«Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)». Volksinitiative

Details

ID
20240079
Title
«Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)». Volksinitiative
Description
Botschaft vom 16. Oktober 2024 zur Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)»
InitialSituation
<p><strong>Am 26. Oktober 2023 wurde die Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» eingereicht. Die Initiative sieht vor, dass jede Person mit Schweizer Bürgerrecht einen «Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt» leistet. Dieser Dienst würde als Militärdienst oder in Form eines anderen, gleichwertigen und gesetzlich anerkannten Milizdienstes geleistet.</strong></p><p>&nbsp;</p><p><strong>Der Bundesrat verabschiedete an seiner Sitzung vom 16. Oktober 2024 die Botschaft zur Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz» («Service-citoyen-Initiative») und empfahl den eidgenössischen Räten, die Initiative ohne Gegenentwurf abzulehnen. Die Bevölkerung soll nur zu Leistungen verpflichtet werden, die für die Sicherheit der Schweiz erforderlich sind.</strong></p><p>&nbsp;</p><p><strong>Das Grundanliegen der Initiative, nämlich das Engagement der Bevölkerung für die Gesellschaft zu erhöhen, sprach viele Ratsmitglieder an, die vorgeschlagene Umsetzung der Initiative überzeugte jedoch nicht. Beide Räte empfahlen die Initiative zur Ablehnung – trotz einem Rückweisungsantrag im Nationalrat zur Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags.</strong></p><p>&nbsp;</p><p><strong>Ausgangslage</strong></p><p>Am 23.&nbsp;Oktober&nbsp;2023 reichte das Initiativkomitee mit 107&nbsp;613 gültigen Stimmen offiziell die Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» ein, mit der dank einer Modernisierung des aktuellen Systems das Milizengagement in der Schweiz gefördert werden soll.&nbsp;</p><p>Die eidgenössische Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» verlangt in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs die Bundesverfassung (Art. 59, Art.&nbsp;61 Abs. 3–5 und Art.&nbsp;197 Ziff. 17&nbsp;BV) so zu ändern, dass jede Person mit Schweizer Bürgerrecht einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt leisten muss. Dieser Dienst soll entweder als Militärdienst oder in Form eines «anderen, gleichwertigen und gesetzlich anerkannten Milizdienstes» geleistet werden und darf den Sollbestand von Armee und Zivilschutz nicht gefährden. Gemäss Initiativtext kann der Gesetzgeber vorsehen, dass auch Personen ohne Schweizer Bürgerrecht einen solchen Dienst leisten müssen.</p><p>Der Bundesrat anerkennt, dass die Initiative mehrere Vorzüge hat.&nbsp;Der vorgeschlagene Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt könnte das Engagement der Schweizer Bürgerinnen und Bürger für die Gesellschaft stärken.&nbsp;Die Einführung eines «Dienstes zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt», bei dem nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen dienstpflichtig wären, würde zudem der Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau (Art. 8 Abs. 3 BV) dienen.</p><p>Doch besteht das primäre Ziel der Dienstpflicht in seinen Augen darin, die Alimentierung von Armee und Zivilschutz sicherzustellen und so die Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten.&nbsp;Die Ausdehnung der Dienstpflicht auf die gesamte Bevölkerung erachtet er weder als gerechtfertigt noch als sinnvoll, da bei einer Umsetzung der Initiative viel mehr Personen rekrutiert würden als für die Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsorgane benötigt.</p><p>Die Einführung eines Bürgerdienstes, wie ihn die Initiative vorsieht, würde dazu führen, dass dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu heute doppelt so viele Arbeitskräfte entzogen würden. Zudem bestünde die Gefahr, dass gering qualifizierte Arbeitskräfte (zum Beispiel Raumpflegepersonal oder Pflegehilfen) von diesen Personen zumindest teilweise verdrängt würden.