Vereinbarung mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung kündigen

ShortId
18.3155
Id
20183155
Updated
28.07.2023 03:54
Language
de
Title
Vereinbarung mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung kündigen
AdditionalIndexing
44;2811;2446
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Es ist offensichtlich, dass es dem neuen Abkommen mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung nicht vergönnt sein wird, in Kraft zu treten. Schon vor den italienischen Wahlen war der Prozess ins Stocken geraten; jetzt hat das Abkommen wohl den Todesstoss bekommen. Dies insbesondere, weil politische Kräfte an Boden gewonnen haben, die besonders sensibilisiert sind für die Interessen der Grenzgängerinnen und Grenzgänger, deren steuerliche Belastung mit dem neuen Abkommen zunehmen würde.</p><p>Der neue lombardische Regionalpräsident hat erklärt, das ausgehandelte Abkommen sei unbefriedigend und müsse neu verhandelt werden. Wir sind also wieder zurück auf Feld eins. Zwar liegt die Entscheidbefugnis in Rom, aber die Position der Lombardei hat sicher ein beträchtliches Gewicht.</p><p>Die Vereinbarung von 1974 über die Grenzgängerbesteuerung entstand als Gegenleistung für die Anerkennung des Schweizer Bankgeheimnisses durch Italien. Berücksichtigt man die veränderten internationalen Rahmenbedingungen, hat sie heute keine Existenzberechtigung mehr. Im Übrigen werden die Ausgleichszahlungen aus der Grenzgängerbesteuerung von den davon profitierenden italienischen Gemeinden dafür verwendet, die Löcher in der laufenden Rechnung zu stopfen, während es gleichzeitig mit den Infrastrukturbauten, an denen aus grenzüberschreitender Sicht ein gemeinsames Interesse besteht, nicht vorwärtsgeht (man denke etwa an die Kläranlage von Porto Ceresio oder an die fehlenden Park-and-Ride-Parkplätze an der Bahnstrecke Stabio-Arcisate).</p><p>Schon vor ein paar Jahren hatte die damalige Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartementes, Bundesrätin Widmer-Schlumpf, anlässlich von Treffen mit der Tessiner Deputation in Bern laut darüber nachgedacht, die Vereinbarung von 1974 zu kündigen, falls Italien nicht zum Abschluss des neuen Abkommens über die Grenzgängerbesteuerung bereit wäre. Das bedeutet, dass auch der Bundesrat diese Option bereits in Erwägung gezogen hat.</p><p>Zwar ist die geltende Vereinbarung Bestandteil des Doppelbesteuerungsabkommens, und ihre Kündigung könnte zum Wegfall des Abkommens führen. Dieses könnte aber gegebenenfalls neu verhandelt werden. Es ist nicht länger tragbar, dass das Tessin über die Ausgleichszahlungen immer weiter den Preis für etwas bezahlt, was ein Gewinn für die ganze Schweiz war - ein Gewinn jedoch, der schon lange nicht mehr existiert.</p>
  • <p>Die Vereinbarung vom 3. Oktober 1974 zwischen der Schweiz und Italien über die Besteuerung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger und den finanziellen Ausgleich zugunsten der italienischen Grenzgemeinden ist integrierender Bestandteil des Doppelbesteuerungsabkommens mit Italien (Art. 15 Abs. 4 DBA-I). Dies bedeutet, dass die beiden Abkommen formell ein einziges Abkommen bilden. Wie früher schon erläutert wurde (vgl. Interpellation 14.3362), ist die Kündigung einzelner Teile eines völkerrechtlichen Vertrags nur beschränkt und unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die Frage, ob diese Bedingungen erfüllt sind, kann in rechtlicher Hinsicht verschieden beurteilt werden. Wie der Motionär zu Recht hervorhebt, könnte eine solche Teilkündigung negative Auswirkungen auf das DBA-I und die Wirtschaft der Schweiz und speziell des Tessins haben. Die Aushandlung eines neuen DBA ist zwar möglich, sofern Italien ebenfalls verhandlungsbereit ist, würde sich aber sicher über mehrere Jahre hinziehen und zudem - wegen der Kündigung - in einem ungünstigen Klima stattfinden, was die Suche nach zufriedenstellenden Kompromissen erschwert. Ein solcher vertragsloser Zustand ohne Instrumente zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen ginge zulasten der umfangreichen Schweizer Investitionen in Italien und umgekehrt zulasten der italienischen Investitionen in der Schweiz, die für den Wirtschaftsstandort auch hinsichtlich der Beschäftigung von Bedeutung sind.</p><p>Der Bundesrat hat die Wahlresultate in Italien zur Kenntnis genommen. Die aktuelle politische Lage verunmöglicht Prognosen hinsichtlich der Auswirkungen auf die mit Italien namentlich im Steuerbereich noch hängigen Dossiers. Die Haltung der neuen Regierung wird erst später beurteilt werden können. Was die Besteuerung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger angeht, konnte eine für beide Vertragsparteien, die betroffenen Kantone und die Wirtschaftskreise zufriedenstellende Lösung bereits im Rahmen des im Dezember 2015 paraphierten Abkommens gefunden werden. Der Bundesrat ist deshalb der Auffassung, dass weiterhin dem Weg des Dialogs mit Italien der Vorzug zu geben ist. Auch die Schweiz hat ein Interesse daran, dass möglichst bald ein neues Abkommen unterzeichnet wird.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Vereinbarung mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung zu kündigen, da sich nach den jüngsten Wahlen in Italien die Aussicht auf Abschluss eines neuen, ausgewogeneren Abkommens definitiv in Luft aufgelöst hat.</p>
