LGBTIQ*-Personen im Freiheitsentzug. Die Situation kennen, um sie zu verbessern

ShortId
18.3267
Id
20183267
Updated
28.07.2023 03:55
Language
de
Title
LGBTIQ*-Personen im Freiheitsentzug. Die Situation kennen, um sie zu verbessern
AdditionalIndexing
1216;28;1236
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Personen, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, intersexuell oder queer sind (LGBTIQ*), sind in Vollzugseinrichtungen besonders verletzlich. Ihre Situation reicht von Unsichtbarkeit bis Stigmatisierung. Zum einen werden ihre speziellen Bedürfnisse nicht beachtet bzw. vernachlässigt, oder die Justizbehörden sind ganz einfach nicht in der Lage, geeignete Schutzmassnahmen zu treffen. Zum andern sind diese Personen Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Trans*-Menschen sind besonders betroffen, namentlich, weil sie unangemessen untergebracht werden und ihnen die Aufnahme oder Weiterverfolgung von hormonellen oder chirurgischen Behandlungen zur Geschlechtsangleichung verweigert wird.</p><p>Dieser Umgang verletzt das Recht auf Achtung der Menschenwürde und die Pflicht, den geschlechtsspezifischen Anliegen und Bedürfnissen der Gefangenen Rechnung zu tragen (Art. 74 und 75 StGB). Er steht zudem im Widerspruch zu den internationalen Menschenrechten, den Uno-Mindestgrundsätzen für die Behandlung der Gefangenen sowie den Yogyakarta-Prinzipien.</p><p>Um den LGBTIQ*-Personen im Freiheitsentzug ihre Rechte zu garantieren, muss man zunächst ihre Situation kennen. Doch das Schweizerische Ausbildungszentrum für das Strafvollzugspersonal räumte ein, dass nicht bekannt sei, wie viele LGBTIQ*-Personen tatsächlich in Vollzugseinrichtungen untergebracht sind und wie sie ihren Freiheitsentzug erleben. Eine sorgfältig und umsichtig durchgeführte Untersuchung würde es demnach ermöglichen, die Problematik besser einzuschätzen und sich der betreffenden Personen besser anzunehmen.</p><p>Der Strafvollzug fällt in die Zuständigkeit der Kantone, dies steht ausser Frage. Es ist jedoch Aufgabe des Bundes sicherzustellen, dass die Rechte respektiert werden, für deren Durchsetzung er verantwortlich ist. Der mit diesem Postulat in Auftrag gegebene detaillierte Bericht soll dazu einen Beitrag leisten.</p>
  • <p>Der Straf- und Massnahmenvollzug fällt in die Kompetenz der Kantone. Für die vorliegende Stellungnahme wurden deshalb die 26 kantonalen Straf- und Massnahmenvollzugsbehörden zur Situation der Personen befragt, die lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell oder queer (LGBTIQ*) sind und sich in Haft (einschliesslich Untersuchungs-, Sicherheits- und Ausschaffungshaft) befinden. Die Umfrage hatte zum Ziel, statistische Daten über diese Personen zu erheben und allfällige Verletzungen ihrer Menschenrechte zu identifizieren.</p><p>Bei der Inhaftierung von LGBTIQ*-Personen stellen sich einerseits die Frage der sexuellen Orientierung und andererseits die Frage der Geschlechtsidentität. Das zugewiesene Geschlecht ist in den Identitätspapieren vermerkt. Davon abweichende körperliche Merkmale (intersexuelle Personen oder Personen, die sich einem geschlechtsangleichenden Eingriff unterzogen haben) werden oftmals während des Eintrittsverfahrens in eine Einrichtung des Freiheitsentzugs festgestellt. Demgegenüber sind die Transidentität (Abweichung zwischen der Geschlechtsidentität und dem zugewiesenen Geschlecht) sowie die sexuelle Orientierung nicht unmittelbar ersichtlich. Wegen dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre befragen die Strafvollzugsbehörden die inhaftierte Person auch nicht zu ihrer Geschlechtsidentität und ihrer sexuellen Orientierung. Die Kantone verfügen deshalb über keine Daten zu diesem Thema. Es liegen auch keine anderen Statistiken über die Anzahl der LGBTIQ*-Personen im Freiheitsentzug vor. Aus den Antworten auf die obenerwähnte Umfrage, die sich auf Beobachtungen des Strafvollzugspersonals stützen, geht hervor, dass LGBTIQ*-Personen einen äusserst geringen Anteil an den in der Schweiz inhaftierten Personen ausmachen dürften.