Verantwortung und Solidarität verpflichten den Bund dazu, den Kanton Tessin finanziell zu entschädigen, weil das Grenzgängerabkommen nicht in Kraft gesetzt wurde

ShortId
17.3639
Id
20173639
Updated
28.07.2023 04:21
Language
de
Title
Verantwortung und Solidarität verpflichten den Bund dazu, den Kanton Tessin finanziell zu entschädigen, weil das Grenzgängerabkommen nicht in Kraft gesetzt wurde
AdditionalIndexing
04;24;2811;08;44
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Trotz der wiederholten offiziellen Bestätigung seitens Italiens wird mehrheitlich befürchtet, dass das Abkommen nicht vor den nächsten Wahlen 2018 unterzeichnet wird, denn solche leeren Versprechen gab es schon früher. Der Bundesrat muss daher den Schaden, der dem Kanton aufgrund dieser Situation entsteht, finanziell ausgleichen. Um diese Forderung zu unterstreichen, können folgende Argumente hinzugezogen werden:</p><p>1. Mit dem Inkrafttreten des Personenfreizügigkeitsabkommens hat die Schweiz das Grenzgängerabkommen mit Österreich angepasst; die Schweiz leistet seither an die österreichische Regierung eine Vergütung von 12,5 Prozent der Einnahmen aus den Quellensteuern der Grenzgängerinnen und Grenzgänger.</p><p>2. Mit dem neuen Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Italien, das Ende 2015 paraphiert wurde, könnte das Tessin Steuern in der Höhe von 70 Prozent anstelle von heute 61,2 Prozent einnehmen, und vor allem müssten die Grenzgängerinnen und Grenzgänger ihren Lohn in Italien angeben.</p><p>3. Das Nichtinkraftsetzen des Abkommens hat indirekt schwerwiegende Auswirkungen auf den Tessiner Arbeitsmarkt, der wegen der Grenzgängerinnen und Grenzgänger ein deutliches Lohndumping erfährt. Der geschätzte finanzielle Schaden für den Kanton Tessin aufgrund des nicht in Kraft gesetzten Grenzgängerabkommens beläuft sich auf etwa 15 Millionen Franken; das entspricht der Differenz zwischen den 70 und den 61,2 Prozent. Gemäss der Bundesverfassung (BV) sind die auswärtigen Angelegenheiten ausschliesslich Sache des Bundes (Art. 54 Abs. 1 BV); dieser muss dabei die Interessen der Kantone wahren (Art. 54 Abs. 3 BV). Infolge der Verletzung von Artikel 54 Absatz 3 BV wird der Bund nun zur gesamteidgenössischen Solidarität nach Artikel 44 Absatz 1 BV aufgefordert, der besagt, dass Bund und Kantone in der Erfüllung ihrer Aufgaben einander unterstützen und zusammenarbeiten. Diese "föderalistische" Bestimmung anerkennt eine Solidarität zwischen Bund und Kantonen. Angesichts des sozioökonomischen Umfelds, das sich seit 1974 stark verändert hat, wird der Bundesrat aufgefordert, dafür zu sorgen, dass der Bund dem Kanton Tessin eine finanzielle Entschädigung in der Höhe von jährlich 15 Millionen Franken bezahlt, bis das neue Abkommen in Kraft tritt.</p>
  • <p>Die Schweiz und Italien haben am 22. Dezember 2015 den Entwurf für ein neues Grenzgängerabkommen paraphiert. Dieser Entwurf wurde noch nicht unterzeichnet. Ein internationales Abkommen gilt als abgeschlossen, wenn es durch beide Vertragsparteien unterzeichnet wurde. Der Entwurf für das neue Abkommen wird erst wirksam, wenn er von beiden Staaten ratifiziert wurde und in Kraft getreten ist.