Einheitliche Quellenbesteuerung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern in der Schweiz

ShortId
12.3225
Id
20123225
Updated
28.07.2023 00:34
Language
de
Title
Einheitliche Quellenbesteuerung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern in der Schweiz
AdditionalIndexing
24;Vertrag mit der EU;Grenzgänger/in;Quellensteuer;internationale Verhandlungen;Steuerübereinkommen;Fremdarbeiter/in
1
  • L05K1002020102, internationale Verhandlungen
  • L04K09020101, Vertrag mit der EU
  • L04K11070313, Steuerübereinkommen
  • L04K11070208, Quellensteuer
  • L05K0702020110, Grenzgänger/in
  • L05K0702020109, Fremdarbeiter/in
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die jüngsten Statistiken bestätigen einen kontinuierlichen Anstieg der Anzahl Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Schweiz (2011 waren es über 250 000 Personen).</p><p>Heute unterscheidet sich die Besteuerung von Kanton zu Kanton, was Unverständnis und Unzufriedenheit hervorruft: So werden beispielsweise in den Kantonen Genf, Tessin und Graubünden unterschiedliche Anteile der Quellensteuererträge an den Wohnsitzstaat zurückerstattet (38,8 Prozent im Tessin, 12,5 Prozent in Genf und Graubünden).</p><p>In anderen Kantonen (Jura, Neuenburg, Waadt) wird die Besteuerung durch ein schweizerisch-französisches Steuerabkommen aus dem Jahr 1983 geregelt. Dieses hält fest, dass Frankreich den am Abkommen beteiligten Kantonen, ohne steuerliche Auswirkungen auf den Bund, einen Anteil von 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme der betroffenen Grenzgängerinnen und Grenzgänger zurückerstattet.</p><p>Hinzu kommt, dass das Freizügigkeitsabkommen seit seinem Inkrafttreten die sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen in den Grenzregionen verändert hat. Unter diesen Voraussetzungen würde die Aushandlung einer einheitlich geregelten Quellenbesteuerung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern auf Schweizer Boden es dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden erlauben, Steuererträge zu erzielen, die verglichen mit der Besteuerung von in der Schweiz wohnhaften Steuerpflichtigen gerechter und ausgewogener wären als bisher. Diese Quellenbesteuerung könnte Gegenstand der Verhandlungen über die Doppelbesteuerungsabkommen sein.</p>
  • <p>Bei den als Arbeitnehmern in der Schweiz tätigen Grenzgängerinnen und Grenzgängern gilt es, die Grenzgänger gemäss Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft über die Freizügigkeit (FZA) von den Grenzgängern gemäss spezifischeren, bilateral mit den Nachbarländern im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarten Lösungen zu unterscheiden.</p><p>Nach dem FZA (Art. 7 Abs. 1 Anhang I) ist ein Grenzgänger "ein Staatsangehöriger einer Vertragspartei mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, der eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ausübt und in der Regel täglich oder mindestens einmal in der Woche an seinen Wohnort zurückkehrt".</p><p>Im Unterschied zum FZA sehen die bilateralen Lösungen der Schweiz mit den Nachbarstaaten grundsätzlich keinen Wochenaufenthalt vor, sondern gehen von der Verpflichtung der täglichen Rückkehr an den Hauptwohnort als Grundregel aus.</p><p>Ausserdem muss einerseits die Notwendigkeit eines relativ liberalisierten Zugangs zum Arbeitsmarkt und andererseits der Zweck der Vermeidung der Doppelbesteuerung bedacht werden. Artikel 21 FZA sieht deshalb vor: "Die Bestimmungen der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft bleiben von den Bestimmungen dieses Abkommens unberührt. Insbesondere lassen die Bestimmungen dieses Abkommens die in den Doppelbesteuerungsabkommen festgelegte Begriffsbestimmung des Grenzgängers unberührt." Dasselbe sieht auch Artikel 19 von Anhang K des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) vor.