Bestimmungen über Architektur- und Bauleistungen im OR. Schutz der Auftraggebenden

ShortId
02.3532
Id
20023532
Updated
08.07.2024 09:43
Language
de
Title
Bestimmungen über Architektur- und Bauleistungen im OR. Schutz der Auftraggebenden
AdditionalIndexing
15;12;mangelhaftes Produkt;Baukunst;Bürgschaft;Produzentenhaftung;Bauindustrie;Haftung;Konsumentenschutz;Bautätigkeit Privater
1
  • L04K07050303, Bauindustrie
  • L05K0705030302, Bautätigkeit Privater
  • L05K0507020203, Produzentenhaftung
  • L05K0701060301, Konsumentenschutz
  • L06K070601030601, mangelhaftes Produkt
  • L05K0106040101, Baukunst
  • L05K0507020101, Bürgschaft
  • L04K05070202, Haftung
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die im Werkvertragsrecht und im Auftragsrecht des OR verstreuten Bestimmungen über Bau- und Architekturleistungen entsprechen in keiner Weise mehr der Realität des Bauens. Aufgrund der Erfahrung aus zahlreichen Beratungen des Hausvereins Schweiz führt das oft zu Unklarheiten und zu Missbräuchen zulasten von Baufrauen und Bauherren. Diese können sich auch in extremen Fällen von Baupfusch kaum für ihre Rechte wehren.</p><p>Die Realitätsferne des OR zeigt sich z. B. in Artikel 364, wonach der Unternehmer verpflichtet ist, "das Werk persönlich auszuführen oder unter seiner persönlichen Leitung ausführen zu lassen". Immer häufiger werden Neu- und grössere Umbauten im Werkvertrag von General- oder Gesamtunternehmungen zu einem Festpreis realisiert, wobei sowohl die Architektur- wie die Bauleistungen an Dritte weitergegeben werden.</p><p>Ein grosser Mangel der geltenden rudimentären gesetzlichen Regelung ist, dass in solchen Fällen die Generalunternehmung nach der Schlüsselübergabe keine Verantwortung mehr für die Erledigung der Garantieansprüche und Mängelbehebung übernimmt. Die Kundinnen und Kunden sind hilflos der Hin- und Herschieberei der Verantwortlichkeiten ausgesetzt.</p><p>In Ermangelung klarer gesetzlicher Regelungen der Architektur- und Bauleistungen werden heute allgemein die Ordnungen 102 (Architekturleistungen) und 118 (Werkvertrag) des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) angewendet. Das Verbandsrecht dieser Standesorganisation wurde damit de facto zum öffentlichen Recht, was z. B. vom ausgewiesensten Kenner der Materie, Professor Peter Gauch, heftig kritisiert wird (etwa in Gauch/Tercier, Das Architektenrecht, 3. Auflage, Freiburg 1995, S. 18ff.). Die einseitige Interessenlage zeigt sich z. B. in Artikel 1.9.11 der eben überarbeiteten SIA-Ordnung 102, wonach der Architekt im Gegensatz zum Unternehmer im Werkvertrag nur bei "verschuldeter fehlerhafter Auftragserfüllung" haftet. Ein solches Verschulden ist vor Gericht jedoch kaum nachzuweisen.</p>
  • <p>Die auf Bau- und Architekturverträge anwendbare Regelung ist im Obligationenrecht, der Rechtsprechung, der Lehre und, wenn diese Bestandteil des Vertrages sind, in den Normen 102 und 118 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins enthalten. Daraus ergibt sich ein komplexes Regelwerk, das sich zudem als ungeeignet erweisen kann, weil die Qualifikation als Auftrag oder als Werkvertrag in Bezug auf die Bau- und Architekturleistungen nicht immer befriedigende Lösungen bietet. Dies trifft insbesondere zu, wenn die verschiedenen Phasen des Bauprojektes in einem Generalunternehmervertrag zu Festpreisen geregelt sind.</p><p>Die heutige Situation hat aber auch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sie garantiert nämlich Flexibilität auf einem komplexen und technischen Gebiet mit mehreren Akteuren (Bauherr, Architekten, Ingenieure), die unterschiedliche, untereinander kombinierbare Leistungen (Planung, partielle oder globale Leitung oder Durchführung der Arbeiten) erbringen. Aus diesen Gründen wird die Frage nach der Notwendigkeit einer Revision der Baurechtsbestimmungen seit längerer Zeit diskutiert (vgl. z. B. - im Auftrag des Bundesamtes für Justiz - Gauch, Peter, Revision des Werkvertragsrechtes?, Auswertung des Fragebogens, Begleitschreiben, Freiburg 1981, S. 18-22).