</p><p>Eine allfällige finanzielle Entschädigung des Kantons Tessin durch den Bund, die laut Motionär die Differenz zwischen dem bisherigen Anteil der drei betroffenen Grenzgängerkantone an der Quellensteuer (61,2 Prozent) und dem im Abkommensentwurf vorgesehenen Anteil (70 Prozent) abdecken soll, wird aus folgenden Überlegungen als nicht möglich erachtet: Zum einen sieht der Entwurf für das neue Grenzgängerabkommen ein neues Dispositiv zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor, das auf anderen Prämissen als das Grenzgängerabkommen von 1974 (SR 0.642.045.43) beruht. Diese Voraussetzungen, die auch den Anteil an der Quellensteuer von 70 Prozent begründen, sind nicht anwendbar, solange der Abkommensentwurf nicht in Kraft getreten ist. Zum andern muss nach Artikel 5 Absatz 1 der Bundesverfassung (SR 101) jedes staatliche Handeln auf einer Rechtsgrundlage beruhen. Ohne dass eine Regelung vorliegt, die ein Vorgehen wie vom Motionär gefordert erlauben würde, kann der Bund somit keine Entschädigung ausrichten. Schliesslich hält der Bundesrat an seiner Position fest (vgl. Anfrage <a href="https://www.parlament.ch/en/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20111043">11.1043</a> oder Interpellation 11.3797), dass eine solche Entschädigung zugunsten des Kantons Tessin einer Diskriminierung der übrigen Kantone gleichkäme, die in einigen Fällen bereits gegenüber dem Grenzgängerabkommen von 1974 mit weniger vorteilhaften Lösungen konfrontiert sind.</p><p>Der Bundesrat erachtet deshalb eine Entschädigung des Kantons Tessin durch den Bund wie von der Motion gefordert weder rechtlich noch politisch als vertretbar.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, den Kanton Tessin finanziell zu entschädigen, weil das neue Grenzgängerabkommen zwischen der Schweiz und Italien, das die Steuerbehörden der beiden Länder am 22. Dezember 2015 paraphiert haben, nicht in Kraft gesetzt wurde.</p>
  • Verantwortung und Solidarität verpflichten den Bund dazu, den Kanton Tessin finanziell zu entschädigen, weil das Grenzgängerabkommen nicht in Kraft gesetzt wurde
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Trotz der wiederholten offiziellen Bestätigung seitens Italiens wird mehrheitlich befürchtet, dass das Abkommen nicht vor den nächsten Wahlen 2018 unterzeichnet wird, denn solche leeren Versprechen gab es schon früher. Der Bundesrat muss daher den Schaden, der dem Kanton aufgrund dieser Situation entsteht, finanziell ausgleichen. Um diese Forderung zu unterstreichen, können folgende Argumente hinzugezogen werden:</p><p>1. Mit dem Inkrafttreten des Personenfreizügigkeitsabkommens hat die Schweiz das Grenzgängerabkommen mit Österreich angepasst; die Schweiz leistet seither an die österreichische Regierung eine Vergütung von 12,5 Prozent der Einnahmen aus den Quellensteuern der Grenzgängerinnen und Grenzgänger.</p><p>2. Mit dem neuen Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Italien, das Ende 2015 paraphiert wurde, könnte das Tessin Steuern in der Höhe von 70 Prozent anstelle von heute 61,2 Prozent einnehmen, und vor allem müssten die Grenzgängerinnen und Grenzgänger ihren Lohn in Italien angeben.