</p><p>Anders als beim heutigen Dienstpflichtsystem würde sich auch die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem völkerrechtlich übergeordneten Verbot von Zwangsarbeit stellen.&nbsp;</p><p>In den Diskussionen in den Sicherheitspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat (SiK-N und SiK-S) sowie in den beiden Räten wurden einzelne Argumente des Bundesrates übernommen. Im Nationalrat beantragte die Minderheit Zryd die Rückweisung der Vorlage an die Kommission mit dem Auftrag, einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative auszuarbeiten, der eine Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit vorsieht, damit die Menschen in der Schweiz mehr Zeit für Freiwilligenarbeit erhalten.<br>(Quellen: <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2024/2741/de">Botschaft</a> und <a href="https://www.news.admin.ch/de/nsb?id=102805">Medienmitteilung</a> des Bundesrates vom 16.10.2024)</p>
Objectives
  • Number
    0
    Text
    Botschaft vom 16. Oktober 2024 zur Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)»
    Resolutions
    Date Council Text
  • Number
    1
    Text
    Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)»
    Resolutions
    Date Council Text
    19.03.2025 1 Beschluss gemäss Entwurf
    18.06.2025 2 Zustimmung
    20.06.2025 2 Annahme in der Schlussabstimmung
    20.06.2025 1 Annahme in der Schlussabstimmung
Proceedings
<p>Im <strong>Nationalrat</strong> wurde die Vorlage am 11. und am 12.&nbsp;März&nbsp;2025 beraten. Zusätzlich zu den Vertreterinnen und Vertretern der SiK-N und der Fraktionen ergriffen mehr als 30&nbsp;Ratsmitglieder das Wort.</p><p>Kommissionssprecherin Linda de Ventura (S, SH) wies darauf hin, dass die meisten angehörten Verbände bezweifeln, dass die Initiative zu mehr gesellschaftlichem Engagement führt, und nur wenige Verbände die Initiative als Chance zur Modernisierung von Armee und Gesellschaft sehen. Die SiK-N hatte im Rahmen ihrer Beratungen einen Staatsrechtsprofessor angehört, der die Auffassung vertrat, dass eine Umsetzung der Initiative ohne Verstoss gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerte Zwangsarbeitsverbot möglich wäre. Die Kommission beantragte dem Nationalrat mit 21 zu 3&nbsp;Stimmen, die Initiative ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.</p><p>Die Kommissionsmehrheit begründete dies unter anderem mit fehlendem Handlungsbedarf, dem drohenden Arbeitskräftemangel und Lohndumping sowie dem gleichstellungspolitischen Rückschritt durch die Einführung einer Dienstpflicht für Frauen trotz fehlender Gleichstellung in vielen anderen Bereichen. Für sie besteht das primäre Ziel der Dienstpflicht darin, die Bestände von Armee und Zivilschutz zu sichern.</p><p>Der zweite Kommissionssprecher Jean-Luc Addor (V, VS) legte in der Ratsdebatte zunächst die Argumente der Minderheiten dar, die sich für die Initiative bzw. einen direkten Gegenentwurf oder einen indirekten Gegenvorschlag aussprachen, um den Sicherheitsbegriff auf die Umwelt auszudehnen sowie Männer und Frauen gleichzustellen. Die Kommissionsmehrheit sei hingegen der Ansicht, dass die unbezahlte Arbeit, die viele Frauen schon jetzt leisten, deren Befreiung von der Dienstpflicht rechtfertigt.</p><p>Nachdem die Anträge auf Ausarbeitung eines direkten Gegenentwurfs bzw. eines indirekten Gegenvorschlags in der Kommission abgelehnt worden waren, wurde der Antrag auf Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags zur Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit (ohne Lohnkürzung) im Nationalrat als Minderheitsantrag Zryd eingebracht. Die Mehrheit der SiK-N hatte diese Verknüpfung von Arbeitszeit und freiwilligem Engagement in Vereinen als sehr fragwürdig erachtet.