</p><p>Der Bundesrat ist bereit, die Frage nach einer Revision des Werkvertragsrechtes im Licht der wachsenden Zahl von Generalunternehmerverträgen zu überprüfen. Die von der Motion verlangte Schaffung besonderer Bau- und Architekturverträge ist allerdings nicht a priori die geeignetste Lösung, und dies aus verschiedenen Gründen. Die Verstärkung des Schutzes des Bauherrn muss nämlich für den Werkvertrag im Allgemeinen überprüft werden. Ebenfalls einer Überprüfung zu unterziehen sind die Bestimmungen über den Auftrag. Zudem bezieht sich die Motion auf vertragliche Klauseln, die als unpassend betrachtet werden.</p><p>Das sich stellende Problem betrifft somit die Aufnahme bestimmter Klauseln in einen Vertrag, und dieses Problem stellt sich für alle Verträge. Nicht grundsätzlich infrage gestellt wird hingegen die gesetzliche Regelung, die übrigens für verschiedene von der Motion aufgeworfene Fragen eine Lösung bietet (Rüge-, Garantie- und Haftungsfristen; Verantwortlichkeit des Generalunternehmers nach Fertigstellung; Beiweislast für das Verschulden des Architekten).</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Bestimmungen über Architektur- und Baudienstleistungen im Obligationenrecht (OR) unter einem neuen Titel zusammenzufassen, zeitgemäss zu formulieren und wie folgt zu ergänzen:</p><p>1. Rüge-, Garantie- und Haftungsfristen sind im Gesetz präzis zu regeln. Das heutige komplizierte Verfahren zur Unterbrechung der Verjährungsfrist bei Nichterledigung rechtzeitig gerügter Mängel ist zu vereinfachen.</p><p>2. Zur Sicherstellung von Garantie- und Haftungsansprüchen der Auftraggeberschaft haben Auftragnehmende eine Bank- und Versicherungsgarantie vorzuweisen.</p><p>3. Die Anforderungen an einen Generalunternehmervertrag und allgemein an Verträge zu Fest- oder Pauschalpreisen, die unterschiedliche Dienstleistungen beinhalten, sind klar zu umschreiben. Insbesondere ist festzuhalten, dass in solchen Fällen der Anbieter bzw. die Anbieterin auch nach Fertigstellung für die Behebung von Mängeln verantwortlich ist.</p><p>4. Architekturleistungen sind analog zu werkvertraglichen Leistungen der Kausalhaftung zu unterstellen.</p>
  • Bestimmungen über Architektur- und Bauleistungen im OR. Schutz der Auftraggebenden
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die im Werkvertragsrecht und im Auftragsrecht des OR verstreuten Bestimmungen über Bau- und Architekturleistungen entsprechen in keiner Weise mehr der Realität des Bauens. Aufgrund der Erfahrung aus zahlreichen Beratungen des Hausvereins Schweiz führt das oft zu Unklarheiten und zu Missbräuchen zulasten von Baufrauen und Bauherren. Diese können sich auch in extremen Fällen von Baupfusch kaum für ihre Rechte wehren.</p><p>Die Realitätsferne des OR zeigt sich z. B. in Artikel 364, wonach der Unternehmer verpflichtet ist, "das Werk persönlich auszuführen oder unter seiner persönlichen Leitung ausführen zu lassen". Immer häufiger werden Neu- und grössere Umbauten im Werkvertrag von General- oder Gesamtunternehmungen zu einem Festpreis realisiert, wobei sowohl die Architektur- wie die Bauleistungen an Dritte weitergegeben werden.</p><p>Ein grosser Mangel der geltenden rudimentären gesetzlichen Regelung ist, dass in solchen Fällen die Generalunternehmung nach der Schlüsselübergabe keine Verantwortung mehr für die Erledigung der Garantieansprüche und Mängelbehebung übernimmt. Die Kundinnen und Kunden sind hilflos der Hin- und Herschieberei der Verantwortlichkeiten ausgesetzt.</p><p>In Ermangelung klarer gesetzlicher Regelungen der Architektur- und Bauleistungen werden heute allgemein die Ordnungen 102 (Architekturleistungen) und 118 (Werkvertrag) des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) angewendet. Das Verbandsrecht dieser Standesorganisation wurde damit de facto zum öffentlichen Recht, was z. B. vom ausgewiesensten Kenner der Materie, Professor Peter Gauch, heftig kritisiert wird (etwa in Gauch/Tercier, Das Architektenrecht, 3. Auflage, Freiburg 1995, S. 18ff.). Die einseitige Interessenlage zeigt sich z. B. in Artikel 1.9.11 der eben überarbeiteten SIA-Ordnung 102, wonach der Architekt im Gegensatz zum Unternehmer im Werkvertrag nur bei "verschuldeter fehlerhafter Auftragserfüllung" haftet. Ein solches Verschulden ist vor Gericht jedoch kaum nachzuweisen.</p>
