Migrationspartnerschaften. Eine strategische Neuausrichtung ist notwendig

ShortId
23.3838
Id
20233838
Updated
26.04.2024 16:06
Language
de
Title
Migrationspartnerschaften. Eine strategische Neuausrichtung ist notwendig
AdditionalIndexing
2811;08
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Der Bundesrat hat das Instrument der Migrationspartnerschaften geschaffen, um die Chancen zu nutzen, die sich durch Migration ergeben, und die mit Migration einhergehenden Herausforderungen anzugehen; zudem sollen dadurch Synergien zwischen den verschiedenen Akteuren der Migrationspolitik geschaffen werden. Diese Partnerschaften ermöglichen es, die Migrationsthematik als ein globales und umfassendes Phänomen zu betrachten und ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Schweiz, ihrer Partnerländer sowie der Migrantinnen und Migranten selbst anzustreben ("win-win-win"). Das Konzept der Migrationspartnerschaften ist im Ausländer- und Integrationsgesetz in Artikel 100 verankert.</p><p>Gemäss der vom Staatssekretariat für Migration (SEM) veröffentlichten Liste der bestehenden Migrationspartnerschaften wurden acht Migrationspartnerschaften abgeschlossen; alle diese Partnerschaften sind in Kraft.</p><p>Die Hälfte davon betrifft jedoch Balkanstaaten: Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien und Serbien.</p><p>Diese Länder profitieren von der Visabefreiung für Reisen in den Schengenraum (und damit auch in die Schweiz) - im Falle von Kosovo ab dem 1. Januar 2024. Um in den Genuss dieser Vorteile zu kommen, mussten alle diese Länder von der Europäischen Kommission festgelegte Kriterien erfüllen (z. B. in Bezug auf das? Migrationsmanagement oder die Korruptionsbekämpfung).</p><p>Zudem wollen alle diese Balkanstaaten der Europäischen Union beitreten. Man kann sich also fragen, ob es nicht an der Zeit ist, diese Partnerschaften zu beenden. Bereits 2019 wurde eine Studie in Auftrag gegeben; in dieser wurden sechs Optionen vorgeschlagen. Die Verwaltung entschied sich für eine Kombination aus drei Optionen und letztlich dafür, eine schlankere Strategie zu verfolgen.</p><p>Angesichts der aktuellen Situation und des finanziellen Drucks erscheint es sinnvoll, diese Partnerschaften zu beenden.</p><p>Mit Blick auf den Abschluss neuer Migrationspartnerschaften wird der Bundesrat aufgefordert, Partnerschaften mit denjenigen Staaten abzuschliessen, deren Staatsangehörige den grössten Teil der Menschen, die auf ihre Abschiebung warten, ausmachen, d. h. mit Algerien, Eritrea, Äthiopien und Marokko.</p><p>Nach Ansicht des ehemaligen Direktors des Bundesamts für Migration könnten und sollten weitere Migrationspartnerschaften mit anderen Staaten geschlossen werden. Der Abschluss solcher Abkommen ist sinnvoll, weil sie erstens in der Regel gut funktionieren und zweitens auch die Rückkehr von Personen regeln, die auf ihre Abschiebung warten.</p><p>Auf dieses erfolgreiche Modell sollte daher vermehrt zurückgegriffen werden.</p>
  • <p>Die Schweiz hat im Rahmen ihrer aktiven und international anerkannten Migrationsaussenpolitik mit 66 Staaten rechtliche Instrumente im Rückkehrbereich abgeschlossen, so viele wie kein anderer europäischer Staat. Mit acht dieser Staaten hat die Schweiz zudem eine Migrationspartnerschaft verhandelt; neben den vier Balkanstaaten Bosnien und Herzegowina, Serbien, Kosovo und Nordmazedonien auch mit Tunesien, Nigeria, Sri Lanka und Georgien. <span style="color:#44546A;">(</span>www.sem.admin.ch<span style="color:#44546A;">&nbsp;</span>&gt; Internationales &amp; Rückkehr &gt; Schweizerische Migrationsaussenpolitik &gt; Abkommen &gt; Migrationspartnerschaften).</p><p>&nbsp;</p><p>Die Kriterien für den Abschluss einer Migrationspartnerschaft sind ein migrationspolitisches Interesse der Schweiz; die Bereitschaft des Partnerstaates, die Zusammenarbeit zu intensivieren, sowie ein gewisser Grad an Stabilität und guter Regierungsführung im Partnerstaat. Zudem wird der&nbsp;Abschluss eines Rückübernahme- oder Migrationsabkommens vorausgesetzt.