Skandal um Avastin und Lucentis. Dutzende von Millionen Franken könnten in Anbetracht regelmässig steigender Krankenkassenprämien eingespart werden

ShortId
17.3753
Id
20173753
Updated
28.07.2023 04:17
Language
de
Title
Skandal um Avastin und Lucentis. Dutzende von Millionen Franken könnten in Anbetracht regelmässig steigender Krankenkassenprämien eingespart werden
AdditionalIndexing
2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Der Bundesrat ist sich der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen bewusst. Vor dem Hintergrund der steigenden Gesundheitskosten misst die Strategie Gesundheit 2020 den Massnahmen zur Kosteneindämmung eine besondere Dringlichkeit zu. Im Bereich der Medikamente konnten insbesondere durch die Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre in den Jahren 2012 bis 2014 rund 600 Millionen Franken eingespart werden. Seit 2017 wird wieder jährlich ein Drittel der Arzneimittel der Spezialitätenliste (SL) überprüft. Der Bundesrat erwartet dadurch in den nächsten drei Jahren erneut Einsparungen von 180 Millionen Franken.</p><p>1. Es ist ein grosses Anliegen des Bundesrates, dass den Patientinnen und Patienten die für eine Behandlung notwendige Therapie möglichst kostengünstig zur Verfügung steht. Um die Sicherheit der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten, muss das Anwendungsgebiet von Arzneimitteln durch die Marktüberwachungsbehörde des Schweizerischen Heilmittelinstitutes (Swissmedic) geprüft und zugelassen werden. Wie der Bundesrat in seinen Antworten auf zwei parlamentarische Vorstösse (Interpellation Moret 14.3649, "Avastin und Lucentis. Was kann der Bundesrat unternehmen?", Frage Fehlmann Rielle 16.5549, "Avastin. Warum wird das effiziente und preiswerte Medikament nicht zugelassen?") bereits festgehalten hat, verfügt der Bund nicht über die gesetzlichen Grundlagen, um die pharmazeutischen Unternehmen zu verpflichten, ein Gesuch für die Zulassung eines neuen Arzneimittels einzureichen oder eine Indikationserweiterung für ein bereits zugelassenes Arzneimittel zu beantragen. Das Arzneimittel Avastin(R) mit dem Wirkstoff Bevacizumab ist sowohl in Europa durch eine zentrale Zulassung der European Medicines Agency (EMA) wie auch in den USA durch die Food and Drug Administration (FDA) ausschliesslich für die Krebsbehandlung zugelassen. Entsprechend erfolgt die in der vorliegenden Interpellation erwähnte, häufig praktizierte Therapie der Makuladegeneration mit Avastin(R) auch in diesen Ländern in einem Anwendungsgebiet, das die genannten Heilmittelbehörden nicht überprüft haben (Off-Label Use). Auch in der Schweiz können Ärzte und Ärztinnen Avastin unter Beachtung der verlangten Sorgfaltspflicht off-label einsetzen. Die Vergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung ist jedoch nicht möglich, da eine Vergütung bei einer Anwendung ausserhalb der zugelassenen Indikation nach Artikel 71a Absatz 1 der Verordnung über die Krankenversicherung (SR 832.102) nur erfolgen kann, wenn zugelassene therapeutische Alternativen fehlen.</p><p>2. Arzneimittel der SL müssen die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen. Die Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels wird anhand des Vergleichs mit dem Preis des Arzneimittels in den Referenzländern und des Vergleichs mit anderen Arzneimitteln zur Behandlung derselben Krankheit beurteilt. Eine Neubeurteilung der Wirtschaftlichkeit nach der Aufnahme in die SL erfolgt u. a. im Rahmen der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre und bei Indikationserweiterungen. Lucentis ist u. a. indiziert für die altersbezogene Makuladegeneration (AMD), Avastin ist für diese Indikation nicht zugelassen. Die Preise von Lucentis und Avastin lassen sich entsprechend aufgrund der geltenden rechtlichen Bestimmungen nicht miteinander vergleichen bzw. aneinander angleichen, da sie keine Therapiealternativen darstellen. Würde indes Avastin neu für die Indikation altersbezogene Makuladegeneration und somit in einer neuen galenischen Form zur Anwendung am Auge zugelassen, müsste zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit auch ein Vergleich mit anderen Arzneimitteln mit derselben Indikation stattfinden, d. h. auch mit Lucentis. Dies wiederum könnte zu einem höheren Preis der neuen galenischen Form von Avastin zur Behandlung der Makuladegeneration führen.</p><p>3. Das für die SL zuständige Bundesamt für Gesundheit hält sich bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels an die geltenden rechtlichen Bestimmungen. Lucentis wurde im Jahr 2007 erstmals befristet in die SL aufgenommen. Seither wurde das Arzneimittel mehrmals preislich überprüft. Dabei kam es zweimal zu deutlichen Preissenkungen (rund 20 und 30 Prozent), wodurch der ursprüngliche Fabrikabgabepreis von 1750 Franken auf den heutigen Preis von 1001 Franken gesenkt wurde. Im Jahr 2019 wird Lucentis anlässlich der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre erneut überprüft.