Neue Form der Zusammenarbeit mit Osteuropa
- ShortId
-
93.3432
- Id
-
19933432
- Updated
-
10.04.2024 08:22
- Language
-
de
- Title
-
Neue Form der Zusammenarbeit mit Osteuropa
- AdditionalIndexing
-
- 1
-
- PriorityCouncil1
-
Nationalrat
- Texts
-
- <p>Obwohl einige Glückspropheten ankünden, es werde der westlichen Wirtschaft bald wieder besser gehen - über das "Wie" und das "Wann" schweigen sie sich allerdings manchmal aus - wird in den meisten Analysen ernsthaft bezweifelt, dass in naher Zukunft mit einem Wiederaufschwung unserer Wirtschaft und erneuter Vollbeschäftigung zu rechnen ist.</p><p>Allem Anschein nach erleben wir heute tiefgreifende Veränderungen, die struktureller Art und nicht konjunkturbedingt sind; dieser Wandel ist begleitet von einer beunruhigenden und ständig wachsenden Arbeitslosigkeit, die vor allem Frauen, ältere Erwerbstätige und Junge sowie fast alle Erwerbszweige trifft.</p><p>Für viele Menschen hat man, wie man weiss, noch keine befriedigende Lösung gefunden; wir gehen jedoch davon aus, dass unser Sozialsystem nach der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft nicht zusammenbricht und dass unsere Gesellschaft bereit ist, für all jene einzuspringen, die nicht in den Produktionsprozess einbezogen sind. Die entsprechenden Aufwendungen beliefen sich 1990 gesamthaft auf 503 Millionen, 1991 auf 1'340 Millionen und 1992 auf 3'462 Millionen Franken. Anstössig ist die Arbeitslosenentschädigung nicht aus sozialer, sondern aus wirtschaftlicher Sicht. A. Gavillet fragt sich in "Les temps du travail", wie sich dieses Geld vernünftiger einsetzen liesse. </p><p>Wenn man sieht, wie der Produktionssektor permanent gut qualifizierte Leute entlässt und der Dienstleistungssektor - die öffentlichen Dienste eingeschlossen - Stellen von Leuten, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden, nicht wieder besetzt und dadurch der kommenden ausgebildeten Generation vorenthält, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass die 160'000 Arbeitslosen eine Verschwendung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Energie darstellen. Eine Gesellschaft, die leistungsfähig sein will, kann eine solche Vergeudung kaum hinnehmen!</p><p>Diese Situation darf umso weniger akzeptiert werden, als diese Kompetenzen unweit der Schweiz, vornehmlich in den Ländern Zentral- und Osteuropas, unter der Voraussetzung, dass gewisse Absicherungsmassnahmen getroffen werden, sehr gut eingesetzt werden könnten. Die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten in diesen Ländern erfordert eine gewisse Anzahl von Vorbereitungsmassnahmen wie </p><p>- die Erstellung eines Arbeitsprogramms im Rahmen ausgewählter und offiziell unterstützter Projekte;</p><p>- die vorgängige Festlegung von Aufnahmebedingungen;</p><p>- die Bildung von Arbeitsequipen, um den Gefahren vorzubeugen, die mit der Isolierung in einem fremden Land verbunden sind.</p><p>Diese Massnahmen stellen keine besonderen Probleme, und man darf ohne weiteres davon ausgehen, dass Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Bundesverwaltung sie mit vereinten Kräften zu verwirklichen wissen.</p><p>Wir wissen, dass die Mobilität ihre Grenzen hat und die Arbeit im Ausland, und zwar unter schwierigeren Bedingungen als in der Schweiz, nicht unbedingt für alle eine verlockende Perspektive darstellt. Wir sind aber überzeugt, dass manche Arbeitslose angesichts der Demütigungen und der inneren Belastung, denen sie ausgesetzt sind, bereit wären, unter gewissen Voraussetzungen ins Ausland zu gehen, um dort unter neuen Bedingungen zu arbeiten und dadurch ihrem Leben wieder seinen vollen Sinn zu geben.</p><p>Besuche in diesen Ländern zeigen, dass es dort unzählige Arbeitsmöglichkeiten gibt. Sie reichen von der Ausbildung von Landmaschinenmechanikern und Bankverwaltern über die Wiederbelebung von Industriekomplexen in verschiedenen Produktionszweigen bis zur Zusammenarbeit im Hoch- und Tiefbau, von der Wiedereinführung des Gewerbes bis zur Schaffung elementarer Infrastrukturen. Es könnte Entscheidendes getan werden, ohne dass der Arbeitsmarkt des betreffenden Landes gestört würde, ganz im Gegenteil.