Wie kann für Opfer chemischer Unterwerfung der Zugang zur Justiz verbessert werden?
- ShortId
-
25.3070
- Id
-
20253070
- Updated
-
14.11.2025 03:17
- Language
-
de
- Title
-
Wie kann für Opfer chemischer Unterwerfung der Zugang zur Justiz verbessert werden?
- AdditionalIndexing
-
1216;28
- 1
-
- PriorityCouncil1
-
Nationalrat
- Texts
-
- <span><p><span>1./2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass zur Umsetzung der gleichlautenden Postulate 22.4565 von Falkenstein und 22.4566 Funiciello «Was brauchen Opfer von sexualisierter Gewalt?» ein Forschungsauftrag ausgelöst wurde. Ziel der Untersuchung ist es, aus der Opferperspektive abzuklären, mit welchen Hürden Opfer von sexualisierter Gewalt bei der Strafverfolgung konfrontiert sind. Zudem soll analysiert werden, warum einige Opfer von einer Anzeige absehen. Die Ergebnisse werden in verschiedene laufende Projekte einfliessen. Dazu gehören die Arbeiten zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention; SR</span><span> </span><span>0.311.35). Auch der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention 2022–2026 (NAP</span><span> </span><span>IK) oder die Roadmap von Bund und Kantonen gegen häusliche Gewalt sollen davon profitieren. Im Rahmen des Schlussberichts zum NAP</span><span> </span><span>IK im Jahr 2026 wird geprüft, ob der Aktionsplan weitergeführt werden soll. Gegebenenfalls werden neue Massnahmen im Zusammenhang mit der chemischen Unterwerfung in diese Prüfung einbezogen.</span></p><p><span> </span></p><p><span>Zudem soll die laufende Revision des Opferhilfegesetzes (siehe unten, Ziff. 3) dazu beitragen, die Beweiserhebung und die Möglichkeiten zur Auswertung von Proben zu verbessern, insbesondere bei Verdacht auf einen Übergriff durch chemische Unterwerfung. Dies könnte sich positiv auf die Anzeigenquote und die Zahl der strafrechtlichen Verurteilungen auswirken.</span></p><p><span> </span></p><p><span>3. Das Opferhilfegesetz (OHG; SR 312.5) sieht verschiedene und insbesondere medizinische Hilfeleistungen vor. Dieses Gesetz wird derzeit revidiert. Das Vernehmlassungsverfahren endete am 24. Januar 2025. Der Vorentwurf sah unter anderem vor, ein Recht für alle Opfer einzuführen, kostenlos eine rechtsmedizinische Dokumentation der Verletzungen und Spuren erstellen und aufbewahren zu lassen, unabhängig von der Eröffnung eines Strafverfahrens. So sollen beispielsweise bei Verdacht auf chemische Unterwerfung toxikologische Proben entnommen werden. </span><span>Die Kosten können im Rahmen der Opferhilfe in Form von Soforthilfe übernommen werden, wenn sie gemäss dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 4 OHG) nicht vollständig anderweitig gedeckt werden.</span><span> Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat den Gesetzesentwurf und die Botschaft bis Ende 2025 verabschiedet.</span></p><p><span> </span></p><p><span>4. Der Bundesrat kann sich nicht zum Inhalt der Beratung äussern oder diese bewerten, die Opfer von chemischer Unterwerfung bzw. sexueller Gewalt von Fachpersonen erhalten. Er kann lediglich allgemein festhalten, dass bei der Entscheidung, ob einem Opfer eine Anzeigeerstattung oder eine Laboranalyse geraten werden soll, neben dem von der Interpellantin erwähnten Faktor oftmals weitere Aspekte eine Rolle spielen dürften. Dem Bundesrat erscheint es besonders wichtig, dass das Opfer eine sorgfältige und auf den konkreten Fall zugeschnittene Beratung erhält.</span></p></span>
