Informationsfreiheit. Revision des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb

ShortId
93.3626
Id
19933626
Updated
10.04.2024 12:41
Language
de
Title
Informationsfreiheit. Revision des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb
AdditionalIndexing
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Ausgangslage</p><p>Das neue Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) von 1986 unterscheidet sich zum einen gegenüber dem alten im wesentlichen durch den Wegfall des Wettbewerbsverhältnisses als Klagevoraussetzung, womit neu auch Dritte, die sich nicht am Wettbewerb beteiligen (insbesondere Journalisten und Medienanbieter), in den Geltungsbereich des UWG gelangten. Zum anderen besteht der Unterschied in der ersatzlosen Streichung von Artikel 4 des alten UWG, welcher der Presse einen eigentlichen Sonderstatus bezüglich der wettbewerbsrechtlichen Haftung zuerkannte. Durch diese beiden Aenderungen ist die für die Medien gegenüber dem heutigen Recht liberale Rechtslage verloren gegangen. Es droht die Gefahr, dass selbst kleinste und nebensächlichste Ungenauigkeiten in der Berichterstattung zu UWG-Ansprüchen führen. Vor allem für die Wirtschaftsberichterstattung und -kritik ist diese Gefahr besonders aktuell, insbesondere auch im Rahmen von Interviews (vgl. "Bernina"-Fall, BGE 117 IV 193). Aber auch ohne wirtschaftliche, sondern mit Konsumenteninformationsabsicht verfasste Aeusserungen und Vergleiche können so wettbewerbsrechtlich relevant werden.</p><p>Durch den Wegfall des Wettbewerbsverhältnisses als Klagevoraussetzung haben auch die für die Werbung in den verschiedenen Medien zuständigen Abteilungsleiter (Bereiche Inserate, TV-Spots, Aussenwerbung, Direktwerbung) eine Verantwortung für "Drittveranlassung" zu übernehmen.</p><p>Damit ist das UWG in einen ernsthaften Konflikt mit der verfassungsrechtlich garantierten Informationsfreiheit (für den Printbereich insbesondere der Pressefreiheit, Art. 55 BV) geraten. Es gilt deshalb, gesetzgeberische Massnahmen zu treffen, die Gewähr dafür bieten, dass die Medien nicht gestützt auf das UWG in ihrer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe als "Medium der Transparenz" (BGE 113 1a 313) weiter beschränkt werden.</p><p>a. Zur Ergänzung von Absatz 1</p><p>Der Einschub "zu Zwecken des Wettbewerbs" begründet eine subjektive Voraussetzung für die Erfüllung eines UWG-Tatbestandes. Wie im deutschen Recht soll bereits in der Generalklausel bestimmt werden, dass eine gegen das UWG verstossende Wettbewerbshandlung die Absicht erfordert, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers zu beeinflussen. Nur was effektiv in Absicht vorgebracht wird, den Wettbewerb zu beeinflussen, darf als wettbewerbsrechtlich unlauter qualifiziert werden. Irrelevant ist, ob dies zu seinen eigenen Gunsten oder zugunsten eines Dritten geschieht. Diese Absicht bedeutet aber keine Schädigungsabsicht. Sie braucht auch nicht der alleinige und wesentliche Beweggrund der Handlung zu sein. Ebensowenig braucht die Förderung eines ganz bestimmten Mitbewerbers beabsichtigt zu sein.</p><p>b. Zum neuen Absatz 2</p><p>Artikel 2 des geltenden UWG verlangt kumulativ ein unlauteres widerrechtliches Verhalten. In der schweizerischen Lehre ist aber anerkannt, dass auch im UWG Gründe vorliegen können, welche die Widerrechtlichkeit einer UWG-Verletzung ausschliessen können, obwohl sich das geltende UWG darüber ausschweigt. Solche Rechtfertigungsgründe lehnen sich an die Regelung des Zivilgesetzbuchs über den Persönlichkeitsschutz an (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Danach sind die folgenden Rechtfertigungsgründe unbestritten: Einwilligung des Verletzten, überwiegende private oder öffentliche Interessen, Gesetz. Auch im deutschen Recht sind diese Rechtfertigungsgründe, insbesondere auch die Wahrnehmung berechtigter Interessen, anerkannt.</p><p>Diese Rechtfertigungsgründe betreffen also nicht die Unlauterkeit, sondern die Widerrechtlichkeit eines unlauteren Verhaltens. Sind solche Gründe gegeben, dann liegt zwar ein unlauteres, aber nicht widerrechtliches Verhalten vor.</p><p>Durch das Schweigen des Gesetzes haben diese wichtigen Rechtfertigungsgründe in der Praxis zum UWG auch kaum je Berücksichtigung gefunden; dies ganz im Gegensatz zu jenen gemäss Artikel 28 Absatz 2 ZGB in der Praxis zum Persönlichkeitsschutz. Deshalb sollte diese Gesetzeslücke durch die Aufnahme eines neuen Absatzes 2 beseitigt werden.</p>
  • Der Bundesrat beantragt, die Motion abzulehnen.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Artikel 2 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wie folgt zu ergänzen:</p><p>Absatz 1</p><p>"Unlauter und widerrechtlich ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten und Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern zu Zwecken des Wettbewerbs beeinflusst."</p><p>Absatz 2</p><p>"Nicht widerrechtlich ist das Verhalten oder Geschäftsgebaren, wenn es durch die Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist."</p>