</p><p>3. Das Nichtinkraftsetzen des Abkommens hat indirekt schwerwiegende Auswirkungen auf den Tessiner Arbeitsmarkt, der wegen der Grenzgängerinnen und Grenzgänger ein deutliches Lohndumping erfährt. Der geschätzte finanzielle Schaden für den Kanton Tessin aufgrund des nicht in Kraft gesetzten Grenzgängerabkommens beläuft sich auf etwa 15 Millionen Franken; das entspricht der Differenz zwischen den 70 und den 61,2 Prozent. Gemäss der Bundesverfassung (BV) sind die auswärtigen Angelegenheiten ausschliesslich Sache des Bundes (Art. 54 Abs. 1 BV); dieser muss dabei die Interessen der Kantone wahren (Art. 54 Abs. 3 BV). Infolge der Verletzung von Artikel 54 Absatz 3 BV wird der Bund nun zur gesamteidgenössischen Solidarität nach Artikel 44 Absatz 1 BV aufgefordert, der besagt, dass Bund und Kantone in der Erfüllung ihrer Aufgaben einander unterstützen und zusammenarbeiten. Diese "föderalistische" Bestimmung anerkennt eine Solidarität zwischen Bund und Kantonen. Angesichts des sozioökonomischen Umfelds, das sich seit 1974 stark verändert hat, wird der Bundesrat aufgefordert, dafür zu sorgen, dass der Bund dem Kanton Tessin eine finanzielle Entschädigung in der Höhe von jährlich 15 Millionen Franken bezahlt, bis das neue Abkommen in Kraft tritt.</p>
    • <p>Die Schweiz und Italien haben am 22. Dezember 2015 den Entwurf für ein neues Grenzgängerabkommen paraphiert. Dieser Entwurf wurde noch nicht unterzeichnet. Ein internationales Abkommen gilt als abgeschlossen, wenn es durch beide Vertragsparteien unterzeichnet wurde. Der Entwurf für das neue Abkommen wird erst wirksam, wenn er von beiden Staaten ratifiziert wurde und in Kraft getreten ist.</p><p>Eine allfällige finanzielle Entschädigung des Kantons Tessin durch den Bund, die laut Motionär die Differenz zwischen dem bisherigen Anteil der drei betroffenen Grenzgängerkantone an der Quellensteuer (61,2 Prozent) und dem im Abkommensentwurf vorgesehenen Anteil (70 Prozent) abdecken soll, wird aus folgenden Überlegungen als nicht möglich erachtet: Zum einen sieht der Entwurf für das neue Grenzgängerabkommen ein neues Dispositiv zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor, das auf anderen Prämissen als das Grenzgängerabkommen von 1974 (SR 0.642.045.43) beruht. Diese Voraussetzungen, die auch den Anteil an der Quellensteuer von 70 Prozent begründen, sind nicht anwendbar, solange der Abkommensentwurf nicht in Kraft getreten ist. Zum andern muss nach Artikel 5 Absatz 1 der Bundesverfassung (SR 101) jedes staatliche Handeln auf einer Rechtsgrundlage beruhen. Ohne dass eine Regelung vorliegt, die ein Vorgehen wie vom Motionär gefordert erlauben würde, kann der Bund somit keine Entschädigung ausrichten. Schliesslich hält der Bundesrat an seiner Position fest (vgl. Anfrage <a href="https://www.parlament.ch/en/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20111043">11.1043</a> oder Interpellation 11.3797), dass eine solche Entschädigung zugunsten des Kantons Tessin einer Diskriminierung der übrigen Kantone gleichkäme, die in einigen Fällen bereits gegenüber dem Grenzgängerabkommen von 1974 mit weniger vorteilhaften Lösungen konfrontiert sind.</p><p>Der Bundesrat erachtet deshalb eine Entschädigung des Kantons Tessin durch den Bund wie von der Motion gefordert weder rechtlich noch politisch als vertretbar.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, den Kanton Tessin finanziell zu entschädigen, weil das neue Grenzgängerabkommen zwischen der Schweiz und Italien, das die Steuerbehörden der beiden Länder am 22. Dezember 2015 paraphiert haben, nicht in Kraft gesetzt wurde.</p>
    • Verantwortung und Solidarität verpflichten den Bund dazu, den Kanton Tessin finanziell zu entschädigen, weil das Grenzgängerabkommen nicht in Kraft gesetzt wurde

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