Institutionelle Vorkehrungen und Berichtssystem zur Stärkung des Grundrechtsschutzes bei Frontex

ShortId
17.3689
Id
20173689
Updated
28.07.2023 04:16
Language
de
Title
Institutionelle Vorkehrungen und Berichtssystem zur Stärkung des Grundrechtsschutzes bei Frontex
AdditionalIndexing
10;2811;08;1236
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Frontex stand verschiedentlich in der Kritik, die Grundrechte von Flüchtlingen nur ungenügend wahrgenommen zu haben. 2011 setzte das Europäische Parlament deshalb durch, dass den leitenden Frontex-Organen ein Konsultationsforum für Grundrechtsfragen und ein Grundrechtsbeauftragter zur Seite stehen. Damit soll sichergestellt werden, dass Frontex die Grundrechte der Flüchtlinge achtet und für deren physische und psychische Integrität sorgt.</p><p>Mit der Verordnung (EU) 2016/1624 über die Europäische Grenz- und Küstenwache wird der Grundrechtsschutz nochmals deutlich ausgebaut. Die Aufgaben des Konsultationsforums und des Grundrechtsbeauftragten werden in den Artikeln 70 und 71 präzisiert, und zusätzlich wird in Artikel 72 ein Beschwerdeverfahren eingerichtet, um die Einhaltung der Grundrechte bei allen Tätigkeiten der Agentur sicherzustellen und zu kontrollieren. Flüchtlinge erhalten Verfahrensrechte, um den Schutz ihrer Grundrechte durchzusetzen. Die Möglichkeit der Betroffenen, sich an die ordentlichen Gerichte zu wenden, bleibt davon unberührt.</p><p>Die Verordnung (EU) 2016/1624 wird mit der Übernahme in der Schweiz direkt anwendbar. In seiner Botschaft 17.033 zu deren Genehmigung schweigt sich der Bundesrat jedoch darüber aus, mit welchen institutionellen Vorkehrungen die Schweiz zu dem in der Verordnung vorgeschriebenen Grundrechtsschutz beiträgt und diesen umsetzt. Zu klären ist, welche Kompetenzen das Konsultationsforum und der Grundrechtsbeauftragte gegenüber der Schweiz haben; wie die Verfahren und Zuständigkeiten geregelt sind, damit die Schweiz zum Grundrechtsschutz beiträgt, und wie sie Erkenntnisse und Empfehlungen umsetzt; wie sie den Zugang zum Beschwerdeverfahren regelt; und wie die Schweiz generell die Grundrechtsstrategie von Frontex stärkt. Mit der Einrichtung eines Berichtmechanismus an die Bundesversammlung soll zudem die parlamentarische Oberaufsicht gestärkt werden.</p>
  • <p>Mit der Ausarbeitung der neuen Verordnung (EU) 2016/1624 über die Europäische Grenz- und Küstenwache (im Folgenden: die EU-Verordnung) haben das Europäische Parlament und der Rat neue Mechanismen zur Sicherstellung des Grundrechtsschutzes im Rahmen aller Frontex-Aktivitäten errichtet. Die Schweiz unterstützte den Ausbau des Grundrechtsschutzes, eines in ihren Augen wichtigen Anliegens.</p><p>Wie in der Motion bereits ausgeführt, werden die neuen Grundrechtsbestimmungen mit der Übernahme in der Schweiz direkt anwendbar. In den Artikeln 70 bis 72 der Verordnung werden die anwendbaren Verfahren, namentlich das Beschwerdeverfahren, detailliert beschrieben. Die Schweiz kann zudem ganz allgemein an der Strategie von Frontex im Bereich der Grundrechte mitwirken, da sie in dessen Verwaltungsrat einsitzt.</p><p>Die inländischen Kompetenzen der Schweizer Behörden namentlich für die Zusammenarbeit mit der Agentur sind in der Verordnung vom 26. August 2009 über die operative Zusammenarbeit mit den anderen Schengen-Staaten zum Schutz der Aussengrenzen des Schengen-Raums (SR 631.062) geregelt. Im Rahmen der nationalen Umsetzung der EU-Verordnung sollen demnächst sowohl die obengenannte Verordnung als auch die Verordnung vom 11. August 1999 über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen (SR 142.281) revidiert werden. Im Zuge der Anpassungen sollen die für die Umsetzung der neuen Grundrechtsnormen noch fehlenden Bestimmungen in die Erlasse aufgenommen werden. Dazu gehören u. a. die Bezeichnung der für das Beschwerdeverfahren zuständigen Behörden und die Teilnahme der Schweiz am systematischen Monitoring-Mechanismus für alle Flüge (Beobachter-Pools).