</p><p>Die befragten Kantonsbehörden haben keine Kenntnis von Fällen, in denen die Rechte der LGBTIQ*-Personen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder ihrer sexuellen Orientierung während der Haft verletzt wurden. Die Gefahr verbaler Misshandlungen bis hin zu heteroaggressiven Handlungen seitens der Mitinhaftierten besteht jedoch. Wie alle anderen verletzlichen Personen in Haft, die potenzielle Opfer verbaler oder physischer Gewalt sein könnten, erhalten die LGBTIQ*-Personen von den Vollzugsbehörden eine besondere Aufmerksamkeit. Um die Sicherheit der inhaftierten Person zu gewährleisten, werden die nötigen Massnahmen ergriffen (z. B. Verlegung in eine andere Abteilung des Gefängnisses oder in eine andere Strafanstalt). Angesichts der äusserst geringen Anzahl von Betroffenen werden gemäss den Kantonen oftmals individuelle Lösungen gefunden. Dabei wird eine Isolierung der betroffenen Person vermieden und darauf geachtet, dass sie möglichst normale Haftbedingungen erhält.</p><p>Auf die im Postulat dargestellte Problematik angesprochen, hat auch die nationale Plattform für Gesundheitsfragen im Justizvollzug "Santé Prison Suisse" festgehalten, dass in der Praxis aufgrund der geringen Anzahl jeweils einzelfallgerechte Massnahmen getroffen werden. Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter hat ihrerseits bis heute noch nie in einem offiziellen Bericht über eine Verletzung der Rechte einer LGBTIQ*-Person im Freiheitsentzug berichtet.</p><p>Gestützt auf die eingegangenen Antworten ist der Bundesrat der Auffassung, dass ein Bericht über die Situation der LGBTIQ*-Personen in Haft keine wesentlich neuen Erkenntnisse liefern würde. Da kein Handlungsbedarf ermittelt wurde und die Kantone die wenigen bekannten Fälle individuell lösen konnten, ist ein Einschreiten des Bundes in Form von Empfehlungen nicht angezeigt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht über die Situation von LGBTIQ*-Personen zu erstellen, die in der Schweiz inhaftiert sind (einschliesslich in Administrativhaft). Der Bericht soll, in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale aufzeigen und Empfehlungen für die zuständigen Behörden abgeben. Es soll auch geprüft werden, ob die Erhebung statistischer Daten in diesem Bereich angezeigt ist.</p>
  • LGBTIQ*-Personen im Freiheitsentzug. Die Situation kennen, um sie zu verbessern
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Personen, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, intersexuell oder queer sind (LGBTIQ*), sind in Vollzugseinrichtungen besonders verletzlich. Ihre Situation reicht von Unsichtbarkeit bis Stigmatisierung. Zum einen werden ihre speziellen Bedürfnisse nicht beachtet bzw. vernachlässigt, oder die Justizbehörden sind ganz einfach nicht in der Lage, geeignete Schutzmassnahmen zu treffen. Zum andern sind diese Personen Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Trans*-Menschen sind besonders betroffen, namentlich, weil sie unangemessen untergebracht werden und ihnen die Aufnahme oder Weiterverfolgung von hormonellen oder chirurgischen Behandlungen zur Geschlechtsangleichung verweigert wird.</p><p>Dieser Umgang verletzt das Recht auf Achtung der Menschenwürde und die Pflicht, den geschlechtsspezifischen Anliegen und Bedürfnissen der Gefangenen Rechnung zu tragen (Art. 74 und 75 StGB). Er steht zudem im Widerspruch zu den internationalen Menschenrechten, den Uno-Mindestgrundsätzen für die Behandlung der Gefangenen sowie den Yogyakarta-Prinzipien.</p><p>Um den LGBTIQ*-Personen im Freiheitsentzug ihre Rechte zu garantieren, muss man zunächst ihre Situation kennen. Doch das Schweizerische Ausbildungszentrum für das Strafvollzugspersonal räumte ein, dass nicht bekannt sei, wie viele LGBTIQ*-Personen tatsächlich in Vollzugseinrichtungen untergebracht sind und wie sie ihren Freiheitsentzug erleben. Eine sorgfältig und umsichtig durchgeführte Untersuchung würde es demnach ermöglichen, die Problematik besser einzuschätzen und sich der betreffenden Personen besser anzunehmen.</p><p>Der Strafvollzug fällt in die Zuständigkeit der Kantone, dies steht ausser Frage. Es ist jedoch Aufgabe des Bundes sicherzustellen, dass die Rechte respektiert werden, für deren Durchsetzung er verantwortlich ist. Der mit diesem Postulat in Auftrag gegebene detaillierte Bericht soll dazu einen Beitrag leisten.</p>
