Steuervorlage 17. Wäre die Aufwertung stiller Reserven beim Zuzug aus dem Ausland ein neues, reputationsschädigendes Steuerschlupfloch?

ShortId
18.3269
Id
20183269
Updated
28.07.2023 03:55
Language
de
Title
Steuervorlage 17. Wäre die Aufwertung stiller Reserven beim Zuzug aus dem Ausland ein neues, reputationsschädigendes Steuerschlupfloch?
AdditionalIndexing
2446;10;15;24
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Nachdem sich das Kapitaleinlageprinzip aus der USR II zum Generator für über 2 Billionen (über 2000 Milliarden) Franken steuerfreie Ausschüttungen entwickelt hat, bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen zu einem drohenden neuen Steuerschlupfloch zu beantworten:</p><p>Die Besteuerung stiller Reserven durch die Schweiz beim Wegzug, was korrekt ist (vgl. Art. 61b DBG), mit der angeblich spiegelbildlichen Besteuerung beim Zuzug in die Schweiz zu vergleichen, ist ein fauler Trick. Alle zivilisierten Staaten besteuern ihre Aktiengesellschaften (AG) beim Wegzug - zum Beispiel in die Schweiz - zum Verkehrswert ihrer Aktiven bzw. rechnen vollumfänglich ab mit ihnen. Das EU-Rechnungslegungsrecht kennt zum Beispiel formell keine stillen Reserven. Also darf eine AG beim Zuzug aus der EU in die Schweiz keine Aufdeckung stiller Reserven vornehmen. Würde eine Firma von den Niederlanden in die Schweiz ziehen und stille Reserven aufwerten, so würde es sich aus Sicht der Niederlande in der Schweiz um eine "verbotene Antrittsprämie" handeln!</p><p>Auch weitere Aktiengesellschaften, die den Rechnungslegungsstandards "true and fair view" folgen, haben keine stillen Reserven.</p><p>Von welchen Herkunftsstaaten sollen Gesellschaften angelockt werden? Welche Gesellschaftstypen? Schwarzanlagen von Offshore-Plätzen? Woher? Sollen durch dieses Instrument Missbräuche legitimiert werden? Haben Finanzierungsgesellschaften hohe stille Reserven? Wenn ja, welche? Beruht die Idee, auf Zuzüge zu setzen, auf unmoralischer Fahrlässigkeit anderer Staaten? Auf Rohstoffgesellschaften mit unterbewerteten Schürfrechten aus Lateinamerika und Afrika? Worauf sonst? Die Paradise Papers geben Indizien für vermutlich korruptiv tiefpreislich erworbene Minenrechte in ärmsten Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo. Sollen solche unterbilanzierten Schürfrechte, Bohrlizenzen usw. aus dem Rohstoffsektor, aber auch Markenrechte beim Zuzug in die Schweiz aufgewertet werden?</p><p>Was wird unter dem Begriff "Funktionen" verstanden, der steuerrechtlich nicht definiert ist?</p><p>Ist gemäss einhelliger Schweizer Lehre "der selbstgeschaffene Mehrwert" nicht weder aktivierbar noch abschreibbar?</p>
  • <p>Zur Regelung im Allgemeinen:</p><p>Ziel des Bundesrates ist es, diejenigen Erträge vollumfänglich zu besteuern, die während der Dauer der Steuerpflicht in der Schweiz entstanden sind. Hingegen soll die Besteuerung entfallen, soweit es um Erträge geht, die auf eine Periode fehlender Steuerpflicht entfallen. Mit der in der Steuervorlage 17 (SV 17) vorgeschlagenen Aufdeckung stiller Reserven kann dieses Ziel in steuersystematisch korrekter Weise erreicht werden, indem spiegelbildliche Sachverhalte spiegelbildlich behandelt werden. Die Regelung soll für alle Gesellschaftstypen und Vermögenswerte unabhängig von einer allfälligen Wegzugsbesteuerung im Ausland und unabhängig von einer allfälligen Berücksichtigung der schweizerischen Wegzugsbesteuerung durch das Ausland gelten. Die vorgeschlagene Regelung orientiert sich dabei am aktuellen Stand der Arbeiten in der OECD.</p><p>Auch andere Staaten kennen Regelungen zur Aufdeckung stiller Reserven, so bspw. Deutschland. Allerdings ist die Vergleichbarkeit der Regelungen beschränkt, da deren Ausgestaltung in einem engen Zusammenhang mit den jeweiligen Regelungen zur steuerlichen Gewinnermittlung steht.