Bundesgesetz gegen Ueberstunden

ShortId
94.3245
Id
19943245
Updated
10.04.2024 14:44
Language
de
Title
Bundesgesetz gegen Ueberstunden
AdditionalIndexing
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Arbeitszeitverkürzung ein wesentliches Element im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit darstellt. In seiner Antwort auf die Motion Aguet vom 2. März 1994 erklärt sich der Bundesrat bereit, Umfang, Auswirkungen und Zweckmässigkeit von Arbeitszeitverkürzungen untersuchen zu lassen.</p><p>Ein anderes Problem, das untersucht werden sollte, stellen die Ueberstunden dar, die ständig zunehmen und immer untragbarer werden: Auch dieses Problem muss angegangen werden, wenn möglich im Hinblick auf eine Verbesserung der Situation der Arbeitslosenversicherung und der Gesundheit der Bevölkerung.</p><p>Die Unternehmer stellen nur zögernd neues Personal ein: die einen spüren die unsichere Konjunktur, die andern setzen den Umstrukturierungsprozess fort, den sie als Krise bezeichnen. Unter diesen Umständen wagen es die Angestellten nicht, sich gegen Ueberstunden zu wehren, auch wenn diese ein unerträgliches Ausmass annehmen. Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, ist stärker.</p><p>Das Bundesamt für Statistik hat folgende Zahlen ermittelt: Von den 3 725 '000 Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern leisten etwa 2 Millionen regelmässig oder gelegentlich Ueberstunden. Selbst wenn ein Teil dieser Ueberstunden von Teilzeitangestellten geleistet wird, die auf diese Beschäftigung angewiesen sind, lassen sich die Zahlen bei einem angenommenen Mittel von 5,7 Ueberstunden pro Woche und Person extrapolieren: Die 2 Millionen Personen leisten bei 48 Arbeitswochen 547 200 000 zusätzliche Arbeitsstunden pro Jahr. Bei einer Jahresarbeitszeit von 1950 Stunden - die in der Schweiz höher ist als in allen anderen Ländern - kommen wir zu folgendem Ergebnis: Die geleisteten Ueberstunden entsprechen 280 000 Arbeitsplätzen.</p><p>Es ist gewiss schwierig, für Ueberstunden externes Personal einzusetzen. Aber selbst wenn wir nur die Hälfte der Ueberstunden in Rechnung stellen, wäre die Arbeitslosigkeit mathematisch gesehen, beseitigt. Es drängt sich deshalb auf, die Möglichkeiten, Ueberstunden zu leisten, im Arbeitsgesetz einzuschränken. Auf diese Weise könnte die finanzielle Situation der Arbeitslosenversicherung, der Invalidenversicherung und der Krankenkassen verbessert werden.</p>
  • <p>Zunächst gilt es, die vom Motionär genannten Zahlen über das Ausmass der Überstundenarbeit zu relativieren. Die Zahlen die der Motionär seinen Überlegungen zugrunde legt, beziehen sich nicht nur auf Arbeitnehmer, sondern umfassen sämtliche Erwerbstätigen, also auch die Selbständigerwerbenden. Zudem sind darin auch alle Überstunden enthalten, die vom Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt durch mehr Freizeit (kürzere Tagesarbeit oder mehr Ferien) kompensiert werden. Solche Überstunden lösen von vornherein keine Beschäftigungseffekte aus und müssen daher in Zusammenhang mit dem Anliegen der Motion ausser Betracht fallen.</p><p></p><p>Die im Rahmen der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung erhobenen Zahlen geben für das Jahr 1992 folgendes Bild über das Ausmass der von Arbeitnehmern (einschliesslich Kader) geleisteten, nicht kompensierten Überstunden wieder: 477'000 Arbeitnehmer haben total ca. 130 Mio. Überstunden geleistet. Berücksichtigt man nur die zu 100 Prozent Beschäftigten, so handelt es sich um 369'000 Arbeitnehmer mit total ca. 105 Mio. Überstunden. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Arbeitszeit von 1934 Stunden entspricht das Überstundenvolumen der VollzeitBeschäftigten theoretisch rund 54'400 Arbeitsplätzen. Im übrigen ist festzustellen, dass sich das Überstundenvolumen des Jahres 1992 gegenüber dem Vorjahr reduziert hat.</p><p></p><p>Der Bundesrat will nicht bestreiten, dass die wirtschaftliche Situation der letzten Jahre manche Unternehmen dazu bewogen haben mag, Überstundenarbeit leisten zu lassen, um Personal einzusparen. Offen bleibt, ob dies systematisch und über längere Zeit geschehen ist und geschieht, oder ob es sich dabei jeweils eher um die kurzfristige Behebung eines Personalengpasses handelt.</p><p></p><p>Ungeachtet der tatsächlichen Verbreitung und des Ausmasses der Überstundenarbeit erachtet der Bundesrat die vom Motionär vorgeschlagene Massnahme, die Überstundenarbeit gegenüber heute gesetzlich einzuschränken, ungeeignet als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.