Wie steht es um die Wasserstandsanzeiger in unseren Kernreaktoren?

ShortId
13.3136
Id
20133136
Updated
28.07.2023 08:26
Language
de
Title
Wie steht es um die Wasserstandsanzeiger in unseren Kernreaktoren?
AdditionalIndexing
66;nukleare Sicherheit;Sicherheitsnorm;Grenzwert;Reaktorkühlung;Kernkraftwerk
1
  • L04K17030201, Kernkraftwerk
  • L04K17030106, nukleare Sicherheit
  • L05K1703010305, Reaktorkühlung
  • L05K0601040402, Grenzwert
  • L06K070601020106, Sicherheitsnorm
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Untersuchungen des Unfalls in Fukushima haben eine entscheidende Schwachstelle im Kontrollsystem des Kraftwerks zutage gefördert: die Wasserstandsanzeiger im Inneren des Reaktors. Diese Anzeiger weisen einen Konzeptionsfehler auf. Damit sie den Wasserstand im Reaktor korrekt messen können, muss sich eine bestimmte Wassermenge im Inneren des Metallbehälters befinden. Der mit dieser Menge erreichte Wasserstand dient dem Wasserstandsanzeiger als Referenzniveau. In Fukushima verdampfte dieses Wasser durch den erhitzten Brennstoff, sodass eine genaue Bestimmung des Wasserstands im Reaktordruckbehälter nicht mehr möglich war. Durch diese falschen Informationen wurde eine Reihe von Entscheidungen getroffen, deren Folgen heute hinlänglich bekannt sind.</p><p>Mit den im Nachhinein durchgeführten Versuchen wurde bestätigt, dass die Anzeiger einen höheren Wasserstand angeben, wenn die vorher festgelegte Wassermenge unterschritten wird. Der Wasserstandsanzeiger arbeitet also fehlerhaft und schätzt den Wasserstand höher, als er in Wirklichkeit ist, wenn das Referenzniveau aufgrund von extremer Hitze oder Verdampfung nicht mehr existiert.</p><p>Dieses Problem trat in Fukushima nicht zum ersten Mal auf. So wurden die Wasserstandsanzeiger bereits im Jahr 1979 beim Unfall von Three Mile Island (USA) verdächtigt. Die Techniker wurden von dem Anzeiger in die Irre geführt, da dieser fälschlicherweise angab, dass noch ausreichend Wasser im Reaktor war. Die Wirklichkeit sah aber total anders aus.</p><p>Wie viele Unfälle müssen sich noch ereignen, bis das Problem endlich ernst genommen wird?</p>
  • <p>In der Interpellation werden die beiden Unfälle von Three Mile Island (Harrisburg, USA) und Fukushima-Daiichi (Japan) angesprochen. Hierbei wird von der Fragestellerin angenommen, dass eine falsche Anzeige der Füllstandsmessungen im Reaktor zu den Unfällen geführt hätte.</p><p>In Three Mile Island handelt es sich um einen Reaktor vom Typ Druckwasserreaktor; in Fukushima-Daiichi sind es Siedewasserreaktoren.</p><p>Der in der Interpellation hergestellte Zusammenhang zwischen einer fehlerhaft ausgelegten Niveaumessung und den zwangsläufig ablaufenden schweren Störfällen in Fukushima-Daiichi und Three Mile Island wird durch die technischen Unfallanalysen nicht bestätigt.</p><p>Beim Unfall in Three Mile Island entwich über ein fehlerhaft offenes Abblaseventil während zwei Stunden Kühlmittel. Aufgrund einer korrekten Messung des Wasserniveaus im Druckhalter schätzte die Betriebsmannschaft das Kühlmittelniveau im Reaktordruckbehälter falsch ein. Die Fehlinterpretation der korrekten Messung führte zur Abschaltung der Hochdruckeinspeisesysteme und zu weiteren ungeeigneten Massnahmen, sodass sich ein schwerer Störfall mit Kernschaden entwickeln konnte. Die Hauptursache für den Kernschaden in Three Mile Island lag somit nicht bei einer fehlerhaften Füllstandsmessung, sondern beim Nichterkennen eines Kühlmittelverlustes und der Fehlinterpretation einer korrekten Messung.</p><p>In den japanischen Siedewasserreaktoren von Fukushima-Daiichi hatte die Niveaumessung für die zu ergreifenden Massnahmen keine Bedeutung. Die Hauptursache für die Kernschäden in Fukushima lagen nicht bei fehlerhaften Füllstandsmessungen, sondern beim Ausfall aller Möglichkeiten zur Einspeisung von Kühlmittel in den Reaktordruckbehälter wegen der durch den Tsunami zerstörten Notstromversorgung.</p><p>Die schweizerischen Kernkraftwerke (KKW) haben eine andere Auslegung als die japanischen, unter anderem auch bezüglich der Notstromversorgung oder der Redundanz von wichtigen Systemen. So verfügen zum Beispiel alle KKW in der Schweiz über gebunkerte autarke Notstandsysteme und über erdbeben- und überflutungssichere Notstrom-Dieselaggregate.</p><p>1. Die in den Schweizer KKW eingesetzten Füllstandsmessungen entsprechen dem internationalen Standard. Sie arbeiten im Betrieb zuverlässig und werden weltweit eingesetzt. Die Niveaumessungen in den beiden schweizerischen Siedewasserreaktoren (KKW Leibstadt und Mühleberg) basieren auf demselben Messprinzip, wie es auch in Fukushima verwendet wurde.</p><p>2. Die Niveaumessung im Reaktordruckbehälter von Siedewasserreaktoren zeichnet sich durch eine sehr hohe Zuverlässigkeit aus. Es ist bekannt, dass es bei schweren Störfällen unter speziellen Bedingungen (nach einer Druckentlastung des Containments bei gleichzeitiger Druckentlastung des Reaktordruckbehälters) zu Fehlmessungen kommen kann. Die in einer solchen Situation zu ergreifenden Massnahmen sind jedoch nicht auf die Niveaumessung angewiesen, weshalb allfällige Fehlmessungen keine Konsequenzen hätten.</p><p>3./4. Es sind keine technischen Probleme im Zusammenhang mit Füllstandsmessungen bekannt, die eine Ausserbetriebnahme der schweizerischen Kernkraftwerke rechtfertigen würden. Auch die Frage einer Erhöhung der Haftpflichtversicherung stellt sich deshalb in diesem Zusammenhang nicht.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Ich stelle dem Bundesrat die folgenden Fragen:</p><p>1. Wurden die Wasserstandsanzeiger in den Schweizer Reaktoren nach demselben Prinzip konstruiert wie die Anzeiger in Fukushima?</p><p>2. Wenn ja, was will der Bundesrat tun ob der Kenntnis, dass diese Anzeiger im Fall einer Störung zu falschen Entscheidungen führen und schlimme Konsequenzen nach sich ziehen können?</p><p>3. Sollten die Kernkraftwerke, in denen solche Wasserstandsanzeiger vorhanden sind, nach Meinung des Bundesrates nicht besser so lange abgeschaltet werden, bis man eine Lösung gefunden hat? </p><p>4. Wenn unsere Kernkraftwerke mit diesen Anzeigern weiter in Betrieb bleiben sollen, steigt bekanntermassen das Unfallrisiko. Sollten dementsprechend nicht die Haftpflichtversicherungen erhöht werden?</p>
  • Wie steht es um die Wasserstandsanzeiger in unseren Kernreaktoren?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Untersuchungen des Unfalls in Fukushima haben eine entscheidende Schwachstelle im Kontrollsystem des Kraftwerks zutage gefördert: die Wasserstandsanzeiger im Inneren des Reaktors. Diese Anzeiger weisen einen Konzeptionsfehler auf. Damit sie den Wasserstand im Reaktor korrekt messen können, muss sich eine bestimmte Wassermenge im Inneren des Metallbehälters befinden. Der mit dieser Menge erreichte Wasserstand dient dem Wasserstandsanzeiger als Referenzniveau. In Fukushima verdampfte dieses Wasser durch den erhitzten Brennstoff, sodass eine genaue Bestimmung des Wasserstands im Reaktordruckbehälter nicht mehr möglich war. Durch diese falschen Informationen wurde eine Reihe von Entscheidungen getroffen, deren Folgen heute hinlänglich bekannt sind.</p><p>Mit den im Nachhinein durchgeführten Versuchen wurde bestätigt, dass die Anzeiger einen höheren Wasserstand angeben, wenn die vorher festgelegte Wassermenge unterschritten wird. Der Wasserstandsanzeiger arbeitet also fehlerhaft und schätzt den Wasserstand höher, als er in Wirklichkeit ist, wenn das Referenzniveau aufgrund von extremer Hitze oder Verdampfung nicht mehr existiert.</p><p>Dieses Problem trat in Fukushima nicht zum ersten Mal auf. So wurden die Wasserstandsanzeiger bereits im Jahr 1979 beim Unfall von Three Mile Island (USA) verdächtigt. Die Techniker wurden von dem Anzeiger in die Irre geführt, da dieser fälschlicherweise angab, dass noch ausreichend Wasser im Reaktor war. Die Wirklichkeit sah aber total anders aus.</p><p>Wie viele Unfälle müssen sich noch ereignen, bis das Problem endlich ernst genommen wird?</p>
    • <p>In der Interpellation werden die beiden Unfälle von Three Mile Island (Harrisburg, USA) und Fukushima-Daiichi (Japan) angesprochen. Hierbei wird von der Fragestellerin angenommen, dass eine falsche Anzeige der Füllstandsmessungen im Reaktor zu den Unfällen geführt hätte.</p><p>In Three Mile Island handelt es sich um einen Reaktor vom Typ Druckwasserreaktor; in Fukushima-Daiichi sind es Siedewasserreaktoren.</p><p>Der in der Interpellation hergestellte Zusammenhang zwischen einer fehlerhaft ausgelegten Niveaumessung und den zwangsläufig ablaufenden schweren Störfällen in Fukushima-Daiichi und Three Mile Island wird durch die technischen Unfallanalysen nicht bestätigt.</p><p>Beim Unfall in Three Mile Island entwich über ein fehlerhaft offenes Abblaseventil während zwei Stunden Kühlmittel. Aufgrund einer korrekten Messung des Wasserniveaus im Druckhalter schätzte die Betriebsmannschaft das Kühlmittelniveau im Reaktordruckbehälter falsch ein. Die Fehlinterpretation der korrekten Messung führte zur Abschaltung der Hochdruckeinspeisesysteme und zu weiteren ungeeigneten Massnahmen, sodass sich ein schwerer Störfall mit Kernschaden entwickeln konnte. Die Hauptursache für den Kernschaden in Three Mile Island lag somit nicht bei einer fehlerhaften Füllstandsmessung, sondern beim Nichterkennen eines Kühlmittelverlustes und der Fehlinterpretation einer korrekten Messung.</p><p>In den japanischen Siedewasserreaktoren von Fukushima-Daiichi hatte die Niveaumessung für die zu ergreifenden Massnahmen keine Bedeutung. Die Hauptursache für die Kernschäden in Fukushima lagen nicht bei fehlerhaften Füllstandsmessungen, sondern beim Ausfall aller Möglichkeiten zur Einspeisung von Kühlmittel in den Reaktordruckbehälter wegen der durch den Tsunami zerstörten Notstromversorgung.</p><p>Die schweizerischen Kernkraftwerke (KKW) haben eine andere Auslegung als die japanischen, unter anderem auch bezüglich der Notstromversorgung oder der Redundanz von wichtigen Systemen. So verfügen zum Beispiel alle KKW in der Schweiz über gebunkerte autarke Notstandsysteme und über erdbeben- und überflutungssichere Notstrom-Dieselaggregate.</p><p>1. Die in den Schweizer KKW eingesetzten Füllstandsmessungen entsprechen dem internationalen Standard. Sie arbeiten im Betrieb zuverlässig und werden weltweit eingesetzt. Die Niveaumessungen in den beiden schweizerischen Siedewasserreaktoren (KKW Leibstadt und Mühleberg) basieren auf demselben Messprinzip, wie es auch in Fukushima verwendet wurde.</p><p>2. Die Niveaumessung im Reaktordruckbehälter von Siedewasserreaktoren zeichnet sich durch eine sehr hohe Zuverlässigkeit aus. Es ist bekannt, dass es bei schweren Störfällen unter speziellen Bedingungen (nach einer Druckentlastung des Containments bei gleichzeitiger Druckentlastung des Reaktordruckbehälters) zu Fehlmessungen kommen kann. Die in einer solchen Situation zu ergreifenden Massnahmen sind jedoch nicht auf die Niveaumessung angewiesen, weshalb allfällige Fehlmessungen keine Konsequenzen hätten.</p><p>3./4. Es sind keine technischen Probleme im Zusammenhang mit Füllstandsmessungen bekannt, die eine Ausserbetriebnahme der schweizerischen Kernkraftwerke rechtfertigen würden. Auch die Frage einer Erhöhung der Haftpflichtversicherung stellt sich deshalb in diesem Zusammenhang nicht.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Ich stelle dem Bundesrat die folgenden Fragen:</p><p>1. Wurden die Wasserstandsanzeiger in den Schweizer Reaktoren nach demselben Prinzip konstruiert wie die Anzeiger in Fukushima?</p><p>2. Wenn ja, was will der Bundesrat tun ob der Kenntnis, dass diese Anzeiger im Fall einer Störung zu falschen Entscheidungen führen und schlimme Konsequenzen nach sich ziehen können?</p><p>3. Sollten die Kernkraftwerke, in denen solche Wasserstandsanzeiger vorhanden sind, nach Meinung des Bundesrates nicht besser so lange abgeschaltet werden, bis man eine Lösung gefunden hat? </p><p>4. Wenn unsere Kernkraftwerke mit diesen Anzeigern weiter in Betrieb bleiben sollen, steigt bekanntermassen das Unfallrisiko. Sollten dementsprechend nicht die Haftpflichtversicherungen erhöht werden?</p>
    • Wie steht es um die Wasserstandsanzeiger in unseren Kernreaktoren?

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