Sexuelle Ausbeutung von Kindern durch Schweizer Touristen im Ausland. Strafbarkeit
- ShortId
-
93.3474
- Id
-
19933474
- Updated
-
27.07.2023 21:06
- Language
-
de
- Title
-
Sexuelle Ausbeutung von Kindern durch Schweizer Touristen im Ausland. Strafbarkeit
- AdditionalIndexing
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- 1
-
- PriorityCouncil1
-
Nationalrat
- Texts
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- <p>Das Problem der sexuellen Ausbeutung von Kindern in der Dritten Welt und zunehmend auch in gewissen Oststaaten ist bekannt. Untersuchungen aus den späten achtziger Jahren sprechen eine nur allzu deutliche Sprache. In einer Arbeit aus dem Jahr 1988 zum Beispiel wird berichtet: "Mitte der achtziger Jahre schätzen Bürger aus Pagsanjan (ein philippinisches Tourismuszentrum, MvF), dass von 4000 Jungen in der Stadt zwischen 5 und 15 Jahren 3000 im Sexgewerbe arbeiten ...., und als einige Pädophile ausgewiesen wurden, waren sie innerhalb von zwei Wochen wieder da - gegen Bezahlung von nur 500 Dollar Bestechungsgeld, wie sie sich brüsteten." Eine weitere Untersuchung der deutschen "Aktionsgemeinschaft gegen internationale und rassistische Ausbeutung" kommt zum Schluss, dass Ende der achtziger Jahre die Nachfrage an Kinderprostitution sprunghaft angestiegen sei - unter anderem, weil sich die Freier erhofften, je jünger ihr Opfer sei, desto kleiner das Aids-Ansteckungsrisiko. Allein in Bangkok werden heute über 30 000 Mädchen unter fünfzehn Jahren dem weissen Mann "angeboten". Und für den Nordosten Brasiliens mit den Städten Bahia und Recife rechnet man mit zwei Millionen Mädchen unter fünfzehn Jahren, die als Prostituierte arbeiten. Der Prostitutionstourismus wird deshalb auch als Hauptgrund dafür angesehen, dass sich die Krankheit Aids in der Dritten Welt unter der weiblichen Bevölkerung - Kinder, Mädchen, Frauen - rasant und in erschreckendem Ausmass verbreitet.</p><p>Das Recht des Kindes auf seine eigene - auch sexuelle und körperliche - Integrität ist als eines der grundlegendsten Menschenrechte zu betrachten. Dieses Recht ist auch in der "Internationalen Konvention über die Rechte des Kindes", die die Schweiz nach Absicht des Bundesrates unterschreiben soll, festgeschrieben. An sich eine Selbstverständlichkeit.</p><p>Die Verfolgung der sexuellen Ausbeutung von Kindern durch Schweizer Bürger im Ausland gestaltet sich hingegen schwierig. Oft scheitert sie an den fehlenden Möglichkeiten, sie in den Ländern der Tatbegehung überhaupt aufzunehmen. So kennen zum Beispiel die Philippinen, eines der meistbetroffenen Länder, den Begriff des Offizialdelikts nicht, was in den allermeisten Fällen dazu führt, dass es - sei es aus Unkenntnis der betroffenen Eltern, sei es nach "Schweigegeldzahlung" und Polizeikorruption - gar nicht zu einer Untersuchung kommt. Und sollte doch einmal ein Schweizer in Haft genommen werden, kann er sich einer weiteren Verfolgung dadurch entziehen, indem er sich - nach Zahlung einer Kaution - "freiwillig ausweisen" lässt, was zur Niederschlagung des Verfahrens führt. In andern Ländern ist die Praxis ähnlich. Ein weiteres Problem ist auch das wesentlich geringere Schutzalter in vielen Ländern der Dritten Welt.</p><p>Aus den Philippinen sind auch Fälle des Menschen- und Organhandels mit und von Kindern bekannt, ebenso aus Rumänien und anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks. Diese Probleme müssten hingegen wohl mit einer weiteren Strafgesetzrevision gelöst werden.