Ersatz für Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier bei Mutterschaft bzw. Vaterschaft und längerer Krankheit

ShortId
18.3255
Id
20183255
Updated
01.07.2023 10:13
Language
de
Title
Ersatz für Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier bei Mutterschaft bzw. Vaterschaft und längerer Krankheit
AdditionalIndexing
0421;2841;04
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Der Kanton Neuenburg und der Kanton Wallis kennen beide für ihre kantonalen Legislativen das Modell eines/einer Ersatzgewählten. Die Ersatzgewählten kommen in den beiden Kantonsräten zum Einsatz, wenn der oder die Gewählte verhindert ist oder sich vertreten lassen will. Insbesondere im Falle von längerer Krankheit oder Mutterschaft/Vaterschaft kann ein solches Modell grosse Vorteile und Freiheiten bringen und heute bestehende Probleme lösen. Wenn Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier heute Mutter/Vater werden, lässt sich das Mandat in den ersten Wochen nur schwer mit den neuen Verpflichtungen und Aufgaben als Eltern vereinen.</p><p>Ähnlich unbefriedigend ist die Situation bei längerer Krankheit von Bundesparlamentarierinnen und -parlamentariern. Vor diesem Hintergrund ist es Zeit, über neue Modelle nachzudenken, wie Parlamentarierinnen und Parlamentarier insbesondere bei Mutterschaft/Vaterschaft oder längerer Krankheit entlastet werden können und ihre Stimme als Mitglied des National- oder Ständerates gleichzeitig gewährleistet werden kann.</p>
  • <p>Einleitend ist festzuhalten: Die Stellvertretungsregelungen, die einzelne Kantone (Graubünden, Wallis, Neuenburg, Genf, Jura) für ihre Parlamente kennen, unterscheiden sich in ihrer konkreten Ausgestaltung teilweise erheblich. Ferner beziehen sich, entsprechend den Zuständigkeiten gemäss Artikel 39 der Bundesverfassung (BV; SR 101), die nachfolgenden Ausführungen einzig auf den Nationalrat.</p><p>1. Der Bundesrat anerkennt mögliche positive Aspekte des Modells von Ersatzgewählten. Die Lehre sieht darin je nach Ausgestaltung unter anderem ein probates Mittel zur Nachwuchsförderung. Auch eine bessere Vereinbarkeit von politischen Mandaten und Elternschaft kann ein Vorteil sein. Mit Blick auf die Nationalratsmandate sind mit diesem Modell auch erhebliche Nachteile verbunden.</p><p>Ein Nationalratsmandat ist höchstpersönlich und mit spezifischen Rechten und Pflichten verbunden (Art. 6ff. des Parlamentsgesetzes; SR 171.10). Es lässt sich nur bedingt mit einem kantonalen politischen Mandat vergleichen. So stellen sich im Zweikammersystem neben rechtlichen auch zahlreiche praktische Fragen. Angesichts des Instruktionsverbots (Art. 161 Abs. 1 BV) dürfte es ausgeschlossen sein, dass die/der Ersatzgewählte die Stimme verbindlich im Sinne der eigentlichen Nationalrätin oder des eigentlichen Nationalrates abzugeben hat. Gerade im Differenzbereinigungsverfahren kann dies zu unbefriedigenden Konstellationen und widersprüchlichen Ergebnissen führen. Die Nachvollziehbarkeit wird erschwert und politische Verantwortlichkeiten werden verwischt.</p><p>Zudem stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Ersatzgewählte zum Einsatz kommen sollen. Dies einzig bei Elternschaft und Krankheit zuzulassen scheint in einem Milizsystem, wo diverse Verpflichtungen mit einem Nationalratsmandat vereinbart werden müssen, zu arbiträr.</p><p>Weiter ist zu bedenken, dass bei zusätzlich zu wählenden Personen mit mehr Kandidaturen zu rechnen ist. Bei den Nationalratswahlen 2015 hat in den Proporzkantonen eine Rekordzahl von 3788 Personen für die 194 Sitze kandidiert. Mehr Kandidaturen führen zu Mehraufwand und können gerade in grossen Kantonen mit höheren Sitzzahlen die Verfahren verkomplizieren und die Fehleranfälligkeit der Prozesse verstärken. Zu denken ist etwa an die Kontrolle der Kandidaturen, die Bereitstellung der Wahlzettel sowie die Feststellung des Wählerwillens bei der Auszählung oder die Erfassung von Interessenbindungen der Ersatzgewählten.