Massnahmenpaket zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels durch die Attraktivierung der freiwilligen Weiterarbeit nach dem ordentlichen Rentenalter

ShortId
23.3596
Id
20233596
Updated
26.03.2024 22:30
Language
de
Title
Massnahmenpaket zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels durch die Attraktivierung der freiwilligen Weiterarbeit nach dem ordentlichen Rentenalter
AdditionalIndexing
44;2836;28
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Trotz Warnungen aus Wissenschaft und Wirtschaft wurde die dynamische Entwicklung des Fachkräftemangels stark unterschätzt. Nur so ist es erklärbar, dass sowohl der Bundesrat als auch eine Mehrheit des Parlaments es im Rahmen der AHV21 verpassten, ein wirksames Massnahmenpaket zur Attraktivierung der freiwilligen Weiterarbeit über das Rentenalter hinaus umzusetzen. Bereits Ende 2022 nahm die Presse die Thematik auf (vgl. NZZ am Sonntag vom 18.12.2022: Die AHV schröpft Erwerbstätige über 65) und nannte die grössten Mängel: systemische Fehlanreize durch einen viel zu tiefen Freibetrag auf dem nach dem Erreichen des Rentenalters erzielten Erwerbseinkommen einerseits, zu tiefe Kürzungssätze bei der Vorpensionierung und zu tiefe Zuschläge beim Rentenaufschub anderseits. Unter dem Strich werden Rentnerinnen und Rentner, die freiwillig über das ordentliche Rentenalter hinaus arbeiten, geradezu pönalisiert und geschröpft.</p><p>Die AHV21 bringt lediglich eine kleine Verbesserung für zukünftige Rentnerinnen und Rentner, die nicht die Maximalrente erreichen. Sie können künftig auf den Freibetrag verzichten und damit ihre Rente verbessern. Vergessen ging aber das Gros der Erwerbstätigen, die von dieser Massnahme nicht profitieren. Für sie muss dringend der Freibetrag erhöht werden, der seit 1996 (!) nie mehr der Teuerung angepasst wurde.</p><p>Gleichzeitig kündigte der Bundesrat an, per 2027 die Kürzungssätze beim AHV-Vorbezug sowie die Zuschläge beim Aufschub des Bezugs von anreizorientierten Sätzen hin zu rein versicherungsaktuariellen Sätzen anzupassen. Dies führt ausgerechnet in Zeiten von akutem Fachkräftemangel zum bizarren Ergebnis, wonach die Vorpensionierung ausgerechnet für gut Qualifizierte noch attraktiver wird. Denn nur sie können sich meist die Vorpensionierung überhaupt leisten. Von diesem kontraproduktiven Vorhaben ist mindestens Abstand zu nehmen, stattdessen ist auch die Variante zu prüfen, wonach die Vorpensionierung anreizorientierter ausgestaltet wird, damit auch für gut qualifizierte Erwerbstätige die Weiterarbeit mindestens bis zum ordentlichen Rentenalter attraktiver ist.</p>
  • <p>Die Reform AHV 21 sieht verschiedene Massnahmen vor, um die Versicherten zu ermutigen, über 65 Jahre hinaus erwerbstätig zu sein. Insbesondere können die Versicherten mit den auf dem Erwerbseinkommen im Rentenalter bezahlten AHV-Beiträgen die Rente verbessern und Lücken schliessen. In der Beratung zur Reform hat das Parlament verschiedene Möglichkeiten geprüft, um die Versicherten zu einer längeren Erwerbstätigkeit zu bewegen. Das Parlament hat auch eine Erhöhung des maximalen Freibetrags geprüft, sich aber letztlich dagegen entschieden. Es war der Ansicht, dass sich dies kontraproduktiv auf die Rentenverbesserung und die Lückenschliessung durch die Berücksichtigung der Beiträge im Rentenalter auswirken würde. Schliesslich hat es auch beschlossen, dass die Versicherten auf den Freibetrag verzichten können, damit sich die Anreizmassnahmen zur Weiterführung der Erwerbstätigkeit bereits ab dem ersten erwirtschafteten Franken auswirken können.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Was die Kürzung der Rente beim Vorbezug und den Zuschlag beim Aufschub betrifft, hat das Parlament festgelegt, dass sowohl Kürzungs- als auch Zuschlagssätze nach versicherungsmathematischen Grundsätzen festgelegt werden müssen. Es hat den Bundesrat zudem beauftragt, diese Sätze ab 2027 der gestiegenen Lebenserwartung anzupassen und für Personen mit tiefen Einkommen eine Reduktion der Kürzungssätze um 40&nbsp;Prozent einzuführen.