</p><p>&nbsp;</p><p>Das Staatssekretariat für Migration (SEM) überprüft periodisch den Nutzen der bestehenden Abkommen und Migrationspartnerschaften, dies gilt auch für die Partnerschaften mit den Westbalkanstaaten. Dabei kommt das SEM zum Schluss, dass auch diese nach wie vor einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Schweizer Migrationsaussenpolitik leisten.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Die Schweiz hat die ersten Migrationspartnerschaften 2009 und 2010 mit drei&nbsp;Balkanstaaten abgeschlossen. Damals waren die bilateralen Herausforderungen mit den Folgen der Kriege in der Region in den 1990er Jahren verbunden. Im Laufe der Jahre haben sich die Herausforderungen verändert, insbesondere seit den Jahren 2015-2016, als die Balkanroute zu einer der wichtigsten Transitrouten auf dem Weg nach Zentral- und Westeuropa wurde. Zudem wurden die Westbalkanstaaten neu auch zu Zielländern für Flucht und Migration, die Zahl der Asylgesuche in jenen Ländern stieg stark an. Diese Entwicklungen stellten die Behörden vor grosse Herausforderungen. Gestützt auf die etablierten Migrationspartnerschaften konnte die Schweiz die Zusammenarbeit mit diesen Staaten anpassen und zielgerichtete Unterstützung vor Ort leisten.&nbsp;Die Balkanroute bleibt für Europa und die Schweiz bedeutend. Eine hohe Zahl von Asylsuchenden reist über diese Route in die Schweiz ein. Der Kosovo, Serbien und Nordmazedonien sind in den Rückkehrstatistiken nach wie vor prominent vertreten. Dass die Rückkehrzusammenarbeit mit diesen Staaten so gut funktioniert, ist nicht zuletzt auf die bestehenden Migrationspartnerschaften zurückzuführen.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Die Migrationspartnerschaft mit Georgien zeigt beispielhaft, dass die Einführung der Visaliberalisierung für den Schengenraum kein Grund für die Beendigung einer Partnerschaft darstellt. Die Partnerschaft mit Georgien wurde 2022 vielmehr auch als Reaktion auf die starke&nbsp;Zunahme von unbegründeten Asylanträgen georgischer Staatsangehöriger im Nachgang zur 2017 gewährten Befreiung der Visumspflicht abgeschlossen. Dies zeigt, dass die Schweiz neue Partnerschaften mit prioritären Herkunftsstaaten abschliesst.</p><p>&nbsp;</p><p>Die Schweiz prüft den Abschluss weiterer Partnerschaften mit Schwerpunktländern laufend und wird in Zukunft weitere Abkommen verhandeln. Die Voraussetzungen für eine Partnerschaft sind allerdings nicht immer gegeben: So akzeptiert etwa Eritrea keine zwangsweise Rückkehr seiner Staatsangehörigen. Dann gibt es andere Staaten, die bisher wenig Interesse zeigten, eine bestehende gute Kooperation in Richtung Migrationspartnerschaft auszudehnen.</p><p>&nbsp;</p><p>Die Zusammenarbeit mit Algerien ist durch ein 2006 geschlossenes Abkommen formalisiert und die Umsetzung funktioniert derzeit sehr gut. Ebenfalls positiv hat sich die Kooperation mit Marokko entwickelt, obwohl hier kein Abkommen besteht. Demnächst wird aber ein gemeinsamer strukturierter Dialog lanciert (Groupe Permanent Migratoire Mixte). Mit Äthiopien hat die Schweiz 2019 eine Vereinbarung zur Rückkehrzusammenarbeit abgeschlossen.</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat teilt also grundsätzlich das Anliegen des Motionärs im Hinblick auf den Abschluss weiterer Migrationspartnerschaften. Doch aus den oben genannten Gründen können derzeit nicht mit allen Schwerpunktländern Partnerschaften abgeschlossen werden. Zudem kommt er betreffend die Beendigung der Partnerschaften mit den Westbalkanstaaten zum Schluss, dass diese weiterzuführen sind, weil sie nach wie vor im Interesse der Schweiz sind.</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt:</p><p>- Migrationspartnerschaften, deren Nutzen für die Schweiz nicht mehr nachgewiesen werden kann, zu beenden;</p><p>- neue Migrationspartnerschaften abzuschliessen, die einer strategischen Notwendigkeit entsprechen. Mittelfristig sollen mit den betreffenden Partnerstaaten zudem Rückübernahmeabkommen abgeschlossen werden.</p>
