Das Neutralitätsrecht braucht ein Update

ShortId
23.3591
Id
20233591
Updated
26.03.2024 21:22
Language
de
Title
Das Neutralitätsrecht braucht ein Update
AdditionalIndexing
04;09;08
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Pflichten, die sich für die Schweiz aus dem völkerrechtlichen Neutralitätsrecht ergeben, sind teilweise überholt und dienen nicht mehr den schweizerischen Interessen. So entstammen beispielweise die Haager Abkommen von 1907, auf welche in Diskussionen zum Neutralitätsrecht häufig verwiesen wird, gedanklich und konzeptionell dem 19. Jahrhundert. Sie können keine Perspektive für das 21. Jahrhundert bieten. Vor allem das allgemeine Gewaltverbot, wie es in der UN-Charta festgehalten wird, muss endlich eine klare neutralitätsrechtliche Antwort erhalten, welche den Zielen und Werten der Schweizer Aussen- und Sicherheitspolitik entspricht und gleichzeitig im Ausland verstanden und respektiert wird.</p>
  • <p>Das Neutralitätsrecht ist im V. und XIII. Haager Abkommen von 1907 festgelegt (<span style="color:black;">SR 0.515.21 und 0.515.22)</span>. Die Schweiz ist als Vertragspartei und als dauernd neutraler Staat verpflichtet, die darin enthaltenen Regeln bei zwischenstaatlichen Kriegen einzuhalten. Diese Regeln betreffen den engen militärischen Bereich. Als bis anhin letzter Staat hat die Ukraine 2015 die Abkommen ratifiziert.</p><p>Es trifft zu, dass zwischen dem Neutralitätsrecht und dem Gewaltverbot der UNO-Charta ein Spannungsfeld besteht. Dieses kann gemäss aktuell geltendem Völkerrecht nur auf der Grundlage verbindlicher Massnahmen des UNO-Sicherheitsrates&nbsp; aufgelöst werden. In diesem Fall kommt das Neutralitätsrecht nicht zur Anwendung.&nbsp;</p><p>Würde die Schweiz ihre neutralitätsrechtlichen Pflichten bei Verletzungen des Gewaltverbots ohne internationale Abstimmung einschränken, würde dies als Abkehr von der dauernden Neutralität verstanden. Gleiches gilt für eine Kündigung der Haager Abkommen. Eine Einschränkung der Anwendbarkeit des Neutralitätsrechts&nbsp;sollte international abgestimmt erfolgen, umso mehr als auch nicht-neutrale Staaten vom blockierten UNO-Sicherheitsrat in ihrem Handlungsspielraum betroffen sind.</p><p>Die Neutralität wird im aktuellen internationalen Umfeld von mehreren Staaten skeptisch betrachtet. In diesem Kontext ist es nicht sinnvoll, dass die Schweiz eine Neuverhandlung für eine Anpassung des Neutralitätsrechts lanciert. Indes steht es der Schweiz frei, politische Handlungsspielräume unter Wahrung des Neutralitätsrechts zu nutzen.</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Massnahmen zu ergreifen und nötigenfalls dem Parlament Beschlussanträge vorzulegen, um folgendes Ziel zu erreichen: Die Pflichten, die sich für die Schweiz aus dem völkerrechtlichen Neutralitätsrecht ergeben, werden so angepasst (z.B. mittels Notifikation, Vertragsanpassung, Neuverhandlung oder Kündigung), dass die Schweiz bei einer Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots ohne neutralitätsrechtliche Einschränkungen zugunsten des Opfers agieren kann. Das soll auch dann gelten, wenn der UN-Sicherheitsrat wegen eines (drohenden) Vetos blockiert ist, aber die UN-Generalversammlung mit einer qualifizierten Mehrheit eine Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots feststellt.</p>
  • Das Neutralitätsrecht braucht ein Update
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Pflichten, die sich für die Schweiz aus dem völkerrechtlichen Neutralitätsrecht ergeben, sind teilweise überholt und dienen nicht mehr den schweizerischen Interessen. So entstammen beispielweise die Haager Abkommen von 1907, auf welche in Diskussionen zum Neutralitätsrecht häufig verwiesen wird, gedanklich und konzeptionell dem 19. Jahrhundert. Sie können keine Perspektive für das 21. Jahrhundert bieten. Vor allem das allgemeine Gewaltverbot, wie es in der UN-Charta festgehalten wird, muss endlich eine klare neutralitätsrechtliche Antwort erhalten, welche den Zielen und Werten der Schweizer Aussen- und Sicherheitspolitik entspricht und gleichzeitig im Ausland verstanden und respektiert wird.</p>
    • <p>Das Neutralitätsrecht ist im V. und XIII. Haager Abkommen von 1907 festgelegt (<span style="color:black;">SR 0.515.21 und 0.515.22)</span>. Die Schweiz ist als Vertragspartei und als dauernd neutraler Staat verpflichtet, die darin enthaltenen Regeln bei zwischenstaatlichen Kriegen einzuhalten. Diese Regeln betreffen den engen militärischen Bereich. Als bis anhin letzter Staat hat die Ukraine 2015 die Abkommen ratifiziert.</p><p>Es trifft zu, dass zwischen dem Neutralitätsrecht und dem Gewaltverbot der UNO-Charta ein Spannungsfeld besteht. Dieses kann gemäss aktuell geltendem Völkerrecht nur auf der Grundlage verbindlicher Massnahmen des UNO-Sicherheitsrates&nbsp; aufgelöst werden. In diesem Fall kommt das Neutralitätsrecht nicht zur Anwendung.&nbsp;</p><p>Würde die Schweiz ihre neutralitätsrechtlichen Pflichten bei Verletzungen des Gewaltverbots ohne internationale Abstimmung einschränken, würde dies als Abkehr von der dauernden Neutralität verstanden. Gleiches gilt für eine Kündigung der Haager Abkommen. Eine Einschränkung der Anwendbarkeit des Neutralitätsrechts&nbsp;sollte international abgestimmt erfolgen, umso mehr als auch nicht-neutrale Staaten vom blockierten UNO-Sicherheitsrat in ihrem Handlungsspielraum betroffen sind.</p><p>Die Neutralität wird im aktuellen internationalen Umfeld von mehreren Staaten skeptisch betrachtet. In diesem Kontext ist es nicht sinnvoll, dass die Schweiz eine Neuverhandlung für eine Anpassung des Neutralitätsrechts lanciert. Indes steht es der Schweiz frei, politische Handlungsspielräume unter Wahrung des Neutralitätsrechts zu nutzen.</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Massnahmen zu ergreifen und nötigenfalls dem Parlament Beschlussanträge vorzulegen, um folgendes Ziel zu erreichen: Die Pflichten, die sich für die Schweiz aus dem völkerrechtlichen Neutralitätsrecht ergeben, werden so angepasst (z.B. mittels Notifikation, Vertragsanpassung, Neuverhandlung oder Kündigung), dass die Schweiz bei einer Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots ohne neutralitätsrechtliche Einschränkungen zugunsten des Opfers agieren kann. Das soll auch dann gelten, wenn der UN-Sicherheitsrat wegen eines (drohenden) Vetos blockiert ist, aber die UN-Generalversammlung mit einer qualifizierten Mehrheit eine Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots feststellt.</p>
    • Das Neutralitätsrecht braucht ein Update

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