Vernehmlassungsverfahren. Verbesserungen
- ShortId
-
93.3659
- Id
-
19933659
- Updated
-
01.07.2023 10:13
- Language
-
de
- Title
-
Vernehmlassungsverfahren. Verbesserungen
- AdditionalIndexing
-
- 1
-
- PriorityCouncil1
-
Nationalrat
- Texts
-
- <p>Zu a.</p><p>Die Kantonsregierungen und die politischen Parteien werden zu beinahe allen Vernehmlassungen eingeladen; die Flut der unterbreiteten Vorlagen ist gegenwärtig aber so gross, dass eine seriöse Arbeit nicht mehr möglich ist.</p><p>Das Vernehmlassungsverfahren ist ein für das Funktionieren unserer Demokratie ausserordentlich wirkungsvolles Instrument; es kann diese Funktion aber nur dann erfüllen, wenn die Rahmenbedingungen eine befriedigende Abwicklung zulassen. Bei der Unmenge von Vorlagen, die in die Vernehmlassung geschickt werden, sind diese Bedingungen eindeutig nicht mehr gegeben.</p><p>Die Verordnung vom 17. Juni 1991 über das Vernehmlassungsverfahren weckte Hoffnungen, das Verfahren werde in geregeltere Bahnen gelenkt. Tatsächlich hat sich die Situation nur noch verschlimmert. Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b sieht vor, dass ein Vernehmlassungsverfahren nur zu Erlassen und völkerrechtlichen Verträgen durchgeführt wird, die von erheblicher politischer, wirtschaftlicher, finanzieller oder kultureller Tragweite sind oder in erheblichem Masse ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden. Man wird wohl kaum behaupten können, dass alle in letzter Zeit zur Vernehmlassung unterbreiteten Vorlagen diese Voraussetzungen erfüllen. Im weitern kann es gerechtfertigt sein, bei Erlassen mit geringerer Tragweite nur die Kantone, die mit dem Vollzug betraut sind, nicht aber die politischen Parteien zur Vernehmlassung einzuladen.</p><p>Selbstverständlich erfordert der Begriff der erheblichen Tragweite vom Bundesrat eine politische Beurteilung. Wenn nun aber die Geschäfte von wirklicher Tragweite in einer Flut von Vorlagen ertrinken, die eher von untergeordneter Bedeutung sind, verliert das Vernehmlassungsverfahren seinen eigentlichen Sinn.</p><p>Zu b.</p><p>Insbesondere die Frage der Vernehmlassungsfrist muss der Bundesrat besser in den Griff bekommen. Oft braucht die Bundesverwaltung Monate, wenn nicht Jahre, um einen Entwurf zu erarbeiten; in solchen Fällen sollte die Berufung auf die Dringlichkeit eigentlich zum vornherein ausgeschlossen sein. Trotzdem werden immer wieder Fristen gesetzt, die kürzer sind als die vorgeschriebenen drei Monate. </p><p>Fordert nun eine Partei, die wie die Liberale Partei den föderalistischen Strukturen unseres Landes grosse Beachtung schenkt, zusätzliche Vernehmlassungsexemplare für kantonale Sektionen, verstreichen oft mehr als 10 Tage, bis die Unterlagen eingetroffen sind; dadurch wird die faktisch zur Verfügung stehende Zeit noch knapper.</p><p>Unter den Vorlagen, die in letzter Zeit unter Missachtung der in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehenen Frist in die Vernehmlassung geschickt wurden, finden sich:</p><p>- die Änderung der Versicherungsbestimmungen im Strassenverkehrsgesetz: Das Vernehmlassungsverfahren wurde am 1. Oktober 1993 eröffnet mit einer Frist bis zum 30. November 1993 für die Stellungnahme an das Departement. Man fragt sich, mit welcher Dringlichkeit sich die Missachtung der vorgeschriebenen Frist von drei Monaten begründen lässt;</p><p>- das neue Dienstreglement: Der Versand der Unterlagen war mit 11. Oktober 1993 datiert, die Vernehmlassung dauerte bis zum 29. November 1993. Die Knappheit dieser Frist überrascht umso mehr, als das neue Dienstreglement erst nach der Verabschiedung des Bundesgesetzes über die Armee und die Militärverwaltung erlassen werden kann, was sicherlich nicht vor Mitte 1994 der Fall sein wird;</p><p>- das Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht: Beginn der Vernehmlassung am 20. Oktober 1993, Vernehmlassungsfrist bis 19. November 1993. Auch wenn man diesem Geschäft eine gewisse Dringlichkeit nicht absprechen kann, ist die gesetzte Frist für eine seriöse Stellungnahme doch sehr knapp.</p><p>Zu c.