Einbezug des Parlamentes in Liberalisierungsentscheide gemäss Personenbeförderungsgesetz

ShortId
18.3328
Id
20183328
Updated
28.07.2023 03:57
Language
de
Title
Einbezug des Parlamentes in Liberalisierungsentscheide gemäss Personenbeförderungsgesetz
AdditionalIndexing
10;48;04;44
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Im Gegensatz zur Schweiz ist in der EU der internationale Schienenpersonenverkehr liberalisiert. Jede Bahn kann Leistungen erbringen, ohne dass eine Kooperation mit einer nationalen Bahngesellschaft vorausgesetzt wird. Diese Regelung ist in der Richtlinie 2007/58/EG des dritten Eisenbahnpakets enthalten. Die EU-Mitgliedstaaten müssen seit 2010 allen Eisenbahnverkehrsunternehmen aus EU-Mitgliedstaaten Zugang zur Infrastruktur erteilen, damit diese grenzüberschreitende Personenverkehrsdienste mit Kabotage erbringen können. Gemäss Artikel 52 Absatz 6 des Landverkehrsabkommens wendet die Schweiz gegenüber der EU das Prinzip der gleichwertigen Rechtsvorschriften an. Aufgrund dieser Bestimmung fordert die EU von der Schweiz, das dritte EU-Eisenbahnpaket zu übernehmen. Der Bundesrat empfiehlt, die Liberalisierung grenzüberschreitender Verkehre, welche internationale Verbindungen auch ohne Kooperationen ermöglichen, zu prüfen. Mit dieser Zielsetzung würde die Schweiz die Teile des dritten EU-Eisenbahnpakets übernehmen, welche die Marktöffnung des Schienenpersonenverkehrs beinhalten. Diese Marktöffnung soll dem Bundesrat 2018 offenbar in einem Aussprachepapier vorgelegt werden. Gestützt darauf wird der Übernahmebeschluss durch den Gemischten Ausschuss erfolgen. Eine Genehmigung oder Beratung durch das Parlament ist nicht erforderlich. Gemäss Artikel 8 Absatz 3 PBG kann der Bundesrat mit anderen Staaten Vereinbarungen abschliessen, welche die gegenseitige Anerkennung von Bewilligungen und von diesem Gesetz abweichende Bestimmungen vorsehen.</p><p>Aufgrund der möglichen Tragweite des Entscheids und der allfälligen Auswirkungen insbesondere auf das Knoten- und Taktsystem des schweizerischen Verkehrs, die Trassensicherung, Tarifintegration, die Löhne oder Sozialvorgaben sollte das Parlament in diesen Entscheid einbezogen werden.</p>
  • <p>Der Bund prüft derzeit, ob künftig neben internationalen Kooperationen von Bahnunternehmen (in der Regel ehemalige Staatsbahnen) auch Angebote von Dritten im grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr zugelassen werden sollen. Solche Dritte würden eine nationale Personenbeförderungskonzession benötigen, womit der Bund die Bedingungen steuern kann. Die Verbindungen müssen überwiegend dem internationalen Verkehr dienen. Kabotage darf nur als Nebenzweck erbracht werden.</p><p>Im Bereich des Personen- und Güterverkehrs auf Schiene und Strasse hat der Bundesrat gestützt auf drei Bestimmungen die Kompetenz, selbstständig Staatsverträge abzuschliessen: Es sind dies Artikel 8 Absatz 3 des Bundesgesetzes über die Personenbeförderung (PBG; SR 745.1), Artikel 9a Absatz 6 des Eisenbahngesetzes (EBG; SR 742.101) sowie Artikel 3a des Bundesgesetzes über die Zulassung als Strassentransportunternehmen (STUG; SR 744.10). Das Parlament hat also dem Bundesrat in diesen Bereichen die Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen abgetreten; dies mit gutem Grund, denn bei diesen Vereinbarungen von eher technischer Natur stehen weder zentrale Interessen des Landes auf dem Spiel, noch besteht ein grosser Entscheidungsspielraum. Es wäre ein schwerfälliger und der Tragweite der Entscheide nicht angemessener Prozess, diese zahlreichen Verträge und Vertragsänderungen jedes Mal einer Genehmigung durch das Parlament zu unterziehen. Der Bundesrat erachtet es als zweckmässig, dass die Kompetenzdelegation in diesem Bereich beibehalten wird. Bei der Umsetzung der Anliegen der Schweizer Verkehrspolitik würde die Motion zu grossen Verzögerungen führen.