  • Vereinbarung mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung kündigen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Es ist offensichtlich, dass es dem neuen Abkommen mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung nicht vergönnt sein wird, in Kraft zu treten. Schon vor den italienischen Wahlen war der Prozess ins Stocken geraten; jetzt hat das Abkommen wohl den Todesstoss bekommen. Dies insbesondere, weil politische Kräfte an Boden gewonnen haben, die besonders sensibilisiert sind für die Interessen der Grenzgängerinnen und Grenzgänger, deren steuerliche Belastung mit dem neuen Abkommen zunehmen würde.</p><p>Der neue lombardische Regionalpräsident hat erklärt, das ausgehandelte Abkommen sei unbefriedigend und müsse neu verhandelt werden. Wir sind also wieder zurück auf Feld eins. Zwar liegt die Entscheidbefugnis in Rom, aber die Position der Lombardei hat sicher ein beträchtliches Gewicht.</p><p>Die Vereinbarung von 1974 über die Grenzgängerbesteuerung entstand als Gegenleistung für die Anerkennung des Schweizer Bankgeheimnisses durch Italien. Berücksichtigt man die veränderten internationalen Rahmenbedingungen, hat sie heute keine Existenzberechtigung mehr. Im Übrigen werden die Ausgleichszahlungen aus der Grenzgängerbesteuerung von den davon profitierenden italienischen Gemeinden dafür verwendet, die Löcher in der laufenden Rechnung zu stopfen, während es gleichzeitig mit den Infrastrukturbauten, an denen aus grenzüberschreitender Sicht ein gemeinsames Interesse besteht, nicht vorwärtsgeht (man denke etwa an die Kläranlage von Porto Ceresio oder an die fehlenden Park-and-Ride-Parkplätze an der Bahnstrecke Stabio-Arcisate).</p><p>Schon vor ein paar Jahren hatte die damalige Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartementes, Bundesrätin Widmer-Schlumpf, anlässlich von Treffen mit der Tessiner Deputation in Bern laut darüber nachgedacht, die Vereinbarung von 1974 zu kündigen, falls Italien nicht zum Abschluss des neuen Abkommens über die Grenzgängerbesteuerung bereit wäre. Das bedeutet, dass auch der Bundesrat diese Option bereits in Erwägung gezogen hat.</p><p>Zwar ist die geltende Vereinbarung Bestandteil des Doppelbesteuerungsabkommens, und ihre Kündigung könnte zum Wegfall des Abkommens führen. Dieses könnte aber gegebenenfalls neu verhandelt werden. Es ist nicht länger tragbar, dass das Tessin über die Ausgleichszahlungen immer weiter den Preis für etwas bezahlt, was ein Gewinn für die ganze Schweiz war - ein Gewinn jedoch, der schon lange nicht mehr existiert.</p>
    • <p>Die Vereinbarung vom 3. Oktober 1974 zwischen der Schweiz und Italien über die Besteuerung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger und den finanziellen Ausgleich zugunsten der italienischen Grenzgemeinden ist integrierender Bestandteil des Doppelbesteuerungsabkommens mit Italien (Art. 15 Abs. 4 DBA-I). Dies bedeutet, dass die beiden Abkommen formell ein einziges Abkommen bilden. Wie früher schon erläutert wurde (vgl. Interpellation 14.3362), ist die Kündigung einzelner Teile eines völkerrechtlichen Vertrags nur beschränkt und unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die Frage, ob diese Bedingungen erfüllt sind, kann in rechtlicher Hinsicht verschieden beurteilt werden. Wie der Motionär zu Recht hervorhebt, könnte eine solche Teilkündigung negative Auswirkungen auf das DBA-I und die Wirtschaft der Schweiz und speziell des Tessins haben. Die Aushandlung eines neuen DBA ist zwar möglich, sofern Italien ebenfalls verhandlungsbereit ist, würde sich aber sicher über mehrere Jahre hinziehen und zudem - wegen der Kündigung - in einem ungünstigen Klima stattfinden, was die Suche nach zufriedenstellenden Kompromissen erschwert. Ein solcher vertragsloser Zustand ohne Instrumente zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen ginge zulasten der umfangreichen Schweizer Investitionen in Italien und umgekehrt zulasten der italienischen Investitionen in der Schweiz, die für den Wirtschaftsstandort auch hinsichtlich der Beschäftigung von Bedeutung sind.</p><p>Der Bundesrat hat die Wahlresultate in Italien zur Kenntnis genommen. Die aktuelle politische Lage verunmöglicht Prognosen hinsichtlich der Auswirkungen auf die mit Italien namentlich im Steuerbereich noch hängigen Dossiers. Die Haltung der neuen Regierung wird erst später beurteilt werden können. Was die Besteuerung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger angeht, konnte eine für beide Vertragsparteien, die betroffenen Kantone und die Wirtschaftskreise zufriedenstellende Lösung bereits im Rahmen des im Dezember 2015 paraphierten Abkommens gefunden werden. Der Bundesrat ist deshalb der Auffassung, dass weiterhin dem Weg des Dialogs mit Italien der Vorzug zu geben ist. Auch die Schweiz hat ein Interesse daran, dass möglichst bald ein neues Abkommen unterzeichnet wird.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Vereinbarung mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung zu kündigen, da sich nach den jüngsten Wahlen in Italien die Aussicht auf Abschluss eines neuen, ausgewogeneren Abkommens definitiv in Luft aufgelöst hat.</p>
    • Vereinbarung mit Italien über die Grenzgängerbesteuerung kündigen

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