    • <p>Der Straf- und Massnahmenvollzug fällt in die Kompetenz der Kantone. Für die vorliegende Stellungnahme wurden deshalb die 26 kantonalen Straf- und Massnahmenvollzugsbehörden zur Situation der Personen befragt, die lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell oder queer (LGBTIQ*) sind und sich in Haft (einschliesslich Untersuchungs-, Sicherheits- und Ausschaffungshaft) befinden. Die Umfrage hatte zum Ziel, statistische Daten über diese Personen zu erheben und allfällige Verletzungen ihrer Menschenrechte zu identifizieren.</p><p>Bei der Inhaftierung von LGBTIQ*-Personen stellen sich einerseits die Frage der sexuellen Orientierung und andererseits die Frage der Geschlechtsidentität. Das zugewiesene Geschlecht ist in den Identitätspapieren vermerkt. Davon abweichende körperliche Merkmale (intersexuelle Personen oder Personen, die sich einem geschlechtsangleichenden Eingriff unterzogen haben) werden oftmals während des Eintrittsverfahrens in eine Einrichtung des Freiheitsentzugs festgestellt. Demgegenüber sind die Transidentität (Abweichung zwischen der Geschlechtsidentität und dem zugewiesenen Geschlecht) sowie die sexuelle Orientierung nicht unmittelbar ersichtlich. Wegen dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre befragen die Strafvollzugsbehörden die inhaftierte Person auch nicht zu ihrer Geschlechtsidentität und ihrer sexuellen Orientierung. Die Kantone verfügen deshalb über keine Daten zu diesem Thema. Es liegen auch keine anderen Statistiken über die Anzahl der LGBTIQ*-Personen im Freiheitsentzug vor. Aus den Antworten auf die obenerwähnte Umfrage, die sich auf Beobachtungen des Strafvollzugspersonals stützen, geht hervor, dass LGBTIQ*-Personen einen äusserst geringen Anteil an den in der Schweiz inhaftierten Personen ausmachen dürften.</p><p>Die befragten Kantonsbehörden haben keine Kenntnis von Fällen, in denen die Rechte der LGBTIQ*-Personen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder ihrer sexuellen Orientierung während der Haft verletzt wurden. Die Gefahr verbaler Misshandlungen bis hin zu heteroaggressiven Handlungen seitens der Mitinhaftierten besteht jedoch. Wie alle anderen verletzlichen Personen in Haft, die potenzielle Opfer verbaler oder physischer Gewalt sein könnten, erhalten die LGBTIQ*-Personen von den Vollzugsbehörden eine besondere Aufmerksamkeit. Um die Sicherheit der inhaftierten Person zu gewährleisten, werden die nötigen Massnahmen ergriffen (z. B. Verlegung in eine andere Abteilung des Gefängnisses oder in eine andere Strafanstalt). Angesichts der äusserst geringen Anzahl von Betroffenen werden gemäss den Kantonen oftmals individuelle Lösungen gefunden. Dabei wird eine Isolierung der betroffenen Person vermieden und darauf geachtet, dass sie möglichst normale Haftbedingungen erhält.</p><p>Auf die im Postulat dargestellte Problematik angesprochen, hat auch die nationale Plattform für Gesundheitsfragen im Justizvollzug "Santé Prison Suisse" festgehalten, dass in der Praxis aufgrund der geringen Anzahl jeweils einzelfallgerechte Massnahmen getroffen werden. Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter hat ihrerseits bis heute noch nie in einem offiziellen Bericht über eine Verletzung der Rechte einer LGBTIQ*-Person im Freiheitsentzug berichtet.</p><p>Gestützt auf die eingegangenen Antworten ist der Bundesrat der Auffassung, dass ein Bericht über die Situation der LGBTIQ*-Personen in Haft keine wesentlich neuen Erkenntnisse liefern würde. Da kein Handlungsbedarf ermittelt wurde und die Kantone die wenigen bekannten Fälle individuell lösen konnten, ist ein Einschreiten des Bundes in Form von Empfehlungen nicht angezeigt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht über die Situation von LGBTIQ*-Personen zu erstellen, die in der Schweiz inhaftiert sind (einschliesslich in Administrativhaft). Der Bericht soll, in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale aufzeigen und Empfehlungen für die zuständigen Behörden abgeben. Es soll auch geprüft werden, ob die Erhebung statistischer Daten in diesem Bereich angezeigt ist.</p>
    • LGBTIQ*-Personen im Freiheitsentzug. Die Situation kennen, um sie zu verbessern

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