</p><p>Die Bundesrepublik Deutschland hat die Lücke in ihrem Sexualstrafrecht erkannt. In einem Gesetzentwurf der Bundesregierung heisst es: "Der sexuelle Missbrauch ausländischer Kinder durch Deutsche im Ausland ist bisher nicht nach Paragraph 176 StGB strafbar, wenn die Tat am ausländischen Tatort - zum Beispiel wegen niedrigerer Schutzaltersgrenzen - nicht mit Strafe bedroht ist. Zur Bekämpfung des sogenannten Sextourismus soll diese Strafbarkeitslücke geschlossen werden." (Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, Drucksache 12/4584, 18. März 1993) In Anwendung des Universalitätsprinzips wurde deshalb das deutsche Strafrecht dahingehend geändert, dass ein Deutscher Staatsbürger in Deutschland für den sexuellen Missbrauch von Kindern strafbar ist, "wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im Inland hat". Der Bundespräsident und der Bundeskanzler haben das Gesetz am 23. Juli 1993 unterschrieben; es trat am 1. Oktober in Kraft. Andere europäische Staaten kennen ähnliche Regelungen.</p><p>Auch die Schweiz kennt das Universalitätsprinzip. In Artikel 185 Ziffer 5 StGB etwa heisst es im Zusammenhang mit der Geiselnahme: "Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird." Eine Strafbarkeit am Begehungsort der Tat ist nicht Voraussetzung für eine Verfolgung in der Schweiz.</p><p>Angesichts der Schwere des Verbrechens, das der sexuelle Missbrauch von Kindern darstellt, und der flagranten Verletzung elementarster Menschenrechte von Kindern, ist es angezeigt, das Strafgesetz im Sinne meiner Motion zu ändern. Dabei geht es nicht nur um die Verfolgung von Straftätern. Eine solche Änderung mit all ihren sich daraus ergebenden Konsequenzen könnte beim dreckigen Geschäft des Sextourismus auch bis zu einem gewissen Mass präventiv wirken.</p>
- <p>Nach geltendem Recht können sexuelle Handlungen, die im Ausland mit Kindern begangen werden, in der Schweiz nur strafrechtlich verfolgt werden, wenn entweder das Opfer (Prinzip der passiven Personalität, Art. 5 StGB) oder der Täter (Prinzip der aktiven Personalität, Art. 6 StGB) Schweizer sind.</p><p>Gestützt auf das Prinzip der aktiven Personalität übernimmt die Schweiz die Strafverfolgung auch stellvertretend für den Staat, in welchem das Delikt begangen worden ist. Das setzt allerdings voraus, dass die Auslandtat eines Schweizers "auch am Begehungsorte strafbar ist" (Art. 6 StGB). Nicht von Belang ist hingegen, ob die Strafverfolgungsbehörden im ausländischen Staat aktiv geworden sind. Die Strafverfolgung von Schweizer Touristen, die im Ausland sexuelle Handlungen mit Kindern vorgenommen haben, ist in der Schweiz vielfach darum nicht möglich, weil verschiedene Staaten der Dritten Welt entweder sexuelle Handlungen mit Kindern nicht unter Strafe stellen oder, was häufiger der Fall ist, sie zwar strafbar erklären, aber ein tieferes Schutzalter vorsehen.</p><p>Um der Motion nachzukommen, könnten die Artikel 187 StGB (sexuelle Handlungen mit Kindern) und 197 Ziffer 3 StGB (u. a. Pornographie mit Kindern) mit einer Bestimmung ergänzt werden, wonach ein Schweizer auch dann strafbar ist, wenn er die Tat im Ausland begeht und sich in der Schweiz befindet. Damit würde in diesen Fällen die Strafbarkeit am Begehungsort nicht mehr Voraussetzung für eine Strafverfolgung in der Schweiz bilden (wie dies nach Art. 6 StGB grundsätzlich erforderlich wäre). Die Strafbarkeit würde sich, unabhängig von einem möglicherweise tieferen Schutzalter im Tatortstaat, nach schweizerischem Recht richten.