Rückführung von eingezogenen Korruptionsgeldern an die bestohlenen Bevölkerungen

ShortId
17.3547
Id
20173547
Updated
28.07.2023 04:40
Language
de
Title
Rückführung von eingezogenen Korruptionsgeldern an die bestohlenen Bevölkerungen
AdditionalIndexing
1216;08;15;24
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Laut Medienberichten hat die Bundesanwaltschaft Ex-Topkader eines belgischen Konzerns wegen Bestechung zu einer Busse von 1 Million Franken verurteilt. Zudem muss die Firma 36 Millionen Franken unrechtmässig erzielten Gewinn an die Schweiz abliefern. Hauptort der Korruption waren aber weder die Schweiz noch Belgien, sondern Nigeria. Hauptgeschädigte ist die nigerianische Bevölkerung. Deshalb ist es falsch, wenn die eingezogenen Gewinne wie vorgesehen vollständig in die Bundeskasse fliessen. Zumindest teilweise sollten sie nach den Verfahren des Bundesgesetzes über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG) vom 18. Dezember 2015 (SR 196.1) der bestohlenen nigerianischen Bevölkerung zurückerstattet werden.</p><p>Wie dem Jahresbericht der Finma zu entnehmen ist, handelt es sich hier um keinen Einzelfall. Mehrere Schweizer Finanzinstitute sind in grosse internationale Korruptionsfälle - wie den malaysischen Staatsfonds 1MDB oder Petrobras - verwickelt. Der Verfahrenskomplex Petrobras/Odebrecht bildet sich auch markant im Tätigkeitsbericht der Bundesanwaltschaft ab. Odebrecht wurde in der Schweiz mittels Strafbefehl gestützt auf Artikel 102 StGB schuldig erklärt und mit 4,5 Millionen Schweizerfranken gebüsst. Mittels Einziehung und Festlegung einer entsprechenden Ersatzforderung wurde Odebrecht in der Schweiz zur Rückerstattung verbrecherischer Gewinne in der Grössenordnung von 200 Millionen Schweizerfranken verpflichtet. Weitere insgesamt rund 1,8 Milliarden US-Dollar sind gestützt auf entsprechende Vereinbarungen mit den zuständigen Behörden bzw. Entscheide in Brasilien und den USA zurückzuerstatten.</p><p>Die Schweiz ist in all diesen Verfahren nicht als Hauptgeschädigte zu betrachten, sondern in erster Linie die nigerianische, malaysische bzw. brasilianische Bevölkerung. Deshalb müssen die eingezogenen unrechtmässigen Gewinne zumindest teilweise an diese zurückerstattet werden.</p><p>Zu berücksichtigen ist auch die Uno-Antikorruptionskonvention, die in Artikel 54 innerstaatliche Vorkehrungen verlangt, damit ein durch die Straftaten geschädigter Vertragsstaat Schadenersatz erhält.</p>
  • <p>Seit der Affäre um die Marcos-Gelder im Jahr 1986 betreibt der Bundesrat im Umgang mit Potentatengeldern eine proaktive Politik. Die Strategie des Bundesrates zur Sperrung, Einziehung und Rückführung von Potentatengeldern, die am 21. Mai 2014 verabschiedet wurde, sieht namentlich eine rasche und rechtsstaatlich korrekte Rückerstattung unter Wahrung von transparenten und sorgfältig ausgewählten Rückführungsmodalitäten vor. In jüngerer Zeit wurden allerdings gewisse internationale Korruptionsfälle mittels Einziehungen zugunsten der Bundeskasse abgeschlossen.</p><p>Es bestehen bereits heute rechtliche Möglichkeiten, damit der Herkunftsstaat eine Rückerstattung erlangen kann. Der Staat, der durch Korruptionshandlungen geschädigt wurde, kann als Privatkläger auftreten und sich so am schweizerischen Strafverfahren beteiligen. Die Herausgabe zugunsten des Verletzten hat Vorrang vor der Einziehung, da dessen Rechte durch die Aushändigung der Vermögenswerte, die durch die Straftat erlangt worden sind, wiederhergestellt werden müssen (Art. 70 StGB). Der ausländische Staat, der glaubt, in seinen Rechten berührt zu sein, jedoch nicht als Privatkläger auftritt, verliert so die Möglichkeit, sich die durch die Straftat erlangten Vermögenswerte rückerstatten zu lassen. Aber auch in diesem Fall kann er im Rahmen der Rechtshilfe in Strafsachen in den Genuss einer Teilung der eingezogenen Vermögenswerte nach schweizerischem Recht (Art. 11 TEVG; SR 312.4) kommen. Weiter haben die administrativen Einziehungen, die von der Finma ausgesprochen werden, subsidiären Charakter, da Artikel 35 Absätze 5 und 6 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (SR 956.1) der strafrechtlichen Einziehung und der Herausgabe an Geschädigte ausdrücklich Vorrang einräumen.