Von Service-public-Unternehmen zu staatlichen Konkurrenten der Privatwirtschaft?

ShortId
18.3037
Id
20183037
Updated
28.07.2023 03:49
Language
de
Title
Von Service-public-Unternehmen zu staatlichen Konkurrenten der Privatwirtschaft?
AdditionalIndexing
15;04
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Der Fall der Postauto AG steht exemplarisch für ein grundsätzliches Problem: Viele Konzerne, die mehrheitlich im Besitz des Bundes sind, erbringen heute sowohl Dienstleistungen mit Monopolcharakter als auch Dienstleistungen am (freien) Markt.</p><p>Einerseits, indem das Geschäftsfeld der Konzerne stetig ausgebaut wurde; andererseits wurden aus Dienstleistungen, die früher Monopolcharakter hatten, aufgrund der technologischen Entwicklung vermehrt solche, die auch von privaten Mitkonkurrenten angeboten werden können. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Telekommunikation.</p><p>Diese Vermischung ist aus verschiedenen Gründen problematisch:</p><p>Wettbewerbspolitisch ist es problematisch, wenn Unternehmen in Staatsbesitz als Konkurrenten von Privaten auftreten, erst recht, weil es sich dabei nicht um einen Wettbewerb mit gleich langen Spiessen handelt. Öffentliche Unternehmen kommen über den Monopolbereich zu einer enormen Marktmacht und Kapitalkraft. Sie haben einen gesicherten Zugang zu allen Kunden im Monopolgebiet, und es kommt zu verzerrenden Querfinanzierungen, wie der Fall Postauto zeigt.</p><p>Finanzpolitisch ist es problematisch, dass der Bund bei diesen Unternehmen das finanzielle Risiko trägt, und das in unsicheren Märkten. Es ist höchst unsicher, wie sich die Telekommunikation (Swisscom) und das Bankwesen (Postfinance) in Zukunft entwickeln. Es darf deshalb keine Strategie sein, die betreffenden Firmen als Cashcow für den Bundeshaushalt zu betrachten. Damit verschliesst man die Augen vor den Risiken, zudem könnte sich der Bund mit der Argumentation an beliebigen Firmen im freien Markt beteiligen.</p>
  • <p>1.-4. Der Bundesrat verweist auf seinen Bericht "Staat und Wettbewerb - Auswirkungen staatlich beherrschter Unternehmen auf die Wettbewerbsmärkte" vom 8. Dezember 2017 in Erfüllung der Postulate der FDP-Liberalen Fraktion 12.4172 vom 13. Dezember 2012 und Schilliger 15.3880 vom 22. September 2015. In diesem Bericht wird die von der dringlichen Interpellation angesprochene Thematik umfassend behandelt.</p><p>Der Bericht kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:</p><p>Staatliche Unternehmenstätigkeit ist vorwiegend historisch und politisch begründet. Aufgrund der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung haben staatsnahe Unternehmen ihre Aktivitäten diversifiziert und sind zunehmend in Geschäftsfeldern tätig geworden, die nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Kerngeschäft gehören. Diese Tendenz wurde vom Gesetzgeber vorausgesehen und ermöglicht.</p><p>Die Tätigkeit von staatsnahen Unternehmen auf Wettbewerbsmärkten ist politisch gewollt, kann aber zu Wettbewerbsverzerrungen und potenziell zu Nachteilen für konkurrierende private Unternehmen führen. Zudem kann der Staat mit verschiedenen Interessenkonflikten konfrontiert sein. Auch dies war dem Gesetzgeber bewusst. Mittels einer kohärenten und transparenten Corporate Governance sowie mittels einer Regulierung, die einen nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur marktbeherrschender staatsnaher Unternehmen, den Verzicht auf eine explizite Staatsgarantie oder das Verbot von Quersubventionen vorsieht, wurden diese Probleme adressiert und weitgehend gelöst. Wie die Fallstudien zeigen, bleiben aber dennoch gewisse Wettbewerbsverzerrungen bestehen, die untrennbar mit staatlicher Unternehmenstätigkeit verbunden sind.