</p><p>Diese Lösung trägt jedoch folgenden Gesichtspunkten zuwenig Rechnung:</p><p>1. Lediglich ein Teilbereich der sexuellen Ausbeutung und der sexuellen Misshandlungen von Kindern wird durch die Artikel 187 und 197 Ziffer 3 StGB erfasst. So sind nach Artikel 187 StGB nur sexuelle Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren strafbar, die mit deren Einwilligung vorgenommen werden. Die von der Motionärin geforderte Änderung des Strafgesetzbuches wird daher dem Problem und auch den Intentionen, wie sie in der Begründung der Motion zum Ausdruck kommen, nur zum Teil gerecht. Bei der Revision des Sexualstrafrechts ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der sexuelle Missbrauch in der Regel unter Artikel 189 StGB (sexuelle Nötigung) oder Artikel 190 StGB (Vergewaltigung) subsumiert werden soll. Diese Bestimmungen kommen unabhängig vom Alter des Opfers zur Anwendung und sind im allgemeinen auch in andern Ländern als Straftatbestände vorgesehen. Das ausländische Recht kann jedoch diese Tatbestände ganz anders ausgestalten als die Artikel 189 und 190 StGB, so dass die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit nicht mehr erfüllt ist.</p><p>Um den Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung möglichst umfassend zu gewährleisten, sollten auch die Artikel 189 StGB und 190 StGB mit einer Bestimmung ergänzt werden, wonach die Strafbarkeit im Tatortstaat nicht Voraussetzung für eine Strafverfolgung in der Schweiz ist.</p><p>2. Die Motion verlangt zum Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch eine erleichterte Strafverfolgung nur gegenüber Schweizer Touristen im Ausland. Auch wenn dies in der von der Schweiz unterzeichneten Uno-Konvention über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (Die Botschaft zur Ratifizierung ist in Ausarbeitung) nicht ausdrücklich verlangt wird, sollte doch unter anderem geprüft werden, ob eine erleichterte Strafverfolgung nicht nur gegenüber Schweizern, sondern zum Beispiel auch gegenüber ausländischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz gelten sollte. Um eine gewisse generalpräventive Wirkung zu erzielen und den Schutz der betroffenen Kinder zu verbessern, sollten zumindest die europäischen Staaten ihre strafrechtlichen Schritte koordinieren.</p><p>Bereits seit 1990 fungiert in der Uno-Menschenrechtskommission ein Spezialberichterstatter zum Thema Kinderhandel, mit dem die Schweiz Kontakt hat und der auch regelmässig über Kinderprostitution und Kinderpornographie überall auf der Welt berichtet und entsprechende Massnahmen vorschlägt.</p><p>3. Der Vorentwurf der Expertenkommission zum Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, der diesen Sommer in die Vernehmlassung geschickt wurde, regelt die schweizerische Gerichtsbarkeit aus einer anderen Optik:</p><p>Die Voraussetzung, dass entweder das Opfer oder der Täter Schweizer sein müssen, wird fallengelassen; Auslandtaten sollen in der Schweiz gegenüber jedem Täter verfolgt werden, sofern er sich unter anderem in der Schweiz aufhält oder der Eidgenossenschaft ausgeliefert wird. Damit wird das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege in den Vordergrund gestellt, das aber nur zur Anwendung kommen kann, wenn eine Tat auch am Begehungsort strafbar ist.