    • <p>Die auf Bau- und Architekturverträge anwendbare Regelung ist im Obligationenrecht, der Rechtsprechung, der Lehre und, wenn diese Bestandteil des Vertrages sind, in den Normen 102 und 118 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins enthalten. Daraus ergibt sich ein komplexes Regelwerk, das sich zudem als ungeeignet erweisen kann, weil die Qualifikation als Auftrag oder als Werkvertrag in Bezug auf die Bau- und Architekturleistungen nicht immer befriedigende Lösungen bietet. Dies trifft insbesondere zu, wenn die verschiedenen Phasen des Bauprojektes in einem Generalunternehmervertrag zu Festpreisen geregelt sind.</p><p>Die heutige Situation hat aber auch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sie garantiert nämlich Flexibilität auf einem komplexen und technischen Gebiet mit mehreren Akteuren (Bauherr, Architekten, Ingenieure), die unterschiedliche, untereinander kombinierbare Leistungen (Planung, partielle oder globale Leitung oder Durchführung der Arbeiten) erbringen. Aus diesen Gründen wird die Frage nach der Notwendigkeit einer Revision der Baurechtsbestimmungen seit längerer Zeit diskutiert (vgl. z. B. - im Auftrag des Bundesamtes für Justiz - Gauch, Peter, Revision des Werkvertragsrechtes?, Auswertung des Fragebogens, Begleitschreiben, Freiburg 1981, S. 18-22).</p><p>Der Bundesrat ist bereit, die Frage nach einer Revision des Werkvertragsrechtes im Licht der wachsenden Zahl von Generalunternehmerverträgen zu überprüfen. Die von der Motion verlangte Schaffung besonderer Bau- und Architekturverträge ist allerdings nicht a priori die geeignetste Lösung, und dies aus verschiedenen Gründen. Die Verstärkung des Schutzes des Bauherrn muss nämlich für den Werkvertrag im Allgemeinen überprüft werden. Ebenfalls einer Überprüfung zu unterziehen sind die Bestimmungen über den Auftrag. Zudem bezieht sich die Motion auf vertragliche Klauseln, die als unpassend betrachtet werden.</p><p>Das sich stellende Problem betrifft somit die Aufnahme bestimmter Klauseln in einen Vertrag, und dieses Problem stellt sich für alle Verträge. Nicht grundsätzlich infrage gestellt wird hingegen die gesetzliche Regelung, die übrigens für verschiedene von der Motion aufgeworfene Fragen eine Lösung bietet (Rüge-, Garantie- und Haftungsfristen; Verantwortlichkeit des Generalunternehmers nach Fertigstellung; Beiweislast für das Verschulden des Architekten).</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Bestimmungen über Architektur- und Baudienstleistungen im Obligationenrecht (OR) unter einem neuen Titel zusammenzufassen, zeitgemäss zu formulieren und wie folgt zu ergänzen:</p><p>1. Rüge-, Garantie- und Haftungsfristen sind im Gesetz präzis zu regeln. Das heutige komplizierte Verfahren zur Unterbrechung der Verjährungsfrist bei Nichterledigung rechtzeitig gerügter Mängel ist zu vereinfachen.</p><p>2. Zur Sicherstellung von Garantie- und Haftungsansprüchen der Auftraggeberschaft haben Auftragnehmende eine Bank- und Versicherungsgarantie vorzuweisen.</p><p>3. Die Anforderungen an einen Generalunternehmervertrag und allgemein an Verträge zu Fest- oder Pauschalpreisen, die unterschiedliche Dienstleistungen beinhalten, sind klar zu umschreiben. Insbesondere ist festzuhalten, dass in solchen Fällen der Anbieter bzw. die Anbieterin auch nach Fertigstellung für die Behebung von Mängeln verantwortlich ist.</p><p>4. Architekturleistungen sind analog zu werkvertraglichen Leistungen der Kausalhaftung zu unterstellen.</p>
    • Bestimmungen über Architektur- und Bauleistungen im OR. Schutz der Auftraggebenden

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