</p><p>In Bezug auf die Grenzgänger ist zu beachten, dass der sozioökonomische Kontext der Doppelbesteuerungsregelungen regional (Region Genf, Jurabogen, österreichisch-schweizerischer und italienisch-schweizerischer Alpenraum, Region Basel) definiert und auf spezifischere Besonderheiten als ein weiter gefasster europäischer Raum zugeschnitten ist. So wurden zwischen der Schweiz respektive den Kantonen und Frankreich "massgeschneiderte" Lösungen vereinbart (mit Genf wurde vereinbart: Besteuerung am Ort der unselbständigen Erwerbstätigkeit gegen eine einseitige Ausgleichszahlung in Höhe von 3,5 Prozent der Bruttolohnsumme an bestimmte Gemeinden der französischen Departemente Ain und Haute-Savoie; mit weiteren acht an Frankreich angrenzenden Kantonen wurde vereinbart: Besteuerung am Wohnsitz gegen eine bilaterale Ausgleichszahlung in Höhe von 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme); mit Deutschland wurde die Besteuerung am Tätigkeitsort zum Höchstsatz von 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme im Tätigkeitsstaat vereinbart; mit Italien wurde die Besteuerung am Tätigkeitsort und eine einseitige Ausgleichszahlung in Höhe von 38,3 Prozent der Steuereinnahmen durch die drei Grenzkantone an die grenznahen italienischen Gemeinden vereinbart; und mit Österreich wurde eine Besteuerung am Arbeitsort und eine einseitige schweizerische Ausgleichszahlung in Höhe von 12,5 Prozent der Steuereinnahmen der in der Schweiz erwerbstätigen österreichischen Aufenthalter; im Falle Liechenstein gilt die Besteuerung im Wohnsitzstaat. Diese Lösungen beziehen regionale Aspekte historischer, politischer oder wirtschaftlicher Art ein. Dieser Umstand entspricht vollumfänglich sowohl den bilateralen Regelungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union als auch den einschlägigen Grundsätzen der OECD. Ziffer 10 des Kommentars zu Artikel 15 des OECD-Musterabkommens (Einkünfte aus unselbständiger Arbeit) besagt, dass "... die Besteuerung der Einkünfte von Grenzgängern ... nicht Gegenstand besonderer Bestimmungen ist, weil die sich aus den örtlichen Verhältnissen ergebenden Probleme zweckmässigerweise unmittelbar von den beteiligten Staaten geregelt werden".</p><p>Auch wenn bilaterale Anpassungen nicht ausgeschlossen werden sollten, sondern es verdienen, geprüft zu werden, spricht der spezifische Kontext der regionalen grenzüberschreitenden Beziehungen, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, nicht für die Schaffung einer einheitlichen Lösung durch alle beteiligten öffentlichen Akteure, namentlich die Kantone, den Bund, die Nachbarstaaten und ihre mehr oder weniger dezentralisierten Institutionen. Die heutigen Lösungen funktionieren insgesamt zu deren Zufriedenheit und scheinen für die Verteilung der Steuereinnahmen in allen Fällen als geeignet erachtet zu werden.</p><p>Es erscheint nicht gerechtfertigt, dass die vereinbarten und von den jeweiligen Parlamenten verabschiedeten Ausscheidungs- oder Ausgleichsregeln als ungerecht oder unfair erachtet werden könnten gegenüber in der Schweiz wohnhaften Steuerpflichtigen, für die sie in bestimmten Fällen wie einer Erwerbstätigkeit beispielsweise in Deutschland oder in Frankreich ebenfalls gelten. Des Weiteren hat der Bundesrat am 24. August 2011 die Annahme des Postulats Robbiani (11.3607) beantragt und einen Kurzbericht über die verschiedenen Arten von Quellenbesteuerungsabkommen für Grenzgängerinnen und Grenzgänger und ihre Entwicklungsperspektiven in Auftrag gegeben.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, mit der Europäischen Union oder gegebenenfalls mit den Nachbarländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich) Verhandlungen aufzunehmen, damit ein Übereinkommen erzielt werden kann, das für alle Grenzgängerinnen und Grenzgänger im Gebiet der Schweiz eine einheitliche Quellenbesteuerung einführt.</p>