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Jedes Jahr wird die Schweizer Bevölkerung mit steigenden Krankenkassenprämien gestraft. Deshalb ist es höchste Zeit, den skandalösen Preisen gewisser Medikamente ein Ende zu setzen.</p><p>Um beispielsweise die Altersblindheit und diabetesbedingte Augenkomplikationen zu behandeln, wird in zahlreichen Ländern, darunter Frankreich, Italien und die Vereinigten Staaten, ein sicheres und bewährtes Medikament eingesetzt, nämlich Avastin. In Italien und Spanien verlangen die Behörden sogar, dass ihre Spitäler nur Avastin verschreiben. In der Schweiz ist Avastin für diese Indikation jedoch nicht mehr zugelassen, und die Ärztinnen und Ärzte müssen Lucentis verschreiben, das mindestens zwanzigmal teurer ist.</p><p>Von Krankenkassen wird Avastin nicht übernommen, weil es nicht auf der Liste von Swissmedic aufgeführt ist.</p><p>Der Preisvergleich zeigt fürwahr Erstaunliches: Wenn man sich vor Augen führt, dass in der Schweiz etwa 50 000 Injektionen pro Jahr verabreicht werden, die im Fall von Lucentis jeweils 1000 Franken kosten, kommt man auf 50 Millionen Franken, während der Einsatz von Avastin nur 2,5 Millionen kosten würde, da eine Dosis dieses Medikaments 50 Franken kostet. Man finde den Fehler!</p><p>Im Jahr 2013 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, den Einsatz von Avastin anstelle von Lucentis für die Behandlung einer Makuladegeneration (AMD) zuzulassen.</p><p>Auf die Fragen, die von verschiedenen Medien im Rahmen ihrer Recherchen gestellt wurden, war die Antwort, dass aus Sicht von Swissmedic und des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) Avastin nicht zur Behandlung von AMD entwickelt wurde und man es daher umverpacken müsste, bevor es eingesetzt wird. Weil es Lucentis gibt, sehen diese Behörden keinen stichhaltigen Grund, es zu ersetzen.</p><p>Der Bundesrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Warum dürfen die Gesundheitsbehörden die Zulassung von Avastin für die Indikation von AMD nicht durchsetzen, wie dies in anderen Ländern geschehen ist?</p><p>2. Wie können wir solche Preisunterschiede hinnehmen und gleichzeitig die regelmässige Erhöhung der Gesundheitskosten bedauern?</p><p>3. Wie kann das BAG rechtfertigen, dass es einen derart hohen Preis für Lucentis genehmigt hat?</p>
  • Skandal um Avastin und Lucentis. Dutzende von Millionen Franken könnten in Anbetracht regelmässig steigender Krankenkassenprämien eingespart werden
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Der Bundesrat ist sich der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen bewusst. Vor dem Hintergrund der steigenden Gesundheitskosten misst die Strategie Gesundheit 2020 den Massnahmen zur Kosteneindämmung eine besondere Dringlichkeit zu. Im Bereich der Medikamente konnten insbesondere durch die Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre in den Jahren 2012 bis 2014 rund 600 Millionen Franken eingespart werden. Seit 2017 wird wieder jährlich ein Drittel der Arzneimittel der Spezialitätenliste (SL) überprüft. Der Bundesrat erwartet dadurch in den nächsten drei Jahren erneut Einsparungen von 180 Millionen Franken.</p><p>1. Es ist ein grosses Anliegen des Bundesrates, dass den Patientinnen und Patienten die für eine Behandlung notwendige Therapie möglichst kostengünstig zur Verfügung steht. Um die Sicherheit der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten, muss das Anwendungsgebiet von Arzneimitteln durch die Marktüberwachungsbehörde des Schweizerischen Heilmittelinstitutes (Swissmedic) geprüft und zugelassen werden. Wie der Bundesrat in seinen Antworten auf zwei parlamentarische Vorstösse (Interpellation Moret 14.3649, "Avastin und Lucentis. Was kann der Bundesrat unternehmen?", Frage Fehlmann Rielle 16.5549, "Avastin. Warum wird das effiziente und preiswerte Medikament nicht zugelassen?") bereits festgehalten hat, verfügt der Bund nicht über die gesetzlichen Grundlagen, um die pharmazeutischen Unternehmen zu verpflichten, ein Gesuch für die Zulassung eines neuen Arzneimittels einzureichen oder eine Indikationserweiterung für ein bereits zugelassenes Arzneimittel zu beantragen. Das Arzneimittel Avastin(R) mit dem Wirkstoff Bevacizumab ist sowohl in Europa durch eine zentrale Zulassung der European Medicines Agency (EMA) wie auch in den USA durch die Food and Drug Administration (FDA) ausschliesslich für die Krebsbehandlung zugelassen. Entsprechend erfolgt die in der vorliegenden Interpellation erwähnte, häufig praktizierte Therapie der Makuladegeneration mit Avastin(R) auch in diesen Ländern in einem Anwendungsgebiet, das die genannten Heilmittelbehörden nicht überprüft haben (Off-Label Use). Auch in der Schweiz können Ärzte und Ärztinnen Avastin unter Beachtung der verlangten Sorgfaltspflicht off-label einsetzen. Die Vergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung ist jedoch nicht möglich, da eine Vergütung bei einer Anwendung ausserhalb der zugelassenen Indikation nach Artikel 71a Absatz 1 der Verordnung über die Krankenversicherung (SR 832.102) nur erfolgen kann, wenn zugelassene therapeutische Alternativen fehlen.