</p><p>Andrea Zryd (S, BE) erklärte, dass der indirekte Gegenvorschlag im Gegensatz zur Dienstpflicht der Initiative auf die Freiwilligkeit und die Flexibilität der Bürgerinnen und Bürger setzt und diesen mehr Raum und Zeit für gesellschaftliches Engagement geben möchte.</p><p>Nur die Grünliberale Fraktion unterstützte die Initiative. Fraktionssprecher Patrick Hässig (GL, ZH) begründete dies damit, dass die Initiative alle gleichbehandelt und ihr Grundgedanke in der Bevölkerung sehr populär ist.</p><p>Fabien Fivaz (G, NE) und Balthasar Glätti (G, ZH) ergriffen im Namen der Grünen Fraktion das Wort. Sie lehnten die Abschaffung des Zivildienstes ab und wiesen auf die Gefahr eines Verstosses gegen das Zwangsarbeitsverbot hin, sprachen sich aber für den Minderheitsantrag Zryd aus.</p><p>Die Fraktionssprecherin der Mitte, Isabelle Chappuis (M-E, VD), hob hervor, dass die Umsetzung der Initiative hohe Kosten (Lohnausfallentschädigung sowie Verwaltungs- und Logistikkosten) mit sich bringen würde.</p><p>Thomas Hurter (V, SH) wies im Namen der SVP darauf hin, dass der Zivildienst Menschen mit einem Gewissenskonflikt vorbehalten bleiben und die Armee über genügend Personal verfügen muss. Seine Fraktion lehne die Initiative und den indirekten Gegenvorschlag deshalb ab.</p><p>Auch die FDP-liberale Fraktion sprach sich gegen die Initiative aus, deren Grundidee sie zwar als interessant, aber als wirtschaftsschädigend und nicht umsetzbar bezeichnete. Heinz Theiler (RL, ZH) warnte davor, der Wirtschaft auf diese Weise Arbeitskräfte zu entziehen.</p><p>SP-Fraktionssprecher Fabian Molina (S, ZH) bezeichnete die Initiative als diskriminierend und als Verstoss gegen das in der EMRK verankerte Zwangsarbeitsverbot.</p><p>In der Abstimmung nahm der Nationalrat den Antrag seiner Kommission, dem Beschluss des Bundesrates zu folgen und die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen, mit 199 zu 19&nbsp;Stimmen bei 3&nbsp;Enthaltungen an.</p><p>Im <strong>Ständerat</strong> wurde die Vorlage am 18.&nbsp;Juni&nbsp;2025 beraten. Auch dort wurde das Grundanliegen der Initiative begrüsst, wohingegen deren Umsetzung umstritten war.</p><p>Kommissionssprecherin Andrea Gmür-Schönenberger (M-E, LU) erklärte, dass die SiK-S wie ihre nationalrätliche Schwesterkommission vor der Beratung das Initiativkomitee angehört hatte. Zudem hatte sie die Verwaltung mit der Ausarbeitung eines direkten Gegenentwurfs beauftragt, der die Einführung des Sicherheitsdienstpflichtmodells aus dem vom Bundesrat 2022 in Auftrag gegebenen Bericht «Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems» vom Januar&nbsp;2025 vorsieht. Dieser Bericht hatte die beiden SiK veranlasst, die gleichlautenden Motionen&nbsp;<a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20253420">25.3420</a> und&nbsp;<a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20253015">25.3015</a> einzureichen.</p><p>Die Kommissionssprecherin erläuterte, dass die Kommissionsmehrheit entsprechend den Motionen die Revisionen des Zivildienstgesetzes sowie des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes und die rasche Einführung einer Sicherheitsdienstpflicht als prioritär erachtet.</p><p>Der von der Verwaltung ausgearbeitete Gegenentwurf habe in der Kommission keine Mehrheit gefunden. Letztlich lautete der Mehrheitsantrag der SiK-S an den Ständerat, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen.</p><p>Ständerat Werner Salzmann (V, BE) nannte die Stossrichtung der Initiative grundsätzlich unterstützenswert, kritisierte aber, dass bei einer Umsetzung der Initiative zu viele Personen stellungspflichtig wären und zudem hohe Kosten entstünden, das Problem der Alimentierung der Armee aber ungelöst bliebe.