Vollzeitarbeit muss attraktiver werden!
- ShortId
-
23.4010
- Id
-
20234010
- Updated
-
25.04.2024 11:34
- Language
-
de
- Title
-
Vollzeitarbeit muss attraktiver werden!
- AdditionalIndexing
-
44;2446
- 1
-
- PriorityCouncil1
-
Ständerat
- Texts
-
- <p>Mit verschiedenen Massnahmen wurden in der letzten Zeit die Rahmenbedingungen für Teilzeiterwerbstätige verbessert. Nun müssen Massnahmen zur Attraktivierung der Vollzeiterwerbstätigkeit folgen. Die Fakten zeigen ein klares Bild: Teilzeitarbeit ist stark auf dem Vormarsch, und dies nicht nur in der Familienphase, die Attraktivität der Teilzeitarbeit steigt generell. Mit Blick auf die demografische Alterung und den sich massiv verschärfenden Fachkräftemangel ist die Förderung der Vollzeiterwerbs-tätigkeit und die Stärkung der Anreize zur (Wieder-)Aufstockung von Pensen nun jedoch ebenso wichtig und dringlich.</p><p>Die Attraktivierung der Vollzeiterwerbsarbeit dürfte längerfristig das wichtigste Instrument im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel sein. Das gilt nicht nur für viele gewerbliche Branchen, sondern auch für wichtige Dienstleistungsbereiche wie Pflege oder Bildung. So bezeichnet etwa der renommierte Bildungsforscher Stefan Wolter die Teilzeit als wesentlichen Treiber des Lehrkräftemangels; heute müssten zwei bis drei Lehrkräfte ausgebildet werden pro Vollzeitpensum (Sonntagszeitung vom 13.8.2023). </p><p>Vollzeitpensen verbessern die Altersvorsorge der Erwerbstätigen und dämmen auch das Wachstum der Ergänzungsleistungen ein, was auch im Interesse der Staatshaushalte ist. Längerfristig wird zudem auch das Steuersubstrat gestärkt. Anreize sind wichtig, damit bspw. Teilzeiterwerbstätige nach der Familienphase ihr Pensum wieder erhöhen. Last but not least wird auch die Zuwanderung gebremst, wenn fehlende personelle Ressourcen mit brach liegendem inländischen Arbeitskräftepotenzial gefüllt werden.</p><p>In der Wissenschaft ist zudem klar: Vollzeiterwerbstätigkeit schränkt die Freizeit ein und ist damit auch mit höheren direkten oder mindestens indirekten Kosten verbunden (vgl. NZZ vom 28.3.2023, Interview mit Frau Professor Monika Bütler). Wer Vollzeit arbeitet, muss regelmässig auf kostenpflichtige Unterstützung bspw. in der Haushaltführung zurückgreifen und hat weniger Möglichkeiten, auf günstigere Marktangebote einzugehen. Freizeit gehört deshalb ebenso wie das Einkommen zur (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit einer steuerpflichtigen Person.</p>
- <div><p><span style="font-size: 14px;">Der Bundesrat unterstützt das Ziel, das inländische Arbeitskräftepotenzial zu mobilisieren und damit den Fachkräftemangel zu reduzieren. Er weist dabei auch auf die vom Parlament verlangte Vorlage zur Einführung der Individualbesteuerung hin, mit der die Erwerbsanreize gezielt gestärkt würden. Die geltende gemeinsame Besteuerung erzeugt ungünstige Erwerbsanreize, weil das (tiefere) Zweiteinkommen aufgrund der Progression einer deutlich höheren Steuerbelastung unterliegt als das (höhere) Ersteinkommen. Bei der Individualbesteuerung fällt demgegenüber die Steuerbelastung auf dem Zweiteinkommen tiefer aus als auf dem Ersteinkommen, bis es die Höhe des Ersteinkommens erreicht hat. Empirisch lässt sich feststellen, dass viele Zweitverdienende Teilzeit mit geringen Pensen arbeiten und in Bezug auf ihr Arbeitsangebot elastischer reagieren als Erstverdienende. Deshalb liegt bei den Zweitverdienenden ein grosses Fachkräftepotenzial auf dem Arbeitsmarkt brach. Der Bundesrat wird die Botschaft zur Einführung der Individualbesteuerung im März 2024 basierend auf den bereits beschlossenen Eckwerten verabschieden.