</p><p>Zu beachten ist ausserdem, dass die Schweiz für ihre Weg- und Ausweisungen - auf nationalen oder gemeinsam mit Frontex durchgeführten Flügen - ein systematisches Monitoring unterhält, das von inländischen Instanzen, in diesem Falle der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter, durchgeführt wird. Letztere ist bereits seit 2012 auf den gemeinsam durchgeführten Flügen mit an Bord und erstattet dem Bundesrat öffentlich über ihre Beobachtungen Bericht.</p><p>Das Konsultativforum und der Grundrechtsbeauftragte stützen sich bereits auf die derzeit gültige Frontex-Verordnung ab. Sie haben für die Einhaltung der Grundrechte durch Frontex zu sorgen. Sie haben nicht direkt mit der Schweiz zu tun, bis auf die (neue) Möglichkeit, mit dem Einverständnis der Schweiz, bei gemeinsamen Aktionen an den Aussengrenzen oder bei Rückkehraktionen Besuche vor Ort durchzuführen sowie zu operativen Plänen Stellung zu nehmen.</p><p>In Anbetracht der obigen Ausführungen erachtet es der Bundesrat deshalb nicht für notwendig, mit der EU eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit Frontex auf dem Gebiet der Grundrechte abzuschliessen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, in einer Vereinbarung mit der Europäischen Union die Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Frontex-Konsultationsforum zu Grundrechten, dem Frontex-Grundrechtsverfahren und dem Frontex-Beschwerdeverfahren zu regeln, die in den Artikeln 70 bis 72 der von der Schweiz direkt anwendbaren Verordnung (EU) 2016/1624 über die Europäische Grenz- und Küstenwache vorgesehen sind, und über die Umsetzung des Grundrechtsschutzes der Bundesversammlung regelmässig Bericht zu erstatten.</p>
  • Institutionelle Vorkehrungen und Berichtssystem zur Stärkung des Grundrechtsschutzes bei Frontex
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Frontex stand verschiedentlich in der Kritik, die Grundrechte von Flüchtlingen nur ungenügend wahrgenommen zu haben. 2011 setzte das Europäische Parlament deshalb durch, dass den leitenden Frontex-Organen ein Konsultationsforum für Grundrechtsfragen und ein Grundrechtsbeauftragter zur Seite stehen. Damit soll sichergestellt werden, dass Frontex die Grundrechte der Flüchtlinge achtet und für deren physische und psychische Integrität sorgt.</p><p>Mit der Verordnung (EU) 2016/1624 über die Europäische Grenz- und Küstenwache wird der Grundrechtsschutz nochmals deutlich ausgebaut. Die Aufgaben des Konsultationsforums und des Grundrechtsbeauftragten werden in den Artikeln 70 und 71 präzisiert, und zusätzlich wird in Artikel 72 ein Beschwerdeverfahren eingerichtet, um die Einhaltung der Grundrechte bei allen Tätigkeiten der Agentur sicherzustellen und zu kontrollieren. Flüchtlinge erhalten Verfahrensrechte, um den Schutz ihrer Grundrechte durchzusetzen. Die Möglichkeit der Betroffenen, sich an die ordentlichen Gerichte zu wenden, bleibt davon unberührt.</p><p>Die Verordnung (EU) 2016/1624 wird mit der Übernahme in der Schweiz direkt anwendbar. In seiner Botschaft 17.033 zu deren Genehmigung schweigt sich der Bundesrat jedoch darüber aus, mit welchen institutionellen Vorkehrungen die Schweiz zu dem in der Verordnung vorgeschriebenen Grundrechtsschutz beiträgt und diesen umsetzt. Zu klären ist, welche Kompetenzen das Konsultationsforum und der Grundrechtsbeauftragte gegenüber der Schweiz haben; wie die Verfahren und Zuständigkeiten geregelt sind, damit die Schweiz zum Grundrechtsschutz beiträgt, und wie sie Erkenntnisse und Empfehlungen umsetzt; wie sie den Zugang zum Beschwerdeverfahren regelt; und wie die Schweiz generell die Grundrechtsstrategie von Frontex stärkt. Mit der Einrichtung eines Berichtmechanismus an die Bundesversammlung soll zudem die parlamentarische Oberaufsicht gestärkt werden.</p>