</p><p>4. Wie dies in der Motion bereits erwähnt wird, scheitert eine Strafverfolgung oft nicht allein an der fehlenden gegenseitigen Strafbarkeit (welche in vielen Fällen gegeben wäre), sondern an den sich stellenden Beweisproblemen. Zum einen werden die schweizerischen Strafbehörden nur in seltenen Fällen konkrete Hinweise auf sexuelle Handlungen eines Schweizers mit Kindern im Ausland erhalten, weil für kaum eine Regierung der meistbetroffenen Länder die Bekämpfung dieses Problems ein zentrales Anliegen darstellt. Der Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe "Frauen aus der Dritten Welt" von 1988 stellt fest, dass hier offenbar eine gewisse Hemmung besteht, eine vermeintliche oder tatsächliche Devisenquelle zuzuschütten. Zum andern ergeben sich auch Probleme aus der Tatsache, dass zwar in verschiedenen Staaten sexueller Missbrauch von Kindern strafbar ist, das Schutzalter jedoch tiefer angesetzt wird als in der Schweiz. Diese Länder werden der Schweiz nur soweit Rechtshilfe leisten, als die Tat in ihrem Land strafbar ist. Schliesslich kann die Schweiz von Staaten, in denen sexuelle Handlungen mit Kindern nicht unter Strafe gestellt sind, in bezug auf diese Delikte überhaupt keine Rechtshilfe verlangen. Sogar wenn ein konkreter Verdacht auf eine Straftat besteht, wird es ein schweizerisches Gericht in solchen Fällen schwer haben, Beweise zu erlangen, die zu einer Verurteilung führen können. Die Schweiz wird, gestützt auf die Konvention über die Rechte des Kindes, auch die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, insbesondere mit den betroffenen Staaten, wesentlich verstärken müssen.</p><p>5. Schliesslich stellt sich die Frage, ob sexuelle Handlungen mit Kindern die einzigen im Ausland begangenen Delikte sind, für die (neben den Delikten gegen den Staat und die Landesverteidigung nach Art. 4 StGB und der Geiselnahme nach Art. 185 Ziff. 5 StGB) eine Strafverfolgung in der Schweiz ohne die Voraussetzung der Strafbarkeit im Tatortstaat möglich sein soll, oder ob nicht auch andere schwere Straftaten, wie zum Beispiel der Handel mit Frauen aus Drittweltländern und die damit in Zusammenhang stehenden Delikte, berücksichtigt werden müssten. In diesem Fall könnte zum Schutz bestimmter Rechtsgüter eine generelle Bestimmung in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches aufgenommen werden.</p><p>Die sexuelle Ausbeutung von Kindern unter Ausnützung ihrer Notlage hat in einigen Ländern beängstigende Ausmasse angenommen. Der Bundesrat ist entschlossen, adäquate Massnahmen zu ergreifen, um den Schutz dieser Kinder zu verbessern. Die damit verbundenen Fragen bedürfen jedoch in einem weiteren Zusammenhang vertiefter Abklärung.</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
- <p>Nach geltendem Recht scheitert die Strafverfolgung für im Ausland vorgenommene sexuelle Handlungen mit Kindern im wesentlichen - neben den sich stellenden Beweisproblemen - an der fehlenden Strafbarkeit des Delikts im Tatortstaat. Gerade in diesem Bereich ist es jedoch stossend, dass jemand nach einer Reise von wenigen Flugstunden Handlungen ungestraft begehen darf, für die er in der Schweiz eine Zuchthausstrafe von bis zu fünf Jahren gewärtigen muss.</p><p>Sexuelle Ausbeutung von Kindern durch deutsche Touristen im Ausland wurde aus diesem Grund in Deutschland unter Anwendung des Universalitätsprinzips unter Strafe gestellt. Ein entsprechendes Gesetz wurde diesen Sommer vom Bundestag mit Billigung der deutschen Länderkammer verabschiedet.</p><p>Der Bundesrat wird beauftragt, das Strafgesetz so zu ändern, dass sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB sowie indirekt Art. 197 Ziff. 3 StGB) auch dann der Strafbarkeit vor schweizerischen Gerichten unterstellt werden, wenn das Delikt im Tatortstaat selbst nicht verfolgt wird.</p>
