Recht auf Selbstbestimmung bei der Rohstoffförderung in Kolumbien und die Rolle der Schweiz im kolumbianischen Friedensprozess

ShortId
17.3821
Id
20173821
Updated
28.07.2023 04:14
Language
de
Title
Recht auf Selbstbestimmung bei der Rohstoffförderung in Kolumbien und die Rolle der Schweiz im kolumbianischen Friedensprozess
AdditionalIndexing
15;08;09
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Schweiz hat im kolumbianischen Friedensprozess eine aktive Rolle als Unterstützerland der Gespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN-Guerilla, insbesondere zum Verhandlungspunkt Partizipation. Während im Friedensprozess Partizipation ein wichtiges Thema ist, wird in der Realität die in Verfassung und Gesetzen festgeschriebene Bürgerinnen- und Bürgerpartizipation nicht umgesetzt, und die Regierung will mit einem neuen Gesetz die heute festgeschriebenen Normen einschränken. Volksabstimmungen sollen lediglich noch einen konsultativen Charakter haben statt, wie im geltenden Gesetz festgehalten, verbindlich sein. Dies ist aktuell besonders von Bedeutung, weil angesichts des Friedensprozesses Bürgerinnen und Bürger vermehrt das verbriefte Recht der Partizipation in Anspruch nehmen. Acht Volksabstimmungen haben in diesem Jahr zum Thema industrielle Rohstoffförderung stattgefunden, durchgeführt von Gemeinden, die von geplanten Tagebauminen bzw. von der Ölförderung betroffen sind und deren Gemeindegebiet von der Nationalregierung zu grossen Teilen in Konzessionen an Konzerne vergeben wurde. In all diesen Volksabstimmungen sprachen sich die Stimmberechtigten mit über 95 Prozent gegen die geplanten Bergbau- bzw. Ölförderungsprojekte aus.</p>
  • <p>Die kolumbianische Verfassung enthält weitreichende direktdemokratische Instrumente, sowohl in Bezug auf die nationalen Gesetzgebungsprozesse als auch in Bezug auf die Bürgerpartizipation auf lokaler Stufe. Die Umsetzung von Verfassung und Gesetzgebung ist eine innerstaatliche Angelegenheit und liegt in der Verantwortung Kolumbiens. Das Friedensabkommen zwischen der Regierung und den Farc enthält verschiedene zusätzliche Massnahmen zur Stärkung der Bürgerpartizipation.</p><p>In der Schweizerischen Kooperationsstrategie für Kolumbien 2017-2020 sind die Mitwirkung der Gesellschaft im Friedensprozess und allgemein die demokratische Entscheidungsfindung zentrale Themen. Die Expertise und Erfahrung der Schweiz in diesem Bereich werden von der Regierung und der Zivilgesellschaft geschätzt. Im Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc wird die Schweiz explizit eingeladen, die Umsetzung des Teilabkommens zur politischen Partizipation zu begleiten. Diese Begleitrolle beinhaltet das Monitoring der Umsetzung sowie die Bereitstellung von technischer Expertise und finanzieller Unterstützung. So hat die Schweiz zum Beispiel zu Beginn dieses Jahres die Konsultationen der Zivilgesellschaft zum Gesetzentwurf über "Garantien für die Bürgerpartizipation" unterstützt. Der entsprechende Gesetzesvorschlag muss nun dem Parlament vorgelegt werden.</p><p>Die Schweiz steht in einem Dialog mit allen relevanten Akteuren der kolumbianischen Gesellschaft zum Thema Bürgerpartizipation. Es geht darum, die entsprechenden Instrumente und Mechanismen langfristig zu stärken, damit Lösungen breitere Akzeptanz erfahren.</p><p>Obwohl die durch den Konflikt verursachte Gewalt in Kolumbien dank dem Friedensprozess stark abgenommen hat, gehören Morde und Drohungen gegenüber sozialen Führungspersönlichkeiten auf lokaler Stufe weiterhin zum kolumbianischen Alltag. Die Schweiz ist sehr besorgt über die Sicherheit von Menschenrechtsverteidigern und -verteidigerinnen und erwähnte dies unter Item 4 im Rahmen des Menschenrechtsrates im März 2017. Sie koordiniert sich mit anderen Botschaften, um gegenüber der kolumbianischen Regierung und den Strafverfolgungsbehörden den Schutz dieser Personen einzufordern (Initiative Botschafter-i unterstützen Menschenrechtsverteidiger - "Embajadores con Defensores").</p><p>Die Schutzmassnahmen der Schweiz für die Zivilbevölkerung und den Wiederaufbau von Lebensgrundlagen sind wichtige Beiträge zu einem dauerhaften Frieden. Die verschiedenen Aktivitäten der Schweiz zielen auch darauf ab, Brücken zwischen dem Staat und den Gemeinden zu bauen, um das Vertrauen zu fördern und zum Wiederaufbau des sozialen Gefüges beizutragen.</p><p>Die Schweiz unterhält zudem einen regelmässigen Dialog mit Schweizer Firmen in Kolumbien zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte. Dieser Dialog basiert auf dem Bericht des Bundesrates zur Umsetzung der Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. In der Schweiz ansässige und/oder tätige Unternehmen sollen die Menschenrechte in ihrer gesamten Geschäftstätigkeit achten, wo immer sie aktiv sind. Die Schweiz wie Kolumbien sind im Übrigen auch Mitglieder der freiwilligen Grundsätze für Sicherheit und Menschenrechte (Voluntary Principles). Diese Leitlinien richten sich speziell an Öl-, Gas- und Bergbauunternehmen und unterstützen die Unternehmen dabei, die Menschenrechte bei Fragen in Zusammenhang mit ihrer betrieblichen Sicherheit zu wahren.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Ich bitte den Bundesrat um Beantwortung der folgenden Fragen:</p><p>1. Wie kann die Schweizer Regierung darauf hinwirken, dass die in der kolumbianischen Verfassung und in Gesetzen enthaltenen Möglichkeiten der Partizipation umgesetzt werden und der verbindliche Charakter von Volksabstimmungen gemäss bestehenden Normen respektiert wird? </p><p>2. Was unternimmt die Schweizer Regierung im Rahmen der Unterstützung des Friedensprozesses, um dazu beizutragen, dass die verfassungsmässigen direktdemokratischen Instrumente und die Partizipationsmöglichkeiten innerhalb des Fast Track ausgebaut und nicht reduziert werden? </p><p>3. Was unternimmt die Schweizer Regierung, um darauf hinzuwirken, dass Menschen in Kolumbien direkte demokratische Partizipation einfordern und umsetzen können, ohne Morddrohungen und Gewalt ausgesetzt zu sein, wie das aktuell der Fall ist?</p>
  • Recht auf Selbstbestimmung bei der Rohstoffförderung in Kolumbien und die Rolle der Schweiz im kolumbianischen Friedensprozess
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Schweiz hat im kolumbianischen Friedensprozess eine aktive Rolle als Unterstützerland der Gespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN-Guerilla, insbesondere zum Verhandlungspunkt Partizipation. Während im Friedensprozess Partizipation ein wichtiges Thema ist, wird in der Realität die in Verfassung und Gesetzen festgeschriebene Bürgerinnen- und Bürgerpartizipation nicht umgesetzt, und die Regierung will mit einem neuen Gesetz die heute festgeschriebenen Normen einschränken. Volksabstimmungen sollen lediglich noch einen konsultativen Charakter haben statt, wie im geltenden Gesetz festgehalten, verbindlich sein. Dies ist aktuell besonders von Bedeutung, weil angesichts des Friedensprozesses Bürgerinnen und Bürger vermehrt das verbriefte Recht der Partizipation in Anspruch nehmen. Acht Volksabstimmungen haben in diesem Jahr zum Thema industrielle Rohstoffförderung stattgefunden, durchgeführt von Gemeinden, die von geplanten Tagebauminen bzw. von der Ölförderung betroffen sind und deren Gemeindegebiet von der Nationalregierung zu grossen Teilen in Konzessionen an Konzerne vergeben wurde. In all diesen Volksabstimmungen sprachen sich die Stimmberechtigten mit über 95 Prozent gegen die geplanten Bergbau- bzw. Ölförderungsprojekte aus.</p>
    • <p>Die kolumbianische Verfassung enthält weitreichende direktdemokratische Instrumente, sowohl in Bezug auf die nationalen Gesetzgebungsprozesse als auch in Bezug auf die Bürgerpartizipation auf lokaler Stufe. Die Umsetzung von Verfassung und Gesetzgebung ist eine innerstaatliche Angelegenheit und liegt in der Verantwortung Kolumbiens. Das Friedensabkommen zwischen der Regierung und den Farc enthält verschiedene zusätzliche Massnahmen zur Stärkung der Bürgerpartizipation.</p><p>In der Schweizerischen Kooperationsstrategie für Kolumbien 2017-2020 sind die Mitwirkung der Gesellschaft im Friedensprozess und allgemein die demokratische Entscheidungsfindung zentrale Themen. Die Expertise und Erfahrung der Schweiz in diesem Bereich werden von der Regierung und der Zivilgesellschaft geschätzt. Im Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc wird die Schweiz explizit eingeladen, die Umsetzung des Teilabkommens zur politischen Partizipation zu begleiten. Diese Begleitrolle beinhaltet das Monitoring der Umsetzung sowie die Bereitstellung von technischer Expertise und finanzieller Unterstützung. So hat die Schweiz zum Beispiel zu Beginn dieses Jahres die Konsultationen der Zivilgesellschaft zum Gesetzentwurf über "Garantien für die Bürgerpartizipation" unterstützt. Der entsprechende Gesetzesvorschlag muss nun dem Parlament vorgelegt werden.</p><p>Die Schweiz steht in einem Dialog mit allen relevanten Akteuren der kolumbianischen Gesellschaft zum Thema Bürgerpartizipation. Es geht darum, die entsprechenden Instrumente und Mechanismen langfristig zu stärken, damit Lösungen breitere Akzeptanz erfahren.</p><p>Obwohl die durch den Konflikt verursachte Gewalt in Kolumbien dank dem Friedensprozess stark abgenommen hat, gehören Morde und Drohungen gegenüber sozialen Führungspersönlichkeiten auf lokaler Stufe weiterhin zum kolumbianischen Alltag. Die Schweiz ist sehr besorgt über die Sicherheit von Menschenrechtsverteidigern und -verteidigerinnen und erwähnte dies unter Item 4 im Rahmen des Menschenrechtsrates im März 2017. Sie koordiniert sich mit anderen Botschaften, um gegenüber der kolumbianischen Regierung und den Strafverfolgungsbehörden den Schutz dieser Personen einzufordern (Initiative Botschafter-i unterstützen Menschenrechtsverteidiger - "Embajadores con Defensores").</p><p>Die Schutzmassnahmen der Schweiz für die Zivilbevölkerung und den Wiederaufbau von Lebensgrundlagen sind wichtige Beiträge zu einem dauerhaften Frieden. Die verschiedenen Aktivitäten der Schweiz zielen auch darauf ab, Brücken zwischen dem Staat und den Gemeinden zu bauen, um das Vertrauen zu fördern und zum Wiederaufbau des sozialen Gefüges beizutragen.</p><p>Die Schweiz unterhält zudem einen regelmässigen Dialog mit Schweizer Firmen in Kolumbien zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte. Dieser Dialog basiert auf dem Bericht des Bundesrates zur Umsetzung der Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. In der Schweiz ansässige und/oder tätige Unternehmen sollen die Menschenrechte in ihrer gesamten Geschäftstätigkeit achten, wo immer sie aktiv sind. Die Schweiz wie Kolumbien sind im Übrigen auch Mitglieder der freiwilligen Grundsätze für Sicherheit und Menschenrechte (Voluntary Principles). Diese Leitlinien richten sich speziell an Öl-, Gas- und Bergbauunternehmen und unterstützen die Unternehmen dabei, die Menschenrechte bei Fragen in Zusammenhang mit ihrer betrieblichen Sicherheit zu wahren.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Ich bitte den Bundesrat um Beantwortung der folgenden Fragen:</p><p>1. Wie kann die Schweizer Regierung darauf hinwirken, dass die in der kolumbianischen Verfassung und in Gesetzen enthaltenen Möglichkeiten der Partizipation umgesetzt werden und der verbindliche Charakter von Volksabstimmungen gemäss bestehenden Normen respektiert wird? </p><p>2. Was unternimmt die Schweizer Regierung im Rahmen der Unterstützung des Friedensprozesses, um dazu beizutragen, dass die verfassungsmässigen direktdemokratischen Instrumente und die Partizipationsmöglichkeiten innerhalb des Fast Track ausgebaut und nicht reduziert werden? </p><p>3. Was unternimmt die Schweizer Regierung, um darauf hinzuwirken, dass Menschen in Kolumbien direkte demokratische Partizipation einfordern und umsetzen können, ohne Morddrohungen und Gewalt ausgesetzt zu sein, wie das aktuell der Fall ist?</p>
    • Recht auf Selbstbestimmung bei der Rohstoffförderung in Kolumbien und die Rolle der Schweiz im kolumbianischen Friedensprozess

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