</p><p>Da die Nachteile die Vorteile überwiegen, kommt der Bundesrat deshalb zum Schluss, dass ein Systemwechsel derzeit nicht erstrebenswert ist.</p><p>2./3. Ein Systemwechsel könnte nach erster Einschätzung nicht durch eine blosse Anpassung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR; SR 161.1) erfolgen. Vielmehr würde dies eine Änderung der Bundesverfassung bedingen, ist doch in Artikel 149 Absatz 1 BV festgehalten, dass der Nationalrat aus 200 Abgeordneten des Volkes besteht. Die eingangs erwähnten Kantone sehen die Vertretungsmöglichkeit denn auch in ihren Verfassungen vor.</p>
  • <p>1. Was hält der Bundesrat von einem Modell von Ersatzgewählten (Suppleanten), wie es die Kantone Wallis oder Neuenburg kennen, für die Bundeslegislative?</p><p>2. Kann er sich vorstellen, das Bundesgesetz über die politischen Rechte dahingehend zu ändern und sich bei den Kantonen für eine nachfolgende Änderung der kantonalen Gesetze einzusetzen, dass ein Ersatz bei Mutterschaft/Vaterschaft möglich wird? Wenn ja, welches Modell eines/einer Ersatzgewählten schwebt ihm dabei vor? Wenn nein, wieso nicht?</p><p>3. Kann er sich vorstellen, das Bundesgesetz über die politischen Rechte dahingehend zu ändern und sich bei den Kantonen für eine Änderung der kantonalen Gesetze einzusetzen, dass ein Ersatz bei Mutterschaft möglich wird? Wenn ja, welches Modell eines/einer Ersatzgewählten, dass ein Ersatz bei längerer Krankheit eines gewählten Mitgliedes des Bundesparlamentes möglich wird? Wenn ja, was für ein Modell schwebt ihm vor? Wenn nein, wieso nicht?</p>
  • Ersatz für Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier bei Mutterschaft bzw. Vaterschaft und längerer Krankheit
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Der Kanton Neuenburg und der Kanton Wallis kennen beide für ihre kantonalen Legislativen das Modell eines/einer Ersatzgewählten. Die Ersatzgewählten kommen in den beiden Kantonsräten zum Einsatz, wenn der oder die Gewählte verhindert ist oder sich vertreten lassen will. Insbesondere im Falle von längerer Krankheit oder Mutterschaft/Vaterschaft kann ein solches Modell grosse Vorteile und Freiheiten bringen und heute bestehende Probleme lösen. Wenn Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier heute Mutter/Vater werden, lässt sich das Mandat in den ersten Wochen nur schwer mit den neuen Verpflichtungen und Aufgaben als Eltern vereinen.</p><p>Ähnlich unbefriedigend ist die Situation bei längerer Krankheit von Bundesparlamentarierinnen und -parlamentariern. Vor diesem Hintergrund ist es Zeit, über neue Modelle nachzudenken, wie Parlamentarierinnen und Parlamentarier insbesondere bei Mutterschaft/Vaterschaft oder längerer Krankheit entlastet werden können und ihre Stimme als Mitglied des National- oder Ständerates gleichzeitig gewährleistet werden kann.</p>
    • <p>Einleitend ist festzuhalten: Die Stellvertretungsregelungen, die einzelne Kantone (Graubünden, Wallis, Neuenburg, Genf, Jura) für ihre Parlamente kennen, unterscheiden sich in ihrer konkreten Ausgestaltung teilweise erheblich. Ferner beziehen sich, entsprechend den Zuständigkeiten gemäss Artikel 39 der Bundesverfassung (BV; SR 101), die nachfolgenden Ausführungen einzig auf den Nationalrat.