Anpassung des Asylverfahrens für unbegleitete Kinderflüchtlinge und Minderjährige. Wie und bis wann setzt der Bundesrat die Kinderrechtskonvention korrekt um?

ShortId
17.3773
Id
20173773
Updated
28.07.2023 04:09
Language
de
Title
Anpassung des Asylverfahrens für unbegleitete Kinderflüchtlinge und Minderjährige. Wie und bis wann setzt der Bundesrat die Kinderrechtskonvention korrekt um?
AdditionalIndexing
2811;1211;28
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Gemäss den Allgemeinen Bemerkungen des Kinderrechtsausschusses Nr. 6 (2005) zur "Behandlung unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder ausserhalb ihres Herkunftslandes" sind für unbegleitete Minderjährige in jedem Fall eine Vertrauensperson und zusätzlich für alle Schritte des Asylverfahrens eine Rechtsvertretung zu ernennen. Einzig die Identifikation der Kinder bzw. Jugendlichen als unbegleitete Minderjährige kann vor der Ernennung der Vertrauensperson erfolgen. Dabei macht Artikel 31 aber einen klaren Unterschied zwischen der Identifizierung (Art. 31 i) und der Fortsetzung des Registrationsprozesses (Art. 31 iii). Erst bei Letzterem werden die Flucht- und Asylgründe abgefragt. Gemäss Antwort des Bundesrates auf die Interpellation 17.3471 soll die Befragung zur Person (BzP) eine Schilderung der Asylgründe als erlebnisbasierter Bericht der Ereignisse in ihren wesentlichen Grundzügen enthalten. Zudem werden die Aussagen der BzP je nach Alter, geistigem Reife- und Entwicklungsgrad graduell entlang des Entwicklungsstandes des jugendlichen Asylsuchenden auch im Rahmen der Glaubhaftigkeitsprüfung herangezogen. Diese beiden Faktoren zeigen, dass die BzP eindeutig über die Identifizierung hinausgeht.</p><p>Die Durchführung der BzP vor der Ernennung einer Vertrauensperson und in Abwesenheit einer Rechtsvertretung widerspricht somit klar den Artikeln 33 und 72 der Allgemeinen Bemerkungen des Uno-Kinderrechtsausschusses. Gemäss Artikel 33 ist die Vertrauensperson umgehend nach der Identifikation, d. h. vor jeglicher Erfassung von Flucht- und Asylgründen, zu ernennen. In Artikel 72 wird festgehalten, dass Vertrauensperson und Rechtsvertretung in allen Befragungen, die Teil des Asylverfahrens sind, anwesend sein sollen. Um die Kinderrechtskonvention bzw. die Allgemeinen Bemerkungen korrekt umzusetzen, muss zwischen der Identifikation der unbegleiteten Minderjährigen und jeglicher Befragung, die darüber hinausgeht, unterschieden werden. Insbesondere ist dafür zu sorgen, dass bei jeder Befragung, deren Aussagen zur Entscheidfindung im Rahmen des Asylverfahrens beigezogen werden, eine Rechtsvertretung anwesend ist.</p>
  • <p>Nach dem geltenden Asylgesetz (SR 142.31) müssen die kantonalen Behörden unverzüglich eine Vertrauensperson bestimmen, die die Interessen der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) wahrnimmt. Die Ernennung einer Vertrauensperson ist erforderlich, um entscheidrelevante Verfahrensschritte durchzuführen. Der Bundesrat hat in Artikel 7 Absatz 2bis der Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen (SR 142.311) den Zeitpunkt festgelegt, ab dem die Tätigkeit der Vertrauensperson beginnt. Sie beginnt mit der Kurzbefragung. Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat sich mehrfach zum Zeitpunkt des Einbezugs der Vertrauensperson im Verfahren von UMA geäussert.</p><p>Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Vertrauensperson erst einzubeziehen ist, wenn entscheidrelevante Verfahrensschritte durchgeführt werden. Im Dublin-Verfahren, bei dem die Kurzbefragung im Empfangs- und Verfahrenszentrum der entscheidrelevante Verfahrensschritt ist, muss die Vertrauensperson ab der Kurzbefragung einbezogen werden (vgl. Urteile des BVGer D-166/2017 vom 15. März 2017 und E-7085/2016 vom 17. August 2017). Bei den übrigen Verfahren ist hingegen nur die Befragung zu den Asylgründen der entscheidrelevante Verfahrensschritt, der den Einbezug der Vertrauensperson erfordert (vgl. Urteile des BVGer E-4337/2016 vom 5. September 2016 und E-1279/2014 vom 7. September 2015).</p><p>Im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung stellt der Bundesrat diese Rechtsprechung nicht infrage. Er verweist jedoch auf seine Antwort auf die Interpellation 17.3471, wonach mit dem bevorstehenden Inkrafttreten des revidierten Asylgesetzes den Asylsuchenden systematisch eine Rechtsvertretung zugewiesen wird, die ab der Erstbefragung zum Einsatz kommt.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Wie und bis wann beabsichtigt der Bundesrat das Asylverfahren für unbegleitete Minderjährige so anzupassen, dass die Kinderrechtskonvention und die Allgemeinen Bemerkungen des Kinderrechtsausschusses Nr. 6 (2005) korrekt umgesetzt werden?</p>
