf Haftverlängerung praktisch aus eigener Kraft aufheben könne.</p><p>Auch in der Frage der Erstellung von DNA-Profilen Beschuldigter blieb der Nationalrat auf seiner gegenüber dem Ständerat restriktiveren Linie. </p><p></p><p>SDA-Meldung</p><p><b>Debatte im Ständerat, 13.06.2022</b></p><p><b>Teilnahmerechte an Einvernahmen werden nicht eingeschränkt</b></p><p><b>Die Teilnahmerechte von Beschuldigten an Einvernahmen von im gleichen Verfahren beschuldigten Personen werden nicht eingeschränkt. Das hat der Ständerat bei der Bereinigung der revidierten Strafprozessordnung entschieden und die Vorlage für die Schlussabstimmung verabschiedet.</b></p><p>In der seit 2011 geltenden Strafprozessordnung sind einzelne Punkte angepasst worden. Schon kurz nach dem Inkrafttreten der neuen Vorgaben hatte die Praxis auf Probleme hingewiesen, parlamentarische Vorstösse waren gefolgt. Der Bundesrat fasste die Anliegen nun in einer Vorlage zusammen.</p><p><b></b></p><p>Verzicht auf zentrales Element</p><p>Auf ein vom Bundesrat vorgeschlagenes zentrales Element verzichten die Räte nun aber: Die Teilnahmerechte von Beschuldigten an Einvernahmen von anderen im selben Verfahren Beschuldigten werden nicht eingeschränkt. Der Nationalrat hatte die Einschränkung von Beginn weg abgelehnt, um faire Verfahren zu garantieren.</p><p>Der Ständerat hätte wie der Bundesrat die Teilnahmerechte von Beschuldigten einschränken wollen. Diese hätten von der ersten Einvernahme von im selben Verfahren Beschuldigten ausgeschlossen werden können wenn sie selbst ausserhalb des Haftverfahrens noch nicht einvernommen worden sind.</p><p>Davon wollte der Nationalrat aber nichts wissen und bezüglich Teilnahmerechte beim geltenden Recht ohne Einschränkungen bleiben. Befürworterinnen und Befürworter einer Beschränkung argumentierten vergeblich mit Fällen von Bandenkriminalität und der Möglichkeit der Beschuldigten, sich abzusprechen.</p><p><b></b></p><p>Umstrittenes Rekursrecht</p><p>Umstritten bis zuletzt war auch das vom Bundesrat beantragte Rekursrecht der Staatsanwaltschaft gegen Entscheide von Haftrichtern und -richterinnen. Nach dem Willen des Ständerats sollte die Anklage innert sechs Stunden Einsprache erheben können, wenn das Haftgericht beispielsweise ihren Antrag auf Haftverlängerung ablehnt.</p><p>Der Nationalrat lehnte das ab, weil es gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstösst. Zudem gehe es nicht an, dass die Staatsanwaltschaft durch die aufschiebende Wirkung einen negativen beschiedenen Antrag auf Haftverlängerung praktisch aus eigener Kraft aufheben könne. Auch hier folgte der Ständerat nun dem Nationalrat.</p><p>Neu geregelt wird auch der Umgang mit DNA-Profilen. Profile sollen nicht nur zur Aufklärung jener Delikte erstellt und gespeichert werden dürfen, um derentwillen das Verfahren geführt wird. Sie sollen auch zur Aufklärung früherer oder künftiger Taten verwendet werden können, wenn "konkrete Anhaltspunkte" dafür bestehen.</p><p></p><p>Verzicht auf "justice restaurative"</p><p>Mit der "Justice restaurative" hätte der Nationalrat zunächst eine Neuerung ins Strafprozessrecht aufnehmen wollen, gab dann aber in der Differenzbereinigung nach. Bei diesem Verfahren können die Parteien in allen Stadien eines Verfahrens in eine Mediation einwilligen und aktiv zur Wiedergutmachung beitragen.</p><p>Vom Tisch ist die "Justice restaurative" aber nicht: Die Räte erteilten dem Bundesrat gegen dessen Willen den Auftrag, eine Vorlage auszuarbeiten. Für einen Gesetzgebungsauftrag sei wegen zahlreicher offener Fragen zu früh, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Auch sei mit einem Postulat ein Prüfauftrag hängig.</p>
Updated
10.04.2024 16:22

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