Grenzgängerabkommen erst dann unterzeichnen, wenn Italien den Schweizer Finanzdienstleistern Marktzugang gewährt

ShortId
18.3027
Id
20183027
Updated
28.07.2023 03:41
Language
de
Title
Grenzgängerabkommen erst dann unterzeichnen, wenn Italien den Schweizer Finanzdienstleistern Marktzugang gewährt
AdditionalIndexing
2446;08;2811
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Aus der zwischen der Schweiz und Italien vereinbarten Roadmap von 2015 geht hervor, dass bei der Grenzgängerbesteuerung die Quellenbesteuerung mit Ausgleichszahlung ans Wohnsitzland abgelöst werden soll von einer Besteuerung sowohl im Land, in dem eine Person arbeitet, als auch in ihrem Wohnsitzland. Aus Tessiner Sicht war dieses neue Steuerregime interessant, weil sich so die Belastung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger erhöht und die Einstellung von Personen im Tieflohnbereich in der Schweiz dadurch weniger attraktiv wird. Aus finanzieller Sicht hat Italien das grössere Interesse an der neuen Regelung, weil es mit einem zusätzlichen Steuerertrag von 300 bis 600 Millionen Franken pro Jahr rechnet, im Vergleich zu den geschätzten zusätzlichen 15 Millionen Franken für das Tessin. Mit der anstehenden Einführung des Mindestlohns im Tessin wird nun aber den Grenzgängerinnen und Grenzgängern der unlautere Wettbewerb im Lohnbereich verunmöglicht, womit auch das Interesse des Tessins am neuen Abkommen wegfällt. Jetzt liegt der Abschluss eines Abkommens über die Grenzgängerbesteuerung demnach im Interesse Italiens, was der Schweiz ein Verhandlungspfand in die Hand gibt. In der Roadmap haben sich die Parteien ebenfalls dazu bereiterklärt, einen Dialog zu führen im Hinblick auf eine Zusammenarbeit im Bereich der grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen. Italien jedoch hat zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid II) ein Dekret verabschiedet, das die freie Erbringung von Finanzdienstleistungen ausschliesst, da es für alle Finanzintermediäre von ausserhalb der EU eine Zweigniederlassung in Italien verlangt - dies, obschon gemäss Mifid II die Möglichkeit besteht, auf das Erfordernis einer solchen Niederlassung zu verzichten. Mit dieser Bedingung nützt Italien seinen Handlungsspielraum nicht aus und hält sich nicht an die Roadmap. Angesichts des nachlassenden Interesses des Tessins an einem neuen Steuerregime für Grenzgängerinnen und Grenzgänger und angesichts der Hindernisse, die Italien für Finanzdienstleister aufgebaut hat, sollte die Schweiz die beiden Themen jetzt miteinander verknüpfen. Da Italien von einem neuen Grenzgängerabkommen einen klaren finanziellen Vorteil hätte, muss die Schweiz die Unterzeichnung des Abkommens davon abhängig machen, dass der italienische Markt für Schweizer Finanzdienstleister geöffnet wird, was auch im Sinn der Roadmap wäre.</p>
  • <p>Die Schweiz und Italien haben am 23. Februar 2015 eine Roadmap für die Weiterführung des Finanz- und Steuerdialogs unterzeichnet. Die Roadmap enthält eine politische Verpflichtung zu mehreren wichtigen Punkten der bilateralen Beziehungen. Insbesondere wurden unter anderem Regeln für ein rasch zu verhandelndes neues Grenzgängerabkommen vereinbart und der Wille bekräftigt, Gespräche über einen verbesserten Marktzugang für die Finanzdienstleister aufzunehmen.</p><p>Im Jahr 2015 wurde ein neues Abkommen über die Besteuerung der Grenzgänger ("neues Abkommen") ausgehandelt und paraphiert. Das neue Abkommen konnte noch nicht unterzeichnet werden. Die Unterzeichnung wurde anlässlich der Anhörung nach der Paraphierung vom Kanton Tessin ebenso wie von den Kantonen Graubünden und Wallis und den Vertretern der Wirtschaft begrüsst. Es sind insbesondere folgende Verbesserungen vorgesehen: Das neue Abkommen beruht auf Reziprozität, es enthält eine Definition der Grenzgängergebiete sowie des Begriffs des Grenzgängers, es sieht eine Erhöhung des Anteils der Steuereinnahmen zugunsten