Digitale Kluft. Eine Zweiklassengesellschaft vermeiden

ShortId
23.3621
Id
20233621
Updated
16.04.2024 08:04
Language
de
Title
Digitale Kluft. Eine Zweiklassengesellschaft vermeiden
AdditionalIndexing
34;28;32
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>In der Schweiz existieren nur wenige Statistiken zum digitalen Analphabetismus. Während die Expertinnen und Experten schätzen, dass in der Schweiz jede zehnte Person betroffen ist, kommen in Frankreich durchgeführte Studien zum Schluss, dass in erster Linie die Über-75-Jährigen, Personen mit niedrigem oder keinem Bildungsabschluss und Haushalte in den bescheidensten Verhältnissen betroffen sind. Es muss festgehalten werden, dass die Studie PIAAC (Programme international pour l’évaluation des compétences des adultes, Internationales Programm zur Evaluation der Kompetenzen von Erwachsenen), deren Resultate zu diesem Thema 2024 erwartet werden, unvollständige Informationen liefert, denn diese Studie bezieht sich lediglich auf Personen im Erwerbsleben (Personen von 16 bis 65 Jahren).</p><p>An Beispielen für den digitalen Analphabetismus herrscht jedoch kein Mangel. Beispielsweise wollten die Verkehrsbetriebe der Region Morges–Bière–Cossonay (die MBC) im Kanton Waadt kürzlich die Billettautomaten abschaffen. Dies mit der Begründung, dass die Leute ihre Billetts mit dem Smartphone kaufen könnten. Die Geschäftsleitung der MBC musste jedoch ihren Entscheid zurücknehmen, denn sie hat die Auswirkungen unterschätzt, die ein solcher Entscheid auf jenen Teil der Bevölkerung hätte, der sich mit den neuen Technologien nicht wohlfühlt.</p><p>Man könnte auch die sehbehinderten Personen anführen, die sich mehr und mehr ausgeschlossen fühlen, weil sie nicht oder nur schwierig lernen können, die allgegenwärtigen Touchscreens zu bedienen (vom Billettautomaten über die Kaffeemaschine bis hin zur Waschmaschine). Denn gerade diese Personen sehen nicht, was auf dem Bildschirm steht.</p><p>Das Tempo, mit dem sich die neuen digitalen Technologien ausbreiten, hat zudem das Potential, eine Vielzahl von Personen in ihrem Handeln einzuschränken. Dies zeigen die Schwierigkeiten, denen sich ein Teil der Bevölkerung beim Bezahlen per QR-Code oder beim Erstellen eines elektronischen Patientendossiers gegenübersieht.&nbsp;</p><p>Die Digitalisierung bringt zahlreiche Vorteile mit sich, von denen alle profitieren können müssen. Jedoch zeigen diese und zahlreiche weitere Situationen, dass diese Digitalisierung auch das Potential hat, eine «Zweiklassengesellschaft» zu kreieren, die schädlich für unser Land ist, sofern sie nicht richtig begleitet wird. Dies umso mehr, da der Bundesrat selbst zugibt, dass er im Moment keine klare Strategie in diesem Bereich hat (Antwort auf die Interpellation Bendahan 21.4290).</p>
  • <p>Der Bundesrat teilt die Ansicht, dass die Digitalisierung für die gesamte Bevölkerung von Nutzen sein soll. Er ist jedoch der Meinung, dass angesichts der bereits verfügbaren Informationen, der laufenden Studien sowie der bestehenden und geplanten Massnahmen der geforderte Bericht nicht notwendig ist oder nur von geringem Mehrwert wäre.</p><p>&nbsp;</p><p>Die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung und die besonders gefährdeten Personengruppen, was die digitale Spaltung anbelangt, werden in mehreren Studien eruiert. Gemäss der Omnibus-Erhebung 2021 zur Internetnutzung des Bundesamts für Statistik liegen die digitalen Kompetenzen der Schweizer Bevölkerung im internationalen Vergleich im oberen Drittel: Knapp 78 Prozent der Bevölkerung verfügen über grundlegende oder höhere Kompetenzen, lediglich 22 Prozent über geringe Kompetenzen. In der Erhebung werden die Schwierigkeiten von Personen ohne nachobligatorische Ausbildung, von älteren Menschen und von Personen in prekären finanziellen Verhältnissen deutlich. Diese alle zwei Jahre durchgeführte Erhebung bezieht sich auf Personen, die zwischen 15 und 88 Jahre alt sind. Sie misst somit auch die Kompetenzen nach der Zeit des Erwerbslebens.