</p><p>Charles Juillard (M-E, JU) sprach sich als Vertreter der Kommissionsminderheit, welche einen Bürgerdienst befürwortet, für die Initiative aus. Diese würde durch die allgemeine Dienstpflicht die Konkurrenz zwischen den Jugendlichen am Arbeitsmarkt verringern, das Konzept der Sicherheitsdienstpflicht modernisieren und gleichzeitig Armee und Zivilschutz mit ausreichend Personal versorgen.</p><p>Auch Daniel Jositsch (S, ZH) unterstützte die Einführung eines Bürgerdienstes. Er erachtete es im Jahr 2025 als schwer zu rechtfertigen, dass es trotz gesellschaftlicher Gleichstellung von Mann und Frau keine Dienstpflicht für Frauen gibt. Er schlug vor, die Dienstdauer anzupassen, sollte es zu viele Stellungspflichtige geben.</p><p>Josef Dittli (RL, UR) äusserte die Befürchtung, dass die freie Dienstwahl zulasten der Armee geht, zu übermässiger Bürokratie führt und die Freiwilligenarbeit gefährdet. Sein Parteikollege Thierry Burkart (RL, AG) empfahl die Initiative trotz einer gewissen Sympathie für deren Anliegen zur Ablehnung, da deren Umsetzung seiner Ansicht nach zu komplex wäre.</p><p>Zwei weitere Ratsmitglieder, Matthias Michel (RL, ZG) und Johanna Gapany (RL, FR), unterstützten die Initiative, da diese in ihren Augen die Chance zur Modernisierung des Systems bietet. Sie argumentierten, dass der Bürgerdienst die Freiwilligenarbeit nicht gefährden würde und dass die Alimentierung der Armee weiterhin gewährleistet wäre.</p><p>Mathilde Crevoisier Crelier (S, JU) hielt fest, dass Frauen bereits in beträchtlichem Masse und unentgeltlich sehr wichtige Arbeit für die Gesellschaft leisten und es deshalb vollkommen ungerechtfertigt wäre, sie zusätzlich zu einem Bürgerdienst zu zwingen.</p><p>In der Abstimmung nahm der Ständerat den Antrag seiner Kommission, dem Beschluss des Nationalrates zu folgen und die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen, mit 34 zu 9&nbsp;Stimmen an.</p><p><strong>In der Schlussabstimmung</strong> wurde der Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)», mit welchem diese zur Ablehnung empfohlen wird, vom Nationalrat mit 173 zu 18&nbsp;Stimmen bei 6&nbsp;Enthaltungen und vom Ständerat mit 34 zu 8&nbsp;Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen.<br>(Quellen&nbsp;: <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2024/2741/de">Botschaft</a>, <a href="https://www.news.admin.ch/de/nsb?id=102805">Medienmitteilung</a> des Bundesrates vom 16.10.2024 und <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-amtliches-bulletin#k=PdAffairId:20240079">amtliches Bulletin</a>)</p><p>&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>SDA-Meldung</p><h3 class="Debatte_sda_linksbündig_d"><strong>Debatte im Nationalrat, 11.03.2025</strong></h3><p class="Standard_d"><strong>Grosse Vorbehalte gegen allgemeinen Bürgerdienst im Nationalrat</strong></p><p class="Standard_d"><strong>Der Nationalrat hat am Dienstag die Volksinitiative "Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)" debattiert. Einen Entscheid fällte er aus Zeitmangel noch nicht. Alle Fraktionen mit Ausnahme der GLP machten Vorbehalte gegen einen Bürgerdienst für alle Schweizerinnen und Schweizer geltend.</strong></p><p class="Standard_d">Die Volksinitiative verlangt, dass Schweizerinnen und Schweizer einen Dienst für Allgemeinheit und Umwelt leisten müssen, eine Art Bürgerdienst. Das könnte entweder ein Dienst bei der Armee sein oder ein anderer gleichwertiger und anerkannter Milizdienst. Die Personalbestände von Armee und Zivilschutz sollen dabei garantiert sein.</p><p class="Standard_d">Patrick Hässig (GLP/ZH) sagte, es gehe darum, zugleich die Personalsorgen bei Armee, Zivilschutz und Zivildienst zu lösen. Dadurch werde die Schweiz resilienter in allen Krisenlagen.