</p><p>Eine radikale Beseitigung dieser Wettbewerbsverzerrungen würde die vollständige Privatisierung der Staatsunternehmen voraussetzen. Eine solche Massnahme wäre gegen das Risiko abzuwägen, das der Verlust der direkten Kontrolle der öffentlichen Hand über die Qualität der von diesen Unternehmen betriebenen kritischen Infrastrukturen impliziert. Andere radikale Lösungen wie z. B. ein Verbot von Tätigkeiten ausserhalb des Grundversorgungsauftrags wurden im Bericht untersucht und aus betriebs- wie volkswirtschaftlichen Gründen verworfen.</p><p>Ein sinnvoller und praktikabler Ansatz zum Umgang mit Wettbewerbsverzerrungen aufgrund staatlicher Unternehmenstätigkeit ist das Konzept der Wettbewerbsneutralität. Auf Bundesebene sind wesentliche Elemente dieses Konzepts gesetzlich und institutionell umgesetzt. Der Bundesrat erkennt keine gravierenden Defizite hinsichtlich der Gewährleistung der Wettbewerbsneutralität zwischen privaten Unternehmen und solchen in Bundesbesitz. Vor dem Hintergrund der sich wandelnden Verhältnisse (Markt, Technologie, Grundversorgung, Sicherheit) prüft er allerdings laufend, ob sich neue Handlungsspielraume zur Sicherung und Förderung der Wettbewerbsneutralität zwischen staatlichen und privaten Unternehmen ohne Gefährdung des öffentlichen Interesses an den staatlichen Infrastrukturunternehmen ergeben.</p><p>Letztlich gilt es, in jedem Einzelfall abzuwägen zwischen dem ordnungspolitischen Ziel, möglichst keine Verzerrungen des Wettbewerbs zuzulassen, und der hoheitlichen Aufgabe, eine leistungsfähige, sichere und verlässliche Versorgung aller Regionen der Schweiz mit Infrastrukturdienstleistungen zu gewährleisten. Die staatlichen Unternehmen benötigen eine ausreichende unternehmerische Freiheit, um ihren öffentlichen Auftrag möglichst wirksam und kostengünstig zu erfüllen.</p><p>Diese Abwägung erfolgt, indem auf Gesetzes- und Verordnungsstufe der Rahmen der Tätigkeit staatlicher Unternehmen demokratisch legitimiert abgesteckt wird. Ziel- und Interessenkonflikte lassen sich damit zwar nicht restlos vermeiden. Sie werden aber transparent gemacht, sodass eine nachvollziehbare politische Prioritätensetzung erfolgen kann.</p><p>Eine grundlegende Voraussetzung für die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für staatseigene und privatwirtschaftliche Unternehmen sowie die Verhinderung von Marktverzerrungen besteht darin, dass der Staat seine Rollen als Eigentümer der staatsnahen Unternehmen, als Marktregulierungs- und Aufsichtsinstanz sowie als Träger von staats- und industriepolitischen Zielen rechtlich, institutionell und administrativ vollständig trennt. Auf der Ebene des Bundes ist diese Voraussetzung nach Massgabe der Richtlinien der OECD weitgehend erfüllt.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Der Bundesrat wird um Auskunft zu den folgenden Fragen gebeten:</p><p>1. Teilt er die Einschätzung, dass der Staat bei der Erbringung von Dienstleistungen am (freien) Markt grundsätzlich nicht selbst an den betreffenden Unternehmen beteiligt sein sollte? Falls doch, aus welchen Gründen?</p><p>2. Sieht er wettbewerbs- oder finanzpolitische Probleme, wenn Unternehmen, die mehrheitlich in Staatsbesitz sind, sowohl Dienstleistungen mit Monopolcharakter als auch Dienstleistungen am (freien) Markt erbringen?</p><p>3. Falls ja, wie gedenkt er diese anzugehen?</p><p>4. Falls nein, wie stellt er sich zum Vorwurf, dass diese Unternehmen über den gesicherten Monopolbereich Vorteile im Bereich der Marktmacht, der Kapitalkraft und des Kundenzugangs gegenüber ihren privaten Konkurrenten haben?</p>
  • Von Service-public-Unternehmen zu staatlichen Konkurrenten der Privatwirtschaft?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Der Fall der Postauto AG steht exemplarisch für ein grundsätzliches Problem: Viele Konzerne, die mehrheitlich im Besitz des Bundes sind, erbringen heute sowohl Dienstleistungen mit Monopolcharakter als auch Dienstleistungen am (freien) Markt.</p><p>Einerseits, indem das Geschäftsfeld der Konzerne stetig ausgebaut wurde; andererseits wurden aus Dienstleistungen, die früher Monopolcharakter hatten, aufgrund der technologischen Entwicklung vermehrt solche, die auch von privaten Mitkonkurrenten angeboten werden können. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Telekommunikation.</p><p>Diese Vermischung ist aus verschiedenen Gründen problematisch:</p><p>Wettbewerbspolitisch ist es problematisch, wenn Unternehmen in Staatsbesitz als Konkurrenten von Privaten auftreten, erst recht, weil es sich dabei nicht um einen Wettbewerb mit gleich langen Spiessen handelt. Öffentliche Unternehmen kommen über den Monopolbereich zu einer enormen Marktmacht und Kapitalkraft. Sie haben einen gesicherten Zugang zu allen Kunden im Monopolgebiet, und es kommt zu verzerrenden Querfinanzierungen, wie der Fall Postauto zeigt.</p><p>Finanzpolitisch ist es problematisch, dass der Bund bei diesen Unternehmen das finanzielle Risiko trägt, und das in unsicheren Märkten. Es ist höchst unsicher, wie sich die Telekommunikation (Swisscom) und das Bankwesen (Postfinance) in Zukunft entwickeln. Es darf deshalb keine Strategie sein, die betreffenden Firmen als Cashcow für den Bundeshaushalt zu betrachten. Damit verschliesst man die Augen vor den Risiken, zudem könnte sich der Bund mit der Argumentation an beliebigen Firmen im freien Markt beteiligen.</p>
    • <p>1.-4. Der Bundesrat verweist auf seinen Bericht "Staat und Wettbewerb - Auswirkungen staatlich beherrschter Unternehmen auf die Wettbewerbsmärkte" vom 8. Dezember 2017 in Erfüllung der Postulate der FDP-Liberalen Fraktion 12.4172 vom 13. Dezember 2012 und Schilliger 15.3880 vom 22. September 2015. In diesem Bericht wird die von der dringlichen Interpellation angesprochene Thematik umfassend behandelt.</p><p>Der Bericht kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:</p><p>Staatliche Unternehmenstätigkeit ist vorwiegend historisch und politisch begründet. Aufgrund der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung haben staatsnahe Unternehmen ihre Aktivitäten diversifiziert und sind zunehmend in Geschäftsfeldern tätig geworden, die nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Kerngeschäft gehören. Diese Tendenz wurde vom Gesetzgeber vorausgesehen und ermöglicht.</p><p>Die Tätigkeit von staatsnahen Unternehmen auf Wettbewerbsmärkten ist politisch gewollt, kann aber zu Wettbewerbsverzerrungen und potenziell zu Nachteilen für konkurrierende private Unternehmen führen. Zudem kann der Staat mit verschiedenen Interessenkonflikten konfrontiert sein. Auch dies war dem Gesetzgeber bewusst. Mittels einer kohärenten und transparenten Corporate Governance sowie mittels einer Regulierung, die einen nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur marktbeherrschender staatsnaher Unternehmen, den Verzicht auf eine explizite Staatsgarantie oder das Verbot von Quersubventionen vorsieht, wurden diese Probleme adressiert und weitgehend gelöst. Wie die Fallstudien zeigen, bleiben aber dennoch gewisse Wettbewerbsverzerrungen bestehen, die untrennbar mit staatlicher Unternehmenstätigkeit verbunden sind.</p><p>Eine radikale Beseitigung dieser Wettbewerbsverzerrungen würde die vollständige Privatisierung der Staatsunternehmen voraussetzen. Eine solche Massnahme wäre gegen das Risiko abzuwägen, das der Verlust der direkten Kontrolle der öffentlichen Hand über die Qualität der von diesen Unternehmen betriebenen kritischen Infrastrukturen impliziert. Andere radikale Lösungen wie z. B. ein Verbot von Tätigkeiten ausserhalb des Grundversorgungsauftrags wurden im Bericht untersucht und aus betriebs- wie volkswirtschaftlichen Gründen verworfen.</p><p>Ein sinnvoller und praktikabler Ansatz zum Umgang mit Wettbewerbsverzerrungen aufgrund staatlicher Unternehmenstätigkeit ist das Konzept der Wettbewerbsneutralität. Auf Bundesebene sind wesentliche Elemente dieses Konzepts gesetzlich und institutionell umgesetzt. Der Bundesrat erkennt keine gravierenden Defizite hinsichtlich der Gewährleistung der Wettbewerbsneutralität zwischen privaten Unternehmen und solchen in Bundesbesitz. Vor dem Hintergrund der sich wandelnden Verhältnisse (Markt, Technologie, Grundversorgung, Sicherheit) prüft er allerdings laufend, ob sich neue Handlungsspielraume zur Sicherung und Förderung der Wettbewerbsneutralität zwischen staatlichen und privaten Unternehmen ohne Gefährdung des öffentlichen Interesses an den staatlichen Infrastrukturunternehmen ergeben.</p><p>Letztlich gilt es, in jedem Einzelfall abzuwägen zwischen dem ordnungspolitischen Ziel, möglichst keine Verzerrungen des Wettbewerbs zuzulassen, und der hoheitlichen Aufgabe, eine leistungsfähige, sichere und verlässliche Versorgung aller Regionen der Schweiz mit Infrastrukturdienstleistungen zu gewährleisten. Die staatlichen Unternehmen benötigen eine ausreichende unternehmerische Freiheit, um ihren öffentlichen Auftrag möglichst wirksam und kostengünstig zu erfüllen.</p><p>Diese Abwägung erfolgt, indem auf Gesetzes- und Verordnungsstufe der Rahmen der Tätigkeit staatlicher Unternehmen demokratisch legitimiert abgesteckt wird. Ziel- und Interessenkonflikte lassen sich damit zwar nicht restlos vermeiden. Sie werden aber transparent gemacht, sodass eine nachvollziehbare politische Prioritätensetzung erfolgen kann.</p><p>Eine grundlegende Voraussetzung für die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für staatseigene und privatwirtschaftliche Unternehmen sowie die Verhinderung von Marktverzerrungen besteht darin, dass der Staat seine Rollen als Eigentümer der staatsnahen Unternehmen, als Marktregulierungs- und Aufsichtsinstanz sowie als Träger von staats- und industriepolitischen Zielen rechtlich, institutionell und administrativ vollständig trennt. Auf der Ebene des Bundes ist diese Voraussetzung nach Massgabe der Richtlinien der OECD weitgehend erfüllt.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Der Bundesrat wird um Auskunft zu den folgenden Fragen gebeten:</p><p>1. Teilt er die Einschätzung, dass der Staat bei der Erbringung von Dienstleistungen am (freien) Markt grundsätzlich nicht selbst an den betreffenden Unternehmen beteiligt sein sollte? Falls doch, aus welchen Gründen?</p><p>2. Sieht er wettbewerbs- oder finanzpolitische Probleme, wenn Unternehmen, die mehrheitlich in Staatsbesitz sind, sowohl Dienstleistungen mit Monopolcharakter als auch Dienstleistungen am (freien) Markt erbringen?</p><p>3. Falls ja, wie gedenkt er diese anzugehen?</p><p>4. Falls nein, wie stellt er sich zum Vorwurf, dass diese Unternehmen über den gesicherten Monopolbereich Vorteile im Bereich der Marktmacht, der Kapitalkraft und des Kundenzugangs gegenüber ihren privaten Konkurrenten haben?</p>
    • Von Service-public-Unternehmen zu staatlichen Konkurrenten der Privatwirtschaft?

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