- Sexuelle Ausbeutung von Kindern durch Schweizer Touristen im Ausland. Strafbarkeit
- State
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Überwiesen an den Bundesrat
- Related Affairs
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- Drafts
-
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- Index
- 0
- Texts
-
- <p>Das Problem der sexuellen Ausbeutung von Kindern in der Dritten Welt und zunehmend auch in gewissen Oststaaten ist bekannt. Untersuchungen aus den späten achtziger Jahren sprechen eine nur allzu deutliche Sprache. In einer Arbeit aus dem Jahr 1988 zum Beispiel wird berichtet: "Mitte der achtziger Jahre schätzen Bürger aus Pagsanjan (ein philippinisches Tourismuszentrum, MvF), dass von 4000 Jungen in der Stadt zwischen 5 und 15 Jahren 3000 im Sexgewerbe arbeiten ...., und als einige Pädophile ausgewiesen wurden, waren sie innerhalb von zwei Wochen wieder da - gegen Bezahlung von nur 500 Dollar Bestechungsgeld, wie sie sich brüsteten." Eine weitere Untersuchung der deutschen "Aktionsgemeinschaft gegen internationale und rassistische Ausbeutung" kommt zum Schluss, dass Ende der achtziger Jahre die Nachfrage an Kinderprostitution sprunghaft angestiegen sei - unter anderem, weil sich die Freier erhofften, je jünger ihr Opfer sei, desto kleiner das Aids-Ansteckungsrisiko. Allein in Bangkok werden heute über 30 000 Mädchen unter fünfzehn Jahren dem weissen Mann "angeboten". Und für den Nordosten Brasiliens mit den Städten Bahia und Recife rechnet man mit zwei Millionen Mädchen unter fünfzehn Jahren, die als Prostituierte arbeiten. Der Prostitutionstourismus wird deshalb auch als Hauptgrund dafür angesehen, dass sich die Krankheit Aids in der Dritten Welt unter der weiblichen Bevölkerung - Kinder, Mädchen, Frauen - rasant und in erschreckendem Ausmass verbreitet.</p><p>Das Recht des Kindes auf seine eigene - auch sexuelle und körperliche - Integrität ist als eines der grundlegendsten Menschenrechte zu betrachten. Dieses Recht ist auch in der "Internationalen Konvention über die Rechte des Kindes", die die Schweiz nach Absicht des Bundesrates unterschreiben soll, festgeschrieben. An sich eine Selbstverständlichkeit.</p><p>Die Verfolgung der sexuellen Ausbeutung von Kindern durch Schweizer Bürger im Ausland gestaltet sich hingegen schwierig. Oft scheitert sie an den fehlenden Möglichkeiten, sie in den Ländern der Tatbegehung überhaupt aufzunehmen. So kennen zum Beispiel die Philippinen, eines der meistbetroffenen Länder, den Begriff des Offizialdelikts nicht, was in den allermeisten Fällen dazu führt, dass es - sei es aus Unkenntnis der betroffenen Eltern, sei es nach "Schweigegeldzahlung" und Polizeikorruption - gar nicht zu einer Untersuchung kommt. Und sollte doch einmal ein Schweizer in Haft genommen werden, kann er sich einer weiteren Verfolgung dadurch entziehen, indem er sich - nach Zahlung einer Kaution - "freiwillig ausweisen" lässt, was zur Niederschlagung des Verfahrens führt. In andern Ländern ist die Praxis ähnlich. Ein weiteres Problem ist auch das wesentlich geringere Schutzalter in vielen Ländern der Dritten Welt.</p><p>Aus den Philippinen sind auch Fälle des Menschen- und Organhandels mit und von Kindern bekannt, ebenso aus Rumänien und anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks. Diese Probleme müssten hingegen wohl mit einer weiteren Strafgesetzrevision gelöst werden.