</p><p></p><p>Einmal ist davon auszugehen, dass Überstundenarbeit sowohl in der Hochkonjunktur als auch in Zeiten der Rezession ein notwendiges Mittel zur Überbrückung von Produktionsschwankungen oder zur Erledigung anderer dringlicher Arbeiten darstellt. Mit dieser Feststellung soll aber auch zum Ausdruck gebracht werden, dass Überstundenarbeit die Ausnahme bilden soll und der Arbeitgeber regelmässige Überstundenarbeit durch eine bessere Arbeitsorganisation oder durch Einstellung von zusätzlichem Personal vermeiden muss.</p><p></p><p></p><p></p><p>Im weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Überstundenarbeit bereits heute gesetzlich eingeschränkt ist. Zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer sind Überstunden in der Regel nur im Rahmen der wöchentlichen Höchstarbeitszeit im Sinne des Arbeitsgesetzes zulässig. Diese beträgt für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels 45 Stunden, für die übrigen Arbeitnehmer 50 Stunden. Eine Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit ist nur beschränkt zulässig.</p><p></p><p>Zur Begründung seiner ablehnenden Haltung verweist der Bundesrat sodann auf seine Antwort auf die Motion Aguet vom 2. März 1994 (6StundenArbeitstag). Seine grundsätzlichen Überlegungen in Zusammenhang mit der Forderung nach staatlichen Massnahmen zur Verkürzung der Arbeitszeit gelten sinngemäss auch in bezug auf das vorliegende Anliegen. Auch bezüglich der Beschäftigungseffekte einschränkender Überstundenregelungen lässt sich keine allgemeingültige Antwort geben. Vorschläge und Lösungen müssen wiederum von den Sozialpartnern Überstundenarbeit erarbeitet werden, weil diese am besten geeignet sind, den unterschiedlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten einzelner Unternehmen und Branchen gerecht zu werden. Der Bundesrat ist jedoch bereit zu prüfen, wie weit die Frage der Überstundenarbeit in die Untersuchung, die er in seiner Antwort auf die Motion Aguet vom 2. März 1994 in Aussicht gestellt hat, einbezogen werden kann.</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
  • <p>Ich fordere den Bundesrat auf, dem Parlament einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Phänomens Ueberstunden vorzulegen, das sich derart negativ auf die Arbeitslosenversicherung, die Bundesfinanzen und die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt.</p>
  • Bundesgesetz gegen Ueberstunden
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Arbeitszeitverkürzung ein wesentliches Element im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit darstellt. In seiner Antwort auf die Motion Aguet vom 2. März 1994 erklärt sich der Bundesrat bereit, Umfang, Auswirkungen und Zweckmässigkeit von Arbeitszeitverkürzungen untersuchen zu lassen.</p><p>Ein anderes Problem, das untersucht werden sollte, stellen die Ueberstunden dar, die ständig zunehmen und immer untragbarer werden: Auch dieses Problem muss angegangen werden, wenn möglich im Hinblick auf eine Verbesserung der Situation der Arbeitslosenversicherung und der Gesundheit der Bevölkerung.</p><p>Die Unternehmer stellen nur zögernd neues Personal ein: die einen spüren die unsichere Konjunktur, die andern setzen den Umstrukturierungsprozess fort, den sie als Krise bezeichnen. Unter diesen Umständen wagen es die Angestellten nicht, sich gegen Ueberstunden zu wehren, auch wenn diese ein unerträgliches Ausmass annehmen. Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, ist stärker.</p><p>Das Bundesamt für Statistik hat folgende Zahlen ermittelt: Von den 3 725 '000 Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern leisten etwa 2 Millionen regelmässig oder gelegentlich Ueberstunden. Selbst wenn ein Teil dieser Ueberstunden von Teilzeitangestellten geleistet wird, die auf diese Beschäftigung angewiesen sind, lassen sich die Zahlen bei einem angenommenen Mittel von 5,7 Ueberstunden pro Woche und Person extrapolieren: Die 2 Millionen Personen leisten bei 48 Arbeitswochen 547 200 000 zusätzliche Arbeitsstunden pro Jahr. Bei einer Jahresarbeitszeit von 1950 Stunden - die in der Schweiz höher ist als in allen anderen Ländern - kommen wir zu folgendem Ergebnis: Die geleisteten Ueberstunden entsprechen 280 000 Arbeitsplätzen.</p><p>Es ist gewiss schwierig, für Ueberstunden externes Personal einzusetzen. Aber selbst wenn wir nur die Hälfte der Ueberstunden in Rechnung stellen, wäre die Arbeitslosigkeit mathematisch gesehen, beseitigt. Es drängt sich deshalb auf, die Möglichkeiten, Ueberstunden zu leisten, im Arbeitsgesetz einzuschränken. Auf diese Weise könnte die finanzielle Situation der Arbeitslosenversicherung, der Invalidenversicherung und der Krankenkassen verbessert werden.</p>