</p><p>&nbsp;</p><p>Diese Entscheide des Parlamentes wurden von der Stimmbevölkerung in der Abstimmung vom 25. September 2022 bestätigt. Der Bundesrat kann von diesen im Gesetz festgelegten Grundsätzen nicht mit einer Verordnungsänderung abweichen und Massnahmen im Sinne der Motion einführen. Abgesehen von der fehlenden Kompetenz ist der Bundesrat der Ansicht, dass die in der AHV 21 vorgesehenen Massnahmen das Ziel der Förderung einer weitergeführten Erwerbstätigkeit erfüllen. Er hält es nicht für opportun, die jüngsten Entscheidungen des Parlaments noch vor der Einführung der Reform in Frage zu stellen.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Im Bericht in Erfüllung des Postulats Hegglin (19.3172 „Förderung der Erwerbstätigkeit nach Erreichen des Regelrentenalters“) hat der Bundesrat verschiedene Anreizmassnahmen zur Förderung der Erwerbstätigkeit im AHV-Alter, insbesondere in der AHV, geprüft. Die Analyse hat ergeben, dass von anreizorientierten Kürzungs- und Zuschlagssätzen kein relevanter Effekt auf die Erwerbstätigkeit zu erwarten ist. Das liegt vor allem daran, dass der Vorbezug sowie der Aufschub der Altersrente nicht an die Aufgabe beziehungsweise die Weiterführung der Erwerbstätigkeit gebunden sind.</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftrag, ein Massnahmenpaket vorzulegen zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels durch eine Anpassung der AHV-Verordnung wie folgt: </p><p>a. der Freibetrag für selbständig und unselbständig Erwerbstätige nach Erreichen des Referenzalters soll von heute CHF 16 800 pro Jahr auf CHF 36 000 angehoben werden (Art. 6quater AHVV). </p><p>b. Die Zuschläge beim Aufschub des Rentenbezugs gemäss Artikel 55ter AHVV sollen gegenüber heute spürbar und anreizorientiert erhöht werden. Als Zielwert sollen 40 Prozent dienen beim Aufschub um fünf Jahre (aktuell 31,5%).</p><p>c. Auf die durch den Bundesrat im Rahmen der AHV21 in Aussicht gestellte zusätzliche Attraktivierung der Vorpensionierung durch die Anpassung der Kürzungssätze von heute 6,8 Prozent pro Jahr gemäss Artikel 56 AHVV ist zu verzichten. Alternativ ist eine Anhebung der Kürzungssätze auf 8 Prozent zu prüfen</p>
  • Massnahmenpaket zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels durch die Attraktivierung der freiwilligen Weiterarbeit nach dem ordentlichen Rentenalter
State
Zugewiesen an die behandelnde Kommission
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Trotz Warnungen aus Wissenschaft und Wirtschaft wurde die dynamische Entwicklung des Fachkräftemangels stark unterschätzt. Nur so ist es erklärbar, dass sowohl der Bundesrat als auch eine Mehrheit des Parlaments es im Rahmen der AHV21 verpassten, ein wirksames Massnahmenpaket zur Attraktivierung der freiwilligen Weiterarbeit über das Rentenalter hinaus umzusetzen. Bereits Ende 2022 nahm die Presse die Thematik auf (vgl. NZZ am Sonntag vom 18.12.2022: Die AHV schröpft Erwerbstätige über 65) und nannte die grössten Mängel: systemische Fehlanreize durch einen viel zu tiefen Freibetrag auf dem nach dem Erreichen des Rentenalters erzielten Erwerbseinkommen einerseits, zu tiefe Kürzungssätze bei der Vorpensionierung und zu tiefe Zuschläge beim Rentenaufschub anderseits. Unter dem Strich werden Rentnerinnen und Rentner, die freiwillig über das ordentliche Rentenalter hinaus arbeiten, geradezu pönalisiert und geschröpft.</p><p>Die AHV21 bringt lediglich eine kleine Verbesserung für zukünftige Rentnerinnen und Rentner, die nicht die Maximalrente erreichen. Sie können künftig auf den Freibetrag verzichten und damit ihre Rente verbessern. Vergessen ging aber das Gros der Erwerbstätigen, die von dieser Massnahme nicht profitieren. Für sie muss dringend der Freibetrag erhöht werden, der seit 1996 (!) nie mehr der Teuerung angepasst wurde.</p><p>Gleichzeitig kündigte der Bundesrat an, per 2027 die Kürzungssätze beim AHV-Vorbezug sowie die Zuschläge beim Aufschub des Bezugs von anreizorientierten Sätzen hin zu rein versicherungsaktuariellen Sätzen anzupassen. Dies führt ausgerechnet in Zeiten von akutem Fachkräftemangel zum bizarren Ergebnis, wonach die Vorpensionierung ausgerechnet für gut Qualifizierte noch attraktiver wird. Denn nur sie können sich meist die Vorpensionierung überhaupt leisten. Von diesem kontraproduktiven Vorhaben ist mindestens Abstand zu nehmen, stattdessen ist auch die Variante zu prüfen, wonach die Vorpensionierung anreizorientierter ausgestaltet wird, damit auch für gut qualifizierte Erwerbstätige die Weiterarbeit mindestens bis zum ordentlichen Rentenalter attraktiver ist.</p>
