Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag

Details

ID
20220025
Title
Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag
Description
Botschaft vom 4. März 2022 zur Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes)
InitialSituation
<p><strong>Der Bundesrat verabschiedete am 4.&nbsp;März&nbsp;2022 die Botschaft zur Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes). Wie die Initiantinnen und Initianten will auch der Bundesrat die biologische Vielfalt besser schützen. Die Initiative geht dem Bundesrat jedoch zu weit, da mit ihrer Umsetzung der Handlungsspielraum von Bund und Kantonen übermässig einschränkt würde. Deshalb unterbreitete der Bundesrat dem Parlament einen indirekten Gegenvorschlag. Dieser wurde vom Nationalrat abgeändert, bevor sich der Ständerat zweimal gegen Eintreten aussprach mit der Begründung, die bestehenden Instrumente seien ausreichend. Ein Grossteil der Ratsmitglieder erkennt den Handlungsbedarf an, ist aber der Meinung, dass der Initiativtext nicht die optimale Lösung bereithält. Beide Räte empfehlen deshalb, die Initiative in der Abstimmung vom 22.&nbsp;September&nbsp;2024 abzulehnen.</strong></p><p><strong>&nbsp;</strong></p><p><strong>Ausgangslage</strong></p><p>Am 8. September 2020 hat der Trägerverein «Ja zu mehr Natur, Landschaft und Baukultur» die Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» eingereicht. Die Initiative schlägt vor, in der Bundesverfassung (BV) hinter Artikel&nbsp;78 zum Natur- und Heimatschutz einen neuen Artikel&nbsp;78a mit der Sachüberschrift «Landschaft und Biodiversität» einzufügen. Die Initiative will im Wesentlichen die Natur, die Landschaft und das baukulturelle Erbe besser schützen. Damit verfolgt sie ähnliche Ziele wie der Bund, möchte aber die bestehenden Instrumente durch eine Verankerung in der Verfassung stärken und ergänzen. Als wesentliche Ergänzungen will sie die folgenden beiden Aspekte in die Verfassung neu einführen: die ausdrückliche Verpflichtung der Kantone zur Bewahrung der Landschaften, Ortsbilder und geschichtlichen Stätten sowie einen engen Rahmen für die Interessenabwägung bei erheblichen Eingriffen in Schutzobjekte. Die Initiative verlangt zudem, dass Bund und Kantone die erforderlichen Flächen, Mittel und Instrumente zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität zur Verfügung stellen.</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Initiative und unterbreitete dem Parlament einen indirekten Gegenvorschlag, mit dem dafür gesorgt werden soll, dass schweizweit genügend Schutzflächen geschaffen werden, um dem Verlust von Tier- und Pflanzenarten entgegenzuwirken. Auch will er die Biodiversität in Siedlungsgebieten stärken und die Förderung einer hohen Baukultur gesetzlich verankern.</p><p>Quelle: Botschaft des Bundesrates</p>
Objectives
  • Number
    0
    Text
    Botschaft vom 4. März 2022 zur Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes)
    Resolutions
    Date Council Text
  • Number
    1
    Text
    Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG)
    Resolutions
    Date Council Text
    21.09.2022 1 Beschluss abweichend vom Entwurf
    13.06.2023 2 Nichteintreten
    18.09.2023 1 Eintreten
    07.12.2023 2 Nichteintreten
  • Number
    2
    Text
    Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)»
    Resolutions
    Date Council Text
    21.09.2022 1 Fristverlängerung
    21.09.2022 1 Beschluss gemäss Entwurf
    14.12.2022 2 Fristverlängerung bis zum 08.03.2024.