</p><p>In der Schweiz ist die Handelsbilanz massgebend für die steuerliche Gewinnermittlung. Viele Länder kennen dafür jedoch gesonderte Regelungen. So kann es auch in diesen Ländern zu Wegzugsbesteuerungen kommen, obwohl die Handelsbilanz der "true and fair view" folgt. Wenn jedoch in einem Unternehmen keine stillen Reserven vorhanden sind, können beim Zuzug in die Schweiz keine stillen Reserven für steuerliche Zwecke aufgedeckt werden. Für die Wegzugsstaaten steht zudem der Weg über die Amtshilfe offen, um festzustellen, welche Werte das Unternehmen bei einem Zuzug in die Schweiz geltend macht. Somit werden die Besteuerungsrechte anderer Staaten durch die Aufdeckung stiller Reserven nicht eingeschränkt.</p><p>Zum Begriff der "Funktion":</p><p>Der Begriff "Funktion" soll mit der SV 17 neu eingeführt werden. Wann genau eine Funktion vorliegt, muss im Einzelfall abgeklärt werden. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass es sich immer dann um eine Funktion handelt, wenn Wirtschaftsgüter in einem funktionalen Zusammenhang stehen und eine gewisse betriebliche Eigenständigkeit und Wertschöpfung aufweisen.</p><p>Zum selbstgeschaffenen Mehrwert:</p><p>Im geltenden Recht können bei Zuzug nur diejenigen stillen Reserven für steuerliche Zwecke aufgedeckt werden, die in der Handelsbilanz des jeweiligen Unternehmens ebenfalls aufgedeckt werden können. Namentlich der selbstgeschaffene Mehrwert ist gemäss schweizerischem Handelsrecht jedoch nicht aktivierbar. Soweit dieser einer Wegzugsbesteuerung unterliegt, kann es deshalb zu Doppelbesteuerungen kommen. Mit der steuerlichen Aufdeckung des selbstgeschaffenen Mehrwerts kann diese Doppelbesteuerung vermieden werden.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Nach dem wuchtigen Scheitern der Unternehmenssteuerreform III an der Urne ist eine Voraussetzung für die Wiederherstellung des Vertrauens der Stimmberechtigten, dass Zahlen und Fakten zur Steuervorlage 17 offengelegt werden.</p>
  • Steuervorlage 17. Wäre die Aufwertung stiller Reserven beim Zuzug aus dem Ausland ein neues, reputationsschädigendes Steuerschlupfloch?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Nachdem sich das Kapitaleinlageprinzip aus der USR II zum Generator für über 2 Billionen (über 2000 Milliarden) Franken steuerfreie Ausschüttungen entwickelt hat, bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen zu einem drohenden neuen Steuerschlupfloch zu beantworten:</p><p>Die Besteuerung stiller Reserven durch die Schweiz beim Wegzug, was korrekt ist (vgl. Art. 61b DBG), mit der angeblich spiegelbildlichen Besteuerung beim Zuzug in die Schweiz zu vergleichen, ist ein fauler Trick. Alle zivilisierten Staaten besteuern ihre Aktiengesellschaften (AG) beim Wegzug - zum Beispiel in die Schweiz - zum Verkehrswert ihrer Aktiven bzw. rechnen vollumfänglich ab mit ihnen. Das EU-Rechnungslegungsrecht kennt zum Beispiel formell keine stillen Reserven. Also darf eine AG beim Zuzug aus der EU in die Schweiz keine Aufdeckung stiller Reserven vornehmen. Würde eine Firma von den Niederlanden in die Schweiz ziehen und stille Reserven aufwerten, so würde es sich aus Sicht der Niederlande in der Schweiz um eine "verbotene Antrittsprämie" handeln!</p><p>Auch weitere Aktiengesellschaften, die den Rechnungslegungsstandards "true and fair view" folgen, haben keine stillen Reserven.</p><p>Von welchen Herkunftsstaaten sollen Gesellschaften angelockt werden? Welche Gesellschaftstypen? Schwarzanlagen von Offshore-Plätzen? Woher? Sollen durch dieses Instrument Missbräuche legitimiert werden? Haben Finanzierungsgesellschaften hohe stille Reserven? Wenn ja, welche? Beruht die Idee, auf Zuzüge zu setzen, auf unmoralischer Fahrlässigkeit anderer Staaten? Auf Rohstoffgesellschaften mit unterbewerteten Schürfrechten aus Lateinamerika und Afrika? Worauf sonst? Die Paradise Papers geben Indizien für vermutlich korruptiv tiefpreislich erworbene Minenrechte in ärmsten Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo. Sollen solche unterbilanzierten Schürfrechte, Bohrlizenzen usw. aus dem Rohstoffsektor, aber auch Markenrechte beim Zuzug in die Schweiz aufgewertet werden?</p><p>Was wird unter dem Begriff "Funktionen" verstanden, der steuerrechtlich nicht definiert ist?</p><p>Ist gemäss einhelliger Schweizer Lehre "der selbstgeschaffene Mehrwert" nicht weder aktivierbar noch abschreibbar?</p>