    • <p>Zunächst gilt es, die vom Motionär genannten Zahlen über das Ausmass der Überstundenarbeit zu relativieren. Die Zahlen die der Motionär seinen Überlegungen zugrunde legt, beziehen sich nicht nur auf Arbeitnehmer, sondern umfassen sämtliche Erwerbstätigen, also auch die Selbständigerwerbenden. Zudem sind darin auch alle Überstunden enthalten, die vom Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt durch mehr Freizeit (kürzere Tagesarbeit oder mehr Ferien) kompensiert werden. Solche Überstunden lösen von vornherein keine Beschäftigungseffekte aus und müssen daher in Zusammenhang mit dem Anliegen der Motion ausser Betracht fallen.</p><p></p><p>Die im Rahmen der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung erhobenen Zahlen geben für das Jahr 1992 folgendes Bild über das Ausmass der von Arbeitnehmern (einschliesslich Kader) geleisteten, nicht kompensierten Überstunden wieder: 477'000 Arbeitnehmer haben total ca. 130 Mio. Überstunden geleistet. Berücksichtigt man nur die zu 100 Prozent Beschäftigten, so handelt es sich um 369'000 Arbeitnehmer mit total ca. 105 Mio. Überstunden. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Arbeitszeit von 1934 Stunden entspricht das Überstundenvolumen der VollzeitBeschäftigten theoretisch rund 54'400 Arbeitsplätzen. Im übrigen ist festzustellen, dass sich das Überstundenvolumen des Jahres 1992 gegenüber dem Vorjahr reduziert hat.</p><p></p><p>Der Bundesrat will nicht bestreiten, dass die wirtschaftliche Situation der letzten Jahre manche Unternehmen dazu bewogen haben mag, Überstundenarbeit leisten zu lassen, um Personal einzusparen. Offen bleibt, ob dies systematisch und über längere Zeit geschehen ist und geschieht, oder ob es sich dabei jeweils eher um die kurzfristige Behebung eines Personalengpasses handelt.</p><p></p><p>Ungeachtet der tatsächlichen Verbreitung und des Ausmasses der Überstundenarbeit erachtet der Bundesrat die vom Motionär vorgeschlagene Massnahme, die Überstundenarbeit gegenüber heute gesetzlich einzuschränken, ungeeignet als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.</p><p></p><p>Einmal ist davon auszugehen, dass Überstundenarbeit sowohl in der Hochkonjunktur als auch in Zeiten der Rezession ein notwendiges Mittel zur Überbrückung von Produktionsschwankungen oder zur Erledigung anderer dringlicher Arbeiten darstellt. Mit dieser Feststellung soll aber auch zum Ausdruck gebracht werden, dass Überstundenarbeit die Ausnahme bilden soll und der Arbeitgeber regelmässige Überstundenarbeit durch eine bessere Arbeitsorganisation oder durch Einstellung von zusätzlichem Personal vermeiden muss.</p><p></p><p></p><p></p><p>Im weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Überstundenarbeit bereits heute gesetzlich eingeschränkt ist. Zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer sind Überstunden in der Regel nur im Rahmen der wöchentlichen Höchstarbeitszeit im Sinne des Arbeitsgesetzes zulässig. Diese beträgt für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels 45 Stunden, für die übrigen Arbeitnehmer 50 Stunden. Eine Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit ist nur beschränkt zulässig.</p><p></p><p>Zur Begründung seiner ablehnenden Haltung verweist der Bundesrat sodann auf seine Antwort auf die Motion Aguet vom 2. März 1994 (6StundenArbeitstag). Seine grundsätzlichen Überlegungen in Zusammenhang mit der Forderung nach staatlichen Massnahmen zur Verkürzung der Arbeitszeit gelten sinngemäss auch in bezug auf das vorliegende Anliegen. Auch bezüglich der Beschäftigungseffekte einschränkender Überstundenregelungen lässt sich keine allgemeingültige Antwort geben. Vorschläge und Lösungen müssen wiederum von den Sozialpartnern Überstundenarbeit erarbeitet werden, weil diese am besten geeignet sind, den unterschiedlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten einzelner Unternehmen und Branchen gerecht zu werden. Der Bundesrat ist jedoch bereit zu prüfen, wie weit die Frage der Überstundenarbeit in die Untersuchung, die er in seiner Antwort auf die Motion Aguet vom 2. März 1994 in Aussicht gestellt hat, einbezogen werden kann.</p> Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
    • <p>Ich fordere den Bundesrat auf, dem Parlament einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Phänomens Ueberstunden vorzulegen, das sich derart negativ auf die Arbeitslosenversicherung, die Bundesfinanzen und die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt.</p>
    • Bundesgesetz gegen Ueberstunden

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