  • Einheitliche Quellenbesteuerung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern in der Schweiz
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die jüngsten Statistiken bestätigen einen kontinuierlichen Anstieg der Anzahl Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Schweiz (2011 waren es über 250 000 Personen).</p><p>Heute unterscheidet sich die Besteuerung von Kanton zu Kanton, was Unverständnis und Unzufriedenheit hervorruft: So werden beispielsweise in den Kantonen Genf, Tessin und Graubünden unterschiedliche Anteile der Quellensteuererträge an den Wohnsitzstaat zurückerstattet (38,8 Prozent im Tessin, 12,5 Prozent in Genf und Graubünden).</p><p>In anderen Kantonen (Jura, Neuenburg, Waadt) wird die Besteuerung durch ein schweizerisch-französisches Steuerabkommen aus dem Jahr 1983 geregelt. Dieses hält fest, dass Frankreich den am Abkommen beteiligten Kantonen, ohne steuerliche Auswirkungen auf den Bund, einen Anteil von 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme der betroffenen Grenzgängerinnen und Grenzgänger zurückerstattet.</p><p>Hinzu kommt, dass das Freizügigkeitsabkommen seit seinem Inkrafttreten die sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen in den Grenzregionen verändert hat. Unter diesen Voraussetzungen würde die Aushandlung einer einheitlich geregelten Quellenbesteuerung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern auf Schweizer Boden es dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden erlauben, Steuererträge zu erzielen, die verglichen mit der Besteuerung von in der Schweiz wohnhaften Steuerpflichtigen gerechter und ausgewogener wären als bisher. Diese Quellenbesteuerung könnte Gegenstand der Verhandlungen über die Doppelbesteuerungsabkommen sein.</p>
    • <p>Bei den als Arbeitnehmern in der Schweiz tätigen Grenzgängerinnen und Grenzgängern gilt es, die Grenzgänger gemäss Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft über die Freizügigkeit (FZA) von den Grenzgängern gemäss spezifischeren, bilateral mit den Nachbarländern im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarten Lösungen zu unterscheiden.</p><p>Nach dem FZA (Art. 7 Abs. 1 Anhang I) ist ein Grenzgänger "ein Staatsangehöriger einer Vertragspartei mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, der eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ausübt und in der Regel täglich oder mindestens einmal in der Woche an seinen Wohnort zurückkehrt".</p><p>Im Unterschied zum FZA sehen die bilateralen Lösungen der Schweiz mit den Nachbarstaaten grundsätzlich keinen Wochenaufenthalt vor, sondern gehen von der Verpflichtung der täglichen Rückkehr an den Hauptwohnort als Grundregel aus.</p><p>Ausserdem muss einerseits die Notwendigkeit eines relativ liberalisierten Zugangs zum Arbeitsmarkt und andererseits der Zweck der Vermeidung der Doppelbesteuerung bedacht werden. Artikel 21 FZA sieht deshalb vor: "Die Bestimmungen der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft bleiben von den Bestimmungen dieses Abkommens unberührt. Insbesondere lassen die Bestimmungen dieses Abkommens die in den Doppelbesteuerungsabkommen festgelegte Begriffsbestimmung des Grenzgängers unberührt." Dasselbe sieht auch Artikel 19 von Anhang K des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) vor.