Aufhebung des Verbots, eine religiöse Eheschliessung vor der Ziviltrauung durchzuführen

ShortId
17.3693
Id
20173693
Updated
28.07.2023 04:18
Language
de
Title
Aufhebung des Verbots, eine religiöse Eheschliessung vor der Ziviltrauung durchzuführen
AdditionalIndexing
1211;1236;2831
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Diese Bestimmung geht auf Erwägungen aus der Zeit des "Kulturkampfs" zurück. Der Vorentwurf für die Revision vom 26. Juni 1998 des Zivilgesetzbuches hatte noch eine Aufhebung dieser Norm vorgesehen (BBl 1996 I 1), doch sie wurde schliesslich vom Parlament beibehalten. Die Ablehnung der Aufhebung stützte sich auf soziale Gründe; Eheleute, die ausschliesslich eine religiöse Eheschliessung vollzogen haben, sollten nicht zur Annahme verleitet werden, dass diese Eheschliessung eine Rechtswirkung habe. Diese Befürchtung betraf vor allem Ausländerinnen und Ausländer, deren Heimatstaaten eine religiöse Eheschliessung kennen, die Rechtswirkung entfaltet.</p><p>Man kommt jedoch nicht umhin festzustellen, dass sich die Gesellschaft in den letzten 20 Jahren enorm verändert hat. Die Formen der Lebensgemeinschaften haben sich mit der eingetragenen Partnerschaft und der Demokratisierung des Konkubinats verändert. Diese Arten des Zusammenlebens dürften sich insbesondere infolge der Postulate 15.3431 und 15.4082, die zur konkreten Überprüfung der Ausgestaltung einer neuen Form der Lebensgemeinschaft auffordern, sowie bei einer Annahme der parlamentarischen Initiative 13.468, die eine "Ehe für alle" fordert, noch weiterentwickeln.</p><p>Diese Vorschläge gehen in Richtung einer liberalen Ehepolitik, mit verschiedenen Formen von Lebensgemeinschaften, die alle Paare unterschiedslos ansprechen, ob hetero- oder homosexuell. Schlussendlich und trotz dieses liberalen Ansatzes ist die einzige Form der Eheschliessung, die verboten bleibt, die religiöse, die nur nach der Ziviltrauung möglich bleibt. Das ist nicht kohärent.</p><p>Das Prinzip der Unabhängigkeit der Kirchen, aber auch das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat müssen vielmehr dazu veranlassen, religiöse Eheschliessungen ohne Einschränkung zuzulassen. Gläubige Paare dürfen nicht mehr diskriminiert werden, wenn sie nur eine religiöse Eheschliessung und keine Ziviltrauung möchten. Die bei der Revision des Zivilgesetzbuches von 1998 angeführten Argumente zur Beibehaltung dieser Bestimmung sind letztlich heute nicht mehr gerechtfertigt. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, aber die gläubigen Schweizerinnen und Schweizer müssen dieses Verbot nicht mehr hinnehmen. Aus all diesen Gründen verlangt die vorliegende Motion die Aufhebung von Artikel 97 Absatz 3 ZGB.</p>
  • <p>Wer religiös heiraten will, ist gemäss Artikel 97 Absatz 3 ZGB verpflichtet, sich vorgängig zivil trauen zu lassen. Diese Bestimmung dient der Rechtssicherheit, indem sie sicherstellt, dass niemand nur religiös heiratet in der irrigen Annahme, der Verbindung kämen die Wirkungen einer Ziviltrauung zu. Im Rahmen der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Scheidungsrechtsrevision hat das Parlament nach einer intensiven Diskussion beschlossen, an der Bestimmung festzuhalten.