    07.12.2023 2 Zustimmung
    22.12.2023 1 Annahme in der Schlussabstimmung
    22.12.2023 2 Annahme in der Schlussabstimmung
Proceedings
<p><strong>Verhandlungen</strong></p><p>Das parlamentarische Geschäft&nbsp;22.025 umfasst zwei Entwürfe. Der erste — der indirekte Gegenvorschlag — beinhaltet die Änderungen des Bundesgesetzes über Natur- und Heimatschutz (NHG). Gegenstand des zweiten Entwurfs ist der Bundesbeschluss über die Biodiversitätsinitiative, die zur Ablehnung empfohlen wird. Das Stimmvolk wird im September nur über den Entwurf&nbsp;2 befinden.</p><p>&nbsp;</p><p>Von Anfang an (4.&nbsp;Juli&nbsp;2022) versuchten die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) und der Nationalrat, eine Mehrheit für den indirekten Gegenvorschlag zu gewinnen, und änderten diesen ab, um einen Kompromiss zu erzielen. Der Nationalrat beschloss am 20.&nbsp;September&nbsp;2022 mit 106 zu 78&nbsp;Stimmen bei 4&nbsp;Enthaltungen Eintreten und nahm die Detailberatung auf, die er am Tag darauf fortsetzte. Die vorgeschlagenen Lösungen führten zu keiner Einigung und die Schwesterkommission (UREK-S) beantragte zweimal (am 21.&nbsp;März&nbsp;2023 und am 28.&nbsp;Oktober&nbsp;2023) Nichteintreten. Die kleine Kammer folgte diesen Anträgen am 13.&nbsp;Juni&nbsp;2023 und am 7.&nbsp;Dezember&nbsp;2023, wobei das zweite Nichteintreten des Ständerates zur Erledigung des indirekten Gegenvorschlags führte.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Die beiden Räte befassten sich in erster Linie mit dem indirekten Gegenvorschlag. Da das Volk über diesen aber nicht abstimmt, konzentriert sich die nachfolgende Zusammenfassung auf die Beratungen zum Entwurf&nbsp;2.</p><p>&nbsp;</p><p>Die UREK-N befasste sich am 26.&nbsp;April&nbsp;2022 erstmals mit der Biodiversitätsinitiative. Am 29.&nbsp;August&nbsp;2022 folgte die Kommission dem Entwurf des Bundesrates und beantragte mit 15&nbsp;zu 7&nbsp;Stimmen bei 2&nbsp;Enthaltungen, die Initiative abzulehnen. Gleichzeitig beschloss sie, auf den Gegenvorschlag einzutreten. Für die Kommission geht die Initiative zwar zu weit, doch ist sie der Meinung, dass der besorgniserregende Zustand der Biodiversität auf die politische Agenda gesetzt werden muss und nicht von anderen Krisen verdrängt werden darf.</p><p>&nbsp;</p><p>Der <strong>Nationalrat</strong> befasste sich in der Herbstsession&nbsp;2022 mit der Initiative und dem Gegenvorschlag. Die Beratung fand vom 19.&nbsp;bis zum 21.&nbsp;September&nbsp;2022 statt. Initiative wie Gegenvorschlag waren im bürgerlichen Lager umstritten und die Unterstützung für die Initiative war relativ gering. Für den Berichterstatter der Kommission, Matthias Samuel Jauslin (RL, AG), geht die Initiative zu weit. Sie würde den Handlungsspielraum von Bund und Kantonen übermässig einschränken.</p><p>&nbsp;</p><p>Ursula Schneider Schüttel (S, FR) vertrat die Kommissionsminderheit. Sie erklärte zunächst, dass sie Präsidentin von Pro Natura ist — einer der Organisationen, welche die Initiative lanciert haben — und forderte dann ihre Kolleginnen und Kollegen auf, den Vorschlag der Initiantinnen und Initianten zu unterstützen, da die bestehenden Massnahmen nicht ausreichten und die Biodiversität in der Schweiz in einem unbefriedigenden Zustand sei. Sie betonte zudem, dass es nicht Ziel der Initiative ist, Projekte der erneuerbaren Energien zu verhindern, und dass die Initiative nicht gegen die Landwirtschaft gerichtet ist. Der Grossteil der Sozialdemokratischen Fraktion unterstützte die Minderheit Schneider Schüttel.</p><p>&nbsp;</p><p>Für die SVP-Fraktion, die von Michel Graber (V, VS) vertreten wurde, hat die Bevölkerung andere, grössere Probleme als die nicht existierende Biodiversitätskrise. Der Gegenvorschlag ist für die SVP eine Umsetzung der Initiative, die noch gar nicht angenommen wurde. Man müsse das Volk über die Initiative abstimmen lassen und aufhören, Angst vor links-grünen Initiativen zu haben. Die SVP-Fraktion lehnte daher beide Entwürfe ab.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Die durch ihre Berichterstatterin Susanne Vincenz-Stauffacher (RL, SG) vertretene FDP-Liberale Fraktion hält die Initiativanliegen zwar für lobenswert, wirft den Initiantinnen und Initianten aber vor, zu weit zu gehen und den Handlungsspielraum von Bund und Kantonen zu stark einzuschränken. Die Umsetzung von Agrar- und Energiepolitik könnte durch die übermässige Ausweitung der Schutzgebiete, zu der die Initiative führen würde, gefährdet sein.