</span></p><p><span style="font-size: 14px;"> </span></p><p><span style="font-size: 14px;">Die Einkommenssteuer erzeugt zudem eine Verzerrung, weil sie das Einkommen aus Erwerbstätigkeit erfasst, nicht aber Schatteneinkommen beispielweise aus (überdurchschnittlicher) Freizeit, wie der Bundesrat bereits in Beantwortung der Interpellation Silberschmidt 23.3057 «Arbeit muss sich lohnen. Welche staatlichen Fehlanreize bestehen?» dargelegt hat. Es bestehen daher vor allem bei höheren Einkommen negative Anreize, die Teilzeiterwerbstätige von einem Vollzeitpensum abhalten können.</span></p><p><span style="font-size: 14px;"> </span></p><p><span style="font-size: 14px;">Dennoch erachtet es der Bundesrat gegenwärtig nicht als opportun, ohne vertiefte Prüfung zusätzliche Massnahmen umzusetzen, die zu voraussichtlich bedeutenden Mitnahmeeffekten und zusätzlichen Mindereinnahmen führen würden. Er ist hingegen bereit, im Rahmen des Postulats Walti 23.3752 «Attraktiv bleiben, Finanzen sichern. Die Schweiz braucht eine langfristige Steuer- und Standortstrategie» mögliche Massnahmen zur Attraktivierung von höheren Arbeitspensen namentlich vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels darzulegen.</span></p></div><br><br>Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
- <p>Der Bundesrat wird eingeladen, dem Parlament eine Vorlage zur Einführung eines steuerlichen Abzugs für Vollzeiterwerbstätigkeit vorzulegen. Der Abzug soll - wie der Abzug für die gebundene Vorsorge - unabhängig vom Zivilstand pro Steuersubjekt und sowohl für die Bundessteuer als auch für die kantonalen Steuern gelten. Die Höhe soll dem maximalen Betrag des Abzugs für die gebundene Vorsorge 3a (Stand 2023: CHF 7’053) entsprechen.</p>
- Vollzeitarbeit muss attraktiver werden!
- State
-
In Kommission des Ständerats
- Related Affairs
-
- Drafts
-
-
- Index
- 0
- Texts
-
- <p>Mit verschiedenen Massnahmen wurden in der letzten Zeit die Rahmenbedingungen für Teilzeiterwerbstätige verbessert. Nun müssen Massnahmen zur Attraktivierung der Vollzeiterwerbstätigkeit folgen. Die Fakten zeigen ein klares Bild: Teilzeitarbeit ist stark auf dem Vormarsch, und dies nicht nur in der Familienphase, die Attraktivität der Teilzeitarbeit steigt generell. Mit Blick auf die demografische Alterung und den sich massiv verschärfenden Fachkräftemangel ist die Förderung der Vollzeiterwerbs-tätigkeit und die Stärkung der Anreize zur (Wieder-)Aufstockung von Pensen nun jedoch ebenso wichtig und dringlich.</p><p>Die Attraktivierung der Vollzeiterwerbsarbeit dürfte längerfristig das wichtigste Instrument im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel sein. Das gilt nicht nur für viele gewerbliche Branchen, sondern auch für wichtige Dienstleistungsbereiche wie Pflege oder Bildung. So bezeichnet etwa der renommierte Bildungsforscher Stefan Wolter die Teilzeit als wesentlichen Treiber des Lehrkräftemangels; heute müssten zwei bis drei Lehrkräfte ausgebildet werden pro Vollzeitpensum (Sonntagszeitung vom 13.8.2023). </p><p>Vollzeitpensen verbessern die Altersvorsorge der Erwerbstätigen und dämmen auch das Wachstum der Ergänzungsleistungen ein, was auch im Interesse der Staatshaushalte ist. Längerfristig wird zudem auch das Steuersubstrat gestärkt. Anreize sind wichtig, damit bspw. Teilzeiterwerbstätige nach der Familienphase ihr Pensum wieder erhöhen. Last but not least wird auch die Zuwanderung gebremst, wenn fehlende personelle Ressourcen mit brach liegendem inländischen Arbeitskräftepotenzial gefüllt werden.