Nach welchen Kriterien unterstützt die Schweiz Flüchtlinge im Ausland?

ShortId
17.3644
Id
20173644
Updated
28.07.2023 04:17
Language
de
Title
Nach welchen Kriterien unterstützt die Schweiz Flüchtlinge im Ausland?
AdditionalIndexing
24;2811;08
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Gemäss der UNRWA gibt es mehr als 2,1 Millionen palästinensische Flüchtlinge in Jordanien (gesamte Bevölkerungszahl: 9,5 Millionen). Flüchtlinge sind gemäss der Genfer Flüchtlingskonvention Personen, die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung ausserhalb des Landes befinden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Da es keine Zweistaatenlösung gibt und die ansässigen Personen in Israel oder den palästinensischen Gebieten wohl kaum verfolgt würden, kann diese Definition für diese Personen nicht gelten. Hingegen kann ein palästinensischer Flüchtlingsstatus vererbt werden, d. h., Kinder erhalten den Status ihrer Eltern, womit die Anzahl Flüchtlinge und damit die Zahl der zu unterstützenden Personen Jahr für Jahr zunimmt. Hier stellt sich die Frage, ob die Bundesmittel für die Flüchtlingshilfe richtig verwendet werden und nicht allenfalls Gelder für tatsächlich verfolgte Personen fehlen.</p>
  • <p>1./2. Angesichts der Vertreibungen in Europa infolge des Zweiten Weltkrieges wurde die Verletzlichkeit von Flüchtlingen besonders deutlich. Deshalb schuf die internationale Gemeinschaft zum Schutz von Flüchtlingen zwei Uno-Organisationen: das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) und das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR). Diese Organisationen arbeiten seither gemäss ihren jeweiligen Mandaten in Ergänzung zueinander. Die UNRWA wurde 1949 mit dem Auftrag der Unterstützung der Palästina-Flüchtlinge durch die Resolution 302 (IV) der Uno-Generalversammlung geschaffen. Ihre Flüchtlingsdefinition bezieht sich, ihrem Mandat entsprechend, auf die Palästina-Flüchtlinge und ist geografisch beschränkt auf die Gebiete des Gazastreifens und des Westjordanlands sowie auf die Staaten Jordanien, Libanon und Syrien. Das UNHCR wiederum setzt sich weltweit für den Flüchtlingsschutz ein. Grundlage seiner Arbeit bilden seit 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention (SR 0.142.30) und deren weiterführendes Protokoll von 1967 (SR 0.142.301). Diese Abkommen enthalten die vom UNHCR angewandte Flüchtlingsdefinition und wurden von der Schweiz ratifiziert. Die Schweiz wendet dementsprechend die weltweit geltenden und von der internationalen Gemeinschaft anerkannten Flüchtlingsdefinitionen an (vgl. auch Art. 3 AsylG). </p><p>3. Das UNHCR spricht von drei Szenarien, welche die Aufhebung des Flüchtlingsstatus ermöglichen können (<a href="http://www.unhcr.org/en-us/solutions.html">www.unhcr.org/en-us/solutions.html</a>): freiwillige Rückkehr, Integration vor Ort oder Umsiedlung in ein Drittland. Für die UNRWA gilt der Flüchtlingsstatus für Palästina-Flüchtlinge so lange, bis der Nahostkonflikt beigelegt worden ist. Die UNRWA selbst wurde als Organisation auf Zeit gegründet, um Palästina-Flüchtlinge zu unterstützen. Mangels einer verhandelten und nachhaltigen Lösung des Konflikts und angesichts der damit verbundenen hohen Anzahl an Palästina-Flüchtlingen, die auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind, verlängert die Staatengemeinschaft das Mandat der UNRWA seit ihrer Gründung regelmässig um drei Jahre (aktuell bis Juni 2020). </p><p>4. Die weltweit steigende Anzahl Flüchtlinge ist das Resultat von andauernden Konflikten und dem Unvermögen von Konfliktparteien und der internationalen