</p><p>In Bezug auf die Grenzgänger ist zu beachten, dass der sozioökonomische Kontext der Doppelbesteuerungsregelungen regional (Region Genf, Jurabogen, österreichisch-schweizerischer und italienisch-schweizerischer Alpenraum, Region Basel) definiert und auf spezifischere Besonderheiten als ein weiter gefasster europäischer Raum zugeschnitten ist. So wurden zwischen der Schweiz respektive den Kantonen und Frankreich "massgeschneiderte" Lösungen vereinbart (mit Genf wurde vereinbart: Besteuerung am Ort der unselbständigen Erwerbstätigkeit gegen eine einseitige Ausgleichszahlung in Höhe von 3,5 Prozent der Bruttolohnsumme an bestimmte Gemeinden der französischen Departemente Ain und Haute-Savoie; mit weiteren acht an Frankreich angrenzenden Kantonen wurde vereinbart: Besteuerung am Wohnsitz gegen eine bilaterale Ausgleichszahlung in Höhe von 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme); mit Deutschland wurde die Besteuerung am Tätigkeitsort zum Höchstsatz von 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme im Tätigkeitsstaat vereinbart; mit Italien wurde die Besteuerung am Tätigkeitsort und eine einseitige Ausgleichszahlung in Höhe von 38,3 Prozent der Steuereinnahmen durch die drei Grenzkantone an die grenznahen italienischen Gemeinden vereinbart; und mit Österreich wurde eine Besteuerung am Arbeitsort und eine einseitige schweizerische Ausgleichszahlung in Höhe von 12,5 Prozent der Steuereinnahmen der in der Schweiz erwerbstätigen österreichischen Aufenthalter; im Falle Liechenstein gilt die Besteuerung im Wohnsitzstaat. Diese Lösungen beziehen regionale Aspekte historischer, politischer oder wirtschaftlicher Art ein. Dieser Umstand entspricht vollumfänglich sowohl den bilateralen Regelungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union als auch den einschlägigen Grundsätzen der OECD. Ziffer 10 des Kommentars zu Artikel 15 des OECD-Musterabkommens (Einkünfte aus unselbständiger Arbeit) besagt, dass "... die Besteuerung der Einkünfte von Grenzgängern ... nicht Gegenstand besonderer Bestimmungen ist, weil die sich aus den örtlichen Verhältnissen ergebenden Probleme zweckmässigerweise unmittelbar von den beteiligten Staaten geregelt werden".</p><p>Auch wenn bilaterale Anpassungen nicht ausgeschlossen werden sollten, sondern es verdienen, geprüft zu werden, spricht der spezifische Kontext der regionalen grenzüberschreitenden Beziehungen, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, nicht für die Schaffung einer einheitlichen Lösung durch alle beteiligten öffentlichen Akteure, namentlich die Kantone, den Bund, die Nachbarstaaten und ihre mehr oder weniger dezentralisierten Institutionen. Die heutigen Lösungen funktionieren insgesamt zu deren Zufriedenheit und scheinen für die Verteilung der Steuereinnahmen in allen Fällen als geeignet erachtet zu werden.</p><p>Es erscheint nicht gerechtfertigt, dass die vereinbarten und von den jeweiligen Parlamenten verabschiedeten Ausscheidungs- oder Ausgleichsregeln als ungerecht oder unfair erachtet werden könnten gegenüber in der Schweiz wohnhaften Steuerpflichtigen, für die sie in bestimmten Fällen wie einer Erwerbstätigkeit beispielsweise in Deutschland oder in Frankreich ebenfalls gelten. Des Weiteren hat der Bundesrat am 24. August 2011 die Annahme des Postulats Robbiani (11.3607) beantragt und einen Kurzbericht über die verschiedenen Arten von Quellenbesteuerungsabkommen für Grenzgängerinnen und Grenzgänger und ihre Entwicklungsperspektiven in Auftrag gegeben.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, mit der Europäischen Union oder gegebenenfalls mit den Nachbarländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich) Verhandlungen aufzunehmen, damit ein Übereinkommen erzielt werden kann, das für alle Grenzgängerinnen und Grenzgänger im Gebiet der Schweiz eine einheitliche Quellenbesteuerung einführt.</p>
    • Einheitliche Quellenbesteuerung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern in der Schweiz

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