</p><p class="Standard_d">&nbsp;</p><p class="Standard_d">Hohe Belastung für Wirtschaft</p><p class="Standard_d">Die Befürworterseite wollte eine Grundsatzdiskussion über die Einführung einer Dienstpflicht für Frauen anstossen und vertrat die Ansicht, ein Dienst zugunsten der Allgemeinheit und Umwelt würde zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau beitragen. Denn damit würde eine breite Palette von Leistungen vom Staat anerkannt.</p><p class="Standard_d">Die Gegnerinnen und Gegner kritisierten dagegen, dass die Initiative dem Arbeitsmarkt doppelt so viele Arbeitskräfte wie heute entziehe. Dies würde die Wirtschaft übermässig beanspruchen. Es sei wenig sinnvoll, Dienstpflichtige für Aufgaben einzusetzen, für welche sie weniger qualifiziert seien als in ihrem Beruf.</p><p class="Standard_d">Schliesslich würden auch Wettbewerbsverzerrungen entstehen, argumentierte die Gegnerseite. Geringer qualifizierte Arbeitskräfte könnten vom Arbeitsmarkt verdrängt werden. Es drohe Lohndumping, etwa im Gesundheitsbereich.</p><p class="Standard_d">&nbsp;</p><p class="Standard_d">Unfairness gegenüber Frauen befürchtet</p><p class="Standard_d">Die Gegnerinnen und Gegner störten sich auch daran, dass eine Dienstpflicht für Frauen eingeführt werden soll, obwohl die Gleichstellung in vielen anderen Bereichen noch nicht erreicht ist. Schon heute leisteten Frauen sehr viel unbezahlte Arbeit. "Frauen haben keinen Nachholbedarf beim gesellschaftlichen Engagement", sagte beispielsweise Marionna Schlatter (Grüne/ZH).</p><p class="Standard_d">Die Schweizerinnen und Schweizer leisteten schon heute sehr viel Freiwilligenarbeit, gab Fabien Fivaz (NE) namens der Grünen-Fraktion zu bedenken. Statt einer Pflicht brauche es mehr Wertschätzung dafür.</p><p class="Standard_d">"Freiwilligkeit lässt sich nicht verordnen", betonte Balthasar Glättli (ZH) als zweiter Grünen-Fraktionssprecher. Glättli räumte aber ein, dass die Initiative wichtige Fragen aufnehme. Auch andere ablehnende Fraktionssprecher anerkannten dies.</p><p class="Standard_d">&nbsp;</p><p class="Standard_d">"Gefährlich für Sicherheit der Schweiz"</p><p class="Standard_d">Tatsächlich seien alle gefordert, sich zu engagieren, befand Martin Candinas (GR) namens der Mitte-Fraktion. Eine Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Arten von Dienst sei aber gefährlich für die Sicherheit des Landes: "Künftig würden nur noch jene Militärdienst leisten, die Lust darauf haben."</p><p class="Standard_d">Die Umsetzung der Initiative sei schlicht nicht zu handhaben, sagte Heinz Theiler (FDP/SZ). Man solle nicht für eigens zu erfindende Beschäftigungsprogramme der Wirtschaft Arbeitskräfte entziehen. Und es bleibe unklar, wie man sicherstellen wolle, dass genug Freiwillige Militärdienst leisteten.</p><p class="Standard_d">Auch Thomas Hurter (SVP/SH) forderte, die Alimentierung der Armee müsse Priorität haben. Zudem sei unklar, was wie angerechnet werden solle. Er warnte vor einem zu starken Eingriff in die persönliche Freiheit und vor einer Benachteiligung derjenigen, die Militärdienst leisteten.</p><p class="Standard_d">&nbsp;</p><p class="Standard_d">SP spricht von Zwangsdienst</p><p class="Standard_d">Die SP-Fraktion kritisierte, es solle ein Zwangsdienst eingeführt werden. Dies verletze das menschenrechtliche Verbot der Zwangsarbeit, sagte Fabian Molina (SP/ZH). Die Initiative bedeute auch einen Angriff auf die Arbeitsbedingungen im Land. Denn Angestellte würden damit durch billige Dienstpflichtige ersetzt.</p><p class="Standard_d">Auch der Bundesrat ist gegen die Initiative. Die Arten der Dienstleistung würden bei einer Annahme massiv erweitert, insbesondere auf solche ohne Sicherheitsbezug. Der Bedarf der Gesellschaft dafür sei nicht gegeben. Wie die vorberatende Nationalratskommission will er keinen Gegenvorschlag.</p><p class="Standard_d">Hinter der Initiative steht ein Verein. Im Initiativkomitee sitzen mehrere Mitglieder des Parlaments sowohl aus dem linken als auch aus dem bürgerlichen Lager.