</p><p>Nebst der Rechtssicherheit kommt der Bestimmung auch eine Schutzfunktion zu, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat: Verschiedene Organisationen haben festgestellt, dass Zwangsheiraten von Minderjährigen zugenommen haben (Stellungnahmen des Bundesrates zur Interpellation Buffat 16.3655, "Zwangsheiraten in der Schweiz", und zur Anfrage Rickli Natalie 16.1060, "Kinderehen in der Schweiz"). Zu beachten ist auch die Entwicklung in Deutschland: Ein religiöses Voraustrauungsverbot wurde dort per 1. Januar 2009 aufgehoben. Allerdings wurde nun - insbesondere angesichts der Zunahme von minderjährigen, religiös verheirateten Flüchtlingen - im Rahmen des Erlasses eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen unter anderem ein Voraustrauungsverbot für Minderjährige per 22. Juli 2017 wieder eingeführt.</p><p>Der Bund hat ein umfassendes Konzept zum Schutz vor Zwangs- und Minderjährigenheiraten ausgearbeitet. So wurde das Bundesgesetz über Massnahmen gegen Zwangsheiraten vom 15. Juni 2012 erlassen und ein nationales Programm (2013-2017) gegen Zwangsheiraten lanciert. In Bearbeitung des Postulates Arslan 16.3897, "Evaluation der Revision des Zivilgesetzbuches vom 15. Juni 2012 (Zwangsheiraten)", evaluiert die Bundesverwaltung gegenwärtig die im Bereich des ZGB ergriffenen Massnahmen. Dabei soll insbesondere die Situation von Minderjährigen untersucht werden. Heute kann in der Schweiz keine Ziviltrauung geschlossen werden, wenn eine betroffene Person minderjährig ist oder zur Heirat gezwungen werden soll. Auch die bloss religiöse Trauung ist in diesen Fällen unzulässig. Eine Aufhebung des Verbots der religiösen Voraustrauung würde vor diesem Hintergrund ein widersprüchliches Signal aussenden und den laufenden Bestrebungen zum Schutz vor Zwangs- und Minderjährigenheiraten zuwiderlaufen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Entwurf für die Aufhebung von Artikel 97 Absatz 3 ZGB, der eine religiöse Eheschliessung vor der Ziviltrauung untersagt, vorzulegen.</p>
  • Aufhebung des Verbots, eine religiöse Eheschliessung vor der Ziviltrauung durchzuführen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Diese Bestimmung geht auf Erwägungen aus der Zeit des "Kulturkampfs" zurück. Der Vorentwurf für die Revision vom 26. Juni 1998 des Zivilgesetzbuches hatte noch eine Aufhebung dieser Norm vorgesehen (BBl 1996 I 1), doch sie wurde schliesslich vom Parlament beibehalten. Die Ablehnung der Aufhebung stützte sich auf soziale Gründe; Eheleute, die ausschliesslich eine religiöse Eheschliessung vollzogen haben, sollten nicht zur Annahme verleitet werden, dass diese Eheschliessung eine Rechtswirkung habe. Diese Befürchtung betraf vor allem Ausländerinnen und Ausländer, deren Heimatstaaten eine religiöse Eheschliessung kennen, die Rechtswirkung entfaltet.</p><p>Man kommt jedoch nicht umhin festzustellen, dass sich die Gesellschaft in den letzten 20 Jahren enorm verändert hat. Die Formen der Lebensgemeinschaften haben sich mit der eingetragenen Partnerschaft und der Demokratisierung des Konkubinats verändert. Diese Arten des Zusammenlebens dürften sich insbesondere infolge der Postulate 15.3431 und 15.4082, die zur konkreten Überprüfung der Ausgestaltung einer neuen Form der Lebensgemeinschaft auffordern, sowie bei einer Annahme der parlamentarischen Initiative 13.468, die eine "Ehe für alle" fordert, noch weiterentwickeln.</p><p>Diese Vorschläge gehen in Richtung einer liberalen Ehepolitik, mit verschiedenen Formen von Lebensgemeinschaften, die alle Paare unterschiedslos ansprechen, ob hetero- oder homosexuell. Schlussendlich und trotz dieses liberalen Ansatzes ist die einzige Form der Eheschliessung, die verboten bleibt, die religiöse, die nur nach der Ziviltrauung möglich bleibt. Das ist nicht kohärent.