</p><p>Konferenzielle Verfahren sind nur in Fällen von ausserordentlicher Dringlichkeit gerechtfertigt. Doch gerade bei der Regierungsreform hat der Bundesrat zu diesem Verfahren gegriffen, bei einem Geschäft, an dem seit mehreren Jahren gearbeitet wurde! Hinzu kommt, dass es unzulässig ist, zunächst die Vertretungen der Bundesratsparteien zu versammeln, und mit den Vertretungen der Parteien, die nicht im Bundesrat vertreten sind, anschliessend eine getrennte Sitzung durchzuführen. Eine derartige Diskriminierung lässt sich durch keine Gesetzesbestimmung rechtfertigen und erweckt bei den nicht im Bundesrat vertretenen Parteien den Eindruck, dass mit ihnen - nachdem die Bundesratsparteien sich ausgesprochen haben - bloss noch eine Alibiübung durchgeführt wird.</p><p>Vergleicht man den Vernehmlassungsentwurf, die Ergebnisse der Vernehmlassung und die zuhanden des Parlaments verabschiedete Fassung, so stellt man fest, dass der Bundesrat die Vernehmlassungsergebnisse sozusagen nicht berücksichtigt hat. Dies ist sicherlich sein gutes Recht, aber der Ausgang des Verfahrens zeigt, dass die konferenzielle Form in diesem Fall nicht angemessen war.</p><p>Die Flut der Vernehmlassungen und die Hast, mit der sie durchgeführt werden, werten dieses für das Funktionieren unserer Demokratie wichtige Instrument ab. Für das Vernehmlassungsverfahren ist der Bundesrat zuständig; an ihm liegt es, dieses Verfahren wieder in geregelte Bahnen zu lenken.</p>
- <p>Der Bundesrat wird eingeladen, das Vernehmlassungsverfahren durch folgende Massnahmen zu verbessern:</p><p>a. die Vernehmlassungen sollen strikte auf die in Artikel 1 der Verordnung vom 17. Juni 1991 über das Vernehmlassungsverfahren (SR 172.062) genannten Gegenstände beschränkt werden;</p><p>b. die Departemente sollen Artikel 5 der erwähnten Verordnung strikte einhalten, der zur Durchführung des Vernehmlassungsverfahrens eine Frist von grundsätzlich drei Monaten vorsieht;</p><p>c. auf das konferenzielle Verfahren soll verzichtet werden, es sei denn, das Vorhaben ertrage keinerlei Aufschub.</p>
- Vernehmlassungsverfahren. Verbesserungen
- State
-
Überwiesen an den Bundesrat
- Related Affairs
-
- Drafts
-
-
- Index
- 0
- Texts
-
- <p>Zu a.</p><p>Die Kantonsregierungen und die politischen Parteien werden zu beinahe allen Vernehmlassungen eingeladen; die Flut der unterbreiteten Vorlagen ist gegenwärtig aber so gross, dass eine seriöse Arbeit nicht mehr möglich ist.</p><p>Das Vernehmlassungsverfahren ist ein für das Funktionieren unserer Demokratie ausserordentlich wirkungsvolles Instrument; es kann diese Funktion aber nur dann erfüllen, wenn die Rahmenbedingungen eine befriedigende Abwicklung zulassen. Bei der Unmenge von Vorlagen, die in die Vernehmlassung geschickt werden, sind diese Bedingungen eindeutig nicht mehr gegeben.</p><p>Die Verordnung vom 17. Juni 1991 über das Vernehmlassungsverfahren weckte Hoffnungen, das Verfahren werde in geregeltere Bahnen gelenkt. Tatsächlich hat sich die Situation nur noch verschlimmert. Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b sieht vor, dass ein Vernehmlassungsverfahren nur zu Erlassen und völkerrechtlichen Verträgen durchgeführt wird, die von erheblicher politischer, wirtschaftlicher, finanzieller oder kultureller Tragweite sind oder in erheblichem Masse ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden. Man wird wohl kaum behaupten können, dass alle in letzter Zeit zur Vernehmlassung unterbreiteten Vorlagen diese Voraussetzungen erfüllen. Im weitern kann es gerechtfertigt sein, bei Erlassen mit geringerer Tragweite nur die Kantone, die mit dem Vollzug betraut sind, nicht aber die politischen Parteien zur Vernehmlassung einzuladen.</p><p>Selbstverständlich erfordert der Begriff der erheblichen Tragweite vom Bundesrat eine politische Beurteilung. Wenn nun aber die Geschäfte von wirklicher Tragweite in einer Flut von Vorlagen ertrinken, die eher von untergeordneter Bedeutung sind, verliert das Vernehmlassungsverfahren seinen eigentlichen Sinn.</p><p>Zu b.