</p><p>&nbsp;</p><p>SDA-Meldung</p><h3 class="Debatte_sda_linksbündig_d"><strong>Debatte im Nationalrat, 19.03.2025</strong></h3><p class="Standard_d"><strong>Initiative für Bürgerdienst im Nationalrat ohne Chance</strong></p><p class="Standard_d"><strong>Der Nationalrat will keinen Bürgerdienst für alle Schweizerinnen und Schweizer einführen. Er hat am Mittwoch die Volksinitiative "Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)" deutlich zur Ablehnung empfohlen und will auch keinen Gegenvorschlag.</strong></p><p class="Standard_d">Die grosse Kammer fällte ihren Entscheid mit 166 zu 19 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Sie folgte damit dem Entscheid der grossen Mehrheit ihrer Sicherheitspolitischen Kommission (SIK-N).</p><p class="Standard_d">Keine Chance hatte auch ein Rückweisungsantrag an die Kommission zur Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlages mit einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Der Antrag scheiterte mit 126 zu 56 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Menschen in der Schweiz sollten so mehr Zeit für Freiwilligenarbeit erhalten. Für einen Gegenvorschlag setzten sich insbesondere SP, Grüne und Grünliberale ein.</p><p class="Standard_d">Als Nächstes muss sich der Ständerat mit dem Anliegen befassen.</p><p class="Standard_d">Die Volksinitiative verlangt, dass Schweizerinnen und Schweizer einen Dienst für Allgemeinheit und Umwelt leisten, eine Art Bürgerdienst. Das könnte entweder ein Dienst bei der Armee sein oder ein anderer, gleichwertiger Milizdienst.</p><p class="Standard_d">&nbsp;</p><p class="Standard_d">Hoher Zuspruch laut Umfragen</p><p class="Standard_d">Die Initiantinnen und Initianten hatten beim Einreichen ihres Begehrens 2023 viel Zuspruch erhalten: Laut dem Generationenbarometer des Forschungsinstituts Sotomo befürworteten 74 Prozent der Bevölkerung einen Service citoyen für alle.</p><p class="Standard_d">Die grosse Mehrheit im Nationalrat hatte zwar grundsätzlich auch einige Sympathie für das Anliegen, sah insgesamt aber doch zu viele Nachteile. Schädlich für die Wirtschaft, zu teuer, falscher Schwerpunkt in der heutigen Bedrohungslage oder zum Nachteil der Frauen, waren die häufigsten Argumente der insgesamt 38 Ratsmitglieder, die ans Rednerpult traten.</p><p class="Standard_d">Gewogen waren der Initiative letztlich nur die Grünliberalen. "Wenn wir Gleichstellung ernst nehmen, brauchen wir Reformen", sagte Katja Christ (GLP/BL). Die Initiative sei keine radikale, sondern eine konsequente Idee. "Jeder und jede profitiert von einer funktionierenden Schweiz."</p><p class="Standard_d">Die Initiative schaffe eine Lösung, die nicht einen Bereich auf Kosten des anderen schwäche, warb auch Marc Jost (EVP/BE) für das Anliegen. "Damit investieren wir in die Zukunft, weil Sicherheit so umfassend gedacht wird".</p><p class="Standard_d">&nbsp;</p><p class="Standard_d">Gräben überwinden</p><p class="Standard_d">Auch Christine Badertscher (Grüne/BE) fand, ein Bürgerdienst bringe jungen Menschen das Prinzip des Milizsystems wieder näher, stärke das gegenseitige Verständnis und helfe mit, die grossen und kleinen Gräben in der Gesellschaft zu überwinden.</p><p class="Standard_d">Alle anderen Parteien warben für eine Nein-Empfehlung ans Stimmvolk. Die Initiative sei ein Angriff auf die Wehrpflicht und die persönliche Freiheit der jungen Menschen in der Schweiz, erklärte Lukas Reimann (SVP/SG). Man hätte das Begehren sogar als ungültig erklären sollen, weil es ein "elementarer Eingriff in die Grundrechte" sei.</p><p class="Standard_d">In der gegenwärtigen geopolitischen Lage könne sich die Schweiz eine Ausweitung des Milizsystems nicht erlauben, führte Simone Gianini (FDP/TI) aus. "In normalen Zeiten hätten wir Wege finden können, um mindestens Teile der Initiative umzusetzen", sagte Reto Nause (Mitte/BE). Oberste Priorität habe heute jedoch die Armee, die Unterbestände müssten rasch ausgeglichen werden.