des Staates vor, in dem die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, und erlaubt dem Wohnsitzstaat die Besteuerung der ansässigen Grenzgängerinnen und Grenzgänger, es führt einen elektronischen Informationsaustausch über das Lohneinkommen der Grenzgängerinnen und Grenzgänger ein, und es sieht eine Überprüfung des Abkommens alle fünf Jahre vor. Die Vorteile gehen über die einfachen finanziellen Berechnungen in der Motion oder die in der Motion vorgebrachte Wirkung gegen Lohndumping hinaus. Mit dem neuen Abkommen kann letztendlich eine von offiziellen Vertretern des Kantons Tessin mehrfach als unbefriedigend dargestellte Situation bereinigt werden.</p><p>In Bezug auf den Marktzugang hat sich Italien 2017 im Rahmen der Umsetzung von Mifid II bei der Vermögensverwaltung aus Drittstaaten mit Privatkunden in Italien für die Einführung eines zwingenden Niederlassungserfordernisses entschieden.</p><p>Es handelt sich demnach um zwei verschiedene Themen. Einerseits konnte, was die Besteuerung der Grenzgänger anbelangt, bereits eine für beide Vertragsparteien, die betroffenen Kantone und die Wirtschaftskreise befriedigende Lösung gefunden werden. Der Bundesrat erachtet eine rasche Unterzeichnung des neuen Abkommens daher als im Interesse der Schweiz. Andererseits wird sich, was den Marktzugang für Finanzdienstleister betrifft, die Schweiz weiterhin - im Verhältnis zu Italien, wie im Übrigen auch zu anderen EU-Staaten - für optimale bilaterale Lösungen für den Schweizer Finanzplatz einsetzen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Strategie der bilateralen Verhandlungen mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung und den Marktzugang für Finanzdienstleister zu überdenken. Das Abkommen über die Besteuerung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger soll nicht sofort unterzeichnet werden, sondern erst dann, wenn Italien den Schweizer Finanzdienstleistern den Zugang zum italienischen Markt gewährt.</p>
  • Grenzgängerabkommen erst dann unterzeichnen, wenn Italien den Schweizer Finanzdienstleistern Marktzugang gewährt
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Aus der zwischen der Schweiz und Italien vereinbarten Roadmap von 2015 geht hervor, dass bei der Grenzgängerbesteuerung die Quellenbesteuerung mit Ausgleichszahlung ans Wohnsitzland abgelöst werden soll von einer Besteuerung sowohl im Land, in dem eine Person arbeitet, als auch in ihrem Wohnsitzland. Aus Tessiner Sicht war dieses neue Steuerregime interessant, weil sich so die Belastung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger erhöht und die Einstellung von Personen im Tieflohnbereich in der Schweiz dadurch weniger attraktiv wird. Aus finanzieller Sicht hat Italien das grössere Interesse an der neuen Regelung, weil es mit einem zusätzlichen Steuerertrag von 300 bis 600 Millionen Franken pro Jahr rechnet, im Vergleich zu den geschätzten zusätzlichen 15 Millionen Franken für das Tessin. Mit der anstehenden Einführung des Mindestlohns im Tessin wird nun aber den Grenzgängerinnen und Grenzgängern der unlautere Wettbewerb im Lohnbereich verunmöglicht, womit auch das Interesse des Tessins am neuen Abkommen wegfällt. Jetzt liegt der Abschluss eines Abkommens über die Grenzgängerbesteuerung demnach im Interesse Italiens, was der Schweiz ein Verhandlungspfand in die Hand gibt. In der Roadmap haben sich die Parteien ebenfalls dazu bereiterklärt, einen Dialog zu führen im Hinblick auf eine Zusammenarbeit im Bereich der grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen. Italien jedoch hat zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid II) ein Dekret verabschiedet, das die freie Erbringung von Finanzdienstleistungen ausschliesst, da es für alle Finanzintermediäre von ausserhalb der EU eine Zweigniederlassung in Italien verlangt - dies, obschon gemäss Mifid II die Möglichkeit besteht, auf das Erfordernis einer solchen