</p><p>Die Bundesrepublik Deutschland hat die Lücke in ihrem Sexualstrafrecht erkannt. In einem Gesetzentwurf der Bundesregierung heisst es: "Der sexuelle Missbrauch ausländischer Kinder durch Deutsche im Ausland ist bisher nicht nach Paragraph 176 StGB strafbar, wenn die Tat am ausländischen Tatort - zum Beispiel wegen niedrigerer Schutzaltersgrenzen - nicht mit Strafe bedroht ist. Zur Bekämpfung des sogenannten Sextourismus soll diese Strafbarkeitslücke geschlossen werden." (Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, Drucksache 12/4584, 18. März 1993) In Anwendung des Universalitätsprinzips wurde deshalb das deutsche Strafrecht dahingehend geändert, dass ein Deutscher Staatsbürger in Deutschland für den sexuellen Missbrauch von Kindern strafbar ist, "wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im Inland hat". Der Bundespräsident und der Bundeskanzler haben das Gesetz am 23. Juli 1993 unterschrieben; es trat am 1. Oktober in Kraft. Andere europäische Staaten kennen ähnliche Regelungen.</p><p>Auch die Schweiz kennt das Universalitätsprinzip. In Artikel 185 Ziffer 5 StGB etwa heisst es im Zusammenhang mit der Geiselnahme: "Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird." Eine Strafbarkeit am Begehungsort der Tat ist nicht Voraussetzung für eine Verfolgung in der Schweiz.</p><p>Angesichts der Schwere des Verbrechens, das der sexuelle Missbrauch von Kindern darstellt, und der flagranten Verletzung elementarster Menschenrechte von Kindern, ist es angezeigt, das Strafgesetz im Sinne meiner Motion zu ändern. Dabei geht es nicht nur um die Verfolgung von Straftätern. Eine solche Änderung mit all ihren sich daraus ergebenden Konsequenzen könnte beim dreckigen Geschäft des Sextourismus auch bis zu einem gewissen Mass präventiv wirken.</p>
- <p>Nach geltendem Recht können sexuelle Handlungen, die im Ausland mit Kindern begangen werden, in der Schweiz nur strafrechtlich verfolgt werden, wenn entweder das Opfer (Prinzip der passiven Personalität, Art. 5 StGB) oder der Täter (Prinzip der aktiven Personalität, Art. 6 StGB) Schweizer sind.</p><p>Gestützt auf das Prinzip der aktiven Personalität übernimmt die Schweiz die Strafverfolgung auch stellvertretend für den Staat, in welchem das Delikt begangen worden ist. Das setzt allerdings voraus, dass die Auslandtat eines Schweizers "auch am Begehungsorte strafbar ist" (Art. 6 StGB). Nicht von Belang ist hingegen, ob die Strafverfolgungsbehörden im ausländischen Staat aktiv geworden sind. Die Strafverfolgung von Schweizer Touristen, die im Ausland sexuelle Handlungen mit Kindern vorgenommen haben, ist in der Schweiz vielfach darum nicht möglich, weil verschiedene Staaten der Dritten Welt entweder sexuelle Handlungen mit Kindern nicht unter Strafe stellen oder, was häufiger der Fall ist, sie zwar strafbar erklären, aber ein tieferes Schutzalter vorsehen.</p><p>Um der Motion nachzukommen, könnten die Artikel 187 StGB (sexuelle Handlungen mit Kindern) und 197 Ziffer 3 StGB (u. a. Pornographie mit Kindern) mit einer Bestimmung ergänzt werden, wonach ein Schweizer auch dann strafbar ist, wenn er die Tat im Ausland begeht und sich in der Schweiz befindet. Damit würde in diesen Fällen die Strafbarkeit am Begehungsort nicht mehr Voraussetzung für eine Strafverfolgung in der Schweiz bilden (wie dies nach Art. 6 StGB grundsätzlich erforderlich wäre). Die Strafbarkeit würde sich, unabhängig von einem möglicherweise tieferen Schutzalter im Tatortstaat, nach schweizerischem Recht richten.