- <p>Chemische Unterwerfung ist ein besonders arglistiges Vorgehen, bei dem einer Person Substanzen verabreicht werden, die ihr Urteilsvermögen oder ihre Fähigkeit, sich zur Wehr zu setzen, beeinträchtigen. Die Absicht dahinter ist häufig eine Straftat, insbesondere ein sexueller Übergriff.</p><p>In seiner Antwort auf die Interpellation Jaccoud 24.4567 erläutert der Bundesrat, das Thema chemische Unterwerfung sei Teil der Schulung von Gesundheitsfachpersonen, er habe aber keine genauen Kenntnisse darüber, wie die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden die chemische Unterwerfung in ihrer Weiterbildung behandeln. Aufgrund dieser Lücke sind die Ermittlungen weniger effizient und die Opfer erfahren weniger Gerechtigkeit. Darüber hinaus zeigt die Praxis, dass es für Opfer, die sich an Fachpersonen in den Bereichen Gesundheit, Justiz und Polizei wenden, immer noch viele Hürden gibt.</p><p>Substanzen für die chemische Unterwerfung lassen sich nur mittels Laboranalysen nachweisen und werden vom Körper schnell abgebaut. Dies erschwert für die Betroffenen den Zugang zur Justiz. Besonders entscheidend für die Sammlung von Beweismitteln ist, dass die Laboranalysen möglichst schnell durchgeführt werden. Wenn die Substanz zum Zeitpunkt der Laboranalysen abgebaut ist, trägt das Opfer zudem die vollen Laborkosten. Aufgrund dieser Umstände raten Fachpersonen in den Bereichen Gesundheit, Justiz und Polizei den Opfern häufig von solchen Laboranalysen und einer Anzeige ab.</p><p>Ich bitte den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:</p><ol><li>Stimmt er mit der Interpellantin überein, dass der Zugang zur Justiz für Opfer chemischer Unterwerfung schwierig ist?</li><li>Erwägt er Massnahmen für einen einfacheren Zugang zur Justiz? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche?</li><li>Zieht der Bundesrat die systematische Kostenvergütung von Laboranalysen bei Verdacht auf chemische Unterwerfung in Betracht?</li><li>Was hält der Bundesrat von der Praxis, Opfern chemischer Unterwerfung und ganz allgemein Opfern sexueller Gewalt zu Laboranalysen oder einer Anzeige zu raten oder nicht?</li></ol>
- Wie kann für Opfer chemischer Unterwerfung der Zugang zur Justiz verbessert werden?
- State
-
Stellungnahme zum Vorstoss liegt vor
- Related Affairs
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- Drafts
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- Index
- 0
- Texts
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- <span><p><span>1./2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass zur Umsetzung der gleichlautenden Postulate 22.4565 von Falkenstein und 22.4566 Funiciello «Was brauchen Opfer von sexualisierter Gewalt?» ein Forschungsauftrag ausgelöst wurde. Ziel der Untersuchung ist es, aus der Opferperspektive abzuklären, mit welchen Hürden Opfer von sexualisierter Gewalt bei der Strafverfolgung konfrontiert sind. Zudem soll analysiert werden, warum einige Opfer von einer Anzeige absehen. Die Ergebnisse werden in verschiedene laufende Projekte einfliessen. Dazu gehören die Arbeiten zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention; SR</span><span> </span><span>0.311.35). Auch der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention 2022–2026 (NAP</span><span> </span><span>IK) oder die Roadmap von Bund und Kantonen gegen häusliche Gewalt sollen davon profitieren. Im Rahmen des Schlussberichts zum NAP</span><span> </span><span>IK im Jahr 2026 wird geprüft, ob der Aktionsplan weitergeführt werden soll. Gegebenenfalls werden neue Massnahmen im Zusammenhang mit der chemischen Unterwerfung in diese Prüfung einbezogen.</span></p><p><span> </span></p><p><span>Zudem soll die laufende Revision des Opferhilfegesetzes (siehe unten, Ziff. 3) dazu beitragen, die Beweiserhebung und die Möglichkeiten zur Auswertung von Proben zu verbessern, insbesondere bei Verdacht auf einen Übergriff durch chemische Unterwerfung. Dies könnte sich positiv auf die Anzeigenquote und die Zahl der strafrechtlichen Verurteilungen auswirken.