  • Anpassung des Asylverfahrens für unbegleitete Kinderflüchtlinge und Minderjährige. Wie und bis wann setzt der Bundesrat die Kinderrechtskonvention korrekt um?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Gemäss den Allgemeinen Bemerkungen des Kinderrechtsausschusses Nr. 6 (2005) zur "Behandlung unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder ausserhalb ihres Herkunftslandes" sind für unbegleitete Minderjährige in jedem Fall eine Vertrauensperson und zusätzlich für alle Schritte des Asylverfahrens eine Rechtsvertretung zu ernennen. Einzig die Identifikation der Kinder bzw. Jugendlichen als unbegleitete Minderjährige kann vor der Ernennung der Vertrauensperson erfolgen. Dabei macht Artikel 31 aber einen klaren Unterschied zwischen der Identifizierung (Art. 31 i) und der Fortsetzung des Registrationsprozesses (Art. 31 iii). Erst bei Letzterem werden die Flucht- und Asylgründe abgefragt. Gemäss Antwort des Bundesrates auf die Interpellation 17.3471 soll die Befragung zur Person (BzP) eine Schilderung der Asylgründe als erlebnisbasierter Bericht der Ereignisse in ihren wesentlichen Grundzügen enthalten. Zudem werden die Aussagen der BzP je nach Alter, geistigem Reife- und Entwicklungsgrad graduell entlang des Entwicklungsstandes des jugendlichen Asylsuchenden auch im Rahmen der Glaubhaftigkeitsprüfung herangezogen. Diese beiden Faktoren zeigen, dass die BzP eindeutig über die Identifizierung hinausgeht.</p><p>Die Durchführung der BzP vor der Ernennung einer Vertrauensperson und in Abwesenheit einer Rechtsvertretung widerspricht somit klar den Artikeln 33 und 72 der Allgemeinen Bemerkungen des Uno-Kinderrechtsausschusses. Gemäss Artikel 33 ist die Vertrauensperson umgehend nach der Identifikation, d. h. vor jeglicher Erfassung von Flucht- und Asylgründen, zu ernennen. In Artikel 72 wird festgehalten, dass Vertrauensperson und Rechtsvertretung in allen Befragungen, die Teil des Asylverfahrens sind, anwesend sein sollen. Um die Kinderrechtskonvention bzw. die Allgemeinen Bemerkungen korrekt umzusetzen, muss zwischen der Identifikation der unbegleiteten Minderjährigen und jeglicher Befragung, die darüber hinausgeht, unterschieden werden. Insbesondere ist dafür zu sorgen, dass bei jeder Befragung, deren Aussagen zur Entscheidfindung im Rahmen des Asylverfahrens beigezogen werden, eine Rechtsvertretung anwesend ist.</p>
    • <p>Nach dem geltenden Asylgesetz (SR 142.31) müssen die kantonalen Behörden unverzüglich eine Vertrauensperson bestimmen, die die Interessen der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) wahrnimmt. Die Ernennung einer Vertrauensperson ist erforderlich, um entscheidrelevante Verfahrensschritte durchzuführen. Der Bundesrat hat in Artikel 7 Absatz 2bis der Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen (SR 142.311) den Zeitpunkt festgelegt, ab dem die Tätigkeit der Vertrauensperson beginnt. Sie beginnt mit der Kurzbefragung. Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat sich mehrfach zum Zeitpunkt des Einbezugs der Vertrauensperson im Verfahren von UMA geäussert.</p><p>Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Vertrauensperson erst einzubeziehen ist, wenn entscheidrelevante Verfahrensschritte durchgeführt werden. Im Dublin-Verfahren, bei dem die Kurzbefragung im Empfangs- und Verfahrenszentrum der entscheidrelevante Verfahrensschritt ist, muss die Vertrauensperson ab der Kurzbefragung einbezogen werden (vgl. Urteile des BVGer D-166/2017 vom 15. März 2017 und E-7085/2016 vom 17. August 2017). Bei den übrigen Verfahren ist hingegen nur die Befragung zu den Asylgründen der entscheidrelevante Verfahrensschritt, der den Einbezug der Vertrauensperson erfordert (vgl. Urteile des BVGer E-4337/2016 vom 5. September 2016 und E-1279/2014 vom 7. September 2015).</p><p>Im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung stellt der Bundesrat diese Rechtsprechung nicht infrage. Er verweist jedoch auf seine Antwort auf die Interpellation 17.3471, wonach mit dem bevorstehenden Inkrafttreten des revidierten Asylgesetzes den Asylsuchenden systematisch eine Rechtsvertretung zugewiesen wird, die ab der Erstbefragung zum Einsatz kommt.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Wie und bis wann beabsichtigt der Bundesrat das Asylverfahren für unbegleitete Minderjährige so anzupassen, dass die Kinderrechtskonvention und die Allgemeinen Bemerkungen des Kinderrechtsausschusses Nr. 6 (2005) korrekt umgesetzt werden?</p>
    • Anpassung des Asylverfahrens für unbegleitete Kinderflüchtlinge und Minderjährige. Wie und bis wann setzt der Bundesrat die Kinderrechtskonvention korrekt um?

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