</p><p class="Standard_d">&nbsp;</p><p class="Standard_d">Zum Nachteil der Frauen</p><p class="Standard_d">Nicole Barandun (Mitte/ZH) gab zu bedenken, ein Bürgerdienst führe nicht zu echter Gleichstellung, sondern zu neuen strukturellen Nachteilen für die Frauen. Deren Mehrfachbelastung würde so nur noch verstärkt. Für Katharina Prelicz-Huber (Grüne/ZH) ist das Argument der Gleichstellung sogar "eine Frechheit".</p><p class="Standard_d">Verteidigungsministerin Viola Amherd sagte bei ihrem letzten Auftritt als Bundesrätin im Nationalrat, ein Bürgerdienst würde der Wirtschaft zu viele Mitarbeitende entziehen. Zudem gebe es gar nicht so viele Aufgaben für all die zusätzlichen Dienstleistenden. Es fehle auch der direkte Bezug zur Sicherheit und es stelle sich die Frage, ob die Initiative nicht das Verbot der Zwangsarbeit verletze.</p><p>&nbsp;</p><p>SDA-Meldung</p><h3 class="Debatte_sda_linksbündig_d"><strong>Debatte im Ständerat, 18.06.2025</strong></h3><p><strong>Parlament lehnt Bürgerdienst für alle ab-</strong><br><strong>Mit dem Nein des Ständerats vom Mittwoch hat das Parlament die Service-Citoyen-Initiative zur Schaffung eines Bürgerdiensts für alle abgelehnt. Sie kommt ohne Gegenvorschlag vors Volk.</strong></p><p>Der Ständerat begrüsste in der Debatte zwar das Anliegen und konnte ihm verschiedene Vorteile abgewinnen. Er lehnte die Initiative dennoch mit 34 zu 9 Stimmen ab. Sorgen um Armee und Zivilschutz überwogen.</p><p>Ein grosser Teil der Dienstpflicht würde gemäss der Initiative anderswo als im Sicherheitsdienst anfallen, sagte Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU) für die Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission. Der Wehrdienst und die Alimentierung von Armee und Zivilschutz stünden indessen im Zentrum der Dienstpflicht in der Verfassung.</p><p>Durch die Rekrutierung von 70'000 stellungspflichtigen jungen Frauen und Männern im Jahr würden die Ausgaben für den Erwerbsersatz um 800 Millionen Franken im Jahr steigen und jene für die Militärversicherung um 160 Millionen.</p><p>&nbsp;</p><p>Ausgestaltung schwierig</p><p>Zudem wüsste man gar nicht, wohin mit ihnen: Für den Aufwuchs von Militär und Zivilschutz brauche es lediglich etwa 35'000 Wehrleute jährlich, sagte Gmür-Schönenberger. So stelle sich die Frage, wie sich der Einsatz auf anderen Gebieten neutral für Arbeitsmarkt und Löhne sowie ohne Konkurrenz für die Wirtschaft gestalten lässt.</p><p>Charles Juillard (Mitte/JU) trat für die Initiative ein und erklärte, die Schweiz lebe in einer neuen Epoche multipler Bedrohungen. Dieser werde ein Dienst für alle besser gerecht als die klassische Wehrpflicht.</p><p>In Israel gelte seit langem die Dienstpflicht für Mann und Frau, erklärte Daniel Jositsch (SP/ZH). In der Wirtschaft sei erwiesen, dass geschlechtlich ausgewogene Teams besser arbeiten. Warum dies in der Schweizer Armee nicht der Fall sei sollte, erschliesse sich ihm nicht. Matthias Michel (FDP/ZG) resümierte, die Zeit für einen Service Citoyen sei vielleicht noch nicht reif.</p><p>&nbsp;</p><p>Premiere im Ständerat</p><p>Bundesrat und Verteidigungsminister Martin Pfister erklärte, der verfassungsmässige Hintergrund für die Dienstpflicht sei die Sicherheit. Werde diese Pflicht auf andere gesellschaftliche Anliegen ausgedehnt, könnte sie in Konflikt mit dem Verbot der Zwangsarbeit kommen.</p><p>Zwangsarbeit nämlich sei nur für den Militärdienst und zur Behebung von Notlagen zulässig. Zudem würden der Wirtschaft gleichzeitig viele Arbeitskräfte entzogen - mit unbezifferbaren Folgen.</p><p>&nbsp;</p><h2 class="Titel_d">&nbsp;</h2>
Updated
15.10.2025 14:32

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