  • Migrationspartnerschaften. Eine strategische Neuausrichtung ist notwendig
State
Beratung in Kommission des Nationalrates abgeschlossen
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Der Bundesrat hat das Instrument der Migrationspartnerschaften geschaffen, um die Chancen zu nutzen, die sich durch Migration ergeben, und die mit Migration einhergehenden Herausforderungen anzugehen; zudem sollen dadurch Synergien zwischen den verschiedenen Akteuren der Migrationspolitik geschaffen werden. Diese Partnerschaften ermöglichen es, die Migrationsthematik als ein globales und umfassendes Phänomen zu betrachten und ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Schweiz, ihrer Partnerländer sowie der Migrantinnen und Migranten selbst anzustreben ("win-win-win"). Das Konzept der Migrationspartnerschaften ist im Ausländer- und Integrationsgesetz in Artikel 100 verankert.</p><p>Gemäss der vom Staatssekretariat für Migration (SEM) veröffentlichten Liste der bestehenden Migrationspartnerschaften wurden acht Migrationspartnerschaften abgeschlossen; alle diese Partnerschaften sind in Kraft.</p><p>Die Hälfte davon betrifft jedoch Balkanstaaten: Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien und Serbien.</p><p>Diese Länder profitieren von der Visabefreiung für Reisen in den Schengenraum (und damit auch in die Schweiz) - im Falle von Kosovo ab dem 1. Januar 2024. Um in den Genuss dieser Vorteile zu kommen, mussten alle diese Länder von der Europäischen Kommission festgelegte Kriterien erfüllen (z. B. in Bezug auf das? Migrationsmanagement oder die Korruptionsbekämpfung).</p><p>Zudem wollen alle diese Balkanstaaten der Europäischen Union beitreten. Man kann sich also fragen, ob es nicht an der Zeit ist, diese Partnerschaften zu beenden. Bereits 2019 wurde eine Studie in Auftrag gegeben; in dieser wurden sechs Optionen vorgeschlagen. Die Verwaltung entschied sich für eine Kombination aus drei Optionen und letztlich dafür, eine schlankere Strategie zu verfolgen.</p><p>Angesichts der aktuellen Situation und des finanziellen Drucks erscheint es sinnvoll, diese Partnerschaften zu beenden.</p><p>Mit Blick auf den Abschluss neuer Migrationspartnerschaften wird der Bundesrat aufgefordert, Partnerschaften mit denjenigen Staaten abzuschliessen, deren Staatsangehörige den grössten Teil der Menschen, die auf ihre Abschiebung warten, ausmachen, d. h. mit Algerien, Eritrea, Äthiopien und Marokko.</p><p>Nach Ansicht des ehemaligen Direktors des Bundesamts für Migration könnten und sollten weitere Migrationspartnerschaften mit anderen Staaten geschlossen werden. Der Abschluss solcher Abkommen ist sinnvoll, weil sie erstens in der Regel gut funktionieren und zweitens auch die Rückkehr von Personen regeln, die auf ihre Abschiebung warten.</p><p>Auf dieses erfolgreiche Modell sollte daher vermehrt zurückgegriffen werden.</p>
    • <p>Die Schweiz hat im Rahmen ihrer aktiven und international anerkannten Migrationsaussenpolitik mit 66 Staaten rechtliche Instrumente im Rückkehrbereich abgeschlossen, so viele wie kein anderer europäischer Staat. Mit acht dieser Staaten hat die Schweiz zudem eine Migrationspartnerschaft verhandelt; neben den vier Balkanstaaten Bosnien und Herzegowina, Serbien, Kosovo und Nordmazedonien auch mit Tunesien, Nigeria, Sri Lanka und Georgien. <span style="color:#44546A;">(</span>www.sem.admin.ch<span style="color:#44546A;">&nbsp;</span>&gt; Internationales &amp; Rückkehr &gt; Schweizerische Migrationsaussenpolitik &gt; Abkommen &gt; Migrationspartnerschaften).</p><p>&nbsp;</p><p>Die Kriterien für den Abschluss einer Migrationspartnerschaft sind ein migrationspolitisches Interesse der Schweiz; die Bereitschaft des Partnerstaates, die Zusammenarbeit zu intensivieren, sowie ein gewisser Grad an Stabilität und guter Regierungsführung im Partnerstaat. Zudem wird der&nbsp;Abschluss eines Rückübernahme- oder Migrationsabkommens vorausgesetzt.