Lippenpflegeprodukte. Nicht ungefährlich?

ShortId
18.3277
Id
20183277
Updated
28.07.2023 03:52
Language
de
Title
Lippenpflegeprodukte. Nicht ungefährlich?
AdditionalIndexing
2841;15
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Im Jahr 2016 hat das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt etwa vierzig Lippenpflegeprodukte getestet. Solche Mittel werden vor allem im Winter benutzt, um trockene oder gar spröde Lippen mit Feuchtigkeit zu versorgen. Die Ergebnisse erachten die Forscherinnen und Forscher als besorgniserregend: Jede fünfte Probe enthielt gesättigte Mineralöl-Kohlenwasserstoffe (genannt Mosh vom Englischen "mineral oil saturated hydrocarbons") und aromatische Mineralöl-Kohlenwasserstoffe (Moah: "mineral oil aromatic hydrocarbons"). Diese Substanzen werden häufig in Kosmetika verwendet, bergen jedoch ein grösseres Risiko, wenn sie in schädlichen Mengen geschluckt werden. Die genauen Risiken sind noch nicht bekannt, aber es wird stark vermutet, dass Moah krebserregend sind und Mosh sich in den Organen anreichern und zur Bildung von Tumoren in den Lymphknoten, der Leber oder der Milz führen. Sie werden jedoch weder auf der Verpackung noch in der Liste der Inhaltsstoffe angegeben, was die Wahl der Konsumentinnen und Konsumenten noch erschwert. Zwar verwenden die grossen Marken eher weniger Kohlenwasserstoffe, doch dafür enthalten Produkte für Kinder recht viele Paraffine. Und Kinder neigen besonders dazu, den Balsam von ihren Lippen zu lecken und zu schlucken. Einen offiziellen Höchstwert für mineralisches Paraffin in Lippenpflegeprodukten gibt es nicht. Der Verband der europäischen Kosmetikindustrie empfiehlt, diese Stoffe nicht zu verwenden. In der Schweiz ist das Bundesamt für Gesundheit für die Anpassung der Listen zulässiger und verbotener Stoffe in Kosmetika zuständig (Anhänge der Verordnung des EDI über kosmetische Mittel).</p>
  • <p>Gesättigte und aromatische Mineralöl-Kohlenwasserstoffe sind Gruppen komplexer chemischer Verbindungen, die in Kosmetika und Lebensmitteln verwendet werden. Die Lebensmittelgesetzgebung, für die das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) seit 2014 zuständig ist, untersagt bereits heute die Verwendung von gewissen krebserregenden Inhaltsstoffen in Kosmetikprodukten. Die gesättigten und aromatischen Mineralöl-Kohlenwasserstoffe, die zulässigerweise in Kosmetika verwendet werden, müssen wie jeder andere Inhaltsstoff auf der Verpackung angegeben werden.</p><p>Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat 2013 eine summarische toxikologische Beurteilung der gesättigten und aromatischen Mineralöl-Kohlenwasserstoffe vorgenommen. Das Fachamt kam damals im Rahmen einer Maximalschätzung zum Schluss, dass eine Konsumentin oder ein Konsument von Lippenpflegeprodukten bis zu fünf Mal mehr Mineralöl-Kohlenwasserstoffe aufnimmt als über die Nahrung. Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass man, wenn man die gesamte eingenommene Menge dieser Stoffe reduzieren will, diese Problematik angesichts der grossen Anzahl von Expositionsquellen umfassend angehen muss. Um Höchstwerte festzulegen, muss man zudem eine vollständige und gründliche toxikologische Beurteilung vornehmen. Dazu braucht es solide wissenschaftliche Studien, die damals nicht verfügbar waren.</p><p>Momentan befasst sich auch die Europäische Kommission mit den gesättigten und aromatischen Mineralöl-Kohlenwasserstoffen unter anderem in den Lippenpflegeprodukten. Sie hat alle Mitgliedstaaten gebeten, ihr die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema zukommen zu lassen, damit das Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS) die allenfalls problematischen Substanzen beurteilen kann. In Übereinstimmung mit Artikel 45 Absatz 1 des Lebensmittelgesetzes (SR 817.0) beteiligt sich die Schweiz an den laufenden Arbeiten auf europäischer Ebene und hat auch bereits entsprechende Daten geliefert. Die Kommission wird die aus den verschiedenen Ländern erhaltenen Daten in den nächsten Monaten sichten und anschliessend entscheiden, ob diese für eine vertiefte Beurteilung durch das SCCS genügen. Die Europäische Union dürfte erst nach dieser Beurteilung entscheiden, ob sie Grenzwerte festsetzt oder nicht.</p><p>Es wäre verfrüht, jetzt nur in der Schweiz Grenzwerte für gesättigte und aromatische Mineralöl-Kohlenwasserstoffe festzusetzen. Es ist vorzuziehen, die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene weiterzuverfolgen, damit das von diesen Stoffen tatsächlich ausgehende Gesundheitsrisiko bestimmt werden kann und damit bei Bedarf mit der EU harmonisierte Grenzwerte festgesetzt werden können. Es geht in diesem Zusammenhang auch darum, keine technischen Handelshemmnisse zu schaffen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Angesichts der bestehenden Unsicherheiten über die Langzeitauswirkungen auf den Organismus von gesättigten und aromatischen Mineralöl-Kohlenwasserstoffen beauftrage ich den Bundesrat, nach dem Vorsorgeprinzip Grenzwerte festzulegen, die die Verwendung dieser dünnflüssigen Mineralöle in Lippenpflegeprodukten beschränken.</p>