Staatengemeinschaft, Lösungen für die Konflikte zu finden. Bis für einen Konflikt eine friedliche Lösung gefunden worden ist, setzt sich die Schweiz für den Schutz und die Deckung der Grundbedürfnisse der betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen ein. Das UNHCR und die UNRWA sind dabei die zentralen humanitären Partnerorganisationen der Schweiz. Als Beitrag zur politischen Lösungsfindung im Nahen Osten setzt sich die Schweiz ausserdem dafür ein, dass auf dem Verhandlungsweg ein gerechter und dauerhafter Frieden zwischen Israeli und Palästinensern erreicht wird, der auf einer Zweistaatenlösung basiert. </p><p>5. Seit deren Gründung unterstützt die Schweiz die UNRWA mit jährlichen Kernbeiträgen, die den Palästina-Flüchtlingen in Libanon, Syrien, Jordanien und im besetzten palästinensischen Gebiet zugutekommen. Der Beitrag der Schweiz ist in erster Linie für den Zugang der betroffenen Bevölkerung zu Bildung, Gesundheitsvorsorge und sozialen Dienstleistungen bestimmt. Damit trägt unser Land dazu bei, Perspektiven zu schaffen, das Risiko einer Radikalisierung junger Leute zu reduzieren und die Stabilität in der Region zu verbessern. 22 Prozent des Schweizer Beitrags werden in Jordanien eingesetzt: 2017 unterstützte die Schweiz die UNRWA in Jordanien mit 4,4 Millionen Franken, womit rund 484 000 Palästina-Flüchtlinge erreicht wurden. Zehn Jahre zuvor belief sich die Unterstützung in Jordanien auf 3,5 Millionen Franken, womit 2007 rund 418 000 Palästina-Flüchtlinge erreicht wurden. Vor zwanzig Jahren waren es 1,7 Millionen Franken, die 1997 rund 374 000 Palästina-Flüchtlingen zugutekamen. </p><p>6. Sowohl die Definition der UNRWA ("operational definition", https://www.unrwa.org/who-we-are/frequently-asked-questions) als auch diejenige des UNHCR (UNHCR Handbook on Procedures and Criteria for determining Refugee Status, S. 36, <a href="http://www.unhcr.org/publications/legal/3d58e13b4/handbook-procedures-criteria-determining-refugee-status-under-1951-convention.html">www.unhcr.org/publications/legal/3d58e13b4/handbook-procedures-criteria-determining-refugee-status-under-1951-convention.html</a>) sehen die Möglichkeit vor, dass der Flüchtlingsstatus vererbt wird. Die Vererbungsregeln der UNRWA sind dabei restriktiver als jene des UNHCR, da sie die Vererbung des Flüchtlingsstatus lediglich väterlicherseits vorsehen. Der Bundesrat sieht die Dringlichkeit darin, politische Lösungen für die Konflikte im Nahen Osten und in anderen Regionen zu finden, die der steigenden Anzahl Flüchtlinge zugrunde liegen. </p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Der Bundesrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit die Schweiz Flüchtlinge im Ausland unterstützt?</p><p>2. Gibt es weltweit unterschiedliche Definitionen für "Flüchtlinge"? Welche Definition wendet die Schweiz an?</p><p>3. Aufgrund welcher Ereignisse ist ein Flüchtling kein Flüchtling mehr? Was heisst das konkret für die palästinensischen Flüchtlinge in Jordanien?</p><p>4. Was unternimmt die Schweiz, um die Anzahl der palästinensischen Flüchtlinge zu senken? Ist sie damit erfolgreich? Wenn nein, weshalb nicht?</p><p>5. Wie viele palästinensische Flüchtlinge unterstützt die Schweiz heute in Jordanien, wie viele unterstützte sie vor zehn Jahren und vor zwanzig Jahren?</p><p>6. Wird sich der Bundesrat international dafür einsetzen, dass der Flüchtlingsstatus nicht über mehrere Generationen vererbt wird und damit eine Angleichung der Flüchtlingsdefinition der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) an die des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) erfolgt?</p>