Niederlassung zu verzichten. Mit dieser Bedingung nützt Italien seinen Handlungsspielraum nicht aus und hält sich nicht an die Roadmap. Angesichts des nachlassenden Interesses des Tessins an einem neuen Steuerregime für Grenzgängerinnen und Grenzgänger und angesichts der Hindernisse, die Italien für Finanzdienstleister aufgebaut hat, sollte die Schweiz die beiden Themen jetzt miteinander verknüpfen. Da Italien von einem neuen Grenzgängerabkommen einen klaren finanziellen Vorteil hätte, muss die Schweiz die Unterzeichnung des Abkommens davon abhängig machen, dass der italienische Markt für Schweizer Finanzdienstleister geöffnet wird, was auch im Sinn der Roadmap wäre.</p>
    • <p>Die Schweiz und Italien haben am 23. Februar 2015 eine Roadmap für die Weiterführung des Finanz- und Steuerdialogs unterzeichnet. Die Roadmap enthält eine politische Verpflichtung zu mehreren wichtigen Punkten der bilateralen Beziehungen. Insbesondere wurden unter anderem Regeln für ein rasch zu verhandelndes neues Grenzgängerabkommen vereinbart und der Wille bekräftigt, Gespräche über einen verbesserten Marktzugang für die Finanzdienstleister aufzunehmen.</p><p>Im Jahr 2015 wurde ein neues Abkommen über die Besteuerung der Grenzgänger ("neues Abkommen") ausgehandelt und paraphiert. Das neue Abkommen konnte noch nicht unterzeichnet werden. Die Unterzeichnung wurde anlässlich der Anhörung nach der Paraphierung vom Kanton Tessin ebenso wie von den Kantonen Graubünden und Wallis und den Vertretern der Wirtschaft begrüsst. Es sind insbesondere folgende Verbesserungen vorgesehen: Das neue Abkommen beruht auf Reziprozität, es enthält eine Definition der Grenzgängergebiete sowie des Begriffs des Grenzgängers, es sieht eine Erhöhung des Anteils der Steuereinnahmen zugunsten des Staates vor, in dem die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, und erlaubt dem Wohnsitzstaat die Besteuerung der ansässigen Grenzgängerinnen und Grenzgänger, es führt einen elektronischen Informationsaustausch über das Lohneinkommen der Grenzgängerinnen und Grenzgänger ein, und es sieht eine Überprüfung des Abkommens alle fünf Jahre vor. Die Vorteile gehen über die einfachen finanziellen Berechnungen in der Motion oder die in der Motion vorgebrachte Wirkung gegen Lohndumping hinaus. Mit dem neuen Abkommen kann letztendlich eine von offiziellen Vertretern des Kantons Tessin mehrfach als unbefriedigend dargestellte Situation bereinigt werden.</p><p>In Bezug auf den Marktzugang hat sich Italien 2017 im Rahmen der Umsetzung von Mifid II bei der Vermögensverwaltung aus Drittstaaten mit Privatkunden in Italien für die Einführung eines zwingenden Niederlassungserfordernisses entschieden.</p><p>Es handelt sich demnach um zwei verschiedene Themen. Einerseits konnte, was die Besteuerung der Grenzgänger anbelangt, bereits eine für beide Vertragsparteien, die betroffenen Kantone und die Wirtschaftskreise befriedigende Lösung gefunden werden. Der Bundesrat erachtet eine rasche Unterzeichnung des neuen Abkommens daher als im Interesse der Schweiz. Andererseits wird sich, was den Marktzugang für Finanzdienstleister betrifft, die Schweiz weiterhin - im Verhältnis zu Italien, wie im Übrigen auch zu anderen EU-Staaten - für optimale bilaterale Lösungen für den Schweizer Finanzplatz einsetzen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Strategie der bilateralen Verhandlungen mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung und den Marktzugang für Finanzdienstleister zu überdenken. Das Abkommen über die Besteuerung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger soll nicht sofort unterzeichnet werden, sondern erst dann, wenn Italien den Schweizer Finanzdienstleistern den Zugang zum italienischen Markt gewährt.</p>
    • Grenzgängerabkommen erst dann unterzeichnen, wenn Italien den Schweizer Finanzdienstleistern Marktzugang gewährt

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