</p><p>&nbsp;</p><p>Auch internationale Quellen liefern Hinweise. Nach dem Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) der Europäischen Kommission sind ebenfalls das Alter und soziodemografische Aspekte entscheidend. Die OECD-Studie «PISA 2025», die die Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in den Kernbereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften misst, enthält einen Fragebogen zu den digitalen Kompetenzen. Die Ergebnisse werden Ende 2026 erwartet. <span style="background-color:white;color:#1F2937;">Im Zeitalter der Digitalisierung werden die Grundkompetenzen immer wichtiger. Die Schweiz nimmt am Programm zur internationalen Bewertung der Kompetenzen von Erwachsenen (PIAAC) teil. Diese internationale Vergleichsstudie wird von der OECD durchgeführt. Die Ergebnisse werden Anfang 2025 erwartet.</span></p><p>&nbsp;</p><p>Um zu verhindern, dass die erwähnten gefährdeten Personen den Anschluss verlieren, werden diese unter anderem im Rahmen der Aus- und Weiterbildung unterstützt. Aus diesem Grund werden digitale Kompetenzen auf allen Ebenen des Bildungssystems integriert.</p><p>&nbsp;</p><p>Auf der Grundlage des Bundesgesetzes über die Weiterbildung (WeBiG), verpflichtet sich der Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen, Erwachsenen den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen zu ermöglichen. Dieser Aspekt ist auch eine der Prioritäten des Nationalen Forschungsprogramms «Digitale Transformation» (NFP 77), eines Programms im Umfang von 30 Millionen Franken, das 2018 gestartet wurde und fünf Jahre dauert. Die Projekte «Digitale Fähigkeiten und Trainingsbedürfnisse von Personen 50+» und «Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der beruflichen Bildung» sind unter anderem Teil dieses Programms.</p><p>&nbsp;</p><p>Es gibt auch zahlreiche sektorale Projekte. Sie berücksichtigen die Schwierigkeit, gefährdete Personen zu erreichen, wie zum Beispiel der Forschungsbericht «Förderung der Qualifizierung Erwachsener: armutsgefährdete und -betroffene Personen in ihren Lebenswelten erreichen» (Nationale Plattform gegen Armut, 2023). Mit dem Förderprogramm «Einfach besser&nbsp;...&nbsp;am Arbeitsplatz» werden Erwerbstätige unterstützt, indem Unternehmen, die Weiterbildungen für ihre Angestellten organisieren, eine Pauschale erhalten. Ältere Menschen werden unter anderem in der Studie «Digitale Senioren» von Pro Senectute oder im Programm «Ambient Assisted Living» (AAL) berücksichtigt, an dem sich Innosuisse aktiv beteiligt.</p>
  • <p>Die digitale Kluft in den westlichen Gesellschaften wird oft stark unterschätzt, wie die wenigen verfügbaren Studien (in der Schweiz wie im Ausland) bezeugen. Der Bundesrat wird in seiner Rolle als Koordinator beauftragt, in Absprache mit den Kantonen einen Bericht zu erstellen, in dem er die folgenden Fragen untersucht:&nbsp;</p><p>1. Welche Personengruppen sind in Bezug auf die digitale Kluft besonders gefährdet?&nbsp;</p><p>2. Welche Programme gibt es, um zu vermeiden, dass die gefährdeten Personen sozial abgehängt werden? Reichen diese Programme aus? Welche Massnahmen müssten getroffen werden, um sicherzustellen, dass diese Programme die gefährdeten Personen auch erreichen?&nbsp;</p>