</p><p>Diese Lösung trägt jedoch folgenden Gesichtspunkten zuwenig Rechnung:</p><p>1. Lediglich ein Teilbereich der sexuellen Ausbeutung und der sexuellen Misshandlungen von Kindern wird durch die Artikel 187 und 197 Ziffer 3 StGB erfasst. So sind nach Artikel 187 StGB nur sexuelle Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren strafbar, die mit deren Einwilligung vorgenommen werden. Die von der Motionärin geforderte Änderung des Strafgesetzbuches wird daher dem Problem und auch den Intentionen, wie sie in der Begründung der Motion zum Ausdruck kommen, nur zum Teil gerecht. Bei der Revision des Sexualstrafrechts ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der sexuelle Missbrauch in der Regel unter Artikel 189 StGB (sexuelle Nötigung) oder Artikel 190 StGB (Vergewaltigung) subsumiert werden soll. Diese Bestimmungen kommen unabhängig vom Alter des Opfers zur Anwendung und sind im allgemeinen auch in andern Ländern als Straftatbestände vorgesehen. Das ausländische Recht kann jedoch diese Tatbestände ganz anders ausgestalten als die Artikel 189 und 190 StGB, so dass die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit nicht mehr erfüllt ist.</p><p>Um den Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung möglichst umfassend zu gewährleisten, sollten auch die Artikel 189 StGB und 190 StGB mit einer Bestimmung ergänzt werden, wonach die Strafbarkeit im Tatortstaat nicht Voraussetzung für eine Strafverfolgung in der Schweiz ist.</p><p>2. Die Motion verlangt zum Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch eine erleichterte Strafverfolgung nur gegenüber Schweizer Touristen im Ausland. Auch wenn dies in der von der Schweiz unterzeichneten Uno-Konvention über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (Die Botschaft zur Ratifizierung ist in Ausarbeitung) nicht ausdrücklich verlangt wird, sollte doch unter anderem geprüft werden, ob eine erleichterte Strafverfolgung nicht nur gegenüber Schweizern, sondern zum Beispiel auch gegenüber ausländischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz gelten sollte. Um eine gewisse generalpräventive Wirkung zu erzielen und den Schutz der betroffenen Kinder zu verbessern, sollten zumindest die europäischen Staaten ihre strafrechtlichen Schritte koordinieren.</p><p>Bereits seit 1990 fungiert in der Uno-Menschenrechtskommission ein Spezialberichterstatter zum Thema Kinderhandel, mit dem die Schweiz Kontakt hat und der auch regelmässig über Kinderprostitution und Kinderpornographie überall auf der Welt berichtet und entsprechende Massnahmen vorschlägt.</p><p>3. Der Vorentwurf der Expertenkommission zum Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, der diesen Sommer in die Vernehmlassung geschickt wurde, regelt die schweizerische Gerichtsbarkeit aus einer anderen Optik:</p><p>Die Voraussetzung, dass entweder das Opfer oder der Täter Schweizer sein müssen, wird fallengelassen; Auslandtaten sollen in der Schweiz gegenüber jedem Täter verfolgt werden, sofern er sich unter anderem in der Schweiz aufhält oder der Eidgenossenschaft ausgeliefert wird. Damit wird das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege in den Vordergrund gestellt, das aber nur zur Anwendung kommen kann, wenn eine Tat auch am Begehungsort strafbar ist.