OECD-Antikorruptionskonvention. Verschärfung der nationalen Umsetzung

ShortId
23.3844
Id
20233844
Updated
26.03.2024 21:45
Language
de
Title
OECD-Antikorruptionskonvention. Verschärfung der nationalen Umsetzung
AdditionalIndexing
08;1216;15;44
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Die OECD kritisiert die Schweiz immer lauter, weil erkannte Lücken im schweizerischen Dispositiv zur Korruptionsbekämpfung fortbestehen, ohne dass effektive Bestrebungen unternommen werden, um diese zu schliessen.</p><p>Bemängelt wird, dass zwei langjährige Empfehlungen der Schutz für Whistleblower im privaten Sektor und die</p><p>Erhöhung der gesetzlichen Höchststrafe für Korruption nicht umgesetzt werden. Auch die neu geschaffene parlamentarische Delegation zur Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen der OECD wurde durch die OECD entsprechend sensibilisiert. Dies hat innerhalb der Delegation Diskussionen über mögliche Hebel ausgelöst, die eine politische Behandlung dieser Problematik ermöglichen.</p><p>Ohne verbindlichen Rechtsrahmen mit Schutzmassnahmen für Whistleblowern im privaten Sektor steht die Schweiz in Europa besonders isoliert da. Seit 2021 verlangt die EU-Richtlinie 2019/1937, dass Informanten, die Verstösse gegen das Unionsrecht melden, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor zu schützen sind.</p><p>Bezüglich der Sanktionen für natürliche und juristische Personen verlangt die OECD-Konvention, dass sie "wirksam, verhältnismässig und abschreckend" sind (Artikel 3 Absatz 1). Die gemäss Artikel 102 des Strafgesetzbuchs geltenden Sanktionen, die auf 5 Millionen Schweizer Franken begrenzt sind, erfüllen laut OECD diese Kriterien nicht.</p><p>Mit den geforderten Verschärfungen der Rechtnormen wird die Wirksamkeit der Korruptionsbekämpfung verbessert und verhindert, dass der internationale Druck auf die Schweiz in diesem Bereich weiter steigt.</p>
  • <p>Auch wenn der Bundesrat dem Anliegen der Motion für eine Anpassung des Dispositivs zur Korruptionsbekämpfung und möglichen zusätzlichen Massnahmen positiv gegenübersteht, so hat er dennoch folgende Vorbehalte gegenüber der Motion:</p><p>&nbsp;</p><p>Zu Ziffer 1: Der Bundesrat teilt die in der Motion geäusserte Auffassung, wonach für den Schutz von Whistleblowern, welche möglichweise rechtswidrige Verhaltensweisen im privaten Sektor melden, ein spezifischer Rechtsrahmen sinnvoll ist. Entsprechend legte er dem Parlament bereits 2013 eine Gesetzesvorlage zum Whistleblowing sowie auf Verlangen des Parlaments 2019 eine Zusatzbotschaft vor (13.094). Die beiden Vorlagen wurden in der Folge abgelehnt, und zwar in Kenntnis sowohl der Position der OECD und ihrer Mitgliedstaaten als auch der Entwicklungen des Rechtsrahmens in der EU. Daher hielt der Bundesrat im Rahmen der entsprechenden Beratungen im Jahr 2020 auch fest, dass er keine weiteren Vorschläge zu machen gedenkt. Seither haben sich auf nationaler Ebene weder neue Erkenntnisse noch Aspekte ergeben, welche einen politischen Konsens naheliegend erscheinen lassen. Auch die vorliegende Motion enthält keine neuen politischen Eckwerte, die eine mehrheitsfähige Vorlage erwarten liessen. Ohne konkrete und breit abgestützte Vorschläge aus dem Parlament erscheint die Erarbeitung einer neuen, dritten Vorlage nicht erfolgsversprechend.</p><p>&nbsp;</p><p>Zu Ziffer 2: Der gesetzliche Strafrahmen gemäss Artikel 102 des Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) von 5 Millionen Franken widerspiegelt nur einen Aspekt des strafrechtlichen Arsenals gegen fehlbare Unternehmen. So wurden in den vergangenen Jahren in verschiedenen Fällen neben Bussen in Millionenhöhe zusätzlich Vermögenswerte von bis zu 200 Millionen Franken eingezogen (vgl. u.a. den Strafbefehl der Bundesanwaltschaft vom 21.12.2016 gegen die brasilianische Firma O. SA). Insgesamt kann die Anwendung von Artikel 102 StGB zu ausgesprochen hohen Sanktionen für Unternehmen führen. Der Bundesrat sieht deshalb weder eine Notwendigkeit noch den rechtlichen Spielraum für die beantragte Erhöhung des Bussenrahmens für Unternehmen nach Artikel 102 StGB. Bei natürlichen Personen beträgt die gesetzliche Obergrenze im StGB grundsätzlich 10'000 Franken (Art. 106 StGB; im Nebenstrafrecht wird die Grenze teilweise deutlich höher angesetzt, z.B. bis 500'000 Franken in Art. 131 des Bundesgesetzes über die Geldspiele, SR 935.51). Für Unternehmen ist der gesetzliche Rahmen im