  • Informationsfreiheit. Revision des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Ausgangslage</p><p>Das neue Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) von 1986 unterscheidet sich zum einen gegenüber dem alten im wesentlichen durch den Wegfall des Wettbewerbsverhältnisses als Klagevoraussetzung, womit neu auch Dritte, die sich nicht am Wettbewerb beteiligen (insbesondere Journalisten und Medienanbieter), in den Geltungsbereich des UWG gelangten. Zum anderen besteht der Unterschied in der ersatzlosen Streichung von Artikel 4 des alten UWG, welcher der Presse einen eigentlichen Sonderstatus bezüglich der wettbewerbsrechtlichen Haftung zuerkannte. Durch diese beiden Aenderungen ist die für die Medien gegenüber dem heutigen Recht liberale Rechtslage verloren gegangen. Es droht die Gefahr, dass selbst kleinste und nebensächlichste Ungenauigkeiten in der Berichterstattung zu UWG-Ansprüchen führen. Vor allem für die Wirtschaftsberichterstattung und -kritik ist diese Gefahr besonders aktuell, insbesondere auch im Rahmen von Interviews (vgl. "Bernina"-Fall, BGE 117 IV 193). Aber auch ohne wirtschaftliche, sondern mit Konsumenteninformationsabsicht verfasste Aeusserungen und Vergleiche können so wettbewerbsrechtlich relevant werden.</p><p>Durch den Wegfall des Wettbewerbsverhältnisses als Klagevoraussetzung haben auch die für die Werbung in den verschiedenen Medien zuständigen Abteilungsleiter (Bereiche Inserate, TV-Spots, Aussenwerbung, Direktwerbung) eine Verantwortung für "Drittveranlassung" zu übernehmen.</p><p>Damit ist das UWG in einen ernsthaften Konflikt mit der verfassungsrechtlich garantierten Informationsfreiheit (für den Printbereich insbesondere der Pressefreiheit, Art. 55 BV) geraten. Es gilt deshalb, gesetzgeberische Massnahmen zu treffen, die Gewähr dafür bieten, dass die Medien nicht gestützt auf das UWG in ihrer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe als "Medium der Transparenz" (BGE 113 1a 313) weiter beschränkt werden.</p><p>a. Zur Ergänzung von Absatz 1</p><p>Der Einschub "zu Zwecken des Wettbewerbs" begründet eine subjektive Voraussetzung für die Erfüllung eines UWG-Tatbestandes. Wie im deutschen Recht soll bereits in der Generalklausel bestimmt werden, dass eine gegen das UWG verstossende Wettbewerbshandlung die Absicht erfordert, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers zu beeinflussen. Nur was effektiv in Absicht vorgebracht wird, den Wettbewerb zu beeinflussen, darf als wettbewerbsrechtlich unlauter qualifiziert werden. Irrelevant ist, ob dies zu seinen eigenen Gunsten oder zugunsten eines Dritten geschieht. Diese Absicht bedeutet aber keine Schädigungsabsicht. Sie braucht auch nicht der alleinige und wesentliche Beweggrund der Handlung zu sein. Ebensowenig braucht die Förderung eines ganz bestimmten Mitbewerbers beabsichtigt zu sein.</p><p>b. Zum neuen Absatz 2</p><p>Artikel 2 des geltenden UWG verlangt kumulativ ein unlauteres widerrechtliches Verhalten. In der schweizerischen Lehre ist aber anerkannt, dass auch im UWG Gründe vorliegen können, welche die Widerrechtlichkeit einer UWG-Verletzung ausschliessen können, obwohl sich das geltende UWG darüber ausschweigt. Solche Rechtfertigungsgründe lehnen sich an die Regelung des Zivilgesetzbuchs über den Persönlichkeitsschutz an (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Danach sind die folgenden Rechtfertigungsgründe unbestritten: Einwilligung des Verletzten, überwiegende private oder öffentliche Interessen, Gesetz. Auch im deutschen Recht sind diese Rechtfertigungsgründe, insbesondere auch die Wahrnehmung berechtigter Interessen, anerkannt.</p><p>Diese Rechtfertigungsgründe betreffen also nicht die Unlauterkeit, sondern die Widerrechtlichkeit eines unlauteren Verhaltens. Sind solche Gründe gegeben, dann liegt zwar ein unlauteres, aber nicht widerrechtliches Verhalten vor.</p><p>Durch das Schweigen des Gesetzes haben diese wichtigen Rechtfertigungsgründe in der Praxis zum UWG auch kaum je Berücksichtigung gefunden; dies ganz im Gegensatz zu jenen gemäss Artikel 28 Absatz 2 ZGB in der Praxis zum Persönlichkeitsschutz. Deshalb sollte diese Gesetzeslücke durch die Aufnahme eines neuen Absatzes 2 beseitigt werden.</p>
    • Der Bundesrat beantragt, die Motion abzulehnen.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Artikel 2 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wie folgt zu ergänzen:</p><p>Absatz 1</p><p>"Unlauter und widerrechtlich ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten und Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern zu Zwecken des Wettbewerbs beeinflusst."</p><p>Absatz 2</p><p>"Nicht widerrechtlich ist das Verhalten oder Geschäftsgebaren, wenn es durch die Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist."</p>
    • Informationsfreiheit. Revision des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb

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