</span></p><p><span> </span></p><p><span>3. Das Opferhilfegesetz (OHG; SR 312.5) sieht verschiedene und insbesondere medizinische Hilfeleistungen vor. Dieses Gesetz wird derzeit revidiert. Das Vernehmlassungsverfahren endete am 24. Januar 2025. Der Vorentwurf sah unter anderem vor, ein Recht für alle Opfer einzuführen, kostenlos eine rechtsmedizinische Dokumentation der Verletzungen und Spuren erstellen und aufbewahren zu lassen, unabhängig von der Eröffnung eines Strafverfahrens. So sollen beispielsweise bei Verdacht auf chemische Unterwerfung toxikologische Proben entnommen werden. </span><span>Die Kosten können im Rahmen der Opferhilfe in Form von Soforthilfe übernommen werden, wenn sie gemäss dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 4 OHG) nicht vollständig anderweitig gedeckt werden.</span><span> Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat den Gesetzesentwurf und die Botschaft bis Ende 2025 verabschiedet.</span></p><p><span> </span></p><p><span>4. Der Bundesrat kann sich nicht zum Inhalt der Beratung äussern oder diese bewerten, die Opfer von chemischer Unterwerfung bzw. sexueller Gewalt von Fachpersonen erhalten. Er kann lediglich allgemein festhalten, dass bei der Entscheidung, ob einem Opfer eine Anzeigeerstattung oder eine Laboranalyse geraten werden soll, neben dem von der Interpellantin erwähnten Faktor oftmals weitere Aspekte eine Rolle spielen dürften. Dem Bundesrat erscheint es besonders wichtig, dass das Opfer eine sorgfältige und auf den konkreten Fall zugeschnittene Beratung erhält.</span></p></span>
- <p>Chemische Unterwerfung ist ein besonders arglistiges Vorgehen, bei dem einer Person Substanzen verabreicht werden, die ihr Urteilsvermögen oder ihre Fähigkeit, sich zur Wehr zu setzen, beeinträchtigen. Die Absicht dahinter ist häufig eine Straftat, insbesondere ein sexueller Übergriff.</p><p>In seiner Antwort auf die Interpellation Jaccoud 24.4567 erläutert der Bundesrat, das Thema chemische Unterwerfung sei Teil der Schulung von Gesundheitsfachpersonen, er habe aber keine genauen Kenntnisse darüber, wie die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden die chemische Unterwerfung in ihrer Weiterbildung behandeln. Aufgrund dieser Lücke sind die Ermittlungen weniger effizient und die Opfer erfahren weniger Gerechtigkeit. Darüber hinaus zeigt die Praxis, dass es für Opfer, die sich an Fachpersonen in den Bereichen Gesundheit, Justiz und Polizei wenden, immer noch viele Hürden gibt.</p><p>Substanzen für die chemische Unterwerfung lassen sich nur mittels Laboranalysen nachweisen und werden vom Körper schnell abgebaut. Dies erschwert für die Betroffenen den Zugang zur Justiz. Besonders entscheidend für die Sammlung von Beweismitteln ist, dass die Laboranalysen möglichst schnell durchgeführt werden. Wenn die Substanz zum Zeitpunkt der Laboranalysen abgebaut ist, trägt das Opfer zudem die vollen Laborkosten. Aufgrund dieser Umstände raten Fachpersonen in den Bereichen Gesundheit, Justiz und Polizei den Opfern häufig von solchen Laboranalysen und einer Anzeige ab.</p><p>Ich bitte den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:</p><ol><li>Stimmt er mit der Interpellantin überein, dass der Zugang zur Justiz für Opfer chemischer Unterwerfung schwierig ist?</li><li>Erwägt er Massnahmen für einen einfacheren Zugang zur Justiz? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche?</li><li>Zieht der Bundesrat die systematische Kostenvergütung von Laboranalysen bei Verdacht auf chemische Unterwerfung in Betracht?</li><li>Was hält der Bundesrat von der Praxis, Opfern chemischer Unterwerfung und ganz allgemein Opfern sexueller Gewalt zu Laboranalysen oder einer Anzeige zu raten oder nicht?</li></ol>
- Wie kann für Opfer chemischer Unterwerfung der Zugang zur Justiz verbessert werden?
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