Kernstrafrecht somit ungleich höher festgesetzt. Die Strafdrohung von 5 Millionen Franken steht im Verhältnis zum Unrecht, welches mit dem Organisationsverschulden einhergeht. Es sei daran erinnert, dass mit Artikel 102 Absatz 2 StGB nicht Tatbestände wie Geldwäscherei oder Bestechung bestraft werden, sondern Organisationsmängel im Dispositiv zur Verhinderung solcher Delikte. Es geht bei Artikel 102 StGB also um das Nichtverhindern von Straftaten, nicht um deren Begehung. In der Sache kann das einer Gehilfenschaft (Art. 25 StGB) entsprechen, zuweilen nur fahrlässig begangen. Deshalb orientiert sich der gesetzliche Strafrahmen grundsätzlich nicht an der Anlasstat (z.B. Geldwäscherei oder Korruption). Die allfällige Finanzstärke von Konzernen spielt bei der Festsetzung des gesetzlichen Strafrahmens, im Gegensatz zur Bemessung der Strafe durch ein Gericht, nur eine untergeordnete Rolle. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Einziehung von Vermögenswerten kann Artikel 102 StGB damit zu ausgesprochen hohen strafrechtlichen Sanktionen führen. Von Seiten der OECD wird diese Sichtweise bekanntlich nicht geteilt, wonach es sich bei der Einziehung um eine strafrechtliche Sanktion handelt, sodass sich die Schweiz auch weiterhin mit diesbezüglichen Forderungen auseinandersetzen und nach einer Lösung suchen wird.</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat verfolgt die Diskussion auf internationaler Ebene, insbesondere im Rahmen der OECD sowie der EU, weiter und bleibt offen für die Anpassung des Dispositivs zur Korruptionsbekämpfung. Er verweist in diesem Kontext auch auf die Strategie des Bundesrates gegen die Korruption 2021-2024 mit der in Massnahme 27 statuierten Prüfungspflicht des Bundes im Kontext der Sanktionen für juristische Personen.</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die nationale Umsetzung der OECD-Anti-Korruptionskonvention mit den </p><p>geltenden OECD-Standards in Einklang zu bringen durch:</p><p>1. Die Schaffung eines geeigneten Rechtsrahmens für den Schutz von Whistleblowern im privaten </p><p>Sektor.</p><p>2. Die Erhöhung der gesetzlichen Höchststrafe für juristische Personen in Artikel 102 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs.</p>
  • OECD-Antikorruptionskonvention. Verschärfung der nationalen Umsetzung
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die OECD kritisiert die Schweiz immer lauter, weil erkannte Lücken im schweizerischen Dispositiv zur Korruptionsbekämpfung fortbestehen, ohne dass effektive Bestrebungen unternommen werden, um diese zu schliessen.</p><p>Bemängelt wird, dass zwei langjährige Empfehlungen der Schutz für Whistleblower im privaten Sektor und die</p><p>Erhöhung der gesetzlichen Höchststrafe für Korruption nicht umgesetzt werden. Auch die neu geschaffene parlamentarische Delegation zur Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen der OECD wurde durch die OECD entsprechend sensibilisiert. Dies hat innerhalb der Delegation Diskussionen über mögliche Hebel ausgelöst, die eine politische Behandlung dieser Problematik ermöglichen.</p><p>Ohne verbindlichen Rechtsrahmen mit Schutzmassnahmen für Whistleblowern im privaten Sektor steht die Schweiz in Europa besonders isoliert da. Seit 2021 verlangt die EU-Richtlinie 2019/1937, dass Informanten, die Verstösse gegen das Unionsrecht melden, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor zu schützen sind.</p><p>Bezüglich der Sanktionen für natürliche und juristische Personen verlangt die OECD-Konvention, dass sie "wirksam, verhältnismässig und abschreckend" sind (Artikel 3 Absatz 1). Die gemäss Artikel 102 des Strafgesetzbuchs geltenden Sanktionen, die auf 5 Millionen Schweizer Franken begrenzt sind, erfüllen laut OECD diese Kriterien nicht.</p><p>Mit den geforderten Verschärfungen der Rechtnormen wird die Wirksamkeit der Korruptionsbekämpfung verbessert und verhindert, dass der internationale Druck auf die Schweiz in diesem Bereich weiter steigt.</p>