</p><p>Der Bundesrat weist darauf hin, dass das Parlament auch ohne Änderung von Artikel 8 Absatz 3 PBG jederzeit die Möglichkeit hat, den Bundesrat aufzufordern, von einer allfällig geplanten Übernahme des dritten EU-Eisenbahnpakets abzusehen. Im Übrigen müssen alle in Kompetenzdelegation abgeschlossenen Verträge im Staatsvertragsbericht aufgeführt werden, womit das Parlament die Möglichkeit der nachträglichen Kontrolle hat. Das Parlament wird weiter über die Kommissionen in die Entscheide einbezogen, insbesondere über die Aussenpolitischen Kommissionen (APK), welche durch den Bundesrat gemäss Artikel 152 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10) über die wichtigsten aussenpolitischen Geschäfte informiert werden.</p><p>Die Marktöffnung im grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr hat in der EU die Wettbewerbsverhältnisse nur geringfügig beeinflusst. Die allermeisten dieser Verkehre werden weiterhin in Kooperationen zwischen zwei nationalen Eisenbahnunternehmen angeboten. Wo es Angebote durch Dritte gibt, sind diese zumeist inländischer Natur (wie NTV in Italien, Leo in Tschechien oder die Westbahn in Österreich). Solche nationalen Angebote sind explizit nicht Teil der vom Bund geprüften moderaten Öffnung. Mit dieser Öffnung wird die Möglichkeit ergänzender neuer Angebote geschaffen. Aufgrund der Konzessionspflicht können die Auswirkungen von Angeboten Dritter auf Knoten- und Taktsystem, Trassensicherung, Tarifintegration, branchenübliche Löhne und Sozialvorgaben in die Beurteilung mit einbezogen werden.</p><p>Schliesslich bleibt festzustellen, dass es angesichts der Auslastung auf dem Schweizer Kern-Eisenbahnnetz sehr schwierig sein dürfte, für wirtschaftlich interessante Verbindungen überhaupt freie Trassen zu finden. Die Folgen der Öffnung dürften also unbedeutend bleiben. Weiter gehende Befürchtungen erscheinen unbegründet.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen vorzulegen, damit Artikel 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes geändert wird mit dem Ziel, dass das Parlament bei Entscheiden, bei denen es darum geht, mit anderen Staaten Vereinbarungen abzuschliessen, und welche die gegenseitige Anerkennung von Bewilligungen und von diesem Gesetz abweichende Bestimmungen vorsehen, mitbestimmen kann.</p>
  • Einbezug des Parlamentes in Liberalisierungsentscheide gemäss Personenbeförderungsgesetz
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Im Gegensatz zur Schweiz ist in der EU der internationale Schienenpersonenverkehr liberalisiert. Jede Bahn kann Leistungen erbringen, ohne dass eine Kooperation mit einer nationalen Bahngesellschaft vorausgesetzt wird. Diese Regelung ist in der Richtlinie 2007/58/EG des dritten Eisenbahnpakets enthalten. Die EU-Mitgliedstaaten müssen seit 2010 allen Eisenbahnverkehrsunternehmen aus EU-Mitgliedstaaten Zugang zur Infrastruktur erteilen, damit diese grenzüberschreitende Personenverkehrsdienste mit Kabotage erbringen können. Gemäss Artikel 52 Absatz 6 des Landverkehrsabkommens wendet die Schweiz gegenüber der EU das Prinzip der gleichwertigen Rechtsvorschriften an. Aufgrund dieser Bestimmung fordert die EU von der Schweiz, das dritte EU-Eisenbahnpaket zu übernehmen. Der Bundesrat empfiehlt, die Liberalisierung grenzüberschreitender Verkehre, welche internationale Verbindungen auch ohne Kooperationen ermöglichen, zu prüfen. Mit dieser Zielsetzung würde die Schweiz die Teile des dritten EU-Eisenbahnpakets übernehmen, welche die Marktöffnung des Schienenpersonenverkehrs beinhalten. Diese Marktöffnung soll dem Bundesrat 2018 offenbar in einem Aussprachepapier vorgelegt werden. Gestützt darauf wird der Übernahmebeschluss durch den Gemischten Ausschuss erfolgen. Eine Genehmigung oder Beratung durch das Parlament ist nicht erforderlich. Gemäss Artikel 8 Absatz 3 PBG kann der Bundesrat mit anderen Staaten Vereinbarungen abschliessen, welche die gegenseitige Anerkennung von Bewilligungen und von diesem Gesetz abweichende Bestimmungen vorsehen.</p><p>Aufgrund der möglichen Tragweite des Entscheids und der allfälligen Auswirkungen insbesondere auf das Knoten- und Taktsystem des schweizerischen Verkehrs, die Trassensicherung, Tarifintegration, die Löhne oder Sozialvorgaben sollte das Parlament in diesen Entscheid einbezogen werden.</p>