</p><p>Das Prinzip der Unabhängigkeit der Kirchen, aber auch das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat müssen vielmehr dazu veranlassen, religiöse Eheschliessungen ohne Einschränkung zuzulassen. Gläubige Paare dürfen nicht mehr diskriminiert werden, wenn sie nur eine religiöse Eheschliessung und keine Ziviltrauung möchten. Die bei der Revision des Zivilgesetzbuches von 1998 angeführten Argumente zur Beibehaltung dieser Bestimmung sind letztlich heute nicht mehr gerechtfertigt. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, aber die gläubigen Schweizerinnen und Schweizer müssen dieses Verbot nicht mehr hinnehmen. Aus all diesen Gründen verlangt die vorliegende Motion die Aufhebung von Artikel 97 Absatz 3 ZGB.</p>
    • <p>Wer religiös heiraten will, ist gemäss Artikel 97 Absatz 3 ZGB verpflichtet, sich vorgängig zivil trauen zu lassen. Diese Bestimmung dient der Rechtssicherheit, indem sie sicherstellt, dass niemand nur religiös heiratet in der irrigen Annahme, der Verbindung kämen die Wirkungen einer Ziviltrauung zu. Im Rahmen der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Scheidungsrechtsrevision hat das Parlament nach einer intensiven Diskussion beschlossen, an der Bestimmung festzuhalten.</p><p>Nebst der Rechtssicherheit kommt der Bestimmung auch eine Schutzfunktion zu, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat: Verschiedene Organisationen haben festgestellt, dass Zwangsheiraten von Minderjährigen zugenommen haben (Stellungnahmen des Bundesrates zur Interpellation Buffat 16.3655, "Zwangsheiraten in der Schweiz", und zur Anfrage Rickli Natalie 16.1060, "Kinderehen in der Schweiz"). Zu beachten ist auch die Entwicklung in Deutschland: Ein religiöses Voraustrauungsverbot wurde dort per 1. Januar 2009 aufgehoben. Allerdings wurde nun - insbesondere angesichts der Zunahme von minderjährigen, religiös verheirateten Flüchtlingen - im Rahmen des Erlasses eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen unter anderem ein Voraustrauungsverbot für Minderjährige per 22. Juli 2017 wieder eingeführt.</p><p>Der Bund hat ein umfassendes Konzept zum Schutz vor Zwangs- und Minderjährigenheiraten ausgearbeitet. So wurde das Bundesgesetz über Massnahmen gegen Zwangsheiraten vom 15. Juni 2012 erlassen und ein nationales Programm (2013-2017) gegen Zwangsheiraten lanciert. In Bearbeitung des Postulates Arslan 16.3897, "Evaluation der Revision des Zivilgesetzbuches vom 15. Juni 2012 (Zwangsheiraten)", evaluiert die Bundesverwaltung gegenwärtig die im Bereich des ZGB ergriffenen Massnahmen. Dabei soll insbesondere die Situation von Minderjährigen untersucht werden. Heute kann in der Schweiz keine Ziviltrauung geschlossen werden, wenn eine betroffene Person minderjährig ist oder zur Heirat gezwungen werden soll. Auch die bloss religiöse Trauung ist in diesen Fällen unzulässig. Eine Aufhebung des Verbots der religiösen Voraustrauung würde vor diesem Hintergrund ein widersprüchliches Signal aussenden und den laufenden Bestrebungen zum Schutz vor Zwangs- und Minderjährigenheiraten zuwiderlaufen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Entwurf für die Aufhebung von Artikel 97 Absatz 3 ZGB, der eine religiöse Eheschliessung vor der Ziviltrauung untersagt, vorzulegen.</p>
    • Aufhebung des Verbots, eine religiöse Eheschliessung vor der Ziviltrauung durchzuführen

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