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Von der Grünen Fraktion ergriffen Delphine Klopfenstein Broggini (G, GE) und Bastien Girod (G, ZH) das Wort und erklärten, dass ihre Fraktion die Initiative unterstützt, da die Biodiversität ein echter Trumpf bei der Bekämpfung des Klimawandels darstelle. Eine lokale, arten- und sortenreiche Biodiversität habe mehr Ressourcen, um sich anzupassen. Der Biodiversität in der Schweiz gehe es heute sehr schlecht und mit der Initiative könnte deren Schutz erhöht werden.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Roland Fischer (GL, LU) dankte den Initiantinnen und Initianten dafür, dass sie dem Verlust der Biodiversität neue Dringlichkeit verliehen haben, selbst wenn die Initiative gewisse Schwächen aufweise. In den Augen der Grünliberalen Fraktion müssen die finanziellen Mittel bereitgestellt werden, die nötig sind, um dem Rückgang der Artenvielfalt Einhalt zu gebieten. Nationalrat Fischer hielt fest, ein Teil seiner Fraktion werde sich beim Bundesbeschluss, mit welchem die Ablehnung der Initiative empfohlen wird, der Stimme enthalten. Ein anderer Teil aber werde die Annahme der Initiative empfehlen.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Am 21.&nbsp;September&nbsp;2022 nahm der Nationalrat den Antrag des Bundesrates und der Kommissionsmehrheit auf Ablehnung der Initiative mit 101 zu 72&nbsp;Stimmen bei 19&nbsp;Enthaltungen an.</p><p>&nbsp;</p><p>Am 14.&nbsp;Dezember&nbsp;2022 sprach sich der <strong>Ständerat</strong> dafür aus, die Behandlungsfrist um ein Jahr zu verlängern, um mehr Zeit für die Prüfung des indirekten Gegenvorschlags zu haben.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Im Jahr&nbsp;2023 war der Grossteil der Arbeiten der UREK-S und des Ständerates zum Geschäft&nbsp;22.025 dem indirekten Gegenvorschlag gewidmet. Am 13.&nbsp;Juni&nbsp;2023 folgte der Ständerat dem Antrag seiner Kommission und trat nicht auf den Gegenvorschlag ein. Nach diesem Beschluss versuchten die UREK-N und der Nationalrat, den Gegenvorschlag zu retten — allerdings ohne Erfolg, sprach sich die kleine Kammer am 7.&nbsp;Dezember&nbsp;2023 doch erneut gegen das Eintreten aus.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Am gleichen Tag befand der Ständerat auch über die Initiative. In den Augen des Berichterstatters der Kommission, Beat Rieder (M-E, VS) würde die Umsetzung der Initiative zu unüberwindbaren Zielkonflikten führen, so beispielsweise mit der Energiepolitik (Verschlechterung der Versorgungslage beim Strom) oder der Agrarpolitik (bedeutender Kulturlandverlust). Die Einschränkung des Handlungsspielraums von Bund und Kantonen (Streichung bzw. Begrenzung gewisser kantonaler Kompetenzen) ist für die Kommission nicht akzeptabel. Zu guter Letzt würden der ungeschmälerte Schutz und Erhalt der Kernzonen der Schutzgebiete zahlreiche Aktivitäten wie den Tourismus und die Landwirtschaft einschränken. Die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Schweiz seien nicht hinnehmbar. Die Biodiversitätsstrategie von 2012 ermögliche einen ausreichenden Schutz durch Bund und Kantone.</p><p>&nbsp;</p><p>Mathilde Crevoisier Crelier (S, JU) vertrat die Minderheit, welche die Initiative annehmen und auf den Gegenvorschlag eintreten wollte. Die Initiative fordere mehr Flächen und Mittel für die Biodiversität, ohne zu unverhältnismässigen Einschränkungen und zu Umsetzungsschwierigkeiten zu führen, wie behauptet werde. Ständerätin Crevoisier Crelier erinnerte auch daran, dass in der Schweiz bis zu 75&nbsp;Prozent bestimmter Arten kurz- oder bestenfalls mittelfristig bedroht sind und die Schweiz damit im Vergleich zum umliegenden Ausland in Sachen Biodiversität das Schlusslicht bildet.</p><p>&nbsp;</p><p>Nach dem zweiten Nichteintreten auf den Gegenvorschlag wurde der Mehrheitsantrag (Initiative zur Ablehnung empfehlen) mit 32 zu 12&nbsp;Stimmen (ohne Enthaltung) angenommen.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p><strong>Die Schlussabstimmungen fanden am 22.&nbsp;Dezember&nbsp;2023 statt. Im Nationalrat wurde der Entwurf des Bundesbeschlusses, mit dem die Ablehnung der Initiative empfohlen wird, von der gesamten SVP-Fraktion sowie von praktisch allen Mitgliedern der FDP-Liberalen Fraktion und der Mitte-Fraktion unterstützt. Die Sozialdemokratische und die Grüne Fraktion sowie einige Mitglieder der Grünliberalen Fraktion lehnten den Entwurf ab, der letztlich mit 124 zu 72&nbsp;Stimmen bei 2&nbsp;Enthaltungen angenommen wurde. Der Ständerat nahm ihn gleichentags mit 33 zu 12&nbsp;Stimmen (ohne Enthaltung) an.</strong></p><p>Quellen: Keystone-ATS / Amtliches Bulletin</p><p>&nbsp;</p><p><strong>Die Volksinitiative wurde in der Volksabstimmung vom 22. September 2024 mit 63,04% Nein- Stimmen sowie 19 ganzen und 5 halben Standesstimmen abgelehnt.</strong></p>
Updated
15.10.2024 11:44

Back to List