    • <p>Der Bund prüft derzeit, ob künftig neben internationalen Kooperationen von Bahnunternehmen (in der Regel ehemalige Staatsbahnen) auch Angebote von Dritten im grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr zugelassen werden sollen. Solche Dritte würden eine nationale Personenbeförderungskonzession benötigen, womit der Bund die Bedingungen steuern kann. Die Verbindungen müssen überwiegend dem internationalen Verkehr dienen. Kabotage darf nur als Nebenzweck erbracht werden.</p><p>Im Bereich des Personen- und Güterverkehrs auf Schiene und Strasse hat der Bundesrat gestützt auf drei Bestimmungen die Kompetenz, selbstständig Staatsverträge abzuschliessen: Es sind dies Artikel 8 Absatz 3 des Bundesgesetzes über die Personenbeförderung (PBG; SR 745.1), Artikel 9a Absatz 6 des Eisenbahngesetzes (EBG; SR 742.101) sowie Artikel 3a des Bundesgesetzes über die Zulassung als Strassentransportunternehmen (STUG; SR 744.10). Das Parlament hat also dem Bundesrat in diesen Bereichen die Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen abgetreten; dies mit gutem Grund, denn bei diesen Vereinbarungen von eher technischer Natur stehen weder zentrale Interessen des Landes auf dem Spiel, noch besteht ein grosser Entscheidungsspielraum. Es wäre ein schwerfälliger und der Tragweite der Entscheide nicht angemessener Prozess, diese zahlreichen Verträge und Vertragsänderungen jedes Mal einer Genehmigung durch das Parlament zu unterziehen. Der Bundesrat erachtet es als zweckmässig, dass die Kompetenzdelegation in diesem Bereich beibehalten wird. Bei der Umsetzung der Anliegen der Schweizer Verkehrspolitik würde die Motion zu grossen Verzögerungen führen.</p><p>Der Bundesrat weist darauf hin, dass das Parlament auch ohne Änderung von Artikel 8 Absatz 3 PBG jederzeit die Möglichkeit hat, den Bundesrat aufzufordern, von einer allfällig geplanten Übernahme des dritten EU-Eisenbahnpakets abzusehen. Im Übrigen müssen alle in Kompetenzdelegation abgeschlossenen Verträge im Staatsvertragsbericht aufgeführt werden, womit das Parlament die Möglichkeit der nachträglichen Kontrolle hat. Das Parlament wird weiter über die Kommissionen in die Entscheide einbezogen, insbesondere über die Aussenpolitischen Kommissionen (APK), welche durch den Bundesrat gemäss Artikel 152 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10) über die wichtigsten aussenpolitischen Geschäfte informiert werden.</p><p>Die Marktöffnung im grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr hat in der EU die Wettbewerbsverhältnisse nur geringfügig beeinflusst. Die allermeisten dieser Verkehre werden weiterhin in Kooperationen zwischen zwei nationalen Eisenbahnunternehmen angeboten. Wo es Angebote durch Dritte gibt, sind diese zumeist inländischer Natur (wie NTV in Italien, Leo in Tschechien oder die Westbahn in Österreich). Solche nationalen Angebote sind explizit nicht Teil der vom Bund geprüften moderaten Öffnung. Mit dieser Öffnung wird die Möglichkeit ergänzender neuer Angebote geschaffen. Aufgrund der Konzessionspflicht können die Auswirkungen von Angeboten Dritter auf Knoten- und Taktsystem, Trassensicherung, Tarifintegration, branchenübliche Löhne und Sozialvorgaben in die Beurteilung mit einbezogen werden.</p><p>Schliesslich bleibt festzustellen, dass es angesichts der Auslastung auf dem Schweizer Kern-Eisenbahnnetz sehr schwierig sein dürfte, für wirtschaftlich interessante Verbindungen überhaupt freie Trassen zu finden. Die Folgen der Öffnung dürften also unbedeutend bleiben. Weiter gehende Befürchtungen erscheinen unbegründet.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen vorzulegen, damit Artikel 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes geändert wird mit dem Ziel, dass das Parlament bei Entscheiden, bei denen es darum geht, mit anderen Staaten Vereinbarungen abzuschliessen, und welche die gegenseitige Anerkennung von Bewilligungen und von diesem Gesetz abweichende Bestimmungen vorsehen, mitbestimmen kann.</p>
    • Einbezug des Parlamentes in Liberalisierungsentscheide gemäss Personenbeförderungsgesetz

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