</p><p>Insbesondere die Frage der Vernehmlassungsfrist muss der Bundesrat besser in den Griff bekommen. Oft braucht die Bundesverwaltung Monate, wenn nicht Jahre, um einen Entwurf zu erarbeiten; in solchen Fällen sollte die Berufung auf die Dringlichkeit eigentlich zum vornherein ausgeschlossen sein. Trotzdem werden immer wieder Fristen gesetzt, die kürzer sind als die vorgeschriebenen drei Monate. </p><p>Fordert nun eine Partei, die wie die Liberale Partei den föderalistischen Strukturen unseres Landes grosse Beachtung schenkt, zusätzliche Vernehmlassungsexemplare für kantonale Sektionen, verstreichen oft mehr als 10 Tage, bis die Unterlagen eingetroffen sind; dadurch wird die faktisch zur Verfügung stehende Zeit noch knapper.</p><p>Unter den Vorlagen, die in letzter Zeit unter Missachtung der in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehenen Frist in die Vernehmlassung geschickt wurden, finden sich:</p><p>- die Änderung der Versicherungsbestimmungen im Strassenverkehrsgesetz: Das Vernehmlassungsverfahren wurde am 1. Oktober 1993 eröffnet mit einer Frist bis zum 30. November 1993 für die Stellungnahme an das Departement. Man fragt sich, mit welcher Dringlichkeit sich die Missachtung der vorgeschriebenen Frist von drei Monaten begründen lässt;</p><p>- das neue Dienstreglement: Der Versand der Unterlagen war mit 11. Oktober 1993 datiert, die Vernehmlassung dauerte bis zum 29. November 1993. Die Knappheit dieser Frist überrascht umso mehr, als das neue Dienstreglement erst nach der Verabschiedung des Bundesgesetzes über die Armee und die Militärverwaltung erlassen werden kann, was sicherlich nicht vor Mitte 1994 der Fall sein wird;</p><p>- das Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht: Beginn der Vernehmlassung am 20. Oktober 1993, Vernehmlassungsfrist bis 19. November 1993. Auch wenn man diesem Geschäft eine gewisse Dringlichkeit nicht absprechen kann, ist die gesetzte Frist für eine seriöse Stellungnahme doch sehr knapp.</p><p>Zu c.</p><p>Konferenzielle Verfahren sind nur in Fällen von ausserordentlicher Dringlichkeit gerechtfertigt. Doch gerade bei der Regierungsreform hat der Bundesrat zu diesem Verfahren gegriffen, bei einem Geschäft, an dem seit mehreren Jahren gearbeitet wurde! Hinzu kommt, dass es unzulässig ist, zunächst die Vertretungen der Bundesratsparteien zu versammeln, und mit den Vertretungen der Parteien, die nicht im Bundesrat vertreten sind, anschliessend eine getrennte Sitzung durchzuführen. Eine derartige Diskriminierung lässt sich durch keine Gesetzesbestimmung rechtfertigen und erweckt bei den nicht im Bundesrat vertretenen Parteien den Eindruck, dass mit ihnen - nachdem die Bundesratsparteien sich ausgesprochen haben - bloss noch eine Alibiübung durchgeführt wird.</p><p>Vergleicht man den Vernehmlassungsentwurf, die Ergebnisse der Vernehmlassung und die zuhanden des Parlaments verabschiedete Fassung, so stellt man fest, dass der Bundesrat die Vernehmlassungsergebnisse sozusagen nicht berücksichtigt hat. Dies ist sicherlich sein gutes Recht, aber der Ausgang des Verfahrens zeigt, dass die konferenzielle Form in diesem Fall nicht angemessen war.</p><p>Die Flut der Vernehmlassungen und die Hast, mit der sie durchgeführt werden, werten dieses für das Funktionieren unserer Demokratie wichtige Instrument ab. Für das Vernehmlassungsverfahren ist der Bundesrat zuständig; an ihm liegt es, dieses Verfahren wieder in geregelte Bahnen zu lenken.</p>
- <p>Der Bundesrat wird eingeladen, das Vernehmlassungsverfahren durch folgende Massnahmen zu verbessern:</p><p>a. die Vernehmlassungen sollen strikte auf die in Artikel 1 der Verordnung vom 17. Juni 1991 über das Vernehmlassungsverfahren (SR 172.062) genannten Gegenstände beschränkt werden;</p><p>b. die Departemente sollen Artikel 5 der erwähnten Verordnung strikte einhalten, der zur Durchführung des Vernehmlassungsverfahrens eine Frist von grundsätzlich drei Monaten vorsieht;</p><p>c. auf das konferenzielle Verfahren soll verzichtet werden, es sei denn, das Vorhaben ertrage keinerlei Aufschub.</p>
- Vernehmlassungsverfahren. Verbesserungen
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