</p><p>Wenn wir davon ausgehen, dass 10 Prozent der Arbeitslosen sich bereit erklären, im Rahmen eines solchen Programms zu arbeiten, könnten immerhin 16'000 Menschen, die erneut ihren Beruf ausüben, ihrem Leben neuen Sinn geben und eine höchst wertvolle Leistung erbringen.</p><p>Ein solches Programm würde es erlauben, für die Hilfe an die osteuropäischen Länder jährlich 300 Millionen Franken einzusetzen, was etwa einer Verdoppelung unserer gegenwärtigen Leistungen gleichkäme.</p><p>Innerhalb eines Modells, das paritätisch von den verschiedenen Sozialpartnern und der Bundesverwaltung ausgearbeitet würde (wäre das nicht eine Aufgabe, die sich den Generalständen der Wirtschaft geradezu anbietet?) sind alle möglichen Varianten denkbar, insbesondere die Beurlaubung aus einem Anstellungsverhältnis, wie sie A. Gavillet vorschlägt. Diese Lösung würde es ermöglichen, einen Erwerbstätigen für eine zeitlich begrenzte Aufgabe zu beurlauben und während seiner Abwesenheit im Betrieb durch einen Arbeitslosen zu ersetzen.</p><p>Eine solche "Dreieckslösung" wäre flexibel und würde mehr Perspektiven eröffnen als eine bilaterale Lösung.</p><p>Aufgrund der zahlreichen Vorteile, die ein solches Modell bietet, ersuchen wir den Bundesrat um eine entsprechende Änderung von Artikel 72 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes.</p>
- Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
- <p>Damit die schwerwiegenden Folgen der steigenden Arbeitslosigkeit begrenzt und gleichzeitig der Zusammenarbeit mit Osteuropa neue Impulse gegeben werden können, ersuchen wir den Bundesrat, Artikel 72 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zu ändern. Vorab gilt es, Organisationen zu unterstützen, die im Hinblick auf die erwähnten Ziele neue Arbeitsmöglichkeiten erschliessen.</p>
- Neue Form der Zusammenarbeit mit Osteuropa
- State
-
Erledigt
- Related Affairs
-
- Drafts
-
-
- Index
- 0
- Texts
-
- <p>Obwohl einige Glückspropheten ankünden, es werde der westlichen Wirtschaft bald wieder besser gehen - über das "Wie" und das "Wann" schweigen sie sich allerdings manchmal aus - wird in den meisten Analysen ernsthaft bezweifelt, dass in naher Zukunft mit einem Wiederaufschwung unserer Wirtschaft und erneuter Vollbeschäftigung zu rechnen ist.</p><p>Allem Anschein nach erleben wir heute tiefgreifende Veränderungen, die struktureller Art und nicht konjunkturbedingt sind; dieser Wandel ist begleitet von einer beunruhigenden und ständig wachsenden Arbeitslosigkeit, die vor allem Frauen, ältere Erwerbstätige und Junge sowie fast alle Erwerbszweige trifft.</p><p>Für viele Menschen hat man, wie man weiss, noch keine befriedigende Lösung gefunden; wir gehen jedoch davon aus, dass unser Sozialsystem nach der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft nicht zusammenbricht und dass unsere Gesellschaft bereit ist, für all jene einzuspringen, die nicht in den Produktionsprozess einbezogen sind. Die entsprechenden Aufwendungen beliefen sich 1990 gesamthaft auf 503 Millionen, 1991 auf 1'340 Millionen und 1992 auf 3'462 Millionen Franken. Anstössig ist die Arbeitslosenentschädigung nicht aus sozialer, sondern aus wirtschaftlicher Sicht. A. Gavillet fragt sich in "Les temps du travail", wie sich dieses Geld vernünftiger einsetzen liesse. </p><p>Wenn man sieht, wie der Produktionssektor permanent gut qualifizierte Leute entlässt und der Dienstleistungssektor - die öffentlichen Dienste eingeschlossen - Stellen von Leuten, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden, nicht wieder besetzt und dadurch der kommenden ausgebildeten Generation vorenthält, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass die 160'000 Arbeitslosen eine Verschwendung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Energie darstellen. Eine Gesellschaft, die leistungsfähig sein will, kann eine solche Vergeudung kaum hinnehmen!