</p><p>2. Arzneimittel der SL müssen die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen. Die Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels wird anhand des Vergleichs mit dem Preis des Arzneimittels in den Referenzländern und des Vergleichs mit anderen Arzneimitteln zur Behandlung derselben Krankheit beurteilt. Eine Neubeurteilung der Wirtschaftlichkeit nach der Aufnahme in die SL erfolgt u. a. im Rahmen der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre und bei Indikationserweiterungen. Lucentis ist u. a. indiziert für die altersbezogene Makuladegeneration (AMD), Avastin ist für diese Indikation nicht zugelassen. Die Preise von Lucentis und Avastin lassen sich entsprechend aufgrund der geltenden rechtlichen Bestimmungen nicht miteinander vergleichen bzw. aneinander angleichen, da sie keine Therapiealternativen darstellen. Würde indes Avastin neu für die Indikation altersbezogene Makuladegeneration und somit in einer neuen galenischen Form zur Anwendung am Auge zugelassen, müsste zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit auch ein Vergleich mit anderen Arzneimitteln mit derselben Indikation stattfinden, d. h. auch mit Lucentis. Dies wiederum könnte zu einem höheren Preis der neuen galenischen Form von Avastin zur Behandlung der Makuladegeneration führen.</p><p>3. Das für die SL zuständige Bundesamt für Gesundheit hält sich bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels an die geltenden rechtlichen Bestimmungen. Lucentis wurde im Jahr 2007 erstmals befristet in die SL aufgenommen. Seither wurde das Arzneimittel mehrmals preislich überprüft. Dabei kam es zweimal zu deutlichen Preissenkungen (rund 20 und 30 Prozent), wodurch der ursprüngliche Fabrikabgabepreis von 1750 Franken auf den heutigen Preis von 1001 Franken gesenkt wurde. Im Jahr 2019 wird Lucentis anlässlich der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre erneut überprüft.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Jedes Jahr wird die Schweizer Bevölkerung mit steigenden Krankenkassenprämien gestraft. Deshalb ist es höchste Zeit, den skandalösen Preisen gewisser Medikamente ein Ende zu setzen.</p><p>Um beispielsweise die Altersblindheit und diabetesbedingte Augenkomplikationen zu behandeln, wird in zahlreichen Ländern, darunter Frankreich, Italien und die Vereinigten Staaten, ein sicheres und bewährtes Medikament eingesetzt, nämlich Avastin. In Italien und Spanien verlangen die Behörden sogar, dass ihre Spitäler nur Avastin verschreiben. In der Schweiz ist Avastin für diese Indikation jedoch nicht mehr zugelassen, und die Ärztinnen und Ärzte müssen Lucentis verschreiben, das mindestens zwanzigmal teurer ist.</p><p>Von Krankenkassen wird Avastin nicht übernommen, weil es nicht auf der Liste von Swissmedic aufgeführt ist.</p><p>Der Preisvergleich zeigt fürwahr Erstaunliches: Wenn man sich vor Augen führt, dass in der Schweiz etwa 50 000 Injektionen pro Jahr verabreicht werden, die im Fall von Lucentis jeweils 1000 Franken kosten, kommt man auf 50 Millionen Franken, während der Einsatz von Avastin nur 2,5 Millionen kosten würde, da eine Dosis dieses Medikaments 50 Franken kostet. Man finde den Fehler!</p><p>Im Jahr 2013 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, den Einsatz von Avastin anstelle von Lucentis für die Behandlung einer Makuladegeneration (AMD) zuzulassen.</p><p>Auf die Fragen, die von verschiedenen Medien im Rahmen ihrer Recherchen gestellt wurden, war die Antwort, dass aus Sicht von Swissmedic und des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) Avastin nicht zur Behandlung von AMD entwickelt wurde und man es daher umverpacken müsste, bevor es eingesetzt wird. Weil es Lucentis gibt, sehen diese Behörden keinen stichhaltigen Grund, es zu ersetzen.</p><p>Der Bundesrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Warum dürfen die Gesundheitsbehörden die Zulassung von Avastin für die Indikation von AMD nicht durchsetzen, wie dies in anderen Ländern geschehen ist?</p><p>2. Wie können wir solche Preisunterschiede hinnehmen und gleichzeitig die regelmässige Erhöhung der Gesundheitskosten bedauern?</p><p>3. Wie kann das BAG rechtfertigen, dass es einen derart hohen Preis für Lucentis genehmigt hat?</p>
    • Skandal um Avastin und Lucentis. Dutzende von Millionen Franken könnten in Anbetracht regelmässig steigender Krankenkassenprämien eingespart werden

Back to List