Handlungsbedarf bei Tierversuchen. Förderung des 3R-Prinzips durch den Schweizerischen Nationalfonds

ShortId
17.3545
Id
20173545
Updated
28.07.2023 04:38
Language
de
Title
Handlungsbedarf bei Tierversuchen. Förderung des 3R-Prinzips durch den Schweizerischen Nationalfonds
AdditionalIndexing
36;52
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Das Schweizer Tierschutzgesetz (SR 455) verpflichtet Forschende, Tierversuche auf das unerlässliche Mass zu beschränken und kein Tier unnötig leiden zu lassen. Als Forschungsförderungsorgan des Bundes beurteilt der Schweizerische Nationalfonds (SNF) die wissenschaftliche Qualität eines Projektes in Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Tierversuche.</p><p>Vor diesem Hintergrund lassen sich die Fragen wie folgt beantworten:</p><p>1. Der verantwortungsbewusste und schonende Umgang mit Versuchstieren unter Anwendung der 3R-Prinzipien steht im Zentrum der obligatorischen Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals für Tierversuche. Diese Anforderungen sind in der Verordnung des EDI über Ausbildungen in der Tierhaltung und im Umgang mit Tieren (SR 455.109.1) festgelegt. Nur Personen, die eine entsprechende Schulung nachweisen können, sind berechtigt, Tierversuche durchzuführen oder zu leiten. Zudem führt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) jährlich eine Tagung mit einem 3R-relevanten Schwerpunkt für die kantonalen Fachexpertinnen und Fachexperten, die Mitglieder der kantonalen Tierversuchskommissionen sowie die Tierschutzbeauftragten (Animal Welfare Officer, AWO) von Unternehmen und Hochschulen durch. Des Weiteren ist geplant, die Tierschutzverordnung dahingehend anzupassen, dass jedes Institut oder Laboratorium, das Tierversuche durchführt, einen AWO bezeichnen muss (voraussichtliches Inkrafttreten der Revision: Anfang 2018). Auf der Basis des vom Bundesrat im Jahr 2015 verabschiedeten Berichtes zum Postulat 12.3660, "Zukunft der Stiftung Forschung 3R und Alternativmethoden für Tierversuche", wurden bereits Massnahmen eingeleitet (vgl. Antwort auf die Interpellation 16.4121, "Alternativen zu Tierversuchen während der Ausbildung besser berücksichtigen"). Der SNF seinerseits fördert den 3R-Ansatz insbesondere durch seine hohen Qualitätsanforderungen an die Forschungsprojekte. Die Projekte müssen dem "state of the art" entsprechen und damit auch die 3R-Prinzipien erfüllen. Zum Beispiel darf in der Versuchsplanung die Zahl der Tiere weder unnötig erhöht werden ("reduce") noch die Versuchsanordnung unverhältnismässig belastend sein ("refine"). Zudem fördert der SNF viele Projekte mit Zellkulturen ("replace"), ohne dass diese ausdrücklich als 3R-Projekte ausgewiesen werden.</p><p>2. Sämtliche in der Schweiz durchgeführten Tierversuche sind in der Statistik des BLV aufgeführt. Der SNF informiert auf Anfrage jederzeit über die Tierversuche in den von ihm geförderten Forschungsprojekten. Da viele Projekte mit Tierversuchen parallel auch wichtige 3R-Ansätze verfolgen, ist eine klare Trennung in 3R-Projekte und Tierversuchsprojekte nicht möglich. Aus diesen Mischformen lassen sich keine aussagekräftigen Statistiken erstellen.</p><p>Um solche Daten bezüglich Anwendung des 3R-Ansatzes systematisch ausweisen zu können, führt der SNF per 1. April 2018 eine Selbstdeklaration der Forschenden bezüglich der 3R-Relevanz ihrer Projekte ein. Dadurch wird er die Forschenden zusätzlich nochmals für die Umsetzung der 3R-Prinzipien sensibilisieren.</p><p>3. Der SNF evaluiert 3R-relevante Forschungsprojekte nach den gleichen Regeln wie alle anderen Projektgesuche. Wenn sie den Ausschreibungsbedingungen entsprechen und sich in der kompetitiven Beurteilung durchsetzen, werden sie gefördert, sofern die kantonalen Bewilligungen vorliegen. Die Erfolgsquote von Projektgesuchen in der Abteilung Biologie und Medizin, wo 3R-relevante Projekte eingereicht werden, beträgt rund 45 Prozent. Die Projektförderung fokussiert gemäss Reglement des SNF hypothesengeleitete Forschungsfragen. Projekte, die sich ausschliesslich mit der Methodenentwicklung - darunter auch 3R-Projekte - befassen, können in der Regel nicht über den SNF gefördert werden.</p><p>4. Der Bundesrat hat in seinem Bericht zum Postulat 12.3660, "Zukunft der Stiftung Forschung 3R und Alternativmethoden für Tierversuche", vom 1. Juli 2015 zur Stärkung der 3R-Kompetenzen verschiedene Handlungsfelder benannt: Aus- und Weiterbildung, systematische Erfassung von 3R-relevanten Informationen und Stärkung der entsprechenden Forschungskompetenzen mittels Schaffung eines 3R-Zentrums und Initiierung der Methodenforschung. Für alle Handlungsfelder sind entsprechende Massnahmen geplant bzw. umgesetzt.</p><p>5. Neben der generellen Förderung durch den SNF hat die Stiftung Forschung 3R seit 1987 Forschung im Bereich 3R (auch im Bereich der Entwicklung und Validierung von Methoden) unterstützt. Die zur Hälfte vom Bund getragene Stiftung hat zwischen 1987 und 2014 insgesamt 142 Projekte mit einem Betrag von 19 Millionen Franken finanziert. Die finanziellen Mittel, mit welchen der Bund bisher die Stiftung 3R unterstützte, sollen in Zukunft dem geplanten 3R-Kompetenzzentrum zur Verfügung gestellt werden. Damit sollen Wissenslücken im 3R-Bereich aufgedeckt und Forschungsprojekte, namentlich methodische Weiterentwicklungen, angestossen werden.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>In der Schweiz besteht bei Tierversuchen und 3R-Methoden (replace, reduce, refine) ein hoher Handlungsbedarf. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist im Tierschutzgesetz, Artikel 22 Absatz 2, die Entwicklung, Anerkennung und Anwendung von 3R-Methoden durch den Staat verankert. Leider ist diesbezüglich bis heute sehr wenig geschehen. In der Vergangenheit hat der Schweizerische Nationalfonds (SNF) häufig 3R-Projekte abgelehnt, obwohl die wissenschaftlichen Grundlagen in diesem Bereich vielfach fehlen. Forschende sind nicht mehr motiviert, 3R-Projekte beim SNF oder in nationalen Forschungsprogrammen einzugeben. Im Jahr 2016 förderte der SNF mit rund 130 Millionen Schweizerfranken insgesamt 236 Projekte in den Bereichen biologische und medizinische Grundlagenwissenschaften sowie in experimenteller Medizin. In diesen Bereichen werden die meisten Tierversuche durchgeführt. Leider besteht aber keine Transparenz über Tierversuchsprojekte und 3R-Projekte.</p><p>Für das Jahr 2018 ist nun das 3R-Kompetenzzentrum geplant. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Die finanziellen Mittel des Kompetenzzentrums sind aber knapp bemessen und reichen nicht aus, um den grossen Nachholbedarf bei der Grundlagenforschung sowie bei der Entwicklung von 3R-Methoden zu übernehmen. Um dem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden, müssen zukünftig mehr Forschungsgelder des SNF in die 3R-Forschung fliessen.</p><p>1. Wie wurden der Bundesrat und der SNF, nebst der Unterstützung der Stiftung 3R, ihrem Auftrag gerecht, die Entwicklung, Anerkennung und Anwendung von 3R-Methoden durch den Staat zu fördern?</p><p>2. Wie viel SNF-Forschungsgelder flossen in den letzten Jahren in 3R-Forschungsprojekte bzw. Projekte mit Tierversuchen? Wie viel Projekte wurden unterstützt? Den öffentlich zugänglichen Informationen sind diese Zahlen nicht zu entnehmen. Ist der SNF bereit, 3R-Projekte und Projekte mit Tierversuchen transparent auszuweisen?</p><p>3. Warum wurden in den letzten Jahren viele 3R-Forschungsprojekte vom SNF abgelehnt? Fallen 3R-Projekte nicht in das Förderkonzept des SNF - oder gehören sie nicht zu den SNF-Förderbereichen?</p><p>4. Teilt er die Meinung, dass bezüglich 3R-Forschung ein Nachholbedarf besteht und dass diese Aufgabe nicht allein durch das 3R-Kompetenzzentrum erfüllt werden kann?</p><p>5. Welche nationalen Forschungsgelder könnten durch 3R-Projekte abgeholt werden, abgesehen von den SNF-Geldern?</p>
  • Handlungsbedarf bei Tierversuchen. Förderung des 3R-Prinzips durch den Schweizerischen Nationalfonds
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Das Schweizer Tierschutzgesetz (SR 455) verpflichtet Forschende, Tierversuche auf das unerlässliche Mass zu beschränken und kein Tier unnötig leiden zu lassen. Als Forschungsförderungsorgan des Bundes beurteilt der Schweizerische Nationalfonds (SNF) die wissenschaftliche Qualität eines Projektes in Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Tierversuche.</p><p>Vor diesem Hintergrund lassen sich die Fragen wie folgt beantworten:</p><p>1. Der verantwortungsbewusste und schonende Umgang mit Versuchstieren unter Anwendung der 3R-Prinzipien steht im Zentrum der obligatorischen Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals für Tierversuche. Diese Anforderungen sind in der Verordnung des EDI über Ausbildungen in der Tierhaltung und im Umgang mit Tieren (SR 455.109.1) festgelegt. Nur Personen, die eine entsprechende Schulung nachweisen können, sind berechtigt, Tierversuche durchzuführen oder zu leiten. Zudem führt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) jährlich eine Tagung mit einem 3R-relevanten Schwerpunkt für die kantonalen Fachexpertinnen und Fachexperten, die Mitglieder der kantonalen Tierversuchskommissionen sowie die Tierschutzbeauftragten (Animal Welfare Officer, AWO) von Unternehmen und Hochschulen durch. Des Weiteren ist geplant, die Tierschutzverordnung dahingehend anzupassen, dass jedes Institut oder Laboratorium, das Tierversuche durchführt, einen AWO bezeichnen muss (voraussichtliches Inkrafttreten der Revision: Anfang 2018). Auf der Basis des vom Bundesrat im Jahr 2015 verabschiedeten Berichtes zum Postulat 12.3660, "Zukunft der Stiftung Forschung 3R und Alternativmethoden für Tierversuche", wurden bereits Massnahmen eingeleitet (vgl. Antwort auf die Interpellation 16.4121, "Alternativen zu Tierversuchen während der Ausbildung besser berücksichtigen"). Der SNF seinerseits fördert den 3R-Ansatz insbesondere durch seine hohen Qualitätsanforderungen an die Forschungsprojekte. Die Projekte müssen dem "state of the art" entsprechen und damit auch die 3R-Prinzipien erfüllen. Zum Beispiel darf in der Versuchsplanung die Zahl der Tiere weder unnötig erhöht werden ("reduce") noch die Versuchsanordnung unverhältnismässig belastend sein ("refine"). Zudem fördert der SNF viele Projekte mit Zellkulturen ("replace"), ohne dass diese ausdrücklich als 3R-Projekte ausgewiesen werden.</p><p>2. Sämtliche in der Schweiz durchgeführten Tierversuche sind in der Statistik des BLV aufgeführt. Der SNF informiert auf Anfrage jederzeit über die Tierversuche in den von ihm geförderten Forschungsprojekten. Da viele Projekte mit Tierversuchen parallel auch wichtige 3R-Ansätze verfolgen, ist eine klare Trennung in 3R-Projekte und Tierversuchsprojekte nicht möglich. Aus diesen Mischformen lassen sich keine aussagekräftigen Statistiken erstellen.</p><p>Um solche Daten bezüglich Anwendung des 3R-Ansatzes systematisch ausweisen zu können, führt der SNF per 1. April 2018 eine Selbstdeklaration der Forschenden bezüglich der 3R-Relevanz ihrer Projekte ein. Dadurch wird er die Forschenden zusätzlich nochmals für die Umsetzung der 3R-Prinzipien sensibilisieren.</p><p>3. Der SNF evaluiert 3R-relevante Forschungsprojekte nach den gleichen Regeln wie alle anderen Projektgesuche. Wenn sie den Ausschreibungsbedingungen entsprechen und sich in der kompetitiven Beurteilung durchsetzen, werden sie gefördert, sofern die kantonalen Bewilligungen vorliegen. Die Erfolgsquote von Projektgesuchen in der Abteilung Biologie und Medizin, wo 3R-relevante Projekte eingereicht werden, beträgt rund 45 Prozent. Die Projektförderung fokussiert gemäss Reglement des SNF hypothesengeleitete Forschungsfragen. Projekte, die sich ausschliesslich mit der Methodenentwicklung - darunter auch 3R-Projekte - befassen, können in der Regel nicht über den SNF gefördert werden.</p><p>4. Der Bundesrat hat in seinem Bericht zum Postulat 12.3660, "Zukunft der Stiftung Forschung 3R und Alternativmethoden für Tierversuche", vom 1. Juli 2015 zur Stärkung der 3R-Kompetenzen verschiedene Handlungsfelder benannt: Aus- und Weiterbildung, systematische Erfassung von 3R-relevanten Informationen und Stärkung der entsprechenden Forschungskompetenzen mittels Schaffung eines 3R-Zentrums und Initiierung der Methodenforschung. Für alle Handlungsfelder sind entsprechende Massnahmen geplant bzw. umgesetzt.</p><p>5. Neben der generellen Förderung durch den SNF hat die Stiftung Forschung 3R seit 1987 Forschung im Bereich 3R (auch im Bereich der Entwicklung und Validierung von Methoden) unterstützt. Die zur Hälfte vom Bund getragene Stiftung hat zwischen 1987 und 2014 insgesamt 142 Projekte mit einem Betrag von 19 Millionen Franken finanziert. Die finanziellen Mittel, mit welchen der Bund bisher die Stiftung 3R unterstützte, sollen in Zukunft dem geplanten 3R-Kompetenzzentrum zur Verfügung gestellt werden. Damit sollen Wissenslücken im 3R-Bereich aufgedeckt und Forschungsprojekte, namentlich methodische Weiterentwicklungen, angestossen werden.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>In der Schweiz besteht bei Tierversuchen und 3R-Methoden (replace, reduce, refine) ein hoher Handlungsbedarf. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist im Tierschutzgesetz, Artikel 22 Absatz 2, die Entwicklung, Anerkennung und Anwendung von 3R-Methoden durch den Staat verankert. Leider ist diesbezüglich bis heute sehr wenig geschehen. In der Vergangenheit hat der Schweizerische Nationalfonds (SNF) häufig 3R-Projekte abgelehnt, obwohl die wissenschaftlichen Grundlagen in diesem Bereich vielfach fehlen. Forschende sind nicht mehr motiviert, 3R-Projekte beim SNF oder in nationalen Forschungsprogrammen einzugeben. Im Jahr 2016 förderte der SNF mit rund 130 Millionen Schweizerfranken insgesamt 236 Projekte in den Bereichen biologische und medizinische Grundlagenwissenschaften sowie in experimenteller Medizin. In diesen Bereichen werden die meisten Tierversuche durchgeführt. Leider besteht aber keine Transparenz über Tierversuchsprojekte und 3R-Projekte.</p><p>Für das Jahr 2018 ist nun das 3R-Kompetenzzentrum geplant. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Die finanziellen Mittel des Kompetenzzentrums sind aber knapp bemessen und reichen nicht aus, um den grossen Nachholbedarf bei der Grundlagenforschung sowie bei der Entwicklung von 3R-Methoden zu übernehmen. Um dem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden, müssen zukünftig mehr Forschungsgelder des SNF in die 3R-Forschung fliessen.</p><p>1. Wie wurden der Bundesrat und der SNF, nebst der Unterstützung der Stiftung 3R, ihrem Auftrag gerecht, die Entwicklung, Anerkennung und Anwendung von 3R-Methoden durch den Staat zu fördern?</p><p>2. Wie viel SNF-Forschungsgelder flossen in den letzten Jahren in 3R-Forschungsprojekte bzw. Projekte mit Tierversuchen? Wie viel Projekte wurden unterstützt? Den öffentlich zugänglichen Informationen sind diese Zahlen nicht zu entnehmen. Ist der SNF bereit, 3R-Projekte und Projekte mit Tierversuchen transparent auszuweisen?</p><p>3. Warum wurden in den letzten Jahren viele 3R-Forschungsprojekte vom SNF abgelehnt? Fallen 3R-Projekte nicht in das Förderkonzept des SNF - oder gehören sie nicht zu den SNF-Förderbereichen?</p><p>4. Teilt er die Meinung, dass bezüglich 3R-Forschung ein Nachholbedarf besteht und dass diese Aufgabe nicht allein durch das 3R-Kompetenzzentrum erfüllt werden kann?</p><p>5. Welche nationalen Forschungsgelder könnten durch 3R-Projekte abgeholt werden, abgesehen von den SNF-Geldern?</p>
    • Handlungsbedarf bei Tierversuchen. Förderung des 3R-Prinzips durch den Schweizerischen Nationalfonds

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