</p><p>Diese Situation darf umso weniger akzeptiert werden, als diese Kompetenzen unweit der Schweiz, vornehmlich in den Ländern Zentral- und Osteuropas, unter der Voraussetzung, dass gewisse Absicherungsmassnahmen getroffen werden, sehr gut eingesetzt werden könnten. Die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten in diesen Ländern erfordert eine gewisse Anzahl von Vorbereitungsmassnahmen wie </p><p>- die Erstellung eines Arbeitsprogramms im Rahmen ausgewählter und offiziell unterstützter Projekte;</p><p>- die vorgängige Festlegung von Aufnahmebedingungen;</p><p>- die Bildung von Arbeitsequipen, um den Gefahren vorzubeugen, die mit der Isolierung in einem fremden Land verbunden sind.</p><p>Diese Massnahmen stellen keine besonderen Probleme, und man darf ohne weiteres davon ausgehen, dass Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Bundesverwaltung sie mit vereinten Kräften zu verwirklichen wissen.</p><p>Wir wissen, dass die Mobilität ihre Grenzen hat und die Arbeit im Ausland, und zwar unter schwierigeren Bedingungen als in der Schweiz, nicht unbedingt für alle eine verlockende Perspektive darstellt. Wir sind aber überzeugt, dass manche Arbeitslose angesichts der Demütigungen und der inneren Belastung, denen sie ausgesetzt sind, bereit wären, unter gewissen Voraussetzungen ins Ausland zu gehen, um dort unter neuen Bedingungen zu arbeiten und dadurch ihrem Leben wieder seinen vollen Sinn zu geben.</p><p>Besuche in diesen Ländern zeigen, dass es dort unzählige Arbeitsmöglichkeiten gibt. Sie reichen von der Ausbildung von Landmaschinenmechanikern und Bankverwaltern über die Wiederbelebung von Industriekomplexen in verschiedenen Produktionszweigen bis zur Zusammenarbeit im Hoch- und Tiefbau, von der Wiedereinführung des Gewerbes bis zur Schaffung elementarer Infrastrukturen. Es könnte Entscheidendes getan werden, ohne dass der Arbeitsmarkt des betreffenden Landes gestört würde, ganz im Gegenteil.</p><p>Wenn wir davon ausgehen, dass 10 Prozent der Arbeitslosen sich bereit erklären, im Rahmen eines solchen Programms zu arbeiten, könnten immerhin 16'000 Menschen, die erneut ihren Beruf ausüben, ihrem Leben neuen Sinn geben und eine höchst wertvolle Leistung erbringen.</p><p>Ein solches Programm würde es erlauben, für die Hilfe an die osteuropäischen Länder jährlich 300 Millionen Franken einzusetzen, was etwa einer Verdoppelung unserer gegenwärtigen Leistungen gleichkäme.</p><p>Innerhalb eines Modells, das paritätisch von den verschiedenen Sozialpartnern und der Bundesverwaltung ausgearbeitet würde (wäre das nicht eine Aufgabe, die sich den Generalständen der Wirtschaft geradezu anbietet?) sind alle möglichen Varianten denkbar, insbesondere die Beurlaubung aus einem Anstellungsverhältnis, wie sie A. Gavillet vorschlägt. Diese Lösung würde es ermöglichen, einen Erwerbstätigen für eine zeitlich begrenzte Aufgabe zu beurlauben und während seiner Abwesenheit im Betrieb durch einen Arbeitslosen zu ersetzen.</p><p>Eine solche "Dreieckslösung" wäre flexibel und würde mehr Perspektiven eröffnen als eine bilaterale Lösung.</p><p>Aufgrund der zahlreichen Vorteile, die ein solches Modell bietet, ersuchen wir den Bundesrat um eine entsprechende Änderung von Artikel 72 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes.</p>
- Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
- <p>Damit die schwerwiegenden Folgen der steigenden Arbeitslosigkeit begrenzt und gleichzeitig der Zusammenarbeit mit Osteuropa neue Impulse gegeben werden können, ersuchen wir den Bundesrat, Artikel 72 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zu ändern. Vorab gilt es, Organisationen zu unterstützen, die im Hinblick auf die erwähnten Ziele neue Arbeitsmöglichkeiten erschliessen.</p>
- Neue Form der Zusammenarbeit mit Osteuropa
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