  • Nach welchen Kriterien unterstützt die Schweiz Flüchtlinge im Ausland?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Gemäss der UNRWA gibt es mehr als 2,1 Millionen palästinensische Flüchtlinge in Jordanien (gesamte Bevölkerungszahl: 9,5 Millionen). Flüchtlinge sind gemäss der Genfer Flüchtlingskonvention Personen, die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung ausserhalb des Landes befinden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Da es keine Zweistaatenlösung gibt und die ansässigen Personen in Israel oder den palästinensischen Gebieten wohl kaum verfolgt würden, kann diese Definition für diese Personen nicht gelten. Hingegen kann ein palästinensischer Flüchtlingsstatus vererbt werden, d. h., Kinder erhalten den Status ihrer Eltern, womit die Anzahl Flüchtlinge und damit die Zahl der zu unterstützenden Personen Jahr für Jahr zunimmt. Hier stellt sich die Frage, ob die Bundesmittel für die Flüchtlingshilfe richtig verwendet werden und nicht allenfalls Gelder für tatsächlich verfolgte Personen fehlen.</p>
    • <p>1./2. Angesichts der Vertreibungen in Europa infolge des Zweiten Weltkrieges wurde die Verletzlichkeit von Flüchtlingen besonders deutlich. Deshalb schuf die internationale Gemeinschaft zum Schutz von Flüchtlingen zwei Uno-Organisationen: das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) und das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR). Diese Organisationen arbeiten seither gemäss ihren jeweiligen Mandaten in Ergänzung zueinander. Die UNRWA wurde 1949 mit dem Auftrag der Unterstützung der Palästina-Flüchtlinge durch die Resolution 302 (IV) der Uno-Generalversammlung geschaffen. Ihre Flüchtlingsdefinition bezieht sich, ihrem Mandat entsprechend, auf die Palästina-Flüchtlinge und ist geografisch beschränkt auf die Gebiete des Gazastreifens und des Westjordanlands sowie auf die Staaten Jordanien, Libanon und Syrien. Das UNHCR wiederum setzt sich weltweit für den Flüchtlingsschutz ein. Grundlage seiner Arbeit bilden seit 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention (SR 0.142.30) und deren weiterführendes Protokoll von 1967 (SR 0.142.301). Diese Abkommen enthalten die vom UNHCR angewandte Flüchtlingsdefinition und wurden von der Schweiz ratifiziert. Die Schweiz wendet dementsprechend die weltweit geltenden und von der internationalen Gemeinschaft anerkannten Flüchtlingsdefinitionen an (vgl. auch Art. 3 AsylG). </p><p>3. Das UNHCR spricht von drei Szenarien, welche die Aufhebung des Flüchtlingsstatus ermöglichen können (<a href="http://www.unhcr.org/en-us/solutions.html">www.unhcr.org/en-us/solutions.html</a>): freiwillige Rückkehr, Integration vor Ort oder Umsiedlung in ein Drittland. Für die UNRWA gilt der Flüchtlingsstatus für Palästina-Flüchtlinge so lange, bis der Nahostkonflikt beigelegt worden ist. Die UNRWA selbst wurde als Organisation auf Zeit gegründet, um Palästina-Flüchtlinge zu unterstützen. Mangels einer verhandelten und nachhaltigen Lösung des Konflikts und angesichts der damit verbundenen hohen Anzahl an Palästina-Flüchtlingen, die auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind, verlängert die Staatengemeinschaft das Mandat der UNRWA seit ihrer Gründung regelmässig um drei Jahre (aktuell bis Juni 2020). </p><p>4. Die weltweit steigende Anzahl Flüchtlinge ist das Resultat von andauernden Konflikten und dem Unvermögen von Konfliktparteien und der internationalen Staatengemeinschaft, Lösungen für die Konflikte zu finden. Bis für einen Konflikt eine friedliche Lösung gefunden worden