</p><p>1. Der Bundesrat anerkennt mögliche positive Aspekte des Modells von Ersatzgewählten. Die Lehre sieht darin je nach Ausgestaltung unter anderem ein probates Mittel zur Nachwuchsförderung. Auch eine bessere Vereinbarkeit von politischen Mandaten und Elternschaft kann ein Vorteil sein. Mit Blick auf die Nationalratsmandate sind mit diesem Modell auch erhebliche Nachteile verbunden.</p><p>Ein Nationalratsmandat ist höchstpersönlich und mit spezifischen Rechten und Pflichten verbunden (Art. 6ff. des Parlamentsgesetzes; SR 171.10). Es lässt sich nur bedingt mit einem kantonalen politischen Mandat vergleichen. So stellen sich im Zweikammersystem neben rechtlichen auch zahlreiche praktische Fragen. Angesichts des Instruktionsverbots (Art. 161 Abs. 1 BV) dürfte es ausgeschlossen sein, dass die/der Ersatzgewählte die Stimme verbindlich im Sinne der eigentlichen Nationalrätin oder des eigentlichen Nationalrates abzugeben hat. Gerade im Differenzbereinigungsverfahren kann dies zu unbefriedigenden Konstellationen und widersprüchlichen Ergebnissen führen. Die Nachvollziehbarkeit wird erschwert und politische Verantwortlichkeiten werden verwischt.</p><p>Zudem stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Ersatzgewählte zum Einsatz kommen sollen. Dies einzig bei Elternschaft und Krankheit zuzulassen scheint in einem Milizsystem, wo diverse Verpflichtungen mit einem Nationalratsmandat vereinbart werden müssen, zu arbiträr.</p><p>Weiter ist zu bedenken, dass bei zusätzlich zu wählenden Personen mit mehr Kandidaturen zu rechnen ist. Bei den Nationalratswahlen 2015 hat in den Proporzkantonen eine Rekordzahl von 3788 Personen für die 194 Sitze kandidiert. Mehr Kandidaturen führen zu Mehraufwand und können gerade in grossen Kantonen mit höheren Sitzzahlen die Verfahren verkomplizieren und die Fehleranfälligkeit der Prozesse verstärken. Zu denken ist etwa an die Kontrolle der Kandidaturen, die Bereitstellung der Wahlzettel sowie die Feststellung des Wählerwillens bei der Auszählung oder die Erfassung von Interessenbindungen der Ersatzgewählten.</p><p>Da die Nachteile die Vorteile überwiegen, kommt der Bundesrat deshalb zum Schluss, dass ein Systemwechsel derzeit nicht erstrebenswert ist.</p><p>2./3. Ein Systemwechsel könnte nach erster Einschätzung nicht durch eine blosse Anpassung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR; SR 161.1) erfolgen. Vielmehr würde dies eine Änderung der Bundesverfassung bedingen, ist doch in Artikel 149 Absatz 1 BV festgehalten, dass der Nationalrat aus 200 Abgeordneten des Volkes besteht. Die eingangs erwähnten Kantone sehen die Vertretungsmöglichkeit denn auch in ihren Verfassungen vor.</p>
    • <p>1. Was hält der Bundesrat von einem Modell von Ersatzgewählten (Suppleanten), wie es die Kantone Wallis oder Neuenburg kennen, für die Bundeslegislative?</p><p>2. Kann er sich vorstellen, das Bundesgesetz über die politischen Rechte dahingehend zu ändern und sich bei den Kantonen für eine nachfolgende Änderung der kantonalen Gesetze einzusetzen, dass ein Ersatz bei Mutterschaft/Vaterschaft möglich wird? Wenn ja, welches Modell eines/einer Ersatzgewählten schwebt ihm dabei vor? Wenn nein, wieso nicht?</p><p>3. Kann er sich vorstellen, das Bundesgesetz über die politischen Rechte dahingehend zu ändern und sich bei den Kantonen für eine Änderung der kantonalen Gesetze einzusetzen, dass ein Ersatz bei Mutterschaft möglich wird? Wenn ja, welches Modell eines/einer Ersatzgewählten, dass ein Ersatz bei längerer Krankheit eines gewählten Mitgliedes des Bundesparlamentes möglich wird? Wenn ja, was für ein Modell schwebt ihm vor? Wenn nein, wieso nicht?</p>
    • Ersatz für Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier bei Mutterschaft bzw. Vaterschaft und längerer Krankheit

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