    • <p>Zur Regelung im Allgemeinen:</p><p>Ziel des Bundesrates ist es, diejenigen Erträge vollumfänglich zu besteuern, die während der Dauer der Steuerpflicht in der Schweiz entstanden sind. Hingegen soll die Besteuerung entfallen, soweit es um Erträge geht, die auf eine Periode fehlender Steuerpflicht entfallen. Mit der in der Steuervorlage 17 (SV 17) vorgeschlagenen Aufdeckung stiller Reserven kann dieses Ziel in steuersystematisch korrekter Weise erreicht werden, indem spiegelbildliche Sachverhalte spiegelbildlich behandelt werden. Die Regelung soll für alle Gesellschaftstypen und Vermögenswerte unabhängig von einer allfälligen Wegzugsbesteuerung im Ausland und unabhängig von einer allfälligen Berücksichtigung der schweizerischen Wegzugsbesteuerung durch das Ausland gelten. Die vorgeschlagene Regelung orientiert sich dabei am aktuellen Stand der Arbeiten in der OECD.</p><p>Auch andere Staaten kennen Regelungen zur Aufdeckung stiller Reserven, so bspw. Deutschland. Allerdings ist die Vergleichbarkeit der Regelungen beschränkt, da deren Ausgestaltung in einem engen Zusammenhang mit den jeweiligen Regelungen zur steuerlichen Gewinnermittlung steht.</p><p>In der Schweiz ist die Handelsbilanz massgebend für die steuerliche Gewinnermittlung. Viele Länder kennen dafür jedoch gesonderte Regelungen. So kann es auch in diesen Ländern zu Wegzugsbesteuerungen kommen, obwohl die Handelsbilanz der "true and fair view" folgt. Wenn jedoch in einem Unternehmen keine stillen Reserven vorhanden sind, können beim Zuzug in die Schweiz keine stillen Reserven für steuerliche Zwecke aufgedeckt werden. Für die Wegzugsstaaten steht zudem der Weg über die Amtshilfe offen, um festzustellen, welche Werte das Unternehmen bei einem Zuzug in die Schweiz geltend macht. Somit werden die Besteuerungsrechte anderer Staaten durch die Aufdeckung stiller Reserven nicht eingeschränkt.</p><p>Zum Begriff der "Funktion":</p><p>Der Begriff "Funktion" soll mit der SV 17 neu eingeführt werden. Wann genau eine Funktion vorliegt, muss im Einzelfall abgeklärt werden. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass es sich immer dann um eine Funktion handelt, wenn Wirtschaftsgüter in einem funktionalen Zusammenhang stehen und eine gewisse betriebliche Eigenständigkeit und Wertschöpfung aufweisen.</p><p>Zum selbstgeschaffenen Mehrwert:</p><p>Im geltenden Recht können bei Zuzug nur diejenigen stillen Reserven für steuerliche Zwecke aufgedeckt werden, die in der Handelsbilanz des jeweiligen Unternehmens ebenfalls aufgedeckt werden können. Namentlich der selbstgeschaffene Mehrwert ist gemäss schweizerischem Handelsrecht jedoch nicht aktivierbar. Soweit dieser einer Wegzugsbesteuerung unterliegt, kann es deshalb zu Doppelbesteuerungen kommen. Mit der steuerlichen Aufdeckung des selbstgeschaffenen Mehrwerts kann diese Doppelbesteuerung vermieden werden.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Nach dem wuchtigen Scheitern der Unternehmenssteuerreform III an der Urne ist eine Voraussetzung für die Wiederherstellung des Vertrauens der Stimmberechtigten, dass Zahlen und Fakten zur Steuervorlage 17 offengelegt werden.</p>
    • Steuervorlage 17. Wäre die Aufwertung stiller Reserven beim Zuzug aus dem Ausland ein neues, reputationsschädigendes Steuerschlupfloch?

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