ist, setzt sich die Schweiz für den Schutz und die Deckung der Grundbedürfnisse der betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen ein. Das UNHCR und die UNRWA sind dabei die zentralen humanitären Partnerorganisationen der Schweiz. Als Beitrag zur politischen Lösungsfindung im Nahen Osten setzt sich die Schweiz ausserdem dafür ein, dass auf dem Verhandlungsweg ein gerechter und dauerhafter Frieden zwischen Israeli und Palästinensern erreicht wird, der auf einer Zweistaatenlösung basiert. </p><p>5. Seit deren Gründung unterstützt die Schweiz die UNRWA mit jährlichen Kernbeiträgen, die den Palästina-Flüchtlingen in Libanon, Syrien, Jordanien und im besetzten palästinensischen Gebiet zugutekommen. Der Beitrag der Schweiz ist in erster Linie für den Zugang der betroffenen Bevölkerung zu Bildung, Gesundheitsvorsorge und sozialen Dienstleistungen bestimmt. Damit trägt unser Land dazu bei, Perspektiven zu schaffen, das Risiko einer Radikalisierung junger Leute zu reduzieren und die Stabilität in der Region zu verbessern. 22 Prozent des Schweizer Beitrags werden in Jordanien eingesetzt: 2017 unterstützte die Schweiz die UNRWA in Jordanien mit 4,4 Millionen Franken, womit rund 484 000 Palästina-Flüchtlinge erreicht wurden. Zehn Jahre zuvor belief sich die Unterstützung in Jordanien auf 3,5 Millionen Franken, womit 2007 rund 418 000 Palästina-Flüchtlinge erreicht wurden. Vor zwanzig Jahren waren es 1,7 Millionen Franken, die 1997 rund 374 000 Palästina-Flüchtlingen zugutekamen. </p><p>6. Sowohl die Definition der UNRWA ("operational definition", https://www.unrwa.org/who-we-are/frequently-asked-questions) als auch diejenige des UNHCR (UNHCR Handbook on Procedures and Criteria for determining Refugee Status, S. 36, <a href="http://www.unhcr.org/publications/legal/3d58e13b4/handbook-procedures-criteria-determining-refugee-status-under-1951-convention.html">www.unhcr.org/publications/legal/3d58e13b4/handbook-procedures-criteria-determining-refugee-status-under-1951-convention.html</a>) sehen die Möglichkeit vor, dass der Flüchtlingsstatus vererbt wird. Die Vererbungsregeln der UNRWA sind dabei restriktiver als jene des UNHCR, da sie die Vererbung des Flüchtlingsstatus lediglich väterlicherseits vorsehen. Der Bundesrat sieht die Dringlichkeit darin, politische Lösungen für die Konflikte im Nahen Osten und in anderen Regionen zu finden, die der steigenden Anzahl Flüchtlinge zugrunde liegen. </p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Der Bundesrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit die Schweiz Flüchtlinge im Ausland unterstützt?</p><p>2. Gibt es weltweit unterschiedliche Definitionen für "Flüchtlinge"? Welche Definition wendet die Schweiz an?</p><p>3. Aufgrund welcher Ereignisse ist ein Flüchtling kein Flüchtling mehr? Was heisst das konkret für die palästinensischen Flüchtlinge in Jordanien?</p><p>4. Was unternimmt die Schweiz, um die Anzahl der palästinensischen Flüchtlinge zu senken? Ist sie damit erfolgreich? Wenn nein, weshalb nicht?</p><p>5. Wie viele palästinensische Flüchtlinge unterstützt die Schweiz heute in Jordanien, wie viele unterstützte sie vor zehn Jahren und vor zwanzig Jahren?</p><p>6. Wird sich der Bundesrat international dafür einsetzen, dass der Flüchtlingsstatus nicht über mehrere Generationen vererbt wird und damit eine Angleichung der Flüchtlingsdefinition der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) an die des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) erfolgt?</p>
    • Nach welchen Kriterien unterstützt die Schweiz Flüchtlinge im Ausland?

Back to List