  • Lippenpflegeprodukte. Nicht ungefährlich?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Im Jahr 2016 hat das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt etwa vierzig Lippenpflegeprodukte getestet. Solche Mittel werden vor allem im Winter benutzt, um trockene oder gar spröde Lippen mit Feuchtigkeit zu versorgen. Die Ergebnisse erachten die Forscherinnen und Forscher als besorgniserregend: Jede fünfte Probe enthielt gesättigte Mineralöl-Kohlenwasserstoffe (genannt Mosh vom Englischen "mineral oil saturated hydrocarbons") und aromatische Mineralöl-Kohlenwasserstoffe (Moah: "mineral oil aromatic hydrocarbons"). Diese Substanzen werden häufig in Kosmetika verwendet, bergen jedoch ein grösseres Risiko, wenn sie in schädlichen Mengen geschluckt werden. Die genauen Risiken sind noch nicht bekannt, aber es wird stark vermutet, dass Moah krebserregend sind und Mosh sich in den Organen anreichern und zur Bildung von Tumoren in den Lymphknoten, der Leber oder der Milz führen. Sie werden jedoch weder auf der Verpackung noch in der Liste der Inhaltsstoffe angegeben, was die Wahl der Konsumentinnen und Konsumenten noch erschwert. Zwar verwenden die grossen Marken eher weniger Kohlenwasserstoffe, doch dafür enthalten Produkte für Kinder recht viele Paraffine. Und Kinder neigen besonders dazu, den Balsam von ihren Lippen zu lecken und zu schlucken. Einen offiziellen Höchstwert für mineralisches Paraffin in Lippenpflegeprodukten gibt es nicht. Der Verband der europäischen Kosmetikindustrie empfiehlt, diese Stoffe nicht zu verwenden. In der Schweiz ist das Bundesamt für Gesundheit für die Anpassung der Listen zulässiger und verbotener Stoffe in Kosmetika zuständig (Anhänge der Verordnung des EDI über kosmetische Mittel).</p>
    • <p>Gesättigte und aromatische Mineralöl-Kohlenwasserstoffe sind Gruppen komplexer chemischer Verbindungen, die in Kosmetika und Lebensmitteln verwendet werden. Die Lebensmittelgesetzgebung, für die das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) seit 2014 zuständig ist, untersagt bereits heute die Verwendung von gewissen krebserregenden Inhaltsstoffen in Kosmetikprodukten. Die gesättigten und aromatischen Mineralöl-Kohlenwasserstoffe, die zulässigerweise in Kosmetika verwendet werden, müssen wie jeder andere Inhaltsstoff auf der Verpackung angegeben werden.</p><p>Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat 2013 eine summarische toxikologische Beurteilung der gesättigten und aromatischen Mineralöl-Kohlenwasserstoffe vorgenommen. Das Fachamt kam damals im Rahmen einer Maximalschätzung zum Schluss, dass eine Konsumentin oder ein Konsument von Lippenpflegeprodukten bis zu fünf Mal mehr Mineralöl-Kohlenwasserstoffe aufnimmt als über die Nahrung. Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass man, wenn man die gesamte eingenommene Menge dieser Stoffe reduzieren will, diese Problematik angesichts der grossen Anzahl von Expositionsquellen umfassend angehen muss. Um Höchstwerte festzulegen, muss man zudem eine vollständige und gründliche toxikologische Beurteilung vornehmen. Dazu braucht es solide wissenschaftliche Studien, die damals nicht verfügbar waren.</p><p>Momentan befasst sich auch die Europäische Kommission mit den gesättigten und aromatischen Mineralöl-Kohlenwasserstoffen unter anderem in den Lippenpflegeprodukten. Sie hat alle Mitgliedstaaten gebeten, ihr die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema zukommen zu lassen, damit das Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS) die allenfalls problematischen Substanzen beurteilen kann. In Übereinstimmung mit Artikel 45 Absatz 1 des Lebensmittelgesetzes (SR 817.0) beteiligt sich die Schweiz an den laufenden Arbeiten auf europäischer Ebene und hat auch bereits entsprechende Daten geliefert. Die Kommission wird die aus den verschiedenen Ländern erhaltenen Daten in den nächsten Monaten sichten und anschliessend entscheiden, ob diese für eine vertiefte Beurteilung durch das SCCS genügen. Die Europäische Union dürfte erst nach dieser Beurteilung entscheiden, ob sie Grenzwerte festsetzt oder nicht.</p><p>Es wäre verfrüht, jetzt nur in der Schweiz Grenzwerte für gesättigte und aromatische Mineralöl-Kohlenwasserstoffe festzusetzen. Es ist vorzuziehen, die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene weiterzuverfolgen, damit das von diesen Stoffen tatsächlich ausgehende Gesundheitsrisiko bestimmt werden kann und damit bei Bedarf mit der EU harmonisierte Grenzwerte festgesetzt werden können. Es geht in diesem Zusammenhang auch darum, keine technischen Handelshemmnisse zu schaffen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Angesichts der bestehenden Unsicherheiten über die Langzeitauswirkungen auf den Organismus von gesättigten und aromatischen Mineralöl-Kohlenwasserstoffen beauftrage ich den Bundesrat, nach dem Vorsorgeprinzip Grenzwerte festzulegen, die die Verwendung dieser dünnflüssigen Mineralöle in Lippenpflegeprodukten beschränken.</p>
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