    • <p>Die Reform AHV 21 sieht verschiedene Massnahmen vor, um die Versicherten zu ermutigen, über 65 Jahre hinaus erwerbstätig zu sein. Insbesondere können die Versicherten mit den auf dem Erwerbseinkommen im Rentenalter bezahlten AHV-Beiträgen die Rente verbessern und Lücken schliessen. In der Beratung zur Reform hat das Parlament verschiedene Möglichkeiten geprüft, um die Versicherten zu einer längeren Erwerbstätigkeit zu bewegen. Das Parlament hat auch eine Erhöhung des maximalen Freibetrags geprüft, sich aber letztlich dagegen entschieden. Es war der Ansicht, dass sich dies kontraproduktiv auf die Rentenverbesserung und die Lückenschliessung durch die Berücksichtigung der Beiträge im Rentenalter auswirken würde. Schliesslich hat es auch beschlossen, dass die Versicherten auf den Freibetrag verzichten können, damit sich die Anreizmassnahmen zur Weiterführung der Erwerbstätigkeit bereits ab dem ersten erwirtschafteten Franken auswirken können.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Was die Kürzung der Rente beim Vorbezug und den Zuschlag beim Aufschub betrifft, hat das Parlament festgelegt, dass sowohl Kürzungs- als auch Zuschlagssätze nach versicherungsmathematischen Grundsätzen festgelegt werden müssen. Es hat den Bundesrat zudem beauftragt, diese Sätze ab 2027 der gestiegenen Lebenserwartung anzupassen und für Personen mit tiefen Einkommen eine Reduktion der Kürzungssätze um 40&nbsp;Prozent einzuführen.</p><p>&nbsp;</p><p>Diese Entscheide des Parlamentes wurden von der Stimmbevölkerung in der Abstimmung vom 25. September 2022 bestätigt. Der Bundesrat kann von diesen im Gesetz festgelegten Grundsätzen nicht mit einer Verordnungsänderung abweichen und Massnahmen im Sinne der Motion einführen. Abgesehen von der fehlenden Kompetenz ist der Bundesrat der Ansicht, dass die in der AHV 21 vorgesehenen Massnahmen das Ziel der Förderung einer weitergeführten Erwerbstätigkeit erfüllen. Er hält es nicht für opportun, die jüngsten Entscheidungen des Parlaments noch vor der Einführung der Reform in Frage zu stellen.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Im Bericht in Erfüllung des Postulats Hegglin (19.3172 „Förderung der Erwerbstätigkeit nach Erreichen des Regelrentenalters“) hat der Bundesrat verschiedene Anreizmassnahmen zur Förderung der Erwerbstätigkeit im AHV-Alter, insbesondere in der AHV, geprüft. Die Analyse hat ergeben, dass von anreizorientierten Kürzungs- und Zuschlagssätzen kein relevanter Effekt auf die Erwerbstätigkeit zu erwarten ist. Das liegt vor allem daran, dass der Vorbezug sowie der Aufschub der Altersrente nicht an die Aufgabe beziehungsweise die Weiterführung der Erwerbstätigkeit gebunden sind.</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftrag, ein Massnahmenpaket vorzulegen zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels durch eine Anpassung der AHV-Verordnung wie folgt: </p><p>a. der Freibetrag für selbständig und unselbständig Erwerbstätige nach Erreichen des Referenzalters soll von heute CHF 16 800 pro Jahr auf CHF 36 000 angehoben werden (Art. 6quater AHVV). </p><p>b. Die Zuschläge beim Aufschub des Rentenbezugs gemäss Artikel 55ter AHVV sollen gegenüber heute spürbar und anreizorientiert erhöht werden. Als Zielwert sollen 40 Prozent dienen beim Aufschub um fünf Jahre (aktuell 31,5%).</p><p>c. Auf die durch den Bundesrat im Rahmen der AHV21 in Aussicht gestellte zusätzliche Attraktivierung der Vorpensionierung durch die Anpassung der Kürzungssätze von heute 6,8 Prozent pro Jahr gemäss Artikel 56 AHVV ist zu verzichten. Alternativ ist eine Anhebung der Kürzungssätze auf 8 Prozent zu prüfen</p>
    • Massnahmenpaket zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels durch die Attraktivierung der freiwilligen Weiterarbeit nach dem ordentlichen Rentenalter

Back to List