</p><p>4. Wie dies in der Motion bereits erwähnt wird, scheitert eine Strafverfolgung oft nicht allein an der fehlenden gegenseitigen Strafbarkeit (welche in vielen Fällen gegeben wäre), sondern an den sich stellenden Beweisproblemen. Zum einen werden die schweizerischen Strafbehörden nur in seltenen Fällen konkrete Hinweise auf sexuelle Handlungen eines Schweizers mit Kindern im Ausland erhalten, weil für kaum eine Regierung der meistbetroffenen Länder die Bekämpfung dieses Problems ein zentrales Anliegen darstellt. Der Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe "Frauen aus der Dritten Welt" von 1988 stellt fest, dass hier offenbar eine gewisse Hemmung besteht, eine vermeintliche oder tatsächliche Devisenquelle zuzuschütten. Zum andern ergeben sich auch Probleme aus der Tatsache, dass zwar in verschiedenen Staaten sexueller Missbrauch von Kindern strafbar ist, das Schutzalter jedoch tiefer angesetzt wird als in der Schweiz. Diese Länder werden der Schweiz nur soweit Rechtshilfe leisten, als die Tat in ihrem Land strafbar ist. Schliesslich kann die Schweiz von Staaten, in denen sexuelle Handlungen mit Kindern nicht unter Strafe gestellt sind, in bezug auf diese Delikte überhaupt keine Rechtshilfe verlangen. Sogar wenn ein konkreter Verdacht auf eine Straftat besteht, wird es ein schweizerisches Gericht in solchen Fällen schwer haben, Beweise zu erlangen, die zu einer Verurteilung führen können. Die Schweiz wird, gestützt auf die Konvention über die Rechte des Kindes, auch die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, insbesondere mit den betroffenen Staaten, wesentlich verstärken müssen.</p><p>5. Schliesslich stellt sich die Frage, ob sexuelle Handlungen mit Kindern die einzigen im Ausland begangenen Delikte sind, für die (neben den Delikten gegen den Staat und die Landesverteidigung nach Art. 4 StGB und der Geiselnahme nach Art. 185 Ziff. 5 StGB) eine Strafverfolgung in der Schweiz ohne die Voraussetzung der Strafbarkeit im Tatortstaat möglich sein soll, oder ob nicht auch andere schwere Straftaten, wie zum Beispiel der Handel mit Frauen aus Drittweltländern und die damit in Zusammenhang stehenden Delikte, berücksichtigt werden müssten. In diesem Fall könnte zum Schutz bestimmter Rechtsgüter eine generelle Bestimmung in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches aufgenommen werden.</p><p>Die sexuelle Ausbeutung von Kindern unter Ausnützung ihrer Notlage hat in einigen Ländern beängstigende Ausmasse angenommen. Der Bundesrat ist entschlossen, adäquate Massnahmen zu ergreifen, um den Schutz dieser Kinder zu verbessern. Die damit verbundenen Fragen bedürfen jedoch in einem weiteren Zusammenhang vertiefter Abklärung.</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
- <p>Nach geltendem Recht scheitert die Strafverfolgung für im Ausland vorgenommene sexuelle Handlungen mit Kindern im wesentlichen - neben den sich stellenden Beweisproblemen - an der fehlenden Strafbarkeit des Delikts im Tatortstaat. Gerade in diesem Bereich ist es jedoch stossend, dass jemand nach einer Reise von wenigen Flugstunden Handlungen ungestraft begehen darf, für die er in der Schweiz eine Zuchthausstrafe von bis zu fünf Jahren gewärtigen muss.</p><p>Sexuelle Ausbeutung von Kindern durch deutsche Touristen im Ausland wurde aus diesem Grund in Deutschland unter Anwendung des Universalitätsprinzips unter Strafe gestellt. Ein entsprechendes Gesetz wurde diesen Sommer vom Bundestag mit Billigung der deutschen Länderkammer verabschiedet.</p><p>Der Bundesrat wird beauftragt, das Strafgesetz so zu ändern, dass sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB sowie indirekt Art. 197 Ziff. 3 StGB) auch dann der Strafbarkeit vor schweizerischen Gerichten unterstellt werden, wenn das Delikt im Tatortstaat selbst nicht verfolgt wird.</p>
- Sexuelle Ausbeutung von Kindern durch Schweizer Touristen im Ausland. Strafbarkeit
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