</p><p>Angesichts dessen und gemäss dem Grundsatz der Gewaltenteilung ist der Bundesrat nicht befugt, im Rahmen eines Strafverfahrens selber eine Rückerstattung an den Herkunftsstaat anzuordnen. Dafür sind die Gerichtsbehörden zuständig, welche unabhängig sind. Damit eine Rückführung im Rahmen von Rechtshilfeverfahren möglich wird, müssen die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein und gegebenenfalls gerichtlich bestätigt werden. Im Einklang mit den Entscheidungen der Gerichtsbehörden nahm der Bundesrat jedoch in gewissen besonders komplexen oder grossen Korruptionsfällen durch das EDA bei der Begleitung der Rückerstattungen eine wichtige Rolle wahr, welche ihm von den zuständigen Behörden übertragen worden war. Dieses Vorgehen wurde insbesondere in den Fällen der Philippinen (684 Millionen US-Dollar), von Nigeria (700 Millionen US-Dollar) und von Kasachstan (163 Millionen US-Dollar) erfolgreich angewandt.</p><p>Mit den in diesen Fällen angewandten Rückführungsgrundsätzen konnte ein transparentes Vorgehen gewährleistet werden, und die rückerstatteten Beträge kamen der Bevölkerung dieser Staaten zugute. Diese Praxis hat sich über die Jahre gefestigt und widerspiegelt sich neuerdings in den Artikeln 17 bis 19 des Bundesgesetzes über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG; SR 196.1). Diese Artikel sind jedoch nur direkt anwendbar, wenn das Bundesverwaltungsgericht gestützt auf Artikel 14 SRVG eine Einziehung angeordnet hat, was in den von den Motionären erwähnten Fällen nicht der Fall ist.</p><p>Der Bundesrat ist hingegen bereit, die Möglichkeit zur Ergänzung des SRVG um eine neue Bestimmung zu prüfen, wonach die Gerichts- oder Rechtshilfebehörden das EDA mit der Betreuung der Rückerstattungen von Vermögenswerten, welche diese Behörden im Rahmen von Strafrecht- oder Rechtshilfeverfahren anordnen, beauftragen können".</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, von der Bundesanwaltschaft und von der Finma eingezogene, in Drittstaaten unrechtmässig erzielte Gewinne zumindest teilweise nach den Verfahren des Potentatengeldergesetzes (SR 196.1) in die betroffenen Länder zurückzuführen.</p>
  • Rückführung von eingezogenen Korruptionsgeldern an die bestohlenen Bevölkerungen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Laut Medienberichten hat die Bundesanwaltschaft Ex-Topkader eines belgischen Konzerns wegen Bestechung zu einer Busse von 1 Million Franken verurteilt. Zudem muss die Firma 36 Millionen Franken unrechtmässig erzielten Gewinn an die Schweiz abliefern. Hauptort der Korruption waren aber weder die Schweiz noch Belgien, sondern Nigeria. Hauptgeschädigte ist die nigerianische Bevölkerung. Deshalb ist es falsch, wenn die eingezogenen Gewinne wie vorgesehen vollständig in die Bundeskasse fliessen. Zumindest teilweise sollten sie nach den Verfahren des Bundesgesetzes über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG) vom 18. Dezember 2015 (SR 196.1) der bestohlenen nigerianischen Bevölkerung zurückerstattet werden.</p><p>Wie dem Jahresbericht der Finma zu entnehmen ist, handelt es sich hier um keinen Einzelfall. Mehrere Schweizer Finanzinstitute sind in grosse internationale Korruptionsfälle - wie den malaysischen Staatsfonds 1MDB oder Petrobras - verwickelt. Der Verfahrenskomplex Petrobras/Odebrecht bildet sich auch markant im Tätigkeitsbericht der Bundesanwaltschaft ab. Odebrecht wurde in der Schweiz mittels Strafbefehl gestützt auf Artikel 102 StGB schuldig erklärt und mit 4,5 Millionen Schweizerfranken gebüsst. Mittels Einziehung und Festlegung einer entsprechenden Ersatzforderung wurde Odebrecht in der Schweiz zur Rückerstattung verbrecherischer Gewinne in der Grössenordnung von 200 Millionen Schweizerfranken verpflichtet. Weitere insgesamt rund 1,8 Milliarden US-Dollar sind gestützt auf entsprechende Vereinbarungen mit den zuständigen Behörden bzw. Entscheide in Brasilien und den USA zurückzuerstatten.</p><p>Die Schweiz ist in all diesen Verfahren nicht als Hauptgeschädigte zu betrachten, sondern in erster Linie die nigerianische, malaysische bzw. brasilianische Bevölkerung. Deshalb müssen die eingezogenen unrechtmässigen Gewinne zumindest teilweise an diese zurückerstattet werden.</p><p>Zu berücksichtigen ist auch die Uno-Antikorruptionskonvention, die in Artikel 54 innerstaatliche Vorkehrungen verlangt, damit ein durch die Straftaten geschädigter Vertragsstaat Schadenersatz erhält.</p>
    • <p>Seit der Affäre um die Marcos-Gelder im Jahr 1986 betreibt der Bundesrat im Umgang mit Potentatengeldern eine proaktive Politik. Die Strategie des Bundesrates zur Sperrung, Einziehung und Rückführung von Potentatengeldern, die am 21. Mai 2014 verabschiedet wurde, sieht namentlich eine rasche und rechtsstaatlich korrekte Rückerstattung unter Wahrung von transparenten und sorgfältig ausgewählten Rückführungsmodalitäten vor. In jüngerer Zeit wurden allerdings gewisse internationale Korruptionsfälle mittels Einziehungen zugunsten der Bundeskasse abgeschlossen.</p><p>Es bestehen bereits heute rechtliche Möglichkeiten, damit der Herkunftsstaat eine Rückerstattung erlangen kann. Der Staat, der durch Korruptionshandlungen geschädigt wurde, kann als Privatkläger auftreten und sich so am schweizerischen Strafverfahren beteiligen. Die Herausgabe zugunsten des Verletzten hat Vorrang vor der Einziehung, da dessen Rechte durch die Aushändigung der Vermögenswerte, die durch die Straftat erlangt worden sind, wiederhergestellt werden müssen (Art. 70 StGB). Der ausländische Staat, der glaubt, in seinen Rechten berührt zu sein, jedoch nicht als Privatkläger auftritt, verliert so die Möglichkeit, sich die durch die Straftat erlangten Vermögenswerte rückerstatten zu lassen. Aber auch in diesem Fall kann er im Rahmen der Rechtshilfe in Strafsachen in den Genuss einer Teilung der eingezogenen Vermögenswerte nach schweizerischem Recht (Art. 11 TEVG; SR 312.4) kommen. Weiter haben die administrativen Einziehungen, die von der Finma ausgesprochen werden, subsidiären Charakter, da Artikel 35 Absätze 5 und 6 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (SR 956.1) der strafrechtlichen Einziehung und der Herausgabe an Geschädigte ausdrücklich Vorrang einräumen.</p><p>Angesichts dessen und gemäss dem Grundsatz der Gewaltenteilung ist der Bundesrat nicht befugt, im Rahmen eines Strafverfahrens selber eine Rückerstattung an den Herkunftsstaat anzuordnen. Dafür sind die Gerichtsbehörden zuständig, welche unabhängig sind. Damit eine Rückführung im Rahmen von Rechtshilfeverfahren möglich wird, müssen die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein und gegebenenfalls gerichtlich bestätigt werden. Im Einklang mit den Entscheidungen der Gerichtsbehörden nahm der Bundesrat jedoch in gewissen besonders komplexen oder grossen Korruptionsfällen durch das EDA bei der Begleitung der Rückerstattungen eine wichtige Rolle wahr, welche ihm von den zuständigen Behörden übertragen worden war. Dieses Vorgehen wurde insbesondere in den Fällen der Philippinen (684 Millionen US-Dollar), von Nigeria (700 Millionen US-Dollar) und von Kasachstan (163 Millionen US-Dollar) erfolgreich angewandt.</p><p>Mit den in diesen Fällen angewandten Rückführungsgrundsätzen konnte ein transparentes Vorgehen gewährleistet werden, und die rückerstatteten Beträge kamen der Bevölkerung dieser Staaten zugute. Diese Praxis hat sich über die Jahre gefestigt und widerspiegelt sich neuerdings in den Artikeln 17 bis 19 des Bundesgesetzes über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG; SR 196.1). Diese Artikel sind jedoch nur direkt anwendbar, wenn das Bundesverwaltungsgericht gestützt auf Artikel 14 SRVG eine Einziehung angeordnet hat, was in den von den Motionären erwähnten Fällen nicht der Fall ist.</p><p>Der Bundesrat ist hingegen bereit, die Möglichkeit zur Ergänzung des SRVG um eine neue Bestimmung zu prüfen, wonach die Gerichts- oder Rechtshilfebehörden das EDA mit der Betreuung der Rückerstattungen von Vermögenswerten, welche diese Behörden im Rahmen von Strafrecht- oder Rechtshilfeverfahren anordnen, beauftragen können".</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, von der Bundesanwaltschaft und von der Finma eingezogene, in Drittstaaten unrechtmässig erzielte Gewinne zumindest teilweise nach den Verfahren des Potentatengeldergesetzes (SR 196.1) in die betroffenen Länder zurückzuführen.</p>
    • Rückführung von eingezogenen Korruptionsgeldern an die bestohlenen Bevölkerungen

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