</p><p>In der Wissenschaft ist zudem klar: Vollzeiterwerbstätigkeit schränkt die Freizeit ein und ist damit auch mit höheren direkten oder mindestens indirekten Kosten verbunden (vgl. NZZ vom 28.3.2023, Interview mit Frau Professor Monika Bütler). Wer Vollzeit arbeitet, muss regelmässig auf kostenpflichtige Unterstützung bspw. in der Haushaltführung zurückgreifen und hat weniger Möglichkeiten, auf günstigere Marktangebote einzugehen. Freizeit gehört deshalb ebenso wie das Einkommen zur (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit einer steuerpflichtigen Person.</p>
- <div><p><span style="font-size: 14px;">Der Bundesrat unterstützt das Ziel, das inländische Arbeitskräftepotenzial zu mobilisieren und damit den Fachkräftemangel zu reduzieren. Er weist dabei auch auf die vom Parlament verlangte Vorlage zur Einführung der Individualbesteuerung hin, mit der die Erwerbsanreize gezielt gestärkt würden. Die geltende gemeinsame Besteuerung erzeugt ungünstige Erwerbsanreize, weil das (tiefere) Zweiteinkommen aufgrund der Progression einer deutlich höheren Steuerbelastung unterliegt als das (höhere) Ersteinkommen. Bei der Individualbesteuerung fällt demgegenüber die Steuerbelastung auf dem Zweiteinkommen tiefer aus als auf dem Ersteinkommen, bis es die Höhe des Ersteinkommens erreicht hat. Empirisch lässt sich feststellen, dass viele Zweitverdienende Teilzeit mit geringen Pensen arbeiten und in Bezug auf ihr Arbeitsangebot elastischer reagieren als Erstverdienende. Deshalb liegt bei den Zweitverdienenden ein grosses Fachkräftepotenzial auf dem Arbeitsmarkt brach. Der Bundesrat wird die Botschaft zur Einführung der Individualbesteuerung im März 2024 basierend auf den bereits beschlossenen Eckwerten verabschieden.</span></p><p><span style="font-size: 14px;"> </span></p><p><span style="font-size: 14px;">Die Einkommenssteuer erzeugt zudem eine Verzerrung, weil sie das Einkommen aus Erwerbstätigkeit erfasst, nicht aber Schatteneinkommen beispielweise aus (überdurchschnittlicher) Freizeit, wie der Bundesrat bereits in Beantwortung der Interpellation Silberschmidt 23.3057 «Arbeit muss sich lohnen. Welche staatlichen Fehlanreize bestehen?» dargelegt hat. Es bestehen daher vor allem bei höheren Einkommen negative Anreize, die Teilzeiterwerbstätige von einem Vollzeitpensum abhalten können.</span></p><p><span style="font-size: 14px;"> </span></p><p><span style="font-size: 14px;">Dennoch erachtet es der Bundesrat gegenwärtig nicht als opportun, ohne vertiefte Prüfung zusätzliche Massnahmen umzusetzen, die zu voraussichtlich bedeutenden Mitnahmeeffekten und zusätzlichen Mindereinnahmen führen würden. Er ist hingegen bereit, im Rahmen des Postulats Walti 23.3752 «Attraktiv bleiben, Finanzen sichern. Die Schweiz braucht eine langfristige Steuer- und Standortstrategie» mögliche Massnahmen zur Attraktivierung von höheren Arbeitspensen namentlich vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels darzulegen.</span></p></div><br><br>Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
- <p>Der Bundesrat wird eingeladen, dem Parlament eine Vorlage zur Einführung eines steuerlichen Abzugs für Vollzeiterwerbstätigkeit vorzulegen. Der Abzug soll - wie der Abzug für die gebundene Vorsorge - unabhängig vom Zivilstand pro Steuersubjekt und sowohl für die Bundessteuer als auch für die kantonalen Steuern gelten. Die Höhe soll dem maximalen Betrag des Abzugs für die gebundene Vorsorge 3a (Stand 2023: CHF 7’053) entsprechen.</p>
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