    • <p>Mit der Ausarbeitung der neuen Verordnung (EU) 2016/1624 über die Europäische Grenz- und Küstenwache (im Folgenden: die EU-Verordnung) haben das Europäische Parlament und der Rat neue Mechanismen zur Sicherstellung des Grundrechtsschutzes im Rahmen aller Frontex-Aktivitäten errichtet. Die Schweiz unterstützte den Ausbau des Grundrechtsschutzes, eines in ihren Augen wichtigen Anliegens.</p><p>Wie in der Motion bereits ausgeführt, werden die neuen Grundrechtsbestimmungen mit der Übernahme in der Schweiz direkt anwendbar. In den Artikeln 70 bis 72 der Verordnung werden die anwendbaren Verfahren, namentlich das Beschwerdeverfahren, detailliert beschrieben. Die Schweiz kann zudem ganz allgemein an der Strategie von Frontex im Bereich der Grundrechte mitwirken, da sie in dessen Verwaltungsrat einsitzt.</p><p>Die inländischen Kompetenzen der Schweizer Behörden namentlich für die Zusammenarbeit mit der Agentur sind in der Verordnung vom 26. August 2009 über die operative Zusammenarbeit mit den anderen Schengen-Staaten zum Schutz der Aussengrenzen des Schengen-Raums (SR 631.062) geregelt. Im Rahmen der nationalen Umsetzung der EU-Verordnung sollen demnächst sowohl die obengenannte Verordnung als auch die Verordnung vom 11. August 1999 über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen (SR 142.281) revidiert werden. Im Zuge der Anpassungen sollen die für die Umsetzung der neuen Grundrechtsnormen noch fehlenden Bestimmungen in die Erlasse aufgenommen werden. Dazu gehören u. a. die Bezeichnung der für das Beschwerdeverfahren zuständigen Behörden und die Teilnahme der Schweiz am systematischen Monitoring-Mechanismus für alle Flüge (Beobachter-Pools).</p><p>Zu beachten ist ausserdem, dass die Schweiz für ihre Weg- und Ausweisungen - auf nationalen oder gemeinsam mit Frontex durchgeführten Flügen - ein systematisches Monitoring unterhält, das von inländischen Instanzen, in diesem Falle der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter, durchgeführt wird. Letztere ist bereits seit 2012 auf den gemeinsam durchgeführten Flügen mit an Bord und erstattet dem Bundesrat öffentlich über ihre Beobachtungen Bericht.</p><p>Das Konsultativforum und der Grundrechtsbeauftragte stützen sich bereits auf die derzeit gültige Frontex-Verordnung ab. Sie haben für die Einhaltung der Grundrechte durch Frontex zu sorgen. Sie haben nicht direkt mit der Schweiz zu tun, bis auf die (neue) Möglichkeit, mit dem Einverständnis der Schweiz, bei gemeinsamen Aktionen an den Aussengrenzen oder bei Rückkehraktionen Besuche vor Ort durchzuführen sowie zu operativen Plänen Stellung zu nehmen.</p><p>In Anbetracht der obigen Ausführungen erachtet es der Bundesrat deshalb nicht für notwendig, mit der EU eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit Frontex auf dem Gebiet der Grundrechte abzuschliessen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, in einer Vereinbarung mit der Europäischen Union die Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Frontex-Konsultationsforum zu Grundrechten, dem Frontex-Grundrechtsverfahren und dem Frontex-Beschwerdeverfahren zu regeln, die in den Artikeln 70 bis 72 der von der Schweiz direkt anwendbaren Verordnung (EU) 2016/1624 über die Europäische Grenz- und Küstenwache vorgesehen sind, und über die Umsetzung des Grundrechtsschutzes der Bundesversammlung regelmässig Bericht zu erstatten.</p>
    • Institutionelle Vorkehrungen und Berichtssystem zur Stärkung des Grundrechtsschutzes bei Frontex

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