</p><p>&nbsp;</p><p>Das Staatssekretariat für Migration (SEM) überprüft periodisch den Nutzen der bestehenden Abkommen und Migrationspartnerschaften, dies gilt auch für die Partnerschaften mit den Westbalkanstaaten. Dabei kommt das SEM zum Schluss, dass auch diese nach wie vor einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Schweizer Migrationsaussenpolitik leisten.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Die Schweiz hat die ersten Migrationspartnerschaften 2009 und 2010 mit drei&nbsp;Balkanstaaten abgeschlossen. Damals waren die bilateralen Herausforderungen mit den Folgen der Kriege in der Region in den 1990er Jahren verbunden. Im Laufe der Jahre haben sich die Herausforderungen verändert, insbesondere seit den Jahren 2015-2016, als die Balkanroute zu einer der wichtigsten Transitrouten auf dem Weg nach Zentral- und Westeuropa wurde. Zudem wurden die Westbalkanstaaten neu auch zu Zielländern für Flucht und Migration, die Zahl der Asylgesuche in jenen Ländern stieg stark an. Diese Entwicklungen stellten die Behörden vor grosse Herausforderungen. Gestützt auf die etablierten Migrationspartnerschaften konnte die Schweiz die Zusammenarbeit mit diesen Staaten anpassen und zielgerichtete Unterstützung vor Ort leisten.&nbsp;Die Balkanroute bleibt für Europa und die Schweiz bedeutend. Eine hohe Zahl von Asylsuchenden reist über diese Route in die Schweiz ein. Der Kosovo, Serbien und Nordmazedonien sind in den Rückkehrstatistiken nach wie vor prominent vertreten. Dass die Rückkehrzusammenarbeit mit diesen Staaten so gut funktioniert, ist nicht zuletzt auf die bestehenden Migrationspartnerschaften zurückzuführen.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Die Migrationspartnerschaft mit Georgien zeigt beispielhaft, dass die Einführung der Visaliberalisierung für den Schengenraum kein Grund für die Beendigung einer Partnerschaft darstellt. Die Partnerschaft mit Georgien wurde 2022 vielmehr auch als Reaktion auf die starke&nbsp;Zunahme von unbegründeten Asylanträgen georgischer Staatsangehöriger im Nachgang zur 2017 gewährten Befreiung der Visumspflicht abgeschlossen. Dies zeigt, dass die Schweiz neue Partnerschaften mit prioritären Herkunftsstaaten abschliesst.</p><p>&nbsp;</p><p>Die Schweiz prüft den Abschluss weiterer Partnerschaften mit Schwerpunktländern laufend und wird in Zukunft weitere Abkommen verhandeln. Die Voraussetzungen für eine Partnerschaft sind allerdings nicht immer gegeben: So akzeptiert etwa Eritrea keine zwangsweise Rückkehr seiner Staatsangehörigen. Dann gibt es andere Staaten, die bisher wenig Interesse zeigten, eine bestehende gute Kooperation in Richtung Migrationspartnerschaft auszudehnen.</p><p>&nbsp;</p><p>Die Zusammenarbeit mit Algerien ist durch ein 2006 geschlossenes Abkommen formalisiert und die Umsetzung funktioniert derzeit sehr gut. Ebenfalls positiv hat sich die Kooperation mit Marokko entwickelt, obwohl hier kein Abkommen besteht. Demnächst wird aber ein gemeinsamer strukturierter Dialog lanciert (Groupe Permanent Migratoire Mixte). Mit Äthiopien hat die Schweiz 2019 eine Vereinbarung zur Rückkehrzusammenarbeit abgeschlossen.</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat teilt also grundsätzlich das Anliegen des Motionärs im Hinblick auf den Abschluss weiterer Migrationspartnerschaften. Doch aus den oben genannten Gründen können derzeit nicht mit allen Schwerpunktländern Partnerschaften abgeschlossen werden. Zudem kommt er betreffend die Beendigung der Partnerschaften mit den Westbalkanstaaten zum Schluss, dass diese weiterzuführen sind, weil sie nach wie vor im Interesse der Schweiz sind.</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt:</p><p>- Migrationspartnerschaften, deren Nutzen für die Schweiz nicht mehr nachgewiesen werden kann, zu beenden;</p><p>- neue Migrationspartnerschaften abzuschliessen, die einer strategischen Notwendigkeit entsprechen. Mittelfristig sollen mit den betreffenden Partnerstaaten zudem Rückübernahmeabkommen abgeschlossen werden.</p>
    • Migrationspartnerschaften. Eine strategische Neuausrichtung ist notwendig

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