    • <p>Auch wenn der Bundesrat dem Anliegen der Motion für eine Anpassung des Dispositivs zur Korruptionsbekämpfung und möglichen zusätzlichen Massnahmen positiv gegenübersteht, so hat er dennoch folgende Vorbehalte gegenüber der Motion:</p><p>&nbsp;</p><p>Zu Ziffer 1: Der Bundesrat teilt die in der Motion geäusserte Auffassung, wonach für den Schutz von Whistleblowern, welche möglichweise rechtswidrige Verhaltensweisen im privaten Sektor melden, ein spezifischer Rechtsrahmen sinnvoll ist. Entsprechend legte er dem Parlament bereits 2013 eine Gesetzesvorlage zum Whistleblowing sowie auf Verlangen des Parlaments 2019 eine Zusatzbotschaft vor (13.094). Die beiden Vorlagen wurden in der Folge abgelehnt, und zwar in Kenntnis sowohl der Position der OECD und ihrer Mitgliedstaaten als auch der Entwicklungen des Rechtsrahmens in der EU. Daher hielt der Bundesrat im Rahmen der entsprechenden Beratungen im Jahr 2020 auch fest, dass er keine weiteren Vorschläge zu machen gedenkt. Seither haben sich auf nationaler Ebene weder neue Erkenntnisse noch Aspekte ergeben, welche einen politischen Konsens naheliegend erscheinen lassen. Auch die vorliegende Motion enthält keine neuen politischen Eckwerte, die eine mehrheitsfähige Vorlage erwarten liessen. Ohne konkrete und breit abgestützte Vorschläge aus dem Parlament erscheint die Erarbeitung einer neuen, dritten Vorlage nicht erfolgsversprechend.</p><p>&nbsp;</p><p>Zu Ziffer 2: Der gesetzliche Strafrahmen gemäss Artikel 102 des Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) von 5 Millionen Franken widerspiegelt nur einen Aspekt des strafrechtlichen Arsenals gegen fehlbare Unternehmen. So wurden in den vergangenen Jahren in verschiedenen Fällen neben Bussen in Millionenhöhe zusätzlich Vermögenswerte von bis zu 200 Millionen Franken eingezogen (vgl. u.a. den Strafbefehl der Bundesanwaltschaft vom 21.12.2016 gegen die brasilianische Firma O. SA). Insgesamt kann die Anwendung von Artikel 102 StGB zu ausgesprochen hohen Sanktionen für Unternehmen führen. Der Bundesrat sieht deshalb weder eine Notwendigkeit noch den rechtlichen Spielraum für die beantragte Erhöhung des Bussenrahmens für Unternehmen nach Artikel 102 StGB. Bei natürlichen Personen beträgt die gesetzliche Obergrenze im StGB grundsätzlich 10'000 Franken (Art. 106 StGB; im Nebenstrafrecht wird die Grenze teilweise deutlich höher angesetzt, z.B. bis 500'000 Franken in Art. 131 des Bundesgesetzes über die Geldspiele, SR 935.51). Für Unternehmen ist der gesetzliche Rahmen im Kernstrafrecht somit ungleich höher festgesetzt. Die Strafdrohung von 5 Millionen Franken steht im Verhältnis zum Unrecht, welches mit dem Organisationsverschulden einhergeht. Es sei daran erinnert, dass mit Artikel 102 Absatz 2 StGB nicht Tatbestände wie Geldwäscherei oder Bestechung bestraft werden, sondern Organisationsmängel im Dispositiv zur Verhinderung solcher Delikte. Es geht bei Artikel 102 StGB also um das Nichtverhindern von Straftaten, nicht um deren Begehung. In der Sache kann das einer Gehilfenschaft (Art. 25 StGB) entsprechen, zuweilen nur fahrlässig begangen. Deshalb orientiert sich der gesetzliche Strafrahmen grundsätzlich nicht an der Anlasstat (z.B. Geldwäscherei oder Korruption). Die allfällige Finanzstärke von Konzernen spielt bei der Festsetzung des gesetzlichen Strafrahmens, im Gegensatz zur Bemessung der Strafe durch ein Gericht, nur eine untergeordnete Rolle. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Einziehung von Vermögenswerten kann Artikel 102 StGB damit zu ausgesprochen hohen strafrechtlichen Sanktionen führen. Von Seiten der OECD wird diese Sichtweise bekanntlich nicht geteilt, wonach es sich bei der Einziehung um eine strafrechtliche Sanktion handelt, sodass sich die Schweiz auch weiterhin mit diesbezüglichen Forderungen auseinandersetzen und nach einer Lösung suchen wird.</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat verfolgt die Diskussion auf internationaler Ebene, insbesondere im Rahmen der OECD sowie der EU, weiter und bleibt offen für die Anpassung des Dispositivs zur Korruptionsbekämpfung. Er verweist in diesem Kontext auch auf die Strategie des Bundesrates gegen die Korruption 2021-2024 mit der in Massnahme 27 statuierten Prüfungspflicht des Bundes im Kontext der Sanktionen für juristische Personen.</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die nationale Umsetzung der OECD-Anti-Korruptionskonvention mit den </p><p>geltenden OECD-Standards in Einklang zu bringen durch:</p><p>1. Die Schaffung eines geeigneten Rechtsrahmens für den Schutz von Whistleblowern im privaten </p><p>Sektor.</p><p>2. Die Erhöhung der gesetzlichen Höchststrafe für juristische Personen in Artikel 102 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs.</p>
    • OECD-Antikorruptionskonvention. Verschärfung der nationalen Umsetzung

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