Berufungskammer praxistauglich ausgestalten

ShortId
18.438
Id
20180438
Updated
10.04.2024 16:32
Language
de
Title
Berufungskammer praxistauglich ausgestalten
AdditionalIndexing
1221
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Das Parlament hat sich bei den Änderungen vom 17. März 2017 vorwiegend mit der Prinzipienfrage der "double instance" befasst und sich weniger mit den organisatorischen und personellen Konsequenzen in der Praxis auseinandergesetzt.</p><p>Bei der Schaffung der Berufungskammer ging das Parlament von etwa elf Berufungsverfahren mit etwa doppelt so vielen Beschuldigten aus (Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, Seite 6212). Deshalb wurden lediglich zwei Vollzeitstellen für ordentliche Richterinnen und Richter geschaffen.</p><p>Im Jahr 2017 hat die Strafkammer offensichtlich über siebzig Urteile gefällt. Nach geltendem Recht können bzw. konnten diese Urteile mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden. Dabei kann das Bundesgericht zwar die Rechtsanwendung überprüfen, ist aber grundsätzlich an den Sachverhalt gebunden, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat. Ein Weiterzug an das Bundesgericht muss daher gut überlegt werden. Die neu geschaffene Berufungskammer hingegen muss den Sachverhalt nochmals mit voller Kognition überprüfen. Die Praxis geht daher davon aus, dass eine Mehrzahl der siebzig Urteile an die Berufungskammer weitergezogen wird. Die langen, komplexen Verfahren am Strafgericht wiederholen sich vor der Berufungskammer. Während die Strafkammer elf Richterinnen und Richter aufweist, stehen der Berufungskammer für die gleich langen und komplexen Verfahren lediglich zwei Vollzeitstellen zur Verfügung. Diesem Missverhältnis kann nicht mit den neun nebenamtlichen Richterinnen und Richtern begegnet werden. Das "Tagesgeschäft" muss vor Ort und von den ordentlichen Richterinnen und Richtern erledigt werden.</p><p>Die meisten Praktiker gehen davon aus, dass das vorgesehene System kollabiert, wenn es ohne Anpassungen per 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt wird. Entweder gelingt es dem Gesetzgeber, das System schnell und pragmatisch anzupassen, oder es drängt sich eine Verschiebung der Inkraftsetzung beispielsweise auf den 1. Januar 2020 auf. Damit hätten die gewählten Richterinnen und Richter die Möglichkeit, das heutige System zu überarbeiten und dem Gesetzgeber Empfehlungen zu unterbreiten.</p><p>Neben den organisatorischen und personellen Fragen sind auch diejenigen der Rückweisung der aktuell am Bundesgericht hängigen Fälle und der Unabhängigkeit nochmals kritisch zu überprüfen.</p>
  • <p>Gestützt auf Artikel 160 Absatz 1 der Bundesverfassung und Artikel 107 des Parlamentsgesetzes reiche ich folgende parlamentarische Initiative ein:</p><p>Die Änderungen des Strafbehördenorganisationsgesetzes, der Verordnung der Bundesversammlung über die Änderung der Richterverordnung und der Verordnung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht vom 17. März 2017 sind auf die Praxistauglichkeit zu überprüfen und auf der Basis der Ergebnisse sofort anzupassen, notfalls ist die Inkraftsetzung dieser Änderungen zu verschieben.</p>
  • Berufungskammer praxistauglich ausgestalten
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Das Parlament hat sich bei den Änderungen vom 17. März 2017 vorwiegend mit der Prinzipienfrage der "double instance" befasst und sich weniger mit den organisatorischen und personellen Konsequenzen in der Praxis auseinandergesetzt.</p><p>Bei der Schaffung der Berufungskammer ging das Parlament von etwa elf Berufungsverfahren mit etwa doppelt so vielen Beschuldigten aus (Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, Seite 6212). Deshalb wurden lediglich zwei Vollzeitstellen für ordentliche Richterinnen und Richter geschaffen.</p><p>Im Jahr 2017 hat die Strafkammer offensichtlich über siebzig Urteile gefällt. Nach geltendem Recht können bzw. konnten diese Urteile mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden. Dabei kann das Bundesgericht zwar die Rechtsanwendung überprüfen, ist aber grundsätzlich an den Sachverhalt gebunden, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat. Ein Weiterzug an das Bundesgericht muss daher gut überlegt werden. Die neu geschaffene Berufungskammer hingegen muss den Sachverhalt nochmals mit voller Kognition überprüfen. Die Praxis geht daher davon aus, dass eine Mehrzahl der siebzig Urteile an die Berufungskammer weitergezogen wird. Die langen, komplexen Verfahren am Strafgericht wiederholen sich vor der Berufungskammer. Während die Strafkammer elf Richterinnen und Richter aufweist, stehen der Berufungskammer für die gleich langen und komplexen Verfahren lediglich zwei Vollzeitstellen zur Verfügung. Diesem Missverhältnis kann nicht mit den neun nebenamtlichen Richterinnen und Richtern begegnet werden. Das "Tagesgeschäft" muss vor Ort und von den ordentlichen Richterinnen und Richtern erledigt werden.</p><p>Die meisten Praktiker gehen davon aus, dass das vorgesehene System kollabiert, wenn es ohne Anpassungen per 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt wird. Entweder gelingt es dem Gesetzgeber, das System schnell und pragmatisch anzupassen, oder es drängt sich eine Verschiebung der Inkraftsetzung beispielsweise auf den 1. Januar 2020 auf. Damit hätten die gewählten Richterinnen und Richter die Möglichkeit, das heutige System zu überarbeiten und dem Gesetzgeber Empfehlungen zu unterbreiten.</p><p>Neben den organisatorischen und personellen Fragen sind auch diejenigen der Rückweisung der aktuell am Bundesgericht hängigen Fälle und der Unabhängigkeit nochmals kritisch zu überprüfen.</p>
    • <p>Gestützt auf Artikel 160 Absatz 1 der Bundesverfassung und Artikel 107 des Parlamentsgesetzes reiche ich folgende parlamentarische Initiative ein:</p><p>Die Änderungen des Strafbehördenorganisationsgesetzes, der Verordnung der Bundesversammlung über die Änderung der Richterverordnung und der Verordnung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht vom 17. März 2017 sind auf die Praxistauglichkeit zu überprüfen und auf der Basis der Ergebnisse sofort anzupassen, notfalls ist die Inkraftsetzung dieser Änderungen zu verschieben.</p>
    • Berufungskammer praxistauglich ausgestalten

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