  • Digitale Kluft. Eine Zweiklassengesellschaft vermeiden
State
Überwiesen an den Bundesrat
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>In der Schweiz existieren nur wenige Statistiken zum digitalen Analphabetismus. Während die Expertinnen und Experten schätzen, dass in der Schweiz jede zehnte Person betroffen ist, kommen in Frankreich durchgeführte Studien zum Schluss, dass in erster Linie die Über-75-Jährigen, Personen mit niedrigem oder keinem Bildungsabschluss und Haushalte in den bescheidensten Verhältnissen betroffen sind. Es muss festgehalten werden, dass die Studie PIAAC (Programme international pour l’évaluation des compétences des adultes, Internationales Programm zur Evaluation der Kompetenzen von Erwachsenen), deren Resultate zu diesem Thema 2024 erwartet werden, unvollständige Informationen liefert, denn diese Studie bezieht sich lediglich auf Personen im Erwerbsleben (Personen von 16 bis 65 Jahren).</p><p>An Beispielen für den digitalen Analphabetismus herrscht jedoch kein Mangel. Beispielsweise wollten die Verkehrsbetriebe der Region Morges–Bière–Cossonay (die MBC) im Kanton Waadt kürzlich die Billettautomaten abschaffen. Dies mit der Begründung, dass die Leute ihre Billetts mit dem Smartphone kaufen könnten. Die Geschäftsleitung der MBC musste jedoch ihren Entscheid zurücknehmen, denn sie hat die Auswirkungen unterschätzt, die ein solcher Entscheid auf jenen Teil der Bevölkerung hätte, der sich mit den neuen Technologien nicht wohlfühlt.</p><p>Man könnte auch die sehbehinderten Personen anführen, die sich mehr und mehr ausgeschlossen fühlen, weil sie nicht oder nur schwierig lernen können, die allgegenwärtigen Touchscreens zu bedienen (vom Billettautomaten über die Kaffeemaschine bis hin zur Waschmaschine). Denn gerade diese Personen sehen nicht, was auf dem Bildschirm steht.</p><p>Das Tempo, mit dem sich die neuen digitalen Technologien ausbreiten, hat zudem das Potential, eine Vielzahl von Personen in ihrem Handeln einzuschränken. Dies zeigen die Schwierigkeiten, denen sich ein Teil der Bevölkerung beim Bezahlen per QR-Code oder beim Erstellen eines elektronischen Patientendossiers gegenübersieht.&nbsp;</p><p>Die Digitalisierung bringt zahlreiche Vorteile mit sich, von denen alle profitieren können müssen. Jedoch zeigen diese und zahlreiche weitere Situationen, dass diese Digitalisierung auch das Potential hat, eine «Zweiklassengesellschaft» zu kreieren, die schädlich für unser Land ist, sofern sie nicht richtig begleitet wird. Dies umso mehr, da der Bundesrat selbst zugibt, dass er im Moment keine klare Strategie in diesem Bereich hat (Antwort auf die Interpellation Bendahan 21.4290).</p>
    • <p>Der Bundesrat teilt die Ansicht, dass die Digitalisierung für die gesamte Bevölkerung von Nutzen sein soll. Er ist jedoch der Meinung, dass angesichts der bereits verfügbaren Informationen, der laufenden Studien sowie der bestehenden und geplanten Massnahmen der geforderte Bericht nicht notwendig ist oder nur von geringem Mehrwert wäre.</p><p>&nbsp;</p><p>Die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung und die besonders gefährdeten Personengruppen, was die digitale Spaltung anbelangt, werden in mehreren Studien eruiert. Gemäss der Omnibus-Erhebung 2021 zur Internetnutzung des Bundesamts für Statistik liegen die digitalen Kompetenzen der Schweizer Bevölkerung im internationalen Vergleich im oberen Drittel: Knapp 78 Prozent der Bevölkerung verfügen über grundlegende oder höhere Kompetenzen, lediglich 22 Prozent über geringe Kompetenzen. In der Erhebung werden die Schwierigkeiten von Personen ohne nachobligatorische Ausbildung, von älteren Menschen und von Personen in prekären finanziellen Verhältnissen deutlich. Diese alle zwei Jahre durchgeführte Erhebung bezieht sich auf Personen, die zwischen 15 und 88 Jahre alt sind. Sie misst somit auch die Kompetenzen nach der Zeit des Erwerbslebens.</p><p>&nbsp;</p><p>Auch internationale Quellen liefern Hinweise. Nach dem Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) der Europäischen Kommission sind ebenfalls das Alter und soziodemografische Aspekte entscheidend. Die OECD-Studie «PISA 2025», die die Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in den Kernbereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften misst, enthält einen Fragebogen zu den digitalen Kompetenzen. Die Ergebnisse werden Ende 2026 erwartet. <span style="background-color:white;color:#1F2937;">Im Zeitalter der Digitalisierung werden die Grundkompetenzen immer wichtiger. Die Schweiz nimmt am Programm zur internationalen Bewertung der Kompetenzen von Erwachsenen (PIAAC) teil. Diese internationale Vergleichsstudie wird von der OECD durchgeführt. Die Ergebnisse werden Anfang 2025 erwartet.</span></p><p>&nbsp;</p><p>Um zu verhindern, dass die erwähnten gefährdeten Personen den Anschluss verlieren, werden diese unter anderem im Rahmen der Aus- und Weiterbildung unterstützt. Aus diesem Grund werden digitale Kompetenzen auf allen Ebenen des Bildungssystems integriert.</p><p>&nbsp;</p><p>Auf der Grundlage des Bundesgesetzes über die Weiterbildung (WeBiG), verpflichtet sich der Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen, Erwachsenen den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen zu ermöglichen. Dieser Aspekt ist auch eine der Prioritäten des Nationalen Forschungsprogramms «Digitale Transformation» (NFP 77), eines Programms im Umfang von 30 Millionen Franken, das 2018 gestartet wurde und fünf Jahre dauert. Die Projekte «Digitale Fähigkeiten und Trainingsbedürfnisse von Personen 50+» und «Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der beruflichen Bildung» sind unter anderem Teil dieses Programms.</p><p>&nbsp;</p><p>Es gibt auch zahlreiche sektorale Projekte. Sie berücksichtigen die Schwierigkeit, gefährdete Personen zu erreichen, wie zum Beispiel der Forschungsbericht «Förderung der Qualifizierung Erwachsener: armutsgefährdete und -betroffene Personen in ihren Lebenswelten erreichen» (Nationale Plattform gegen Armut, 2023). Mit dem Förderprogramm «Einfach besser&nbsp;...&nbsp;am Arbeitsplatz» werden Erwerbstätige unterstützt, indem Unternehmen, die Weiterbildungen für ihre Angestellten organisieren, eine Pauschale erhalten. Ältere Menschen werden unter anderem in der Studie «Digitale Senioren» von Pro Senectute oder im Programm «Ambient Assisted Living» (AAL) berücksichtigt, an dem sich Innosuisse aktiv beteiligt.</p>
    • <p>Die digitale Kluft in den westlichen Gesellschaften wird oft stark unterschätzt, wie die wenigen verfügbaren Studien (in der Schweiz wie im Ausland) bezeugen. Der Bundesrat wird in seiner Rolle als Koordinator beauftragt, in Absprache mit den Kantonen einen Bericht zu erstellen, in dem er die folgenden Fragen untersucht:&nbsp;</p><p>1. Welche Personengruppen sind in Bezug auf die digitale Kluft besonders gefährdet?&nbsp;</p><p>2. Welche Programme gibt es, um zu vermeiden, dass die gefährdeten Personen sozial abgehängt werden? Reichen diese Programme aus? Welche Massnahmen müssten getroffen werden, um sicherzustellen, dass diese Programme die gefährdeten Personen auch erreichen?&nbsp;</p>
    • Digitale Kluft. Eine Zweiklassengesellschaft vermeiden

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