Zerstörung der direkten Demokratie durch E-Voting

ShortId
18.3057
Id
20183057
Updated
01.07.2023 10:13
Language
de
Title
Zerstörung der direkten Demokratie durch E-Voting
AdditionalIndexing
04;34
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>1. Zur Erfüllung der bundesrechtlichen Anforderungen an den elektronischen Stimmkanal müssen der korrekte Ablauf sowie die Korrektheit des Ergebnisses verifizierbar, also nachvollziehbar, sein. Die Stimmberechtigten können den korrekten Ablauf der elektronischen Stimmabgabe anhand von individuellen Codes selbst verifizieren (individuelle Verifizierbarkeit). Die Korrektheit der Ergebnisse muss mit systemunabhängigen Informatikmitteln verifiziert werden können (universelle Verifizierbarkeit). Die Kantone können diese Kontrolle einem vertrauenswürdigen Gremium wie z. B. einem Stimmbüro oder einer Wahlkommission übertragen. Auf diese Weise wird auch beim E-Voting eine öffentliche Kontrolle über die wesentlichen Schritte des demokratischen Entscheidungsprozesses ermöglicht.</p><p>2. Der Bundesrat betrachtet E-Voting im Licht der speziellen Ausgangslage in der Schweiz. Dabei zu nennen ist erstens die direkte Demokratie. In der Schweiz finden im Dreimonatsrhythmus auf allen Staatsebenen Abstimmungen und Wahlen statt. Diese hohe Kadenz trägt zur hohen Qualität der Systeme und der betrieblichen Abläufe bei, da die für E-Voting nötigen Kompetenzen verfügbar bleiben und mit der technologischen Entwicklung Schritt gehalten werden kann. Mit über 200 verbindlichen Versuchen, die seit 2004 erfolgreich durchgeführt wurden, verfügt die Schweiz bereits heute über einen reichen Erfahrungsschatz. Zweitens ist die voraussetzungslose briefliche Stimmabgabe ein Charakteristikum der schweizerischen Wahl- und Abstimmungspraxis. Je nach Kanton werden bis zu 95 Prozent der Stimmen brieflich abgegeben. Die "Stimmabgabe von zu Hause aus" ist in der Schweiz etabliert und unbestritten, während sie in anderen Staaten die Ausnahme bildet. Drittens verfügt die Schweiz mit dem brieflichen Versand des Stimmmaterials über einen etablierten Kommunikationskanal mit den Stimmberechtigten. So können die sicherheitsrelevanten Codes unabhängig vom Internet an die Stimmberechtigten verschickt werden.</p><p>3. Missbrauch gehört ohne Zweifel zu den grossen Herausforderungen im elektronischen Datenverkehr. Es ist jedoch falsch, aus dem zitierten Bericht und den bekanntgewordenen Missbrauchsfällen auf eine Gefahr für die elektronische Stimmabgabe in der Schweiz zu schliessen. Für Einrichtungen zur elektronischen Datenverarbeitung gilt weiterhin, dass geeignete Sicherheitsmassnahmen einen wirksamen Schutz bieten. Zudem kann bei der elektronischen Stimmabgabe die Vertraulichkeit der Daten besonders wirksam geschützt werden. Nebst der anonymen Stimmabgabe bieten die durchgängige Verschlüsselung sowie weitere kryptografiegestützte Massnahmen einen Schutz, der die Möglichkeiten anderer Anwendungen übertrifft. Indem der Bund hohe Anforderungen an die Systeme zur elektronischen Stimmabgabe stellt, bilden diese mit Blick auf den Datenmissbrauch kein leichtes Angriffsziel.</p><p>4. Im Bereich der elektronischen Stimmabgabe handelt der Bundesrat gestützt auf Artikel 8a des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR). Der Bundesrat hat am 5. April 2017 entschieden, die Rechtsetzungsarbeiten mit Blick auf eine Überführung der bisherigen Versuchsanlage in den ordentlichen Betrieb an die Hand zu nehmen. Damit werden die eidgenössischen Räte und gegebenenfalls das Volk die Gelegenheit haben, über die Zukunft der elektronischen Stimmabgabe als dritter komplementärer Stimmkanal zu entscheiden.</p><p>5. Die Gesamtkosten von 2000 bis 2017 belaufen sich beim Bund auf rund 15 Millionen Franken. Davon wurde das Projekt Vote électronique mit 1,5 Millionen durch Mittel aus E-Government Schweiz (paritätisch vom Bund und von den Kantonen) finanziert. Zu den eigenen Kosten der Kantone liegen dem Bund keine umfassenden Zahlen vor.</p>
  • <p>Im Zusammenhang mit dem von der Verwaltung angestrebten und mit grossem Eifer vorangetriebenen E-Voting ersuche ich den Bundesrat um Beantwortung der folgenden Fragen:</p><p>1. Mit Urteil des Zweiten Senats vom 3. März 2009 stellte das deutsche Bundesverfassungsgericht fest, dass alle wesentlichen Schritte von Wahlen (und Abstimmungen) öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, soweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen. Die wesentlichen Schritte der Wahl- (und Abstimmungs-)handlung und der Ergebnisermittlung müssten darum vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können.</p><p>- Warum lehnt der Bundesrat diese zentrale Forderung nach demokratiepolitisch gebotener Transparenz ab?</p><p>2. Neben Deutschland (2009) sprachen sich unter anderem auch Norwegen (2014), Frankreich (2017) und Finnland (2017) gegen die Einführung von E-Voting aus.</p><p>- Was beurteilen diese Staaten aus Sicht des Bundesrates falsch?</p><p>3. Bereits in einem Fünfjahresplan der NSA (SIGINT Mission Strategic Plan FY 2008-2013), die bekanntlich auch "Freunde" ausspioniert, ist nachzulesen, dass E-Voting und Anlagen zur Industrie- und Vorsorgesteuerung darum bettelten, ausgenutzt zu werden.</p><p>- Warum kümmern solche Aussagen und tatsächlich erfolgte Angriffe den Bundesrat kaum?</p><p>4. Was für ein Szenario wäre nötig und geeignet, um den Bundesrat von seinen E-Voting-Plänen abzubringen?</p><p>5. Wie viel Geld wurde seitens der öffentlichen Hand (Bund und Kantone) insgesamt bereits für die Entwicklung und Erprobung von E-Voting aufgewendet?</p>
  • Zerstörung der direkten Demokratie durch E-Voting
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>1. Zur Erfüllung der bundesrechtlichen Anforderungen an den elektronischen Stimmkanal müssen der korrekte Ablauf sowie die Korrektheit des Ergebnisses verifizierbar, also nachvollziehbar, sein. Die Stimmberechtigten können den korrekten Ablauf der elektronischen Stimmabgabe anhand von individuellen Codes selbst verifizieren (individuelle Verifizierbarkeit). Die Korrektheit der Ergebnisse muss mit systemunabhängigen Informatikmitteln verifiziert werden können (universelle Verifizierbarkeit). Die Kantone können diese Kontrolle einem vertrauenswürdigen Gremium wie z. B. einem Stimmbüro oder einer Wahlkommission übertragen. Auf diese Weise wird auch beim E-Voting eine öffentliche Kontrolle über die wesentlichen Schritte des demokratischen Entscheidungsprozesses ermöglicht.</p><p>2. Der Bundesrat betrachtet E-Voting im Licht der speziellen Ausgangslage in der Schweiz. Dabei zu nennen ist erstens die direkte Demokratie. In der Schweiz finden im Dreimonatsrhythmus auf allen Staatsebenen Abstimmungen und Wahlen statt. Diese hohe Kadenz trägt zur hohen Qualität der Systeme und der betrieblichen Abläufe bei, da die für E-Voting nötigen Kompetenzen verfügbar bleiben und mit der technologischen Entwicklung Schritt gehalten werden kann. Mit über 200 verbindlichen Versuchen, die seit 2004 erfolgreich durchgeführt wurden, verfügt die Schweiz bereits heute über einen reichen Erfahrungsschatz. Zweitens ist die voraussetzungslose briefliche Stimmabgabe ein Charakteristikum der schweizerischen Wahl- und Abstimmungspraxis. Je nach Kanton werden bis zu 95 Prozent der Stimmen brieflich abgegeben. Die "Stimmabgabe von zu Hause aus" ist in der Schweiz etabliert und unbestritten, während sie in anderen Staaten die Ausnahme bildet. Drittens verfügt die Schweiz mit dem brieflichen Versand des Stimmmaterials über einen etablierten Kommunikationskanal mit den Stimmberechtigten. So können die sicherheitsrelevanten Codes unabhängig vom Internet an die Stimmberechtigten verschickt werden.</p><p>3. Missbrauch gehört ohne Zweifel zu den grossen Herausforderungen im elektronischen Datenverkehr. Es ist jedoch falsch, aus dem zitierten Bericht und den bekanntgewordenen Missbrauchsfällen auf eine Gefahr für die elektronische Stimmabgabe in der Schweiz zu schliessen. Für Einrichtungen zur elektronischen Datenverarbeitung gilt weiterhin, dass geeignete Sicherheitsmassnahmen einen wirksamen Schutz bieten. Zudem kann bei der elektronischen Stimmabgabe die Vertraulichkeit der Daten besonders wirksam geschützt werden. Nebst der anonymen Stimmabgabe bieten die durchgängige Verschlüsselung sowie weitere kryptografiegestützte Massnahmen einen Schutz, der die Möglichkeiten anderer Anwendungen übertrifft. Indem der Bund hohe Anforderungen an die Systeme zur elektronischen Stimmabgabe stellt, bilden diese mit Blick auf den Datenmissbrauch kein leichtes Angriffsziel.</p><p>4. Im Bereich der elektronischen Stimmabgabe handelt der Bundesrat gestützt auf Artikel 8a des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR). Der Bundesrat hat am 5. April 2017 entschieden, die Rechtsetzungsarbeiten mit Blick auf eine Überführung der bisherigen Versuchsanlage in den ordentlichen Betrieb an die Hand zu nehmen. Damit werden die eidgenössischen Räte und gegebenenfalls das Volk die Gelegenheit haben, über die Zukunft der elektronischen Stimmabgabe als dritter komplementärer Stimmkanal zu entscheiden.</p><p>5. Die Gesamtkosten von 2000 bis 2017 belaufen sich beim Bund auf rund 15 Millionen Franken. Davon wurde das Projekt Vote électronique mit 1,5 Millionen durch Mittel aus E-Government Schweiz (paritätisch vom Bund und von den Kantonen) finanziert. Zu den eigenen Kosten der Kantone liegen dem Bund keine umfassenden Zahlen vor.</p>
    • <p>Im Zusammenhang mit dem von der Verwaltung angestrebten und mit grossem Eifer vorangetriebenen E-Voting ersuche ich den Bundesrat um Beantwortung der folgenden Fragen:</p><p>1. Mit Urteil des Zweiten Senats vom 3. März 2009 stellte das deutsche Bundesverfassungsgericht fest, dass alle wesentlichen Schritte von Wahlen (und Abstimmungen) öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, soweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen. Die wesentlichen Schritte der Wahl- (und Abstimmungs-)handlung und der Ergebnisermittlung müssten darum vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können.</p><p>- Warum lehnt der Bundesrat diese zentrale Forderung nach demokratiepolitisch gebotener Transparenz ab?</p><p>2. Neben Deutschland (2009) sprachen sich unter anderem auch Norwegen (2014), Frankreich (2017) und Finnland (2017) gegen die Einführung von E-Voting aus.</p><p>- Was beurteilen diese Staaten aus Sicht des Bundesrates falsch?</p><p>3. Bereits in einem Fünfjahresplan der NSA (SIGINT Mission Strategic Plan FY 2008-2013), die bekanntlich auch "Freunde" ausspioniert, ist nachzulesen, dass E-Voting und Anlagen zur Industrie- und Vorsorgesteuerung darum bettelten, ausgenutzt zu werden.</p><p>- Warum kümmern solche Aussagen und tatsächlich erfolgte Angriffe den Bundesrat kaum?</p><p>4. Was für ein Szenario wäre nötig und geeignet, um den Bundesrat von seinen E-Voting-Plänen abzubringen?</p><p>5. Wie viel Geld wurde seitens der öffentlichen Hand (Bund und Kantone) insgesamt bereits für die Entwicklung und Erprobung von E-Voting aufgewendet?</p>
    • Zerstörung der direkten Demokratie durch E-Voting

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