Wohnhaus ist nicht gleich Wohnhaus. Parallele Steuerwelten bei landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Wohnhäusern?

ShortId
17.3574
Id
20173574
Updated
28.07.2023 04:27
Language
de
Title
Wohnhaus ist nicht gleich Wohnhaus. Parallele Steuerwelten bei landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Wohnhäusern?
AdditionalIndexing
2446;55;2846
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>1. Die unterschiedliche steuerliche Bewertung von landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Wohnungen ist abgeleitet aus der Förderung der bodenbewirtschaftenden bäuerlichen Betriebe (Art. 104 der Bundesverfassung). Die Wohnung ist Teil des landwirtschaftlichen Gewerbes und kann nicht abparzelliert werden. Sie kann nur zusammen mit den übrigen Betriebsbestandteilen veräussert werden. </p><p>Diese Förderung bedingt, dass Bauernfamilien ihre Betriebe zu tragbaren Bedingungen kaufen oder pachten können. Die Übernahme eines landwirtschaftlichen Gewerbes (inklusive Wohnbauten) zum Verkehrswert wäre in vielen Fällen nicht finanzierbar. </p><p>Würde das landwirtschaftliche Gewerbe verpachtet, so könnte der Verpächter für die Betriebsleiterwohnung lediglich einen Pachtzins nach Pachtzinsverordnung (SR 221.213.221) verlangen. Das Bundesgericht ist deshalb in einem Urteil vom 19. Februar 1993 (ASA 63 155) zum Schluss gekommen, dass folglich für die steuerliche Bewertung das Pachtrecht anzuwenden sei. Damit sind Eigentümer und Pächter landwirtschaftlicher Gewerbe gleich behandelt.</p><p>2. Ziel dieser Unterscheidung ist die Förderung des bäuerlichen Grundeigentums und namentlich der Familienbetriebe nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11). </p><p>3. Die Abgrenzung erfolgt grundsätzlich aufgrund der kantonalen Steuergesetze. Die Arbeitsgruppe Landwirtschaft der Schweizerischen Steuerkonferenz hat ein Merkblatt "Landwirtschaft 2012 - Richtlinien zur Ermittlung des landwirtschaftlichen Mietwerts der Betriebsleiterwohnungen" (http://www.steuerkonferenz.ch/downloads/miet-wert.pdf) herausgegeben. Darin ist festgehalten, dass nur selbstbewirtschaftende Eigentümer und Pächter eines landwirtschaftlichen Gewerbes Anspruch auf den landwirtschaftlichen Mietwert haben. Teilweise wenden die Kantone die Richtlinien auch auf Kleinbetriebe an. Dies ist möglich, sofern die Betriebe über mindestens 0,5 Standardarbeitskräfte verfügen und das Einkommen aus der Selbstbewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes die Haupteinkommensquelle ist. </p><p>4. Wird die Richtlinie angewendet, werden die Eigenmietwerte aufgrund der Anleitung zur Schätzung des landwirtschaftlichen Ertragswertes vom 26. November 2003 und der Pachtzinsverordnung ermittelt. Der landwirtschaftliche Ertragswert stützt sich auf langfristige mittlere Buchhaltungsergebnisse der Landwirtschaft und hat keinen Bezug zu den Marktverhältnissen des übrigen Liegenschaftsmarktes. In peripheren Gebieten kann daher der Eigenmietwert landwirtschaftlicher und nichtlandwirtschaftlicher Wohnungen sehr nahe beieinander liegen. In zentrumsnahen Gebieten kann davon ausgegangen werden, dass der landwirtschaftliche Mietwert von Betriebsleiterwohnungen tiefer ist als der Mietwert privater nichtlandwirtschaftlicher Liegenschaften.</p><p>5. Es gibt keine Datengrundlage, die es erlaubt, die Steuermindereinnahmen zu beziffern. Auch was die Mehrleistungen des Staates betrifft, gibt es keine Datengrundlage. Die gesetzlichen Grundlagen für den Bezug von Stipendien, wie Leistungen für familienexterne Kinderbetreuung, werden von den Kantonen erarbeitet und unterschiedlich ausgestaltet.</p><p>6. Der Bundesrat erachtet die Unterscheidung zwischen landwirtschaftlicher und nichtlandwirtschaftlicher Bemessung des Eigenmietwertes von Betriebsleiterwohnungen als angemessen. Wie in der Antwort auf Frage 1 ausgeführt, ist die Wohnung Teil des landwirtschaftlichen Gewerbes und unterliegt verschiedenen Verfügungsbeschränkungen, wie Realteilungs- und Zerstückelungsverbot, eingeschränkte Preisgestaltung, verschiedene Vorkaufsrechte und die Pflicht zur Veräusserung an Selbstbewirtschafter.</p><p>7. Das Bundesamt für Justiz hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Landwirtschaft eine Expertengruppe mit der Revision der Schätzungsanleitung beauftragt, die aus Vertretern folgender Institutionen besteht:</p><p>- Kantone: Steuerämter, Vollzugsbehörden des BGBB, der Strukturverbesserungen und des landwirtschaftlichen Beratungsdienstes;</p><p>- Schweizerische Vereinigung kantonaler Grundstückbewertungsexperten;</p><p>- Schweizerischer Pächterverband;</p><p>- Verein zum Schutz des landwirtschaftlichen Grundeigentums;</p><p>- Treuland (Verband der landwirtschaftlichen Treuhandorganisationen);</p><p>- Branche: Schweizer Bauernverband, Schweizer Obstverband, Jardin Suisse, Schweizer Gemüseverband, Agora.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Für die Schätzung von landwirtschaftlichen Gewerbebauten und Wohnhäusern sind die gesetzlichen Bestimmungen im bäuerlichen Bodenrecht massgebend. Für den Vollzug erlässt der Bundesrat eine Schätzungsanleitung, die aufzeigt, wie der landwirtschaftliche Ertragswert geschätzt wird. Dem Vernehmen nach wird diese zurzeit überarbeitet.</p><p>Gemäss der aktuellen Schätzungsanleitung wird ein landwirtschaftliches Wohnhaus inklusive Bodenanteil sehr viel geringer bewertet als ein vergleichbares Wohnhaus in einer Bauzone. Zusätzlich zum günstigen Erwerbspreis (erbrechtliche Bestimmungen für Selbstbewirtschafter) profitieren Besitzer der landwirtschaftlichen Wohnbauten von deutlich tieferen Vermögens- und Einkommenssteuern, da der tiefere Ertragswert als Grundlage für die Besteuerung dient. Die tiefere Bewertung der Wohnbauten und der Eigenmietwerte bringt nicht nur geringere Steuern, sondern auch höhere staatliche Sozialleistungen mit sich (z. B. Stipendien, Prämienverbilligungen, Tarife familienexterne Kinderbetreuung usw.).</p><p>Es kursieren Beispiele von Eigenmietwertschätzungen, die bei einer landwirtschaftlichen Wohnung nur ein Drittel so hoch sind wie bei einer vergleichbaren nichtlandwirtschaftlichen Wohnung.</p><p>Ich bitte den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:</p><p>1. Worauf gründet die unterschiedliche Bewertung von landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Wohnbauten?</p><p>2. Welcher Zielsetzung dient eine solche Unterscheidung?</p><p>3. Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen den landwirtschaftlichen und den nichtlandwirtschaftlichen Wohnbauten, und welche Rechtsgrundlage ist hier massgebend?</p><p>4. Stimmt es, dass die Eigenmietwerte bei landwirtschaftlichen Wohnungen im Durchschnitt viel tiefer sind als bei vergleichbaren nichtlandwirtschaftlichen Wohnungen?</p><p>5. Wie hoch schätzt der Bundesrat die Steuermindereinnahmen bei Bund und Kantonen aufgrund der tieferen Bewertung der landwirtschaftlichen Wohnhäuser? Wie hoch die staatlichen Mehrleistungen?</p><p>6. Wie rechtfertigt der Bundesrat aus dem Blickwinkel der steuerlichen Gleichbehandlung und der Rechtsgleichheit diese Differenzierung bei der Schätzung?</p><p>7. Welches Amt oder welche Arbeitsgruppe überarbeitet derzeit die Schätzungsanleitung? Wie ist dieses Gremium zusammengesetzt?</p>
  • Wohnhaus ist nicht gleich Wohnhaus. Parallele Steuerwelten bei landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Wohnhäusern?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>1. Die unterschiedliche steuerliche Bewertung von landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Wohnungen ist abgeleitet aus der Förderung der bodenbewirtschaftenden bäuerlichen Betriebe (Art. 104 der Bundesverfassung). Die Wohnung ist Teil des landwirtschaftlichen Gewerbes und kann nicht abparzelliert werden. Sie kann nur zusammen mit den übrigen Betriebsbestandteilen veräussert werden. </p><p>Diese Förderung bedingt, dass Bauernfamilien ihre Betriebe zu tragbaren Bedingungen kaufen oder pachten können. Die Übernahme eines landwirtschaftlichen Gewerbes (inklusive Wohnbauten) zum Verkehrswert wäre in vielen Fällen nicht finanzierbar. </p><p>Würde das landwirtschaftliche Gewerbe verpachtet, so könnte der Verpächter für die Betriebsleiterwohnung lediglich einen Pachtzins nach Pachtzinsverordnung (SR 221.213.221) verlangen. Das Bundesgericht ist deshalb in einem Urteil vom 19. Februar 1993 (ASA 63 155) zum Schluss gekommen, dass folglich für die steuerliche Bewertung das Pachtrecht anzuwenden sei. Damit sind Eigentümer und Pächter landwirtschaftlicher Gewerbe gleich behandelt.</p><p>2. Ziel dieser Unterscheidung ist die Förderung des bäuerlichen Grundeigentums und namentlich der Familienbetriebe nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11). </p><p>3. Die Abgrenzung erfolgt grundsätzlich aufgrund der kantonalen Steuergesetze. Die Arbeitsgruppe Landwirtschaft der Schweizerischen Steuerkonferenz hat ein Merkblatt "Landwirtschaft 2012 - Richtlinien zur Ermittlung des landwirtschaftlichen Mietwerts der Betriebsleiterwohnungen" (http://www.steuerkonferenz.ch/downloads/miet-wert.pdf) herausgegeben. Darin ist festgehalten, dass nur selbstbewirtschaftende Eigentümer und Pächter eines landwirtschaftlichen Gewerbes Anspruch auf den landwirtschaftlichen Mietwert haben. Teilweise wenden die Kantone die Richtlinien auch auf Kleinbetriebe an. Dies ist möglich, sofern die Betriebe über mindestens 0,5 Standardarbeitskräfte verfügen und das Einkommen aus der Selbstbewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes die Haupteinkommensquelle ist. </p><p>4. Wird die Richtlinie angewendet, werden die Eigenmietwerte aufgrund der Anleitung zur Schätzung des landwirtschaftlichen Ertragswertes vom 26. November 2003 und der Pachtzinsverordnung ermittelt. Der landwirtschaftliche Ertragswert stützt sich auf langfristige mittlere Buchhaltungsergebnisse der Landwirtschaft und hat keinen Bezug zu den Marktverhältnissen des übrigen Liegenschaftsmarktes. In peripheren Gebieten kann daher der Eigenmietwert landwirtschaftlicher und nichtlandwirtschaftlicher Wohnungen sehr nahe beieinander liegen. In zentrumsnahen Gebieten kann davon ausgegangen werden, dass der landwirtschaftliche Mietwert von Betriebsleiterwohnungen tiefer ist als der Mietwert privater nichtlandwirtschaftlicher Liegenschaften.</p><p>5. Es gibt keine Datengrundlage, die es erlaubt, die Steuermindereinnahmen zu beziffern. Auch was die Mehrleistungen des Staates betrifft, gibt es keine Datengrundlage. Die gesetzlichen Grundlagen für den Bezug von Stipendien, wie Leistungen für familienexterne Kinderbetreuung, werden von den Kantonen erarbeitet und unterschiedlich ausgestaltet.</p><p>6. Der Bundesrat erachtet die Unterscheidung zwischen landwirtschaftlicher und nichtlandwirtschaftlicher Bemessung des Eigenmietwertes von Betriebsleiterwohnungen als angemessen. Wie in der Antwort auf Frage 1 ausgeführt, ist die Wohnung Teil des landwirtschaftlichen Gewerbes und unterliegt verschiedenen Verfügungsbeschränkungen, wie Realteilungs- und Zerstückelungsverbot, eingeschränkte Preisgestaltung, verschiedene Vorkaufsrechte und die Pflicht zur Veräusserung an Selbstbewirtschafter.</p><p>7. Das Bundesamt für Justiz hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Landwirtschaft eine Expertengruppe mit der Revision der Schätzungsanleitung beauftragt, die aus Vertretern folgender Institutionen besteht:</p><p>- Kantone: Steuerämter, Vollzugsbehörden des BGBB, der Strukturverbesserungen und des landwirtschaftlichen Beratungsdienstes;</p><p>- Schweizerische Vereinigung kantonaler Grundstückbewertungsexperten;</p><p>- Schweizerischer Pächterverband;</p><p>- Verein zum Schutz des landwirtschaftlichen Grundeigentums;</p><p>- Treuland (Verband der landwirtschaftlichen Treuhandorganisationen);</p><p>- Branche: Schweizer Bauernverband, Schweizer Obstverband, Jardin Suisse, Schweizer Gemüseverband, Agora.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Für die Schätzung von landwirtschaftlichen Gewerbebauten und Wohnhäusern sind die gesetzlichen Bestimmungen im bäuerlichen Bodenrecht massgebend. Für den Vollzug erlässt der Bundesrat eine Schätzungsanleitung, die aufzeigt, wie der landwirtschaftliche Ertragswert geschätzt wird. Dem Vernehmen nach wird diese zurzeit überarbeitet.</p><p>Gemäss der aktuellen Schätzungsanleitung wird ein landwirtschaftliches Wohnhaus inklusive Bodenanteil sehr viel geringer bewertet als ein vergleichbares Wohnhaus in einer Bauzone. Zusätzlich zum günstigen Erwerbspreis (erbrechtliche Bestimmungen für Selbstbewirtschafter) profitieren Besitzer der landwirtschaftlichen Wohnbauten von deutlich tieferen Vermögens- und Einkommenssteuern, da der tiefere Ertragswert als Grundlage für die Besteuerung dient. Die tiefere Bewertung der Wohnbauten und der Eigenmietwerte bringt nicht nur geringere Steuern, sondern auch höhere staatliche Sozialleistungen mit sich (z. B. Stipendien, Prämienverbilligungen, Tarife familienexterne Kinderbetreuung usw.).</p><p>Es kursieren Beispiele von Eigenmietwertschätzungen, die bei einer landwirtschaftlichen Wohnung nur ein Drittel so hoch sind wie bei einer vergleichbaren nichtlandwirtschaftlichen Wohnung.</p><p>Ich bitte den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:</p><p>1. Worauf gründet die unterschiedliche Bewertung von landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Wohnbauten?</p><p>2. Welcher Zielsetzung dient eine solche Unterscheidung?</p><p>3. Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen den landwirtschaftlichen und den nichtlandwirtschaftlichen Wohnbauten, und welche Rechtsgrundlage ist hier massgebend?</p><p>4. Stimmt es, dass die Eigenmietwerte bei landwirtschaftlichen Wohnungen im Durchschnitt viel tiefer sind als bei vergleichbaren nichtlandwirtschaftlichen Wohnungen?</p><p>5. Wie hoch schätzt der Bundesrat die Steuermindereinnahmen bei Bund und Kantonen aufgrund der tieferen Bewertung der landwirtschaftlichen Wohnhäuser? Wie hoch die staatlichen Mehrleistungen?</p><p>6. Wie rechtfertigt der Bundesrat aus dem Blickwinkel der steuerlichen Gleichbehandlung und der Rechtsgleichheit diese Differenzierung bei der Schätzung?</p><p>7. Welches Amt oder welche Arbeitsgruppe überarbeitet derzeit die Schätzungsanleitung? Wie ist dieses Gremium zusammengesetzt?</p>
    • Wohnhaus ist nicht gleich Wohnhaus. Parallele Steuerwelten bei landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Wohnhäusern?

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