Eine "Krankenversicherung light" für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsrecht

ShortId
17.3535
Id
20173535
Updated
28.07.2023 04:21
Language
de
Title
Eine "Krankenversicherung light" für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsrecht
AdditionalIndexing
2811;2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Erneut mussten bei der Krankenversicherung happige Prämienerhöhungen angekündigt werden. Die Kosten im Gesundheitswesen steigen weiterhin jedes Jahr, die Bürgerinnen und Bürger müssen dafür immer tiefer in die Tasche greifen. Bei den Krankenversicherern schlagen immer mehr ambulante Behandlungen zu Buche, unter anderem von Asylsuchenden, die gemäss aktuellen Zahlen im Durchschnitt höhere Kosten verursachen als die übrigen Versicherten. Sowohl die Prämien wie auch die übrigen anfallenden Kosten wie Selbstbehalte, nichtübernommene Behandlungen, Zahnbehandlungen usw. berappt schliesslich der Steuerzahler. Gleichzeitig wirken sich die umfangreichen Behandlungen auf die Prämien aus, was wiederum alle anderen Prämienzahler finanziell belastet. Das Konzept der Krankenversicherung mit seinem umfassenden Grundleistungskatalog schafft einerseits falsche Anreize für Asylsuchende und deckt andererseits nicht richtig ab. Als Beispiel sollen hier die Zahnbehandlungen angeführt werden. Kleinere Zahnbehandlungen werden nicht gedeckt und müssen von der Sozialhilfe bezahlt werden, umfangreiche Operationen wiederum können unter Umständen als medizinisch indiziert abgerechnet werden. Dies schafft den Anreiz, möglichst umfangreiche Behandlungen durchzuführen, um sie über die Krankenversicherung abrechnen zu können. Die Schaffung einer "Krankenversicherung light" für Personen im Asylverfahren könnte hier mit einem auf der Notversorgung basierenden Konzept Abhilfe schaffen. Ein solches kostengünstiges Versicherungsmodell könnte auch bei den Sans-Papiers Anwendung finden, welche grundsätzlich der Versicherungspflicht unterstehen, ebenfalls nicht über einen geregelten Aufenthaltsstatus und nur über kleine Einkommen verfügen und wenig Leistungen in Anspruch nehmen. Durch diese separate Krankenversicherung entsteht vor allem auch die nötige Transparenz bezüglich der Kosten.</p>
  • <p>Sowohl Asylsuchende als auch Personen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung (Sans-Papiers) unterstehen in der Schweiz der Krankenversicherungspflicht. In einigen Punkten folgt die Krankenversicherung der obenerwähnten Personen nicht den gleichen Regeln. So sorgt in der Praxis der Kanton, dem ein Asylsuchender zugewiesen ist, für dessen Beitritt zur sozialen Krankenversicherung, und dessen Gesundheitskosten werden von der öffentlichen Hand übernommen. Sans-Papiers müssen ihren Beitritt selbst bei einem Versicherer beantragen und bezahlen ihre Prämien - vorbehaltlich der Prämienverbilligung - sowie ihre Kostenbeteiligungen selbst. Betreffend die von den Versicherern zu übernehmenden Leistungen hingegen hat der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation Amstutz 17.3381, "Wohin steuern die medizinischen Kosten der Asylpolitik?", daran erinnert, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 5 Bst. f des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes; SR 832.12) für alle in der Schweiz versicherten Personen gilt. Gemäss diesem Grundsatz haben die Versicherten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus den gleichen Anspruch auf Übernahme der Leistungen, die in den Artikeln 25 bis 31 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) festgelegt sind.</p><p>Im Jahr 2015 lagen die von den Asylsuchenden verursachten durchschnittlichen Kosten 8,8 Prozent über den Durchschnittskosten für die restlichen Versicherten der Schweiz, was 0,67 Prozent der Gesamtkosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung entspricht. Nach den Artikeln 80 Absatz 1 und 82a Absätze 2 und 3 des Asylgesetzes (SR 142.31) haben Bund und Kantone die Möglichkeit, die Wahl der Versicherer für die Asylsuchenden einzuschränken, sie zu verpflichten, sich einer besonderen Versicherungsform anzuschliessen, und die Wahl der Leistungserbringer einzuschränken. Mit diesen Instrumenten können der Bund und die Kantone den Zugang der Asylsuchenden zu unserem Gesundheitssystem sinnvoll steuern.</p><p>Die zahnärztlichen Behandlungen bei Asylsuchenden werden nur von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen, wenn sie die Folge einer Krankheit oder eines vom KVG-Versicherer gedeckten Unfalls sind, sowie ausschliesslich unter den restriktiven Bedingungen der Artikel 31 und 32 KVG. Die Leistungen müssen somit wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Diese Kriterien gelten auch für die nicht durch das KVG gedeckten zahnärztlichen Behandlungen, die von der öffentlichen Hand übernommen werden. Nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (https://www.skos.ch/skos-richtlinien/richtlinien-konsultieren/) werden Zahnbehandlungen, die über den Rahmen des KVG hinausgehen, dann übernommen, wenn die Behandlung nötig ist und in einer einfachen, wirtschaftlichen und zweckmässigen Weise erfolgt. Nach der Rechtsprechung werden nur jene Behandlungen gedeckt, die geeignet sind, Zahnschmerzen zu beseitigen oder die Kaufähigkeit sicherzustellen. Stehen mehrere Behandlungswege offen, so gebührt der günstigsten Variante der Vorzug (Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. November 2008 C-2616/2008). Die obenerwähnten Bedingungen bestimmen, ob eine zahnärztliche Behandlung zulasten der Krankenversicherung abgerechnet werden kann; in diesem Bereich besteht keinerlei Freiheit.</p><p>Auf der Ebene der sozialen Krankenversicherung unterscheiden sich die Versicherten, die sich ohne gültige Bewilligung in der Schweiz aufhalten, nicht von den übrigen Versicherten. Folglich hätten die Versicherer grosse Schwierigkeiten, sie der Kategorie der Sans-Papiers zuzuweisen. In seinem Bericht vom 23. Mai 2012 in Erfüllung des Postulates Heim 09.3484, "Sans-Papiers. Krankenversicherung und Zugang zur Gesundheitsversorgung" (abrufbar unter www.bag.admin.ch &gt; Service &gt; Publikationen &gt; Bundesratsberichte), ist der Bundesrat überdies namentlich zum Schluss gelangt, dass der Grad der Versicherungsdeckung von Sans-Papiers erhöht werden sollte und dass Sans-Papiers und andere Versicherte gleich behandelt werden sollten. Die Umsetzung der vorliegenden Motion würde somit den Zielen, die sich der Bundesrat gesetzt hat, klar zuwiderlaufen.</p><p>Aus Sicht des Bundesrates ist es nicht zulässig, eine Ungleichbehandlung gegenüber Asylsuchenden, Sans-Papiers und weiteren Personen mit ungeklärtem Status einzuführen, indem eine eingeschränkte Versicherung geschaffen wird, die besonders schutzbedürftige Versicherte stigmatisieren würde.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird gebeten, die nötigen Schritte einzuleiten, damit Personen mit ungeklärtem oder provisorischem Aufenthaltsstatus, z. B. Asylsuchende, Sans-Papiers und weitere, in einer "Krankenversicherung light" mit angepasstem Grundleistungskatalog versichert werden können. Diese Krankenversicherung light soll durch Bundesgelder finanziert werden, im Rahmen der gesprochenen Asylkredite.</p>
  • Eine "Krankenversicherung light" für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsrecht
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Erneut mussten bei der Krankenversicherung happige Prämienerhöhungen angekündigt werden. Die Kosten im Gesundheitswesen steigen weiterhin jedes Jahr, die Bürgerinnen und Bürger müssen dafür immer tiefer in die Tasche greifen. Bei den Krankenversicherern schlagen immer mehr ambulante Behandlungen zu Buche, unter anderem von Asylsuchenden, die gemäss aktuellen Zahlen im Durchschnitt höhere Kosten verursachen als die übrigen Versicherten. Sowohl die Prämien wie auch die übrigen anfallenden Kosten wie Selbstbehalte, nichtübernommene Behandlungen, Zahnbehandlungen usw. berappt schliesslich der Steuerzahler. Gleichzeitig wirken sich die umfangreichen Behandlungen auf die Prämien aus, was wiederum alle anderen Prämienzahler finanziell belastet. Das Konzept der Krankenversicherung mit seinem umfassenden Grundleistungskatalog schafft einerseits falsche Anreize für Asylsuchende und deckt andererseits nicht richtig ab. Als Beispiel sollen hier die Zahnbehandlungen angeführt werden. Kleinere Zahnbehandlungen werden nicht gedeckt und müssen von der Sozialhilfe bezahlt werden, umfangreiche Operationen wiederum können unter Umständen als medizinisch indiziert abgerechnet werden. Dies schafft den Anreiz, möglichst umfangreiche Behandlungen durchzuführen, um sie über die Krankenversicherung abrechnen zu können. Die Schaffung einer "Krankenversicherung light" für Personen im Asylverfahren könnte hier mit einem auf der Notversorgung basierenden Konzept Abhilfe schaffen. Ein solches kostengünstiges Versicherungsmodell könnte auch bei den Sans-Papiers Anwendung finden, welche grundsätzlich der Versicherungspflicht unterstehen, ebenfalls nicht über einen geregelten Aufenthaltsstatus und nur über kleine Einkommen verfügen und wenig Leistungen in Anspruch nehmen. Durch diese separate Krankenversicherung entsteht vor allem auch die nötige Transparenz bezüglich der Kosten.</p>
    • <p>Sowohl Asylsuchende als auch Personen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung (Sans-Papiers) unterstehen in der Schweiz der Krankenversicherungspflicht. In einigen Punkten folgt die Krankenversicherung der obenerwähnten Personen nicht den gleichen Regeln. So sorgt in der Praxis der Kanton, dem ein Asylsuchender zugewiesen ist, für dessen Beitritt zur sozialen Krankenversicherung, und dessen Gesundheitskosten werden von der öffentlichen Hand übernommen. Sans-Papiers müssen ihren Beitritt selbst bei einem Versicherer beantragen und bezahlen ihre Prämien - vorbehaltlich der Prämienverbilligung - sowie ihre Kostenbeteiligungen selbst. Betreffend die von den Versicherern zu übernehmenden Leistungen hingegen hat der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation Amstutz 17.3381, "Wohin steuern die medizinischen Kosten der Asylpolitik?", daran erinnert, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 5 Bst. f des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes; SR 832.12) für alle in der Schweiz versicherten Personen gilt. Gemäss diesem Grundsatz haben die Versicherten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus den gleichen Anspruch auf Übernahme der Leistungen, die in den Artikeln 25 bis 31 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) festgelegt sind.</p><p>Im Jahr 2015 lagen die von den Asylsuchenden verursachten durchschnittlichen Kosten 8,8 Prozent über den Durchschnittskosten für die restlichen Versicherten der Schweiz, was 0,67 Prozent der Gesamtkosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung entspricht. Nach den Artikeln 80 Absatz 1 und 82a Absätze 2 und 3 des Asylgesetzes (SR 142.31) haben Bund und Kantone die Möglichkeit, die Wahl der Versicherer für die Asylsuchenden einzuschränken, sie zu verpflichten, sich einer besonderen Versicherungsform anzuschliessen, und die Wahl der Leistungserbringer einzuschränken. Mit diesen Instrumenten können der Bund und die Kantone den Zugang der Asylsuchenden zu unserem Gesundheitssystem sinnvoll steuern.</p><p>Die zahnärztlichen Behandlungen bei Asylsuchenden werden nur von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen, wenn sie die Folge einer Krankheit oder eines vom KVG-Versicherer gedeckten Unfalls sind, sowie ausschliesslich unter den restriktiven Bedingungen der Artikel 31 und 32 KVG. Die Leistungen müssen somit wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Diese Kriterien gelten auch für die nicht durch das KVG gedeckten zahnärztlichen Behandlungen, die von der öffentlichen Hand übernommen werden. Nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (https://www.skos.ch/skos-richtlinien/richtlinien-konsultieren/) werden Zahnbehandlungen, die über den Rahmen des KVG hinausgehen, dann übernommen, wenn die Behandlung nötig ist und in einer einfachen, wirtschaftlichen und zweckmässigen Weise erfolgt. Nach der Rechtsprechung werden nur jene Behandlungen gedeckt, die geeignet sind, Zahnschmerzen zu beseitigen oder die Kaufähigkeit sicherzustellen. Stehen mehrere Behandlungswege offen, so gebührt der günstigsten Variante der Vorzug (Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. November 2008 C-2616/2008). Die obenerwähnten Bedingungen bestimmen, ob eine zahnärztliche Behandlung zulasten der Krankenversicherung abgerechnet werden kann; in diesem Bereich besteht keinerlei Freiheit.</p><p>Auf der Ebene der sozialen Krankenversicherung unterscheiden sich die Versicherten, die sich ohne gültige Bewilligung in der Schweiz aufhalten, nicht von den übrigen Versicherten. Folglich hätten die Versicherer grosse Schwierigkeiten, sie der Kategorie der Sans-Papiers zuzuweisen. In seinem Bericht vom 23. Mai 2012 in Erfüllung des Postulates Heim 09.3484, "Sans-Papiers. Krankenversicherung und Zugang zur Gesundheitsversorgung" (abrufbar unter www.bag.admin.ch &gt; Service &gt; Publikationen &gt; Bundesratsberichte), ist der Bundesrat überdies namentlich zum Schluss gelangt, dass der Grad der Versicherungsdeckung von Sans-Papiers erhöht werden sollte und dass Sans-Papiers und andere Versicherte gleich behandelt werden sollten. Die Umsetzung der vorliegenden Motion würde somit den Zielen, die sich der Bundesrat gesetzt hat, klar zuwiderlaufen.</p><p>Aus Sicht des Bundesrates ist es nicht zulässig, eine Ungleichbehandlung gegenüber Asylsuchenden, Sans-Papiers und weiteren Personen mit ungeklärtem Status einzuführen, indem eine eingeschränkte Versicherung geschaffen wird, die besonders schutzbedürftige Versicherte stigmatisieren würde.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird gebeten, die nötigen Schritte einzuleiten, damit Personen mit ungeklärtem oder provisorischem Aufenthaltsstatus, z. B. Asylsuchende, Sans-Papiers und weitere, in einer "Krankenversicherung light" mit angepasstem Grundleistungskatalog versichert werden können. Diese Krankenversicherung light soll durch Bundesgelder